SITZUNGSPERIODE 2004

(4. Teil)

BERICHT
25. SITZUNG

Montag, 4. Oktober 2004, 15.00 Uhr

REDEBEITRÄGE IN DEUTSCH


József ÉKES, Ungarn, EPP/CD

Herr Präsident,

Ich danke Ihnen für das Wort. Zunächst einmal möchte ich Madame de Zulueta gratulieren. Sie hat unsere Gruppe so zusammen gehalten, dass der Bericht zum gemeinsamen Protokoll mit der OSZE korrekt erstellt werden konnte.

Ich bin in letzter Zeit sowohl in Russland als auch in Serbien bei den Wahlen gewesen und habe die Wahlen in Kasachstan als positives Ereignis empfunden, obwohl wir schon oft gehört hatten, dass das Demokratie-Defizit in Kasachstan zu groβ sei und diese Wahlen keinen Sinn hätten.

Man muss natürlich den historischen Hintergrund Kasachstans kennen. In Kasachstan leben 135 Minderheiten. Bei diesen Wahlen wurde zum ersten Mal ein elektronisches Wahlsystem getestet, was natürlich Fragen aufwarf: Wie wird ausgezählt? Ist das Verfahren demokratisch? In Wahlkreisen wie auch an den Wahlorten war – theoretisch – alles demokratisch vorbereitet, doch waren in den Wahlkreisen zu viele Personen eingeschrieben, was unserer Meinung nach für Wahlen immer nachteilig ist. Der Wohnort war nicht immer sicher festgelegt, doch nach Auszählung und Schlussbericht sind die Wahlen vorschriftsmäßig und demokratisch abgelaufen.

Aus diesem Grunde sind wir für die weitere Unterstützung Kasachstans durch den Europarat. Vor uns stehen die Wahlen in Weiβrussland und der Ukraine und natürlich werden eine Reihe schwieriger Fragen aufgeworfen. Für mich persönlich allerdings hat die Wahl in Kasachstan zu einem sehr erfreulichen Ergebnis geführt und ist daher positiv zu bewerten.

Rosmarie ZAPFL-HELBLING, Schweiz, EPP/CD

Herr Vorsitzender, Herr Generalsekretär,

Ich denke, Herr Sasi hat in seinem Bericht hervorragend dargelegt, welche Folgen das Scheitern der Doha-Runde gehabt hat. Die WTO war sich dieser Folgen auch bewusst und hat beschlossen, so bald wie möglich in Genf das zu verwirklichen, was in Rangoon nicht möglich war.

Die Auswirkungen betreffen nicht nur die ärmsten Länder der Welt, sondern auch die westlichen Industrienationen. Die EPP-Gruppe begrüßt daher auch den Durchbruch, der bei der Sitzung des Generalrates in Genf am 31. Juli erreicht wurde, und dass Entscheidungen für einen Neustart in der Doha-Runde gefällt wurden.

Der Erfolg ist aus mehreren Gründen sehr wichtig: In den Bereichen Landwirtschaft und Industrieprodukte, sowie zu Handelserleichterungen, wurden Weichen zu den Verhandlungen über die Modalitäten gestellt. Es wurde auch der Beweis erbracht, dass die WTO über ein funktionierendes System verfügt. Ein System, in dem weltweit 147 Mitglieder unterschiedlichster Entwicklungsstandards ihre Wünsche und Forderungen einbringen können. Die EPP-Gruppe begrüßt, dass in Zukunft transparentere Entscheidungen gefällt werden können, dass es eine besondere Herausforderung sein kann, Grundlagen vorzubereiten, die Entscheidungen herbeiführen können, indem mit Transparenz und gegenseitiger Information gearbeitet wird.

Wichtig ist für unsere Länder eine Verbesserung des Marktzutrittes im Industriegüterbereich und auf dem Dienstleistungssektor sowie die Vereinfachung der Zoll-Formalitäten. Dies wird dazu führen, dass zum Schluss der Verhandlungen der Grenzschutz abgebaut sowie die produktgebundene Inlandsstützung reduziert und die Exportsubventionen abgeschafft werden.

Wir brauchen ein gut funktionierendes, multilaterales Regelwerk im Handelsbereich.

