SITZUNGSPERIODE 2003

(1. Teil)

BERICHT

7. SITZUNG

Donnerstag, 30. Januar 2003, 15.00 Uhr

REDEBEITRÄGE IN DEUTSCH


Christine LUCYGA, Deutschland, SOC

Herr Präsident, meine lieben Kolleginnen und Kollegen.

Auch ich möchte mich den Worten anschließen, die zu dem Bericht gesagt wurden und dem Berichterstatter danken. Ich bin inhaltlich völlig einverstanden, denn so dramatisch, wie die Lage hier beschrieben wurde, so dramatisch ist sie auch. Seit November des Vorjahres haben uns fast täglich Schreckensbilder von der galizischen Küste erreicht. Wir müssen zunächst daran erinnern, was hier von einheimischen und internationalen Helfern bei der Bekämpfung dieser Umweltkatastrophe getan wird. Dies verdient zunächst einmal unseren Dank und unsere Anerkennung, denn es wurde wirklich Unmenschliches geleistet. Denen aber, die sich vielleicht klammheimlich gesagt haben, dass der Kelch zum Glück an ihnen vorbeigegangen ist, sei gesagt, dass sie irren. Denn nicht erst seit aus dem Wrack der „Tricolor“ Öl austritt, das an Belgiens und Hollands Strände treibt und nicht erst seit der Ölteppich der „Prestige“ Frankreichs Küste erreicht, müsste jedermann klar sein, dass die Bedrohung der Meere allgegenwärtig ist.

Umso mehr sollte gefragt werden, warum es eigentlich bis jetzt im Schadensfalle kein abgestimmtes internationales Vorgehen gibt, um Umweltrisiken zu minimieren. Tatsache ist, dass europaweit noch erheblicher Koordinierungs- und Optimierungsbedarf besteht, um die Seesicherheit zu erhöhen. Es muss vor allen Dingen präventiv gehandelt werden. Leider ist es bisher so, dass erst dann eingegriffen wird, wenn etwas geschehen ist. So wird zum Beispiel momentan immer noch darüber gestritten, ob das „Prestige“-Unglück nicht vermeidbar gewesen wäre oder seine Folgen zumindest hätten gemindert werden können, wenn rechtzeitig ein Notfallhafen bereitgestanden hätte.

Schiffsunglücke wie das der „Prestige“ können sich jederzeit und mit schlimmen Folgen wiederholen, denn solange alte Schiffe unter Billigflagge mit nicht hinreichend qualifizierten Mannschaften auf Billiglohn-Niveau einerseits und Defizite beim gemeinsamen Handeln der Staaten andererseits erkennbar sind, werden diese Probleme viel zu lange ignoriert. Ich möchte im Übrigen daran erinnern, dass der Europarat bereits nach der Havarie der „Erika“ eine Resolution mit vielen Handelsvorschlägen verabschiedet hat. Ich erinnere an die Havarie des Holzfrachters „Pallas“ und die der „Baltic Carrier“ in der Kadettrinne. Wir haben in Deutschland nach diesen Vorfällen ein deutlich verbessertes Notfall- und Sicherheitskonzept und vor allem ein effektiveres Havarie-Management mit einem gemeinsamen Havarie-Kommando auf den Weg gebracht, dessen praktische Erfahrungen auch anderen europäischen Staaten  beim Aufbau ihrer Notfallkapazitäten in Zukunft nutzen sollten.

An dieser Stelle möchte ich aber auch an die Debatte zum Zustand der Ostsee erinnern, denn gerade die Ostsee ist ein zunehmend gefährdetes Gewässer, das sich durch seinen Binnenmeer-Charakter im Havariefalle kaum selber helfen kann. Die Kadettrinne ist, wie der Ärmel-Kanal, einer der gefährlichsten und meistbefahrenen Schifffahrtswege, dessen Verkehr zunimmt, seit Sankt Petersburg als Ölhafen Russlands immer mehr Tanker hindurchleitet. Greenpeace hat die Kadettrinne vier Wochen lang überwacht und festgestellt, dass in dieser Zeitspanne vierundzwanzig schrottreife Tanker, das heißt über zwanzig Jahre alte Einhüllentanker, gesichtet worden sind. Darunter waren auch drei Schwesternschiffe der „Prestige“, die ja bereits in solch einem Zustand war, dass sie jederzeit und überall hätte sinken können. Das zeigt, wie stark die Gefährdungen sind; und es sind noch fast 3 500 schwimmende Schrottkisten weltweit unterwegs. Es ist höchste Zeit, sie eher heute als morgen außer Dienst zu stellen. Deshalb sind auch die Beschlüsse der EU-Kommission, die ja immerhin noch eine Lebenszeit bis zum Jahre 2009 vorsehen, nur ein ganz kleiner Schritt in die richtige Richtung.

