AL06CR12

AS (2006) CR12

 

Provisorische Ausgabe

SITZUNGSPERIODE 2006

(2. Teil)

BERICHT

12. SITZUNG

Mittwoch, 12. April 2006, 10.00 Uhr

REDEBEITRÄGE AUF DEUTSCH


Ruth-Gaby VERMOT-MANGOLD, Schweiz; SOC

Herr Präsident!

Meine Damen und Herren,

der Frauenhandel hat in den letzten Jahren, seit der Öffnung der Grenzen gegen Osten, massiv zugenommen. Laut einer UN-Studie werden jedes Jahr zwischen 700 000 und zwei Millionen vorwiegend Frauen und Mädchen Opfer von Menschenhändlern, und jährlich kommen rund 120 000 Frauen und Mädchen „neu auf die europäischen Märkte“. Spezielle Frauen-Organisationen sprechen gar von rund 500 000 neuen Frauen aus dem Osten und Süden Europas – eine Zahl, die wohl eher stimmen dürfte.

Die Gründe für den Menschen- und vor allem den Frauenhandel sind neben der Verachtung der Menschenwürde die prekäre Situation auf dem Arbeitsmarkt in den Herkunftsländern, der Mangel an Arbeits- und Ausbildungsplätzen, die steigende Armut, aber auch die gesellschaftliche Diskriminierung von Frauen in vielen Ländern. Hinzu kommen die schamlosen Profite für die Menschenhändler - gesicherte Zahlen gibt es hier nicht, denn die Gewinne befinden sich in einer wohlgeschützten Grauzone. Sie sollen jedoch mehrere Milliarden Dollar betragen.

Auf dieses lukrative Geschäft, meine Damen und Herren, verzichtet das organisierte Verbrechen nicht, zumal es sich durch Korruption und Geldwäsche gut geschützt weiß.

Die Ausbeute aus dem Waffen-, dem Drogen- und vor allem dem Menschenhandel ist sichtlich enorm.

Im Rahmen dieser Situation muss man auch große Anlässe wie zum Beispiel die Fußball-Weltmeisterschaft betrachten, die vom 09. Juni bis zum 09. Juli in Deutschland stattfindet, und wo in den zwölf Austragungsorten, also in den Städten, rund drei Millionen Zuschauer erwartet werden. Ich erinnere daran, dass auch die EURO 2008 nicht mehr fern ist, die ja in Österreich und der Schweiz stattfindet.

Clevere Geschäftsleute wissen solche Großveranstaltungen zu nutzen, indem sie ihren Schlachtenbummlern in riesigen, für diesen Anlass eigens erbauten Eros-Centern billigen Sex anbieten lassen. Die Bordelle in den Quartieren werden belebt, Wohnungen angemietet und Frauen herangekarrt – so einfach ist das. Wichtig ist dabei, dass sich jeder ein Stück vom großen Gewinnkuchen abschneiden kann.

Nicht-Regierungsorganisationen haben die Öffentlichkeit alarmiert und darauf hingewiesen, dass während der Fußballweltmeisterschaft 2006 rund 30 000 bis 60 000 Frauen aus mittel- und osteuropäischen Ländern als Sexsklavinnen importiert werden. Der größte Teil dieser Frauen kommt nicht freiwillig her; es sind Opfer, die glauben, Arbeit zu finden, jedoch mit falschen Versprechen hergelockt werden. Erst am neuen Arbeitsort werden sie in ihre neue Tätigkeit eingeführt; Zwangsprostitution, perverser Sex, Alkohol, Medikamente, kein Schutz, keine Verträge, keine Papiere, keine Chance, sich zu wehren, keine Chance, Hilfe zu holen, Drohungen, Vergewaltigungen, Missbrauch, Gewalt und wieder Gewalt.

Wer trägt nun die Verantwortung dafür? Alle, absolut alle.

Die Veranstalter dieses weltweiten Events, die Fußball-Verantwortlichen, die Behörden, vor allem jedoch die Konsumenten des Sex, den Frauen unter Drohungen und Gewalt verkaufen müssen. Der wichtigste Player in dieser Runde ist jedoch die FIFA, die sich auf den Prospekten, die sie verteilt, mit lachenden Jugendlichen präsentiert – ein schönes und vielversprechendes Bild. Allerdings hatten NGOs und der Europarat gehofft, dass sich die FIFA auch darüber klar wäre, dass eine derartige Großveranstaltung nicht nur Ruhm und Freude einbringt, nicht nur Konsumenten und Fans, sondern dass auch der Frauenhandel und der Handel mit Jugendlichen zwecks Versorgung der Fans und Besucher mit billigem Sex eine Rolle spielt.