Die Verhandlungen über eine Verbesserung des Marktzutrittes im Industriebereich und auf dem Dienstleistungssektor sowie die Vereinfachung der Zollformalitäten sind besonders wichtig.

Im Rampenlicht der Öffentlichkeit stehen natürlich – wie immer – die Verhandlungen im Agrarsektor. Wir begrüßen das Rahmenabkommen über die Landwirtschaft. Die Landwirtschaft steht nach wie vor vor großen Herausforderungen; deshalb setzt sich die EPP für einen sozialverträglichen Strukturwandel ein, wobei wichtig ist, dass jungen Landwirtsfamilien auch Perspektiven aufgezeigt werden können.

Für die Landwirtschaft sind auch nach der Doha–Runde ungebundene Direktzahlungen wichtig. Deshalb will sich unsere Fraktion von der Festlegung von Daten distanzieren. Wichtig ist aber auch, dass die Dritte-Welt-Länder echte Marktchancen bekommen.

Wenn man sich klar macht, dass sich in etwa 20 Jahren 50% des Welthandels zwischen den Ländern des Südens abwickeln wird, dann verschieben sich bald die Perspektiven und die WTO muss sich neu positionieren.

Wir alle wollen, dass die Armut auf der Welt reduziert wird. Es bedarf dazu allerdings großer Anstrengungen im wirtschaftlichen Bereich und Rücksichtnahme auf diejenigen Länder, die ihre Entwicklung nicht aus eigener Kraft so vorantreiben können, wie es nötig wäre.

Die WTO hat die Möglichkeit, ihr Ziel zu erreichen, sofern alle teilnehmenden Länder auch bereit sind, multilateral – und nicht nur in eigenem Interesse - zu handeln.

Klaus Werner JONAS, Deutschland, SOC

Herr Präsident, sehr geehrter Herr Generalsekretär, meine sehr geehrten Damen und Herren,

Als erstes möchte ich mich bei Herrn Sasi für diesen überaus interessanten, ausführlichen und vor allem aufschlussreichen Bericht bedanken.

Das Thema, das wir heute in dieser Runde behandeln, ist von groβer globaler Bedeutung. Wie der Titel schon sagt, befinden sich nicht nur der Welthandel, sondern auch wir beteiligten Staaten am Scheideweg.

Hierzu ist, mehr denn je, eine breit angelegte Diskussion von Nöten, zu der ich nicht nur beitragen möchte, sondern insbesondere auch die Position meiner Partei, des sozialdemokratischen Partei Deutschlands, in Bezug auf Doha noch einmal verdeutlichen werde.

Was die in der Vergangenheit etwas schwerfällige und konfliktgeladene Durchführung der Doha Development Agenda betrifft, so muss mit aller Deutlichkeit gesagt werden, dass nur mit einer zielstrebigen und konsequenten Umsetzung von Doha die Entwicklungsländer aktive Teilhaber am Weltmarktsgeschehen werden können. Dies sollte nicht nur ein Slogan sondern unser aller Ziel sein und ist, unter anderem, auch eine wichtige Richtlinie für die deutsche Entwicklungspolitik, da auch gerade für die Menschen in den Entwicklungsländern mit dem Erfolg von Doha groβe Hoffnungen verbunden sind.

Geschieht diese konsequente Umsetzung nicht, bleiben jene Entwicklungsländer allenfalls geduldete und stille Teilhaber in ausgewiesenen Teilbereichen wenn ihnen nicht sogar jegliche Mitwirkung untersagt wird. Des Weiteren wird eine Spaltung zwischen den Industrie- und Entwicklungsländern, die sich in der Vergangenheit andeutete, noch verschärft. Dies gilt es mit allen Anstrengungen zu verhindern.

So muss es uns gelingen, die Öffnung der westlichen Märkte weiter intensiv voranzubringen, die Handelsbarrieren abzubauen und somit Handelserleichterungen zu schaffen, so dass für die Entwicklungsländer ein höherer Ertrag erkennbar ist, als der, den wir über Entschuldungsmaβnahmen und Entwicklungshilfe leisten können. Selbstverständlich erfordert dieser Prozess nicht nur Anpassungsbereitschaft sondern auch Anpassungsfähigkeit aller Beteiligten.

