SITZUNGSPERIODE 2003

(1. Teil)

BERICHT

4. SITZUNG

Mittwoch, 29. Januar 2003, 10.00 Uhr

REDEBEITRÄGE IN DEUTSCH

Addendum I
Zu Protokoll gegebene Rede
zu dem Punkt 2 der Tagesordnung


Henryk KROLL, Polen, EPP/PPE

Meine sehr verehrten Damen und Herren.

In den letzten Jahren wurde die Debatte um die Reformierung der Architektur Europas sehr intensiv und kontrovers geführt. Die Schaffung eines europäischen Verfassungskonvents zeigt, wie sehr die politischen Eliten an einer weiteren Institutionalisierung Europas interessiert sind.

Ich bin kein EU-Skeptiker, vielmehr ein Euphoriker. Heute möchte ich diese Angelegenheit aber ganz pragmatisch beleuchten. Es ist zu früh für eine Konstitution Europas. Es ist Vorsicht geboten. Die Europäische Union steht vor einem historischen Prozess, dem Beitritt von zehn Staaten des ehemaligen Ostblocks. Als Vertreter aus Polen muss ich Ihnen wohl nicht erläutern, wie wichtig die Erweiterung für mich ist. Nun wird in Polen in wenigen Monaten ein Referendum abgehalten, welches den Beitritt zur Union ermöglichen soll. Besonders die EU-Gegner haben nun ihre Aktionen gestartet, um möglichst viele Bürgerinnen und Bürger auf ihre Seite zu ziehen.

Leider sind deren Bemühungen erfolgreicher als man es sich wünschen kann. Und jeder weitere Schritt der Mitgliedsstaaten, die Strukturen Europas zu verdichten und die Souveränität der Nationalstaaten einzuschränken, ist Wasser auf die Mühlen dieser gefährlichen Kräfte.

In einem Land, welches ein starkes nationales Selbstbewusstsein hat, welches aber gleichzeitig eine lange Geschichte der Fremdherrschaft kennt, reagieren die Menschen skeptisch auf Schlagwörter wie „EU-Verfassung“ oder „Vereinigte Staaten von Europa“. Das trifft sicherlich nicht nur auf Polen zu. Ähnlich ist die Situation in vielen anderen Beitrittsländern.

Meine Damen und Herren. Im Hinblick auf die Betrittskandidaten sollte nicht zu schnell vorangeschritten werden. Es ist eine schwierige Aufgabe, unserer Bevölkerung ein Europa der  Vaterländer zu erklären und nahe zu bringen. Noch mehr würde die Menschen überfordern.

Hier im Europarat sitzen wir gemeinsam und sind in der Lage, auch diejenigen zu hören, die bisher keine Repräsentanz in den Gremien der EU haben. Deshalb sollte der Europarat auch seine Bedenken in die Diskussion einbringen.

Lassen Sie uns die Entwicklung Europas evolutionär angehen, nicht revolutionär. Revolutionen haben nicht nur Gutes hervorgebracht.