Ich muss zum Schluss kommen, aber ich möchte, dass wir noch einmal ganz kurz innehalten und daran denken, was das Meer uns bedeutet, wie es von Generation zu Generation den Menschen Arbeit und Brot gibt, wie es Völker und Kulturen geprägt und große Seefahrernationen hervorgebracht hat und wie wir damit umgehen. Auf der Fahrt nach Straßburg habe ich im Autoradio einen Song gehört, in dem es heißt: „Wir brauchen das Meer, das Meer braucht uns nicht.“ Ich sage, das Meer braucht uns, damit es uns erhalten bleibt.

Maximillian REIMANN, Schweiz, LDR

Herr Vorsitzender, geschätzte Kolleginnen und Kollegen.

Eigentlich hätte ich Ihnen heute gern einen schriftlichen Mitbericht des Wirtschaftsausschusses präsentiert. Wie Sie aber aus dem Bericht Herrn Etheringtons ersehen, trägt sein Dokument das Datum des 17. Januars. Es hat unserer Kommission leider an der nötigen Zeit gefehlt, um sich vertieft mit dem Bericht zu befassen. Vielleicht wäre es besser gewesen, diesen Verhandlungsgegenstand auf die nächste Sitzung zu verschieben. Die Brisanz und der Stellenwert des Themas für die Zukunft unserer globalen Gesellschaft hätte diese Verschiebung wohl gerechtfertigt. Ich sage das nicht zuletzt auch deshalb, weil der Bericht von Kollege Etherington förmlich zu einer kontradiktorischen Aussprache einlädt.

Die Wirtschaftskommission dankt jedenfalls Herrn Etherington für seinen Bericht, der in der Tat einige neue – um nicht zu sagen recht kontroverse – Ideen enthält. Im Wirtschaftsausschuss überwog aber die Meinung, dass der Bericht von Herrn Etherington noch gewonnen hätte, wenn er sich stärker mit Herrn Surjáns und meiner Motion befasst hätte, die ihm beide zugrunde liegen. Meine Motion, die ich bereits im Mai 2001, also vor bald zwei Jahren, eingereicht hatte, befasst sich mit einem dringenden Anliegen, nämlich mit den gewalttätigen Globalisierungsgegnern, die zunehmend zu einer echten Gefahr für Demokratie und Rechtsstaat werden. Wir haben in der Schweiz gerade über das letzte Wochenende ein weiteres Mal erlebt, wie die Antiglobalisierungschaoten im Nachgang zum World Economic Forum von Davos die Bundeshauptstadt Bern heimgesucht und dort große Zerstörungen hinterlassen haben. Diesen Aspekt vermisse ich weitgehend im vorliegenden Bericht. Ebenso meine ich, dass die von uns zu verabschiedenden Empfehlungen in Sachen gewalttätiger Globalisierung zu milde ausgefallen sind. Ich habe mir deshalb erlaubt, Ihnen dazu persönlich einige Änderungsanträge zu stellen, die ich am Schluss der Debatte hoffentlich noch kurz begründen kann.

Des Weiteren geht aus einer Resolution, die ich später noch erwähnen werde, hervor, dass gerade die Entwicklungsländer mehr Globalisierung wollen, eine Globalisierung auf gerechter und fairer Basis, nach den Prinzipien und Regeln der WTO und verbunden mit der nötigen sozialen Abfederung. Somit ist Globalisierung nicht nur etwas, wonach die industrialisierten Länder streben, sondern sie liegt insbesondere auch im Interesse der Entwicklungsländer.

Um zusammenzufassen: es ist ein interessanter Bericht von Herrn Etherington, mit dem ich zwar persönlich in einigen Punkten nicht einverstanden bin, der aber unbedingt die Ausgangsbasis für weitere Diskussionen sein und bleiben muss.

Rosmarie ZAPFL-HELBLING, Schweiz, EPP/PPE

Ich danke Ihnen, Herr Präsident.

Sind wir bereits bei der Haltung der Kommission zur nachhaltigen Entwicklung in Johannesburg? Sie müssen mich entschuldigen. Ich hatte noch eine andere Aufgabe im Haus und bin deshalb erst jetzt angekommen.