Unzweifelhaft gibt es immer noch Mängel in Bezug auf einige WTO-Entscheidungen. Ich will es hier ganz deutlich sagen: Die vor kurzem bekannt gegebene Entscheidung der WTO-Schlichtungskommission zum Abbau der subventionierten Zucker- und Baumwollproduktion gibt aus entwicklungspolitischer Sicht keinen Anlass zu groβem Jubel.

Es steht fest, dass die notwendige Reform des europäischen Zuckermarktes die Interessen der Mehrzahl der Entwicklungsländer in den Vordergrund stellen muss. Hier dreht es sich vor allem um die Least Developed Countries, die, wie die meisten afrikanischen Länder, einen fast aussichtslosen Kampf gegen ihre gnadenlose Abhängigkeit von wenigen Rohstoffen wie Baumwolle, Zucker und Kakao führen, um Ernährung, Gesundheit und Bildung ihrer Bevölkerung zu gewährleisten. Exportsubventionen der Industrieländer verstärken die negativen Auswirkungen der Rohstoffabhängigkeit und behindern viele Entwicklungsländer durch die hierdurch entstehende Wettbewerbsverzerrung. Dies kann nur bedeuten, dass die Industrieländer insbesondere ihre landwirtschaftlichen Exportsubventionen abbauen. Dazu ist noch lange keine Entscheidung gefällt. Die Entwicklungsländer dürften auch von dem Abbau der Industriezölle profitieren.

Das vorläufige Urteil der WTO zeigt in Bezug auf die derzeitigen Haushaltsberatungen des Deutschen Bundestages die Richtigkeit des multilateralen Ansatzes der Bundesregierung. So haben die Sozialdemokraten Deutschlands erkannt, dass wir die multinationalen und multilateralen Institutionen stärken müssen, um die von uns erklärten langfristigen Ziele der Milleniums-Deklaration zur Halbierung der Armut bis 2015 zu erreichen. Hierzu zählen ich und meine Partei im Wesentlichen die Beteiligung der ärmeren Länder am internationalen Handel und die Verbesserung der Rahmenbedingungen für ihre wirtschaftliche Entwicklung. Dies wird unter anderem auch von den Beschlüssen des Deutschen Bundestages im Vorfeld der WTO-Verhandlungen unterstützt. Daraus folgernd kann das Rahmenabkommen, das diesen Juli in Genf erreicht wurde, als ein positives Zeichen für kommende multilaterale Verhandlungen gesehen werden.

Es ist zugleich jedoch auch eine groβe Verpflichtung für alle Beteiligten. Genf hat gezeigt, dass nur ein Miteinander der Industrieländer und der Entwicklungsländer in den Verhandlungen zu einem Ergebnis führen kann. Multilaterale Verhandlungen sind zwar ungleich schwieriger, jedoch allemal besser als bilaterale  und werden somit hoffentlich  auf der kommenden WTO-Konferenz in Hong-Kong im nächsten Jahr zu einer endgültigen positiven und vor allem zukunftsweisenden Umsetzung der Doha Development Agenda führen.

Dafür sind nicht nur die Entwicklungsländer sondern auch die europäischen Länder verantwortlich. Gerade die europäischen Unternehmen beziehen eine Vielzahl an Produkten von den Entwicklungsländern. Es ist ebenfalls wichtig, wie sie ihren Einfluss auf die Produktionsbedingungen in diesen Ländern ausüben für die Entwicklung der humanitären Situation und sollte daher unser Augenmerk verdienen.

Dankeschön.

Johannes RANDEGGER, Schweiz, LDR

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrter Herr Generalsekretär,

Auch ich möchte Herrn Sasi für seine hervorragende Arbeit als Vertreter des Europarates an der Konferenz von Cancun sowie für den ausgezeichneten Bericht über die Konferenz von Cancun und die bisherige Entwicklung bis zur Sitzung des Generalrates vom 31. Juli 2004 in Genf sehr herzlich danken.

Die kritische Analyse des Scheiterns der Cancun-Konferenz zeigt recht bald der Staatengemeinschaft, dass die Auswirkungen eines Stillstands in der Entwicklung der Doha-Runde nicht nur die ärmsten Länder am härtesten getroffen hätte, sondern dass auch auf der Basis bilateraler Verträge ein chaotischer Rückfall in längst vergangene Zeiten von Handelsabkommen in Kauf genommen werden müssen hätte.

