SITZUNGSPERIODE 2003

(2. Teil)

BERICHT

9. SITZUNG

Montag, 31. März 2003, 15.00 Uhr

REDEBEITRÄGE IN DEUTSCH


Andreas GROSS, Schweiz, SOC

Danke Herr Präsident. Meine Damen und Herren.

Ich fand es sehr richtig, dass Herr Georges Clerfayt seinen Rechenschaftsbericht über die letzten Wochen und Monate mit einer Bemerkung über den Krieg begonnen hat. Ich fand auch gut, dass Herr Eörsi gesagt hat, dass wir bereits über die Konsequenzen des Krieges sprechen sollten. Ich befürchte jedoch, dass wir den Kern unseres Problems im Zusammenhang mit dem Krieg auch am nächsten Donnerstag verpassen werden.

Am nächsten Donnerstag werden wir über den Krieg, das Leiden der Bevölkerung, die Grausamkeit, die Missachtung des Völkerrechtes – und darüber, ob es eine Missachtung war oder nicht –, die USA und ihre Rolle in der Welt sprechen. Wir werden jedoch sehr wahrscheinlich das vergessen, was im Herzen unserer Fragen stehen sollte, nämlich die Tatsache, dass Europa so wie noch selten in den letzten fünfzig Jahren auseinandergefallen ist. Seit 1989, vielleicht sogar seit 1945 war Europa noch nie so geteilt wie heute. Wir sollten uns daran erinnern, dass in dem ersten Paragraphen unseres Rates die Aufgabe steht, die Teile Europas zusammenzuführen. Die entscheidende Frage ist doch, wie wir es uns erklären, dass wir so auseinandergefallen sind. Weshalb sind wir so geteilt, obwohl wir ständig miteinander sprechen und obwohl wir einige Beschlüsse gefasst haben, die die Mehrheit der Regierungen und zum Teil auch der Parlamente missachtet haben. Wie ist das möglich? Wie ist es möglich, dass ein Land wie Spanien, welches traditionsgemäß zu den amerikaskeptischsten gehört, weil sein Diktator von den USA am längsten unterstützt worden ist, seltsamerweise so offen die USA gegen eine europäische – von Frankreich und Deutschland vielleicht zu triumphalistisch und zu rücksichtslos formulierte – Position unterstützt? Weshalb kann der amerikanische Präsident sagen, er führe im Namen der USA, Großbrittanniens, Australiens und Polens Krieg? Weshalb Polen? Wie ist das möglich?

Die deutsche Oppositionsführerin, Frau Merkel, hat gesagt: „Wir stehen heute aus Dankbarkeit hinter den USA.“ Damit unterscheidet sie sich von der Mehrheit ihrer Bevölkerung. Die Mehrheit hat nicht immer recht, aber wir sollten versuchen zu verstehen, weshalb die Politiker zum Teil so anders argumentieren als die Mehrheit ihrer Bevölkerung, weshalb die Regierungen so einseitig einen Standpunkt vertreten, der im Parlament vielleicht begrüßt wird, in der Bevölkerung aber auf Ablehnung stößt. Ist das Dankbarkeit? Was heißt aber Dankbarkeit? Suggeriert man dadurch – und das habe ich im Gespräch mit Kollegen aus Osteuropa gehört – dass wir den USA dankbar sind, weil es vor allem sie waren, die uns von dem sowjetischen Totalitarismus befreit haben? Stimmt das wirklich? Hat Herr Brandt nicht genauso viel zur Befreiung getan wie zum Beispiel Herr Reagan? Wenn es stimmt, ist dann Dankbarkeit die richtige Haltung? Die Deutschen und die Franzosen waren den USA gegenüber auch dankbar, weil sie ohne sie kaum von Hitler hätten befreit werden können. Dankbarkeit heißt jedoch nicht Unterwürfigkeit. Dankbarkeit heißt, aus Katastrophen gemeinsam zu lernen. Deshalb hat das wirklich neue Europa ein Recht geschaffen, das höher steht als das Recht und die Souveränität jedes einzelnen Staates. Das ist das neue Europa. Das alte Europa hat sich zerschlissen, weil jeder Staat das getan hat, was er im eigenen Interesse als das Beste ansah und dabei das Interesse aller vergaß. Heute wird dieses neue Europa geteilt und auseinanderdividiert.

Ich glaube nicht, dass wir erwarten können, am Donnerstag diese Ursachen zu erklären. Diese Ursachen  jedoch werden bleiben. Sie haben die Seele Europas verletzt. Es wird es sehr schwierig sein, diese Verletzung wieder zu heilen und sich neu zu finden, wenn wir uns nicht die Zeit nehmen, uns diese Ursachen anzusehen und das Geschehene wenigstens zu verstehen – auch wenn wir es nie wieder reparieren können. Im Verständnis können wir wieder neue Fundamente schaffen, die uns zur weiteren gemeinsamen Arbeit befähigen. Wir dürfen nicht einfach darüber hinweggehen wie ein gebranntes Kind, das gemerkt hat, dass etwas passiert ist, aber nicht dazu stehen will. Natürlich ist es schwierig, diese Sache aufzuarbeiten. Ich denke, wir sollten einen solchen Beitrag leisten, einen Bericht machen und – wenn es am Donnerstag nicht möglich ist – in der nächsten und übernächsten Sitzung darauf zurückkommen.

Vielen Dank.

Der Präsident

Danke schön, Herr Gross.

Rosmarie ZAPFL-HELBLING, Schweiz, EPP/PPE

Ich danke Ihnen, Herr Präsident.

Ich habe nun zum dritten Mal die Gelegenheit, mit diesem Budget hier zu stehen. Seit drei Jahren ist die Situation ernst. Wir sprechen immer wieder davon, und wir haben es auch heute wieder gehört. Ich möchte Herrn Crema und allen Sprechern danken, die auf diese schwierige Situation hingewiesen haben.

Kriege und Terrorismus nehmen ständig zu, aber die außenpolitischen Ressourcen in den einzelnen Parlamenten werden gestrichen. Es ist wichtig, dass hier in diesem Hause Prioritäten gesetzt wurden. Sie müssen jedoch auch eingehalten werden. Das möchte ich zu Frau Yarygina sagen. Wir haben Prioritäten, und diese sind wichtig : der Erweiterungsprozess, die Hilfe an Osteuropa und den Kaukasus, aber auch an Moldawien und die Ukraine. Die Forderungen der Kulturgruppe wurden in der Kommission aufgenommen, aber natürlich gehen Wünsche und finanzielle Möglichkeiten immer wieder auseinander und sind nicht parallel.

Unsere Aufgabe für Frieden und Stabilität, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit ist so wichtig, dass die nötigen Mittel in den Parlamenten bereitgestellt werden müssen. Ich möchte alle Kolleginnen und Kollegen bitten, bei ihren Parlamenten alles dafür einzusetzen, dass dies möglich wird.

Ich danke Ihnen.