SITZUNGSPERIODE 2004

(3. Teil)

BERICHT
 

22. SITZUNG

Donnerstag, 24. Juni 2004, 10.00 Uhr

REDEBEITRÄGE IN DEUTSCH


Klaus Werner JONAS, Deutschland, SOC

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren,

Ich habe der Diskussion hier mit großem Interesse beigewohnt und möchte einen ganz besonderen Aspekt noch einmal hervorheben.

Die Irak-Resolution des Sicherheitsrates markiert einen politischen Wendepunkt, dessen Bedeutung weit über diesen Irak-Krieg hinausgeht. Die so genannte Bush-Doktrin muss offensichtlich bereits nach ihrer ersten Anwendung modifiziert werden. Die Position der Irak-Kriegs-Gegner, die von Anfang an eine stärkere Einbeziehung der Vereinten Nationen gefordert haben, hat eine nachträgliche Bestätigung bekommen.

Die Irak-Resolution eröffnet jetzt, fünfzehn Monate nach Beginn des völkerrechtswidrigen Irak-Krieges, Chancen für eine Stabilisierung der Lage im Irak. Das Besatzungsregime wird offiziell zum 30. Juni 2004 enden. Der Autoritätstransfer an die irakische Übergangsregierung ist unumkehrbar. Besonders positiv ist es, dass es gelungen ist, der irakischen Übergangsregierung die volle Kontrolle über die finanziellen und natürlichen Ressourcen des Iraks zu sichern, eine Befristung der Präsenz der Besatzungstruppen bis längstens Ende 2005 festzulegen sowie zumindest ein Mitspracherecht der Bagdader Regierung in allen sicherheitspolitischen Fragen zu verankern. Diese Erfolge sind nicht zuletzt auf das beharrliche diplomatische Bemühen Russlands, Frankreichs und Deutschlands zurückzuführen.

Die unzureichende demokratische Legitimation der irakischen Übergangsregierung bleibt aber problematisch. Es beginnt ein offener politischer Transformationsprozess, in den die Vereinten Nationen ihre vielfältigen Erfahrungen einbringen werden und einbringen müssen. Vieles spricht aber auch dafür, dass die neue Interimsregierung Allawi eine bestimmte Portion an Distanz zu den USA braucht, um Autorität im eigenen Land zu gewinnen. Dabei sollte sie nicht an populistische Maßnahmen denken, wie die beabsichtigte Einführung der Todesstrafe. Ich denke, dass gerade zu diesem Thema die Haltung der Parlamentarischen Versammlung eindeutig ist. Es könnte die Verantwortlichen im Irak in eine Situation bringen, der sie unter Umständen nicht standhalten können, wenn zum Beispiel der Prozess gegen Saddam Hussein in ihre Verantwortung überstellt wird. Entscheidend ist aber die Einhaltung des in der Resolution festgelegten Zeitplans, der bis spätestens Januar 2005 freie und faire Wahlen im Irak vorsieht.

Eigentlich muss es erstaunen, dass Bush zu solchen Zugeständnissen bereit ist. Auch wenn diese weniger Einsichtsprozesse widerspiegeln als die Dimension des amerikanischen Dilemmas im Irak: diese Eingeständnisse schaffen Fakten für die globale Politik. Über kurz oder lang muss die National Security Strategy, die Bush im September 2002 unterzeichnete und deren Anspruch auf notfalls im Alleingang durchzuführende gewaltsame Regimewechsel im Falle des Irak eine erste Anwendung fand, umgeschrieben werden. Noch besser wäre, es käme angesichts der jetzigen Erfahrungen zu einem wirklich substantiellen europäisch-amerikanischen Dialog über eine gemeinsame politische Strategie. Dazu hat die Resolution einige wichtige Punkte genannt. Bushs aktuelle Probleme und die Anregungen der Europäer bieten hier eine hervorragende Ausgangslage.

Auch wenn die UN-Resolution den Wahlkampfinteressen der Bush-Regierung nutzt, so ist sie doch vor allem ein Erfolg für die Vereinten Nationen. Sie belegt, wie katastrophal die Konsequenzen des von den USA gegen den Willen der Mehrheit der UN-Sicherheitsratsmitglieder und der UN-Mitglieder geführten Krieges waren und sind. Es ist zu hoffen, dass die Umsetzung der Resolution zu einer Stabilisierung der Sicherheitslage im Irak führen wird. Die Bundesregierung Deutschland wird dabei nach ihren besten Kräften die Bemühungen um den Wiederaufbau im Irak unterstützen.