Dieser Folgen waren sich die WTO-Mitglieder seit Anfang des Jahres bewusst und beschlossen daher, so rasch wie möglich in Genf nachzuholen, was in Cancun nicht gelungen war. Nun gelang in der Nacht auf den 1. August der Durchbruch in Genf  und es wurden die notwendigen Entscheidungen getroffen, damit die Doha-Runde fortgesetzt werden konnte.

Es gelang, ein Rahmenabkommen jeweils über die Landwirtschaft und über Industrieprodukte abzuschließen, sowie Verhandlungen über Erleichterungen im Handel zu lancieren; und bei den Dienstleistungen und den restlichen Verhandlungsthemen immerhin Impulse für die Fortsetzung von Verhandlungen zu setzen.

Mit Genugtuung darf ich hier feststellen, dass unter den rund sechs Gruppen von WTO-Mitgliedern die Schweiz als Koordinatorin der G10 eine wichtige und auch erfolgreiche Rolle wahrnehmen konnte.

Der Erfolg dieser Entscheidungen vom 1. August in Genf ist aus mehreren Gründen wichtig:

Zum einen stellt er wichtige Weichen für die Fortsetzung der Doha-Runde, nämlich diejenigen für die Verhandlungen über die Modalitäten in den schwierigen Bereichen Landwirtschaft und Industrieprodukte sowie Handelserleichterungen.

Zum zweiten ist er deshalb von Bedeutung, weil er den Beweis liefert, dass das WTO-System funktioniert, obwohl dieses System heute 147 Mitglieder aus der ganzen Welt umfasst, die zum Teil sehr unterschiedliche Interessen haben. Diese Tatsache darf  indessen nicht darüber hinweg täuschen, dass die Entscheidung im Agrarbereich lediglich von fünf Delegationen hinter verschlossenen Türen vorbereitet worden ist, was von zahlreichen Mitgliedern, inklusive der Schweiz, massiv kritisiert wurde.

In Zukunft wird es eine besondere Herausforderung sein, entscheidungsreife Grundlagen vorzubereiten und gleichzeitig Transparenz und Konsultationsmöglichkeiten mit allen Interessierten sicherzustellen.

Schließlich ist die Entscheidung auch deshalb wichtig, weil mit ihr das Signal gesetzt wird, dass die WTO imstande ist, sich gegenüber der Proliferation von regionalen Abkommen zu behaupten und sich den Herausforderungen der Globalisierung zu stellen.

Der Erfolg von Genf ist ein wichtiges Etappenziel auf dem Weg der Doha-Verhandlungen. Er bildet indessen noch kein Resultat; deshalb stellt sich die Frage, ob dieser Erfolg eine Etappe in der richtigen Konsolidierung des WTO-Systems darstellt, oder ob dieser nur möglich war, weil zahlreiche substanzielle Entscheidungen erst später getroffen werden müssen. Eine allfällige Krise des Systems wäre damit nur auf später verschoben worden. Die Entwicklungen innerhalb der nächsten zwei Jahre werden darüber näheren Aufschluss geben.

Für ein Land wie die Schweiz, das wirtschaftlich eng mit dem Ausland verflochten ist und maßgebliche Exportinteressen hat, sind die Verhandlungen über eine Verbesserung des Marktzutritts im Industriegüterbereich und im Dienstleistungssektor sowie über die Vereinfachung bei den Zollformalitäten besonders wichtig.

Im Landwirtschaftsbereich konnte ein Rahmenabkommen abgeschlossen werden, was einen weiteren Liberalisierungsschritt aufzeigt, und teilweise auch auf die spezifischen Bedürfnisse der schweizerischen Landwirtschaft Rücksicht nimmt. Dies wird dazu führen, dass am Schluss der Verhandlungen der Grenzschutz abgebaut sowie die produktgebundene Inlands-Unterstützung reduziert und die Exportsubventionen abgeschafft werden.

Die Modalitäten sind indessen noch offen und müssen in der jetzt anlaufenden Modalitäten-Verhandlungsphase ausgearbeitet werden.

Insgesamt gesehen liegt die Entscheidung von Genf im Interesse der Schweiz, die auf ein faires und gut funktionierendes mulilaterales Regelwerk im Handelsbereich ganz besonders angewiesen ist.

Ich danke Ihnen.