Die FIFA wurde in den letzten Wochen mehrfach auf ihre Verantwortung angesprochen, allerdings vergeblich. Ein Brief von Sepp Blatter, dem Präsidenten der FIFA, zu diesem Thema, ist ernüchternd und enttäuschend. Zwar räumt er ein, dass die FIFA sich darüber klar sei, dass der Sport, vor allem der Fußball eine wichtige Rolle spiele und eine klare Botschaft vermitteln müsse im Kampf gegen die großen Gefahren, die die Gesellschaft bedrohen.

Leider scheint aber gerade der Frauenhandel für Blatter nicht in die Kategorie der Gefahren für die Gesellschaft zu fallen. Er beruhigt mit dem Hinweis, dass Deutschland dieses Problem doch wohl im Griff habe, schließlich würden die illegalen Prostituierten aufgegriffen und des Landes verwiesen, so, wie es das Gesetz vorsieht. So einfach ist das?

Die FIFA, sagt Blatter, setze sich ja bereits ein für den Kampf gegen Kriminalität und Gewalt, für die Rechte der Kinder und den Frieden. Das ist gut und richtig so; doch Kinderrechte? Herr Blatter weiß genau, dass unter den gehandelten Frauen auch Kinder und Jugendliche sind, die ganz besonders schutzbedürftig wären.

Die FIFA kann den Handel mit Frauen und Kindern nicht allein bekämpfen.

Frauenhandel ist ein weltweites Verbrechen und muss auch weltweit bekämpft werden.

Ich habe jedoch von der FIFA erwartet, dass sie das Gespräch aufnimmt und im Rahmen der Weltmeisterschaft ein Stück der Verantwortung wahrnimmt. Dies war ein Trugschluss; die FIFA sieht ihre Verantwortung ausschließlich innerhalb – was uns eigentlich alle aufrütteln müsste – und nicht außerhalb der Stadien. Dies ist jedoch ein Irrtum. Die Behörden der Austragungsorte müssen daher auch tief in die Tasche greifen, damit die Sicherheit außerhalb der Stadien gewährleistet ist. Für eine Kampagne gegen den Frauenhandel ist aber offenbar jeder Euro zuviel.

Sport und Gewalt – sind das die lachenden Gesichter auf dem Logo der FIFA?

Es gibt Instrumente gegen den Frauenhandel: Kampagnen, Prävention, aktive Aufklärung.

Es gibt aber auch die Konvention des Europarates, die letztes Jahr in Warschau zur Unterschrift aufgelegt wurde. Sie verlangt einen umfassenden Schutz für die Opfer von Menschenhandel, und sie will aber auch genau das verhindern, was die FIFA offenbar so beruhigend findet – die sofortige Rückführung der beim Sexgeschäft erwischten Opfer in ihre Heimatländer. Vielmehr sollen die betroffenen Frauen einen provisorischen Aufenthaltsort erhalten und ihre Situation reflektieren können. Sie können vor neuen Übergriffen wie auch vor der Rache der Händler geschützt werden, wenn sie zurückkehren. Frauen sollen nur dann zurückkehren, wenn ihre Sicherheit gewährleistet ist. Mit dieser Konvention wird erstmals der Schutz der Opfer gefordert; die Opfer von Menschenhandel sollen als erstes eine menschenwürdige Behandlung erfahren.

Was Opfer über ihre Erfahrungen erzählen, ist entsetzlich. Ich denke da an die schwangere Frau aus der Ukraine, die von einem Freund der Familie verkauft wurde, oder an die junge Frau, die in ihrem jungen Leben bereits achtzehn Mal verkauft wurde.

Die Konvention verlangt aber vor allem auch, dass die Täter verfolgt und Strategien entwickelt werden, die den Menschenhandel, den Frauenhandel, verhindern. Leider wird diese Konvention wenig beachtet; erst 26 Länder haben sie unterzeichnet, und seit neuestem haben wir erfahren, dass einzig Moldawien, eins der am meisten betroffenen Herkunftsländer, die Konvention ratifiziert hat.

Meine Damen und Herren, das ist zuwenig! Wir müssen so bald wie möglich alle diese Konvention ratifizieren, um den Frauenhandel, den Menschenhandel, endlich einen Riegel vorzuschieben.

Präsident

Vielen Dank, Frau Berichterstatterin. Jetzt gebe ich das Wort Mendes Bota aus Portugal, der im Namen der EVP-Gruppe spricht.