Die Kommission ist aufgefordert worden, zum Bericht der gemeinsamen Herausforderung nach dem Weltgipfel von Johannesburg Stellung zu nehmen. Der für das Umweltkomitee verfasste Bericht von Herrn Meale ist umfassend und enthält sehr gute Vorschläge. Ich werde mich aus diesem Grunde auf einige Punkte beschränken, die für unsere Kommission sehr wichtig sind.

Zehn Jahre nach dem Erdgipfel von Rio und dreißig Jahre nach der ersten Konferenz dieser Art in Stockholm, ist nun der Johannesburger Gipfel nicht mehr ein Erdgipfel, sondern eigentlich ein Weltgipfel. Der Berichterstatter betrachtet Johannesburg grundsätzlich als Erfolg. Es wurden Abkommen getroffen, die sowohl zur Armutsbekämpfung, als auch zur Reduzierung von Umweltschäden beitragen sollten. Der Ausschuss für Wirtschaftsfragen und Entwicklung hat immer betont, dass die ökonomische Entwicklung für die Armutsbekämpfung unerlässlich ist und dass wissenschaftliche Entwicklung und Umweltschutz Hand in Hand gehen müssen. Das ist für jede Entwicklung notwendig, vor allem im wirtschaftlichen Bereich und für Entwicklungen, die nachhaltig sein sollen.

So können zum Beispiel nur bessere Bildung und bessere Hygiene die Situation der Armut und der Gesundheit verbessern. Größerer Wohlstand durch wirtschaftliche Entwicklung führt zu geringeren Umweltschäden. Es erkranken heute noch immer 13 000 Menschen, weil sie verschmutztes Wasser trinken müssen. Mehr als achtzig Länder haben ein geringeres Pro-Kopf-Einkommen als vor zehn Jahren: das müsste eigentlich zu denken geben. Ungefähr 2,4 Milliarden Menschen leben in Regionen ohne Kanalisation. Auf der anderen Seite haben viele Länder, deren Pro-Kopf-Einkommen merklich gestiegen ist, dank wirtschaftlicher Entwicklung und freiem Handel große Fortschritte gemacht.

Unser Wirtschaftsausschuss arbeitet eng mit der Weltbank zusammen. Deshalb möchte ich einige kurze Bemerkungen zum Bericht der Weltbevölkerung von 2003 machen. Dieser Bericht schätzt, dass die Weltbevölkerung 2050 auf neun Milliarden angestiegen sein wird. Was das in wirtschaftlicher Hinsicht, für das Wachstum der Wirtschaft, aber auch für die Verteilung des Reichtums zwischen Arm und Reich heißt, das können wir uns vorstellen. Ein weiteres Problem ist die Verstädterung. Es wird geschätzt, dass 2050 zwei Drittel der Bevölkerung in Städten leben müssen. Das wird enorme Investitionen in Infrastruktur, Energie- und Wasserversorgung, Bildung und Gesundheit erfordern.

Johannesburg hat den Weg gezeigt, den man einschlagen könnte. Alle diese Forderungen müssen, denke ich, ernst genommen werden. Es muss besser zusammengearbeitet werden, Hand in Hand. Unsere Kommission unterstützt es, dass der Europarat mit der EU, der Wirtschaft und den Privaten zusammen diesen Weg einschlägt und somit eine Verbesserung erzielen kann.

Ich danke Ihnen.

Rosmarie ZAPFL-HELBLING, Schweiz, EPP/PPE

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen.

Ich bin natürlich sehr erfreut, dass meine Anregungen durch all diese Voten unterstützt wurden und erkannt wurde, wie wichtig eine Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Umwelt ist, um Armut zu bekämpfen, die Gesundheit zu verbessern, aber auch um allen Menschen auf dieser Welt eine Möglichkeit zur Bildung zu geben. Ich denke, es ist am wichtigsten, den Menschen die Möglichkeit zur Bildung zu geben, denn so können die großen Probleme der Drittweltländer gehandhabt werden. Ein weiterer Aspekt, den unsere Kommission immer wieder betont, ist die Einhaltung dieser Protokolle. Es ist bedauerlich, dass nach wie vor große Staaten wie die USA Protokolle nicht unterzeichnen. Gerade dies ist ein Staat, der zu den größten Verursachern der CO2-Situation auf dieser Welt gehört. Diese Staaten müssen natürlich dazu angehalten werden, ihre Aufgaben zu lösen. Sie müssen von uns allen in die Pflicht genommen werden. Hier hat meiner Meinung nach der Europarat noch eine wichtige Aufgabe.

