SITZUNGSPERIODE 2005

(2. Teil)

BERICHT
10. SITZUNG

Dienstag, 26. April 2005, 10.00 Uhr

REDEBEITR�GE IN DEUTSCH


Sabine LEUTHEUSER-SCHNARRENBERGER, Deutschland, LDR

Sehr geehrter Herr Pr�sident,

sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

im Namen der LDR-Gruppe darf ich zun�chst Sie, Herrn McNamara, ganz herzlich zu diesem hervorragenden, fundierten Bericht und den klaren Aussagen begl�ckw�nschen, die darin enthalten sind. Genau das zeichnet ja die Arbeit des Europarates aus - dass er in einer so schwierigen Situation beim Vorgehen gegen Terroristen auch dort Position bezieht, wo es um die Rechte jedes einzelnen geht, auch derjenigen, die verd�chtigt werden, terroristische Taten begangen zu haben.

Sie haben nicht nur sehr nachhaltig und sehr nachdr�cklich die Bedingungen in Guantanamo Bay dargestellt, sondern auch sehr �berzeugend die juristische Situation geschildert; und ich darf f�r die LDR-Gruppe ganz deutlich sagen: Wir unterst�tzen Ihren Bericht in diesen klaren Forderungen in der Resolution und den Empfehlungen.

Wir sehen ein gro�es Problem darin, dass pauschal � ohne konkrete Anhaltspunkte und Tatsachen - mehr als 660 Menschen aus vierzig verschiedenen L�ndern seit Jahren in Guantanamo Bay inhaftiert sind, und dass ihnen gerade im Namen des Kampfes gegen den Terror grundlegende Rechte vorenthalten werden. Deshalb muss der Europarat mit diesem heutigen Bericht und mit der heutigen Vorlage deutlich machen, dass auch in schwierigen Situationen beim Vorgehen gegen Terrorismus und gegen neue Herausforderungen durch terroristische Gef�hrdungen lang erk�mpfte Menschenrechte und Rechtsstandards auch in dieser Situation nicht preisgegeben werden d�rfen.

Der Berichtsentwurf stellt eindeutig und unmissverst�ndlich klar, dass die Umst�nde der Inhaftierung rechtswidrig sind; und ich glaube, mit diesem Bericht sollten wir auch �ber den Rahmen der Versammlung hinaus aufr�tteln und mehr �ffentlichkeit f�r eine fundierte Auseinandersetzung gewinnen � die Auseinandersetzung mit dem notwendigen Vorgehen gegen Terrorismus in vielen L�ndern. In Ihrem Land, im Vereinigten K�nigreich, in Deutschland, in vielen Mitgliedstaaten des Europarates findet er statt � mit neuen Gesetzen und neuen �berlegungen.

Doch wir sollten das Signal des Europarates heute aussenden, dass aus unserer Sicht ein Vorgehen gegen Terrorismus nur dann unterst�tzenswert ist, wenn damit auch die Grundlagen unseres Verst�ndnisses der Menschenw�rde jedes einzelnen � auch eines m�glichen Terroristen und Kriminellen � in dieser schwierigen Situation geachtet und gewahrt werden.

Dies ist eine der Hauptaufgaben des Europarates, denn staatliches Handeln � mit Milit�r, Polizei und mit Justizorganen � muss sich gerade an diesen rechtsstaatlichen Standards orientieren. F�r uns als liberale Gruppe ist entscheidend, dass Staaten sich nicht beliebig, je nach Gef�hrdungslage, �ber die von ihnen eingegangenen Verpflichtungen und anerkannten Grunds�tze hinwegsetzen. Deshalb r�tteln wir mit diesem Bericht auf, und ich glaube, dass wir mit einer breiten Unterst�tzung dieses Hauses im Jahre 2005 eine neue Auseinandersetzung zum Thema Guantanamo Bay und dar�ber, was auch die Mitgliedstaaten tun k�nnen, unterst�tzen und initiieren. Dies ist nicht nur ein wichtiger Wert, sondern auch eine wichtige Botschaft f�r den Europarat-Gipfel im Mai: Der Europarat l�sst sich in seinem Kampf und in seinem Einsatz f�r die Menschenrechte und f�r diejenigen, die in einer schwierigen Situation einen Anwalt brauchen, nicht beirren. Dieser Anwalt muss ihre Rechte formulieren, doch er muss auch ganz klar sagen: Bei Einhaltung von Rechten m�ssen nat�rlich all diejenigen, die sich durch die Verletzung der Rechte anderer schuldig gemacht haben, die diese Rechte mit F��en getreten haben und ohne R�cksicht auf das Leben anderer viele Menschen t�ten und gef�hrden, vor den Gerichten zur Verantwortung gezogen werden. Wir sind nicht wehrlos in dieser Auseinandersetzung, doch es gilt, Werte zu bewahren.

Vielen Dank.

Christine LUCYGA, Deutschland, SOC

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

wir alle haben dem Berichterstatter, Herrn McNamara, f�r einen fundierten und sehr informativen, ausgezeichneten Bericht zu danken, der auch Auswirkungen auf die politische �ffentlichkeit haben muss. Ich muss gestehen: Ich habe es in diesem Hause nicht oft erlebt, dass ein Bericht auf eine so breite und ungeteilte Zustimmung st��t, und das h�ngt wohl damit zusammen, dass wir die Leitidee des Europarates, den Einsatz f�r Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit, hier so unverf�lscht wieder finden.

Andererseits benennt der Bericht aber durchaus auch Ursachen; er weist auf die Gefahren hin, die der Rechtsstaatlichkeit und dem Rechtsverst�ndnis drohen, wenn gegen die Regeln des Rechts versto�en wird. Der Bericht benennt die Ursachen, denn es ist wirklich so:

Der 11. September ist nicht vergessen und wird auch nie vergessen werden. Seine Wirkung war gewisserma�en �hnlich wie die der B�chse der Pandora: Er hat gezeigt, dass die terroristische Bedrohung da ist, sie ist real und omnipr�sent, was auch die furchtbaren Ereignisse in Madrid vom Vorjahr best�tigt haben.

Es gibt keine Alternative zur Bek�mpfung des Terrorismus, auch in diesem Punkt sind wir uns einig. Die Frage ist also nicht, ob, sondern wie. Hier nun tut sich ein immer gr��er werdender Riss zu den Vereinigten Staaten von Amerika auf, was zu beklagen ist, denn die USA haben ja auch im mittlerweile vergangenen Jahrhundert als Geburtshelfer f�r Demokratien in Europa gedient. Gerade wir Deutschen wissen, wovon wir reden; deshalb kann uns nicht gleichg�ltig sein und muss uns schmerzen, dass in dem �Mutterland der Demokratie’, wie es immer genannt wird, derartige Dinge geschehen.

Und damit sind wir beim eigentlichen Thema: Wir erleben ziemlich fassungslos, dass hier offenbar nicht mehr die St�rke des Rechts gilt, sondern das Recht des St�rkeren zur Anwendung kommt, und hier d�rfen wir Europ�er nicht still halten. Ein gro�er europ�ischer Staatsmann sagte einmal: �Wer ein Unrecht geschehen l�sst, bahnt dem n�chsten den Weg�. Dies sind nun genau die Gefahren, die auch f�r uns von den menschenverachtenden Vorg�ngen in Guantanamo, aber auch in Abu Ghraib und an anderen Orten der Welt ausgehen.

Deshalb ist der hier vorgestellte Bericht f�r uns Europ�er so enorm wichtig, denn wir m�ssen eine klare Position beziehen. Die Informationen, die Fotos, auch die Dokumentationen �ber Gewaltanwendung zur Erzwingung von Gest�ndnissen, zur Einsch�chterung, oder einfach nur aus Lust am Qu�len � wie es leider bei so jungen Soldaten eben auch vorkommt � haben in der Welt�ffentlichkeit �berall Emp�rung hervorgerufen; nur die politischen Konsequenzen in Amerika selbst sind �u�erst gering.

Wir wollen deshalb alles tun, damit es gerade nicht dazu kommt, dass diese Prinzipien einseitig au�er Kraft gesetzt werden. Es geht nicht an, dass die Genfer Konvention zur Behandlung von Kriegsgefangenen einseitig au�er Kraft und als nicht bindend, als ung�ltig erkl�rt wird. Dagegen m�ssen wir uns wehren.

Ich m�chte hinzuf�gen, dass ich es als ermutigendes Zeichen empfinde, dass auch in den Vereinigten Staaten selbst die Rechtsstaatlichkeit nicht bedenkenlos dem Kampf gegen den Terrorismus geopfert wird; wie die Entscheidung des Obersten Gerichts der USA vom Vorjahr beweist. Das Gericht hat klar und deutlich herausgestellt, dass die Gefangenen von Guantanamo gerade nicht in einem rechtsfreien Raum leben, sondern dass sie Rechte haben, dass die Gr�nde ihrer Inhaftierung in Frage stellen k�nnen, dass sie diese Gr�nde �berhaupt erfahren d�rfen, dass sie Anspruch auf Beistand haben.

Es geht aber darum, diese Erkenntnisse und Aussagen nun auch in die Praxis umzusetzen;

und ich bin froh dar�ber, dass auch hier im Europarat heute noch einmal in dieser Eindeutigkeit und Einm�tigkeit eine Distanzierung von rechtswidrigen Praktiken vorgenommen wird. Der Bericht von Kevin McNamara ist ein ganz bedeutender Beitrag dazu; und ich m�chte ihm noch einmal danken.