Eduard LINTNER, Deutschland, EPP/CD/PPE/DC

Herr Vorsitzender, meine lieben Kolleginnen und Kollegen,

es passt vielleicht ganz gut, dass ich nach diesem Beitrag als erster deutscher Delegierter hier spreche, und vielleicht darauf hinweisen darf, dass wir in Deutschland natürlich die Sorge, die hier zum Ausdruck gekommen ist, dass Frauenhandel und Zwangsprostitution während dieses Großereignisses deutlich anwachsen; sehr ernst nehmen.

Diese Gefahr entspricht ja auch, wie bereits erwähnt wurde, den Erfahrungen, die allerorts bei solchen Ereignissen bislang gemacht worden sind – hier wird Deutschland mit Sicherheit keine Ausnahme sein. Es gibt jedoch, dies möchte ich sagen, nach den bisherigen Erkenntnissen keinen Beleg dafür, dass tatsächlich bis zu 60.000 Frauen zusätzlich, unter Zwang, nach Deutschland kommen werden. Allerdings bedeutet dies nicht, dass wir das Problem kleinreden möchten, sondern es muss selbstverständlich alles getan werden, um diesen Frauen zunächst einmal zu helfen, und das Phänomen an sich wirksam zu bekämpfen. Daran arbeitet Deutschland im Grunde schon seit Jahren – bereits seit 1997, als von Weltmeisterschaft noch keine Rede war, gibt es eine bundesweite Arbeitsgruppe „Frauenhandel“, der alle fachlich betroffenen Ministerien, des Bundes sowie der Länder, angehören. Ebenso sind auch das Bundeskriminalamt sowie mehrere NGOs mit dabei. Es ist auch sichergestellt, dass zentrale Forderungen des Europarats, wie sie in dem Bericht zum Ausdruck kommen, tatsächlich auch erfüllt werden. Eines der wichtigsten Dinge die wir unternommen haben ist zum Beispiel, dass Frauen, die Opfer von Zwangsprostitution geworden sind, die als Opfer gesehen werden und nicht als illegale Einwanderer Hilfe von der Polizei bekommen, die wiederum eng mit Jugendämtern und Fachberatungsstellen zusammenarbeitet.

Es ist auch sichergestellt, und hier darf ich die Berichterstatterin leicht korrigieren, dass Frauen nicht abgeschoben werden, sondern sie können mindestens die geforderten vier Wochen im Land bleiben, sie werden von Psychologen betreut, so dass diese Forderung auch erfüllt ist. Wir haben in Deutschland eine einschlägige Notrufnummer geschaltet; es ist dies bei uns schon seit Jahrzehnten gültige und bekannte Notrufnummer 110. Im Gegensatz zu sonst wird hier darauf hingewiesen, dass auch anonymen Hinweisen nachgegangen wird. Wir fordern also beispielsweise die Kunden auf, sollten sie Hinweise auf Zwangsprostitution haben, bei der Gewalt im Spiel ist, sich anonym bei der Polizei zu melden, und dann wird diesen Hinweisen auch nachgegangen. Es sind Flyer produziert worden, auf denen auf diese Nummer hingewiesen wird. Im Fan-Material wird auf diese Nummer hingewiesen, und sie wird auch bundesweit in einer gesonderten Aktion noch einmal bekannt gegeben.

Auch die im Bericht erwähnte Kampagne „Abpfiff – Schluss mit Zwangsprostitution“ des deutschen Frauenrates ist ein Bestandteil der zu ergreifenden Maßnahmen. Damit soll die Sensibilität der gesamten Bevölkerung für den menschenverachtenden und kriminellen Charakter von Zwangsprostitution erhöht werden. Dies alles sind wichtige Voraussetzungen für den Erfolg solcher Bemühungen. Für Deutschland darf ich sagen, dass der Deutsche Fußballbund mit seinem Präsidenten bei all diesen Aktionen aktiv engagiert und beteiligt ist.

Ich möchte aber auch darauf hinweisen, dass man bei dieser Weltmeisterschaft nicht nur auf Deutschland schauen darf, sondern dass viele Kunden und Beteiligte an diesem Geschehen als Gäste aus dem Ausland kommen, und deshalb ist es wichtig, dass die deutschen Behörden in der internationalen Zusammenarbeit auf Bereitschaft bei den anderen Staaten treffen, und dass wir eng zusammenarbeiten. Es ist natürlich wünschenswert, dass bei den Nachbarstaaten, bzw. den Staaten deren Mannschaften bei uns sind, entsprechende Schritte, in Form von Aufklärung und dergleichen, unternommen werden, um den potenziell Beteiligten zu helfen. Der Hinweis auf die Leichtgläubigkeit, mit der manche in dieses Geschehen hineingezogen werden ist sicher von Nutzen, und ich bin Moldawien dafür dankbar, dass es diesen Schritt unternommen hat.

Sie sehen also, und ich konnte dies hoffentlich verdeutlichen, dass die Bereitschaft in Deutschland, auf die Forderungen des Europarates einzugehen, durchaus vorhanden ist. Ich kann nur hoffen, dass es uns durch all diese Maßnahmen gelingen wird, dieses Phänomen so klein wir möglich zu halten.

Danke.

Marlene RUPPRECHT, Deutschland, SOC

Herr Vorsitzender, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Ich begrüße sehr, dass wir zur Thematik Menschenhandel, insbesondere Frauenhandel und Kinderhandel heute eine Dringlichkeitsdebatte haben, denn meiner Ansicht nach ist es ein Thema, das kontinuierlich im Vordergrund stehen muss, solange es weltweit dieses Phänomen gibt und deshalb halte ich es für richtig in so einer Zeit darüber zu debattieren.

Frauenhandel und Menschenhandel gilt als organisierte Kriminalität und es braucht alle Kräfte, dies zu bekämpfen. Wenn wir Frauenhandel anschauen, dann dürfen nicht nur darauf, was wir jetzt tun, bei der FIFA auf Frauenhandel zum Zweck der Prostitution schauen. Dann müssen wir auch hinschauen bei Frauenhandel zum Zweck der Ehe, Frauenhandel zum Zweck der Arbeit, d.h. zur Ausbeutung. Frauenhandel ist immer dann vorliegend, wenn Frauen ausgebeutet werden unter Zwang, ob psychisch oder physisch. Das, denke ich, sollten wir uns klar machen. Dazu bracht man langfristige Strategien, man braucht international wirkende Strategien und man braucht Strategien die auf Kooperation aller setzen, die diese Tatsache bekämpfen wollen. Dann wird es wirkungsvoll sein.

Deutschland ist Zielland und Transitland für Frauenhandel. Dies ist eindeutig von uns so auch in der Öffentlichkeit dargestellt worden und erst wenn man das erkennt und auch so benennt, kann man Maßnahmen ergreifen. Die werden, wie mein Kollege Lintner sagte, bereits seit 1997 in Regierungsorganisationen ganz klar niedergelegt und wir haben Maßnahmen ergriffen, um bereits die Flucht aus den Herkunftsländern sowie das Schleusen und Handeln zu verhindern.

Wenn wir uns den Grund der heutigen Debatte anschauen, dann kommen wir zur FIFA, d.h. zur Fußballweltmeisterschaft und es wäre, lieber Kollege Hancock, etwas spät, wenn wir jetzt erst anfangen würden, Maßnahmen zu ergreifen. Das was die Bundesrepublik jetzt macht, ist im Zusammenhang mit der Bekämpfung von Frauenhandel seit 1997 zu sehen; wir sind kein rechtsfreier Raum. Nicht nur der Europarat hat Konventionen gegen Menschenhandel verabschiedet, auch die Vereinten Nationen haben mit dem Zusatzprotokoll zur Verhütung und Bestrafung des Menschenhandels, insbesondere des Frauen- und Kinderhandels, damit festgelegt, dass wir dies zu bekämpfen haben. Dem ist die Bundesrepublik im Februar 2005 mit einer Strafrechtsänderung nachgekommen, d.h. wir haben in unserem Strafrecht Menschenhandel, und zwar zum Zweck der sexuellen Ausbeutung, aber auch zum Zweck der Ausbeutung als Arbeitskraft aufgenommen.

Dies ist bereits Rechtslage, d.h. wir können nicht von einem rechtsfreien Raum sprechen. Bei uns gilt auch das was die Konvention fordert, nämlich das Bleiberecht für vier Wochen. Nur, auch darüber müssen wir uns im klaren sein, vier Wochen sind für traumatisierte Frauen relativ kurz, d.h. auch daran müssen wir arbeiten. Wer Opfer wird, muss in dieser Zeit wirklich auch dazu gebracht werden, gegen ihre Peiniger, gegen die Täter auszusagen, damit man auch die dingfest machen kann. Es nützt nichts, wenn ich Opfer habe aber die Täter nicht festmachen kann, die häufig im Hintergrund sind.

Ich glaube, dass die Maßnahmen, die Herr Lintner zum Teil vorgestellt hat, greifen. Wir haben keinen totalitären Staat, das heißt, wir können die Grenzen nicht hoch machen. Wir können jedoch die Polizeipräsenz erhöhen. Das wird gemacht. Wir klären auf, wir sensibilisieren. Wir haben alle NGOs bis in die Austragungsorte mobilisiert, dass sie Frauen aufnehmen die in Not geraten sind, dass sie anonym und mehrsprachig beraten, und wir appellieren an die Verantwortung der Veranstalter, wir appellieren aber auch an die Gäste, die in die Bundesrepublik kommen, damit dort wirklich für Frauen keine Gefahr besteht.

Gerne hätten wir auf die Erfahrungen von Großveranstaltungen aus anderen Ländern zurückgegriffen, damit wir wirklich vielleicht manche Fehler nicht begehen können; ich habe heute morgen Kollegen aus Italien und aus Griechenland gefragt, welche Erfahrungen sie mit der Olympiade hatten. Es wäre schön gewesen, wenn wir dies mit hätten einbauen können, so mussten wir eben mit dem, was uns in fast zehn Jahren an Erfahrung vorlag, zurechtkommen.

Ich hoffe dass daraus aber keine Eintagsfliege wird, sondern dass wir gemeinsam kämpfen, in den nächsten Jahren.

Dankeschön.

Angelika GRAF, Deutschland, SOC

Liebe Kollegen,

ich möchte mich zunächst einmal ausdrücklich bei der Berichterstatterin bedanken, denn abseits aller Einzelpunkte, die vielleicht in den Erläuterungen zu der entsprechenden Vorlage da sind, denke ich doch, dass es ein sehr wichtiger Bericht ist. Er hat viele Punkte aufgegriffen, mit denen auch wir uns im Deutschen Bundestag und im Bereich der Sozialdemokratischen Fraktion seit langem beschäftigen.

Ich freue mich sehr über diese Debatte, denn hier im Europarat sitzen ja gerade Vertreter all der Länder, die mit diesem Thema befasst sind: auf der einen Seite die Ziel- und Transitländer, zu denen auch Deutschland gehört, auf der anderen Seite die Herkunftsländer der Frauen beziehungsweise die Länder, in welche die Frauen, die in einem der Zielländer aufgegriffen werden, zurückkehren sollen oder müssen.

Wir hier müssen uns darüber Gedanken machen, aus welchen Gründen Frauen gehandelt werden, und hier - das hat die Berichterstatterin ja hervorgehoben - spielen Armut und Arbeitslosigkeit eine Rolle. Ich denke jedoch, dass auch Aufklärungsarbeit ein wichtiger Punkt ist, der in den Ländern verstärkt werden muss Hier gibt es von deutscher Seite aus Hilfe über NGOs. Ich habe mich schon früher mit einer Reihe von NGOs darüber unterhalten, doch auch die EU und die OSZE sind in diesem Bereich tätig.

Ich unterstütze ausdrücklich die Intentionen der Konvention des Europarates wie auch alle anderen Konventionen, die in diesem Bereich verfasst worden sind. Deutschland hat diese Konvention im Dezember 2005 unterzeichnet, und die Ratifizierung wird im Rahmen anderer gesetzlicher Regelungen und Veränderungen vorbereitet, die wir in nächster Zeit vor uns haben.

Die Debatte hat die Gelegenheit geschaffen, Maßnahmen hervorzuheben, welche in Deutschland schon zu einer Zeit getroffen wurden, lange bevor man über das Thema Weltmeisterschaft überhaupt gesprochen wurde.

Einen Punkt möchte ich noch besonders betonen: Im letzten Jahr ist das Strafrecht verändert worden; im Augenblick liegt der Strafrahmen für sexuelle Ausbeutung bei fünf bis zehn Jahren; es wird also in keiner Weise als Kavaliersdelikt abgetan. Wir achten hier sehr auf die entsprechende Bestrafung.

Das Problem liegt aber eher in der Frage, wie die Täter gefasst werden können, und hier müssen einfach andere Dinge in Angriff genommen werden. Was hier dazu beitragen könnte, ist die dreißigtägige Bedenkphase, die wir auch bereits seit 2002 in Deutschland haben; und ich hoffe sehr, dass wir in nächster Zeit auch über eine Verlängerung dieser Frist reden können. Frau Rupprecht hat ja bereits angesprochen, dass diese Zeit nicht ausreicht für die traumatisierten Frauen, um in einem solchen Prozess aussagen zu können. Dennoch haben wir in Deutschland eben eine Phase, in der die Betroffenen bei uns bleiben können.

Seit 1997 gibt es beim Bundeskriminalamt eine Arbeitsgruppe, was der Tatsache Rechnung trägt, dass wir es hier mit einer Spielart des organisierten Verbrechens zu tun haben.

Diese Arbeitsgruppe hat gute internationale Kontakte und arbeitet sehr eng auch mit den Polizeibehörden der Herkunftsländer zusammen.

Das Opferschutzgesetz ist ebenfalls ein wichtiger Punkt, den ich in diesem Zusammenhang ansprechen möchte. Es gibt einer Zwangsprostituierten, selbst wenn sie kein Aufenthaltsrecht hat, das Recht, in einem Prozess gegen den Schleuser als Nebenklägerin aufzutreten, und damit auch eigene Ansprüche an diesen entsprechend deutlich zu machen.

Über die Hilfsorganisationen, die in diesem Bereich arbeiten, ist schon vom Kollegen Lintner und der Kollegin Rupprecht ausführlich berichtet worden. Die Help Line – dies für den Kollegen aus Portugal – kann allein natürlich nicht reichen; doch ich glaube, wir haben deutlich gemacht, dass es über die Help Line hinaus noch zahlreiche andere Maßnahmen gibt.

Ganz wichtig in diesem Zusammenhang ist natürlich die öffentliche Aufklärung; hier gilt es vor allem, das Thema aus der Tabuzone heraus zu holen; wir müssen dafür sorgen, dass es kein voyeuristisch besetztes Thema mehr ist, so wie es momentan noch in vielen Teilen der Fall ist, wie einige Fernsehsendungen beweisen, und wir müssen daran arbeiten, dass diejenigen, die käuflichen Sex in Anspruch nehmen, sensibilisiert werden für das, was sie tun, wenn sie Billigdiensten zustimmen. Hier gilt es Vertrauen zu schaffen anstatt alle diejenigen als Kriminelle abzustempeln, die zu Prostituierten gehen.

Das Ziel sollte sein, den Frauen in ganz Europa den Rücken zu stärken, damit sie solchen Praktiken nicht hilflos unterliegen. Hier brauchen wir Verbesserungen, jedoch auch für die Situation der legal arbeitenden Prostituierten – hier ist mithilfe des Gesetzes zur Rechtsstellung von Prostituierten schon viel getan worden.

Allerdings darf dieses Thema nach der Fußballweltmeisterschaft nicht sofort wieder verschwinden, und ich fordere Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen auf, dabei mitzuhelfen.

Gisela WURM, Österreich, SOC

Danke, Herr Präsident!

Sehr geehrte Damen und Herren,

es gibt Fälle, die gehen einem sehr zu Herzen; zum Beispiel, wenn ein Kind kommt, sich dauernd den Oberarm hält, und man beim Nachschauen feststellen muss, dass das Kind eine tiefe, mit einem Feuerzeug zugefügte tiefe Brandwunde hat und sich dann herausstellt, dass die Wunde von dem Schlepper stammt – als Strafe dafür, dass das Kind einfach zuwenig gestohlen hat. Auch hier also wieder ein Kind. Weil es dann wieder zuwenig gestohlen hat, ist es der Prostitution zugeführt worden, und dort wiederum ist das Mädchen auf einen Perversen gestoßen, der seine Brust blau gequetscht hat. In diesen Fällen kann man sich kaum vorstellen, welchen Qualen die Betroffenen durch ihre Peiniger ausgesetzt sind.

Dies, meine Damen und Herren, war ein Beispiel von Herrn Ceipek; er arbeitet beim Amt für Jugend und Familie in Wien, ist also kein erfundener Zeuge.

Weitere Beispiele: Eine Prostituierte in Österreich berichtet: Ich komme aus Rumänien. Ich habe dort gearbeitet, als Verkäuferin in einem kleinen Dorf. Dort wurde ich von einer Frau angesprochen, ob ich im Ausland, also in Österreich, arbeiten wolle, dort habe ich bessere Verdienstmöglichkeiten und ein besseres Leben.“

Die Realität hat für diese Frau allerdings ganz anders ausgesehen. Ich zitiere: „Wir haben kleine Zimmer bekommen, darin waren nur ein Bett und eine Duschkabine. Unseren Pass hat die Chefin weggenommen; wir waren darin einfach eingesperrt.“

Meine Damen und Herren, in der Hoffnung auf ein besseres Leben werden die Opfer durch falsche Versprechungen über die zu erwartende Tätigkeit, den Verdienst und die Lebens- und Arbeitsverhältnisse getäuscht. Ein weiteres Opfer berichtet (ich zitiere): „Sie haben mir gesagt: ’Sie sind hier nur zum Tanzen. Die Chefin hat gesagt, ja, ich muss mit ihm aufs Zimmer gehen. Deswegen bin ich da. Ich musste mit ihm reingehen und musste mit ihm schlafen.“

Als letztes Beispiel wieder eine Frau, die man der Zwangsprostitution zugeführt hat. Zitat: „Alle Männer waren brutal. Er hat mich benutzt, so wie Dreck. Unsere Chefin von dem Club hat ein Mädchen von uns sehr geschlagen. Sie hat gefragt: Wann bekommen wir unser Geld?’ Die Chefin hat diese Mädchen sehr geschlagen; sie haben geblutet und haben am Boden gelegen.“

Dies ist Realität mitten in Europa, mitten in unseren Ländern. Und ob nun mit oder ohne Fußballweltmeisterschaft – es ist sattsam bekannt, dass es sich beim Kinder – und Frauenhandel um ein massives Problem moderner Sklaverei handelt. Man schätzt, dass pro Jahr 500 000 Frauen aus dem Osten in den Westen geschleppt werden. 78 Prozent der Opfer, die dem Frauenhandel zuzurechnen sind, werden der Zwangsprostitution zugeführt. In einigen Dörfern Moldawiens, so sagt man, gibt es kaum noch junge Frauen, denn die gehen dahin, wo sie glauben, dass ein besseres Leben auf sie wartet. Sie kommen dann nach Europa, doch ihr Traum vom Paradies erfüllt sich nicht. Oft werden solche Frauen dann der Zwangsprostitution zugeführt, sie müssen Leib und Seele verkaufen. Dabei geht das Selbstwertgefühl verloren, dabei geht auch die Würde des Menschen verloren.

Die Profite der Händler und Zuhändlerringe werden mittlerweile weltweit auf sieben bis fünfzehn Milliarden Euro geschätzt – das Geschäft mit der Ware Mensch, der Ware Frau, der Ware Kind ist ein gutes, ein florierendes Geschäft, und das ist eine Schande.

Seien wir mutig, ergreifen wir die Initiative, ratifizieren wir in unseren Ländern die Europaratskonvention, die aufliegt, und setzen wir die entsprechenden Maßnahmen in den verschiedenen gesetzlichen Bereichen um – sei es im Strafrecht, im Zivilrecht oder überall dort, wo es nötig ist. Diesem Verbrechenstatbestand muss Einhalt geboten werden.

Herzlichen Dank.

Terezija STOISITS, Österreich, SOC

Ich möchte zuletzt das Augenmerk auf zwei Aspekte richten: erstens, möchte ich sagen, dass ich es wirklich bewundernswert finde, dass der Europarat nicht nur theoretisch handelt, indem er Konventionen verabschiedet, sondern wenn dann ein praktischer Anwendungsfall so wie jetzt, mit der Fußballweltmeisterschaft stattfindet, dass sich der Europarat dann auch mutig diese Frage stellt. Das zeichnet den Europarat aus im Gegensatz zu vielen nationalen Parlamenten und auch Regierungen.

Ich möchte hier zwei Anregungen treffen: es geht erstens darum, jetzt noch, soweit Zeit bleibt, Info-Kampagnen in jenen Ländern zu starten oder zu machen, und alles zu tun, um sie zu unterstützen, woher die potentiellen Opfer von Menschenhandel kommen. Im Report haben wir gehört, dass es vor allem Ost- und Zentraleuropäische Länder sind, aber auch Afrika; andererseits sollten wir eines zu tun: nämlich hier, in Mitteleuropa und vor allem in Deutschland, und in den Ländern aus denen die meisten Zuschauer und dann auch Konsumenten von Sex bei der Fußballweltmeisterschaft kommen werden, Informationskampagnen zu machen.

Das wesentliche in meinen Augen ist darauf zu fokussieren und zu sagen: „Sex zu kaufen ist nicht illegal, aber erzwungenen Sex zu kaufen ist ein strafrechtlich relevantes Delikt" und das sollte man jenen Männern, die die Absicht haben, bei der Fußballweltmeisterschaft Sex zu kaufen, vor Augen führen – dass sie mit der Tatsache eine Prostituierte zu kaufen, noch kein illegales Delikt begehen, aber dass die Wahrscheinlichkeit, dass eine Prostituierte hier eine erzwungene Prostitution betreibt, eine sehr hohe ist.

Und deswegen freue ich mich heute über diese Debatte, da sie mit ein Teil dessen ist, was Frau Mangold ja in ihrem Report vorschlägt, nämlich die Medien auch zu sensibilisieren und ich hoffe, dass unser Bestreben und vor allem Dein Bestreben, Gaby, jetzt mit dem Report des Ausschusses hier auf fruchtbarem Boden stößt. Was aus diesen Räumen hinausdrängt, ist dass der Europarat sich hier jetzt auch im praktischen Anwendungsfall einsetzt gegen Menschenhandel und für die Opfer des Menschenhandels, auch in Zusammenhang mit sportlichen Ereignissen die an und für sich etwas höchst erfreuliches sind.

Vor allem jene Länder, die wahrscheinlich Fußballweltmeister werden, tragen die größte Verantwortung neben dem Betreiberstaat Deutschland. Österreich nimmt nicht an der Fußballweltmeisterschaft teil, wir sind schlechte Fußballspieler, d.h. unsere Männer sind schlechte Fußbäller, denn es ist eine männliche Angelegenheit - aber zahlreiche Österreicher werden teilnehmen als Zuschauer an der Weltmeisterschaft und österreichische Parlamentarierinnen haben sich schon jetzt diesen Initiativen angeschlossen und werden im eigenen Land im Vorfeld warnen, was jene die die Absicht haben, sich mit käuflichem Sex zu vergnügen, dort erwartet: nämlich Menschenrechtsverletzung, die sie selber begehen. Das wollen wir abstellen.

Danke.

Ruth-Gaby VERMOT-MANGOLD, Schweiz, SOC

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Ich bedanke mich für diese fundierte und angeregte Debatte; ich denke, Sie alle haben gespürt und die Erfahrung gemacht, dass dieses Thema nicht einfach nur ein unwichtiges Sujet ist, sondern dass wir uns mitten im Problem der Frauenrechtsverletzung befinden, die wir akzeptieren, wenn wir uns nicht dagegen wehren.

„Nichts Neues unter der Sonne“ hat Michael Hancock gesagt. In der Tat – nichts Neues.

Seit Jahren streiten wir gegen Menschenhandel, gegen Frauenhandel, gegen diese moderne Form der Sklaverei, wie es zahlreiche Rednerinnen und Redner genannt haben. Die Sklaverei ist abgeschafft, und wir sind sehr stolz auf diese Errungenschaft, an der viele Länder beteiligt waren. Doch in Wirklichkeit ist sie eben nicht abgeschafft, der Heiratshandel, der Arbeitshandel und vor allem der Handel mit Sex besteht weiter; Frauen müssen sich prostituieren, um ihre Kunden zu bedienen.

Es wurde auch immer wieder auf die Ursachen hingewiesen, und dies ist sehr wichtig.

Wir können nicht den Frauenhandel, die Zwangsprostitution und den Kinderhandel bekämpfen ohne zu wissen, welches die Ursachen sind. Es sind Arbeitslosigkeit, Armut, Analphabetentum und Elend in vielen der Herkunftsländer, und zwar solcher Herkunftsländer, die als Mitglieder des Europarates hier in unseren Reihen sitzen.

Auch hier müssen wir aktiver werden und deutlich machen, dass wir mithelfen, diese Ursachen auch dort zu bekämpfen, wo die Frauen herkommen.

Es handelt sich um organisiertes Verbrechen im großen Ausmaß, aber auch um kleinere Verbrechenskreise. Immer wieder erzählen Frauen, dass sie von Einzelpersonen angesprochen werden, ohne dass sie wissen, wer dahinter steckt.

Es stecken enorme Geldsummen, Milliardensummen, hinter diesem Geschäft, und wir müssen fragen, wohin diese Gelder fließen, wer diese Summen verdient. Wie können wir herausfinden, wer diese Täter sind, wir können wir ihrer habhaft werden?

Es handelt sich um das organisierte Verbrechen, das sich nicht auf den Kinder- und den Frauenhandel beschränkt. Es schließt ebenso Drogen- und Waffenhandel ein, wir haben es hier mit einer höchstgefährlichen kriminellen Vereinigung zu tun.

Sie alle haben es gehört, liebe Kolleginnen und Kollegen und ich nehme Sie beim Wort: alle Referenten wollen die Konvention des Europarates zum Kampf gegen den Menschenhandel unterzeichnen.

Doch das allein nützt nicht viel – also bitte, ratifizieren Sie. Im eigenen Land mit den Gesetzen, mit Präventionen, mit Kampagnen gegen den Menschenhandel zu kämpfen, haben Sie hier versprochen, und wir nehmen Sie beim Wort.

Ich bedanke mich bei Moldawien, das – wie ich gehört habe – in diesen Tagen diese Konvention ratifiziert hat, und dass just eines der am stärksten betroffenen Länder sie als erstes ratifiziert, ist ein gutes Zeichen.

Wir brauchen den Schutz der Frauen, und wir brauchen eine längere Reflexionszeit, um die Opfer besser schützen zu können.

Noch einmal herzlichen Dank.