Ich danke Ihnen.

Maximillian REIMANN, Schweiz, LDR

Herr Präsident, geschätzte Kolleginnen und Kollegen.

Ich halte mich ganz kurz, denn ich hoffe, anschließend noch kurz etwas zu fünf Änderungsanträgen sagen zu können. Dies richtet sich nur an die Adresse von Herrn Etherington. Für uns ist die geltende Grundlage das schriftliche Dokument vom 17. Januar. Wir konnten erst auf Basis dieses Dokumentes dazu Stellung nehmen, und nicht früher, zu mündlichen Verlautbarungen oder Anhörungen.

Maximillian REIMANN, Schweiz, LDR

Damit dies auch für Herrn Masseret klar ist: das sind Anträge der unterzeichnenden Parlamentarier und nicht irgendeiner Kommission, auch wenn ich es sehr schätze, dass die Präsidentin des Umweltausschusses diese Anträge mit unterzeichnet hat. Zu diesem ersten Antrag: die hier unter Paragraph 4 aufgelisteten Trends sollten durch einen weiteren positiven Akzent ergänzt werden. Es soll nicht nur von wachsenden Ungleichheiten die Rede sein, sondern es muss allgemein anerkannt werden, dass die Globalisierung und der freie Handel auch zu steigendem Wohlstand führen. In diesem Zusammenhang freue ich mich, dass Herrn Martinez im letzten Votum auch in dieser Richtung gesprochen hat. Ich verweise da insbesondere auf die Entwicklung in China, in Indien und in vielen weiteren Schwellenländern, auch in Zentral- und Osteuropa.

Maximillian REIMANN, Schweiz, LDR

Ich gebe damit diesem Antrag einen zusätzlichen Akzent. Ich teile die Besorgnis des Umweltausschusses das steigende Ungleichgewicht zwischen den wirtschaftlich entwickelten und anderen Ländern betreffend. Ich mache aber nicht einfach die Globalisierung dafür verantwortlich, sondern verweise auch auf die Ursache des ungenügenden, um nicht zu sagen schlechten Regierens. Das gilt nicht nur für Extremfälle wie Zimbabwe, Irak oder Nordkorea, sondern in mäßigerer Form auch für eine ganze Reihe anderer Staaten.

Maximillian REIMANN, Schweiz, LDR

Es genügt nicht, wenn wir die gewalttätigen Auswüchse, die mit erheblichen Sach- und Personenschäden verbunden sind und den Rechtsstaat gefährden, einfach milde bedauern. Das ist mir zu wenig und genügt nicht. Ich möchte deshalb, dass der Europarat diese chaotischen Ausschreitungen und die dahinter steckenden Netzwerke von gefährlichen Bewegungen verurteilt, und zwar auf der Basis unserer Resolution 1269, die wir vor einem Jahr verabschiedet hatten. Diese Resolution verurteilt Gewaltanwendung in allen ihren Formen und muss auch hier gelten und erwähnt werden. Es darf nicht sein, dass gewalttätige Bewegungen beispielsweise einen G8-Gipfel oder ein World Economic Forum massiv gefährden können, wie das derzeit der Fall ist.

Maximillian REIMANN, Schweiz, LDR

Danke, Herr Präsident.

Es wäre falsch, wenn wir mit dieser Entschließung eine Umstrukturierung der Weltwirtschaft ins Auge fassen. Das käme meines Erachtens einer Illusion gleich. Realistischerweise müssen wir uns auf den Begriff „Anpassung“, also „adaptation“, beschränken. Das Wort „Umstrukturierung“, „restructuration“, geht zu weit und schießt über das Machbare hinaus.

Maximillian REIMANN, Schweiz, LDR

Das ist mein letzter Änderungsantrag. Ich danke, dass Sie die Geduld hatten, diese Anträge über sich ergehen zu lassen.

Mit der Formulierung der Umweltkommission, die Wirtschaft müsse demokratisiert werden, tun wir so, als hätte sich die Wirtschaft bis heute außerhalb der demokratischen Strukturen bewegt. Das kann man aber so wirklich nicht behaupten. Ich spreche deshalb nur von „Weiterdemokratisieren“ und möchte damit zum Ausdruck bringen, dass sich die Weltwirtschaft schon heute grundsätzlich auf einem demokratischen Pfad befindet.