AL06CR13

AS (2006) CR13

 

Provisorische Ausgabe

SITZUNGSPERIODE 2006

(2. Teil)

BERICHT

13. SITZUNG

Mittwoch, 12. April 2006, 15.00 Uhr

REDEBEITRÄGE AUF DEUTSCH


Detlef DZEMBRITZKI, Deutschland, SOC

Herr Minister, unser Präsident hat anlässlich Ihrer Begrüßung auf die Europamüdigkeit der Etablierten in der EU hingewiesen. Sie haben mit Ihrem Vortrag sowie mit Ihrer Arbeit bewiesen, dass Europa hellwach sind und der Arbeit die Sie dort geleistet haben gebührt Anerkennung und Respekt; aber umso mehr möchte ich Sie bitten, aus Ihrer Erfahrung die Konsequenzen aufzuzeigen – Sie haben dies in Ihrer Rede bereits angedeutet – die eintreten würden, wenn der Weg in die EU massiv erschwert, oder das Tor, aufgrund der Europamüdigkeit, zufallen würde. Welche Konsequenzen sehen Sie dann für Ihr Land und für die Region insgesamt?

Präsident

Gibt es noch eine ergänzende Fragestellung? Das ist nicht der Fall.

Rainder STEENBLOCK, Deutschland, SOC

Vielen Dank, Herr Vorsitzender.

Herr Premierminister, Ihr Parlament hat vor wenigen Tagen, am 29. März, ein neues Wahlgesetz verabschiedet. Bei der Erarbeitung dieses Wahlgesetzes haben Sie eine sehr wichtige Rolle gespielt, und ich möchte Sie zu diesem Gesetz beglückwünschen.

Es stellt sicherlich den Demokratisierungsprozess auf eine sehr solide Grundlage, doch würde ich gern zwei Fragen dazu stellen, nämlich: Welche Schritte und Maßnahmen sind weiterhin geplant, um den Wahlprozess nicht nur vor den Wahlen zu verbessern, sondern auch die systematische Umsetzung von Empfehlungen von OSZE und ODIHR-Wahlbeobachtungsmissionen sicherzustellen? Welche besonderen Herausforderungen sehen Sie, und wie können die Parlamentarische Versammlung des Europarates und OSZE dabei behilflich sein sie dabei, auch im Sinne des „Best Practice-Systems“, zu unterstützten?

Präsident

Möchten Sie noch eine zusätzliche Frage stellen? Das ist nicht der Fall. Dann gebe ich jetzt das Wort an Frau Incekara.

Detlef DZEMBRITZKI, Deutschland, SOC

Herr Präsident!

Auch meinerseits möchte ich dem Berichterstatter meinen Dank aussprechen.

Ich glaube, wenn über NS-Ideologie und ihr Wiederaufflammen gesprochen wird, dann sind wir in Deutschland natürlich besonders sensibilisiert. Leider muss ich hier erwähnen, dass auch wir in unserem Land nicht frei vom Aufkeimen einer solchen Ideologie sind; doch ich kann Ihnen versichern, dass wir mit großer Entschiedenheit dagegen vorgehen und nicht akzeptieren werden, dass in Deutschland je wieder eine solche Ideologie Fuß fassen kann.

Es geht hier immer wieder darum, dass wir nicht nur anklagen dürfen, sondern handeln müssen, und ich glaube, wir sollten zum Beispiel nämlich diejenigen unterstützen, die sich auch intensiv damit, zum Beispiel mit rechtsextremem Gedankengut, auseinander setzen, und die versuchen, junge Menschen, die mit diesem Gedankengut keine richtige Perspektive sehen können, zu erreichen, zu stärken und ihnen Perspektiven aufzuzeigen und zu unterstützen, damit sie eben nicht Gefangene dieser Ideologie werden.

Darüber hinaus will ich Ihnen deutlich machen, dass es für uns von großer Wichtigkeit ist,

all die furchtbaren Stätten des Unrechts in unserem Land als Beweisstücke dafür zu behalten, wozu die NS-Ideologie fähig war, nämlich Verbrechen gesetzlich zu rechtfertigen, und Konzentrationslager und Tötungsmaschinen einzurichten. Wir müssen diese Stätten erhalten, weil wir aufgrund der Situation als Zeitzeugen nicht mehr zur Verfügung stehen, aber gerade jungen Menschen immer wieder zeigen müssen, welche Konsequenzen eine solche Ideologie, die sich von Menschenrechten, von Moral und Demokratie entfernt, mit sich bringen kann.

Ich darf ebenfalls darauf verweisen, dass wir mitten in Berlin, mitten in der Hauptstadt, zum Beispiel das Holocaust-Mahnmal geschaffen haben. Es ist ein Mahnmal, das daran erinnert, dass unseren jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger in Deutschland, aber auch überhaupt in Europa das Leben und die Ehre genommen wurden; und dass wir hier, mitten in der Stadt, ein Mahnmal errichtet haben, um dieses Geschehen unvergessen zu machen. Wir haben damit aber nicht nur ein Mahnmal geschaffen, sondern auch eine Stätte der Information, wo insbesondere auch junge Menschen sich ein Bild darüber machen können, warum heute in unserer Stadt ein Holocaust-Mahnmal geschaffen werden musste.

Ich darf daran erinnern, dass wir vor zwei Jahren eine Antisemitismus-Konferenz durchgeführt haben, um auch hier Menschen zusammen zu bringen, die – ähnlich dem, was der Kollege hier mit dieser Konferenz vor hat, sich damit auseinandersetzen, wie es überhaupt nach all den Erfahrungen noch möglich ist, dass wir uns heute mit dem Thema Antisemitismus auseinandersetzen müssen.

Ich bin den Kollegen deshalb dankbar, weil nämlich wir als diejenigen, die heute in der Verantwortung stehen, die Verpflichtung haben, uns immer wieder einzubringen, damit in unseren Ländern, in unseren Gesellschaften, verhindert wird, dass eine solche Ideologie Fuß fasst.

Dies werden wir nicht erreichen, indem wir diese Problematik verschweigen, wie es manchmal der Fall ist, möglicherweise deshalb, um die Peinlichkeit zu vermeiden –

sondern wir müssen das Übel benennen und bekämpfen, mit aller Entschiedenheit und mit der Unterstützung der Demokraten. Und wir als Demokraten müssen uns dessen immer wieder versichern und gegenseitig unterstützen, damit eine solche Ideologie weder instrumentalisiert noch politisch missbraucht werden kann.

In diesem Sinne, Herr Kollege, danke ich Ihnen, und versichere Sie von unserer Seite aus, dass wir Ihre Arbeit unterstützen werden.

Maximilian REIMