SITZUNGSPERIODE 2004

(4. Teil)

BERICHT
31. SITZUNG

Donnerstag, 7. Oktober 2004, 15.00 Uhr

REDEBEITRÄGE IN DEUTSCH

Addendum 01
Zu Protokoll gegebene Reden
zum Punkt 2 der Tagesordnung


Renate JÄGER, Deutschland, SOC

Sehr geehrter Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen,

Vielen Dank, Herr Meale, dass sie alljährlich das Thema der Nachhaltigen Entwicklung aufgreifen und immer wieder diese Problematik ins Bewusstsein rufen. Auch wenn es nur kleine Fortschritte gibt, dürfen wir uns nicht entmutigen lassen. Auch wenn wir wissen, dass das Kyoto-Protokoll nicht ausreichend sein wird, muss dieser erste Schritt gegangen werden.

Der Grund für die eher schwache Schutzwirkung des Kyoto-Protokolls für das Klimasystem ist unter anderem darin zu sehen, dass die USA, die den gröβten Anteil an der Klimaerwärmung haben, aus dem Protokoll ausgeschieden sind und China, Australien und Indien immer noch nicht dabei sind.

Einen weiteren Grund geben die neueren wissenschaftlichen Erkenntnisse. So hat der Wissenschaftler Prof. James Hanson vom Goddard Institute der NASA in der amerikanischen Zeitung „Scientific American“ vom März 2004 als wichtigste Aufgabe benannt, den starken Anstieg des Meeresspiegels zu verhindern. Der Anstieg des Meeresspiegels verlief in geologischen Zeiten mal sehr langsam und mal sehr schnell, mitunter 1 Meter in 20 Jahren, das wären schlimmstenfalls 5 Meter in 100 Jahren. Ein solch schneller Anstieg ist nach Hanson zu erwarten, wenn sich die Temperatur der Atmosphäre um mehr als 1° Celsius erhöht. Dies würde zu einer Katastrophe für alle Küstenräume führen mit unabsehbaren Verteilungskämpfen, das heiβt auch Kriegen. In einem Report des IPCC geht man bis 2100 von einer globalen Erwärmung von 1,4 bis 5,8° Celsius aus. Also könnte ein solches Szenario durchaus Realität werden, wenn wir jetzt nicht handeln.

Nach anderen Untersuchungen wäre eine Reduktion der globalen Emissionen  um langfristig 70% notwendig, wenn wir die Klimaschutzanstrengungen nur – ich sage „nur“ – an der Vermeidung ganz konkreter Risiken ausrichten.

Trotz der Unzulänglichkeiten muss dieses Kyoto-Protokoll weltweit so schnell wie möglich umgesetzt werden. Ich appelliere deshalb noch mal an alle Mitglieder des Europarates, hier beispielgebend voranzugehen. Es ist paradox, wenn ein Land die Umsetzung des Kyoto-Protokolls verweigert, weil es nicht weit genug geht. Dieses Protokoll ist ein notwendiger Schritt, dem weitere Schritte folgen müssen. Es ist neu nachzudenken darüber, ob wir die nächsten Schritte erst für die Zeit nach 2013 vorsehen. Ich plädiere dafür, bereits jetzt mit der Erarbeitung weiterer Schritte zu beginnen. Auch angesichts der langen Verhandlungsprozesse wäre das geboten.

Lassen Sie mich noch einige Sätze sagen zu dem Argument, die Umsetzung des Kyoto-Protokolls wäre finanziell zu teuer. Alle Kosteneinschätzungen für die Umsetzung des Kyoto-Protokolls basieren auf Modellen, die die Kosten von Vermeidungsmaβnahmen und den dadurch vermiedenen Schäden gegenüberstellen. Dabei bedient man sich unterschiedlicher Modelle, die wiederum auf unterschiedlichen Kriterien basieren. Dieser Sachverhalt wird von Laien oft nicht durchschaut und von den Medien falsch wiedergegeben. Daher kommt es oftmals zu abstrusen Kosteneinschätzungen. Extrem schwierig wird es, wenn die vermiedenen Schäden durch Klimawandel monetär bewertet werden sollen. In vielen Fällen existiert für solcherart Schäden ja kein Marktpreis. Und wie will man den Nutzen durch Umbau des Energiesystems bewerten, der zum Beispiel zu einer geringeren Abhängigkeit von Importen führt oder im Extremfall Kriege vermeidet? Jede Kosten-Nutzen-Analyse auf solcher Basis ist sehr kritisch zu betrachten und als Ablehnungsgrund für eine Unterzeichnung und Ratifizierung des Protokolls nicht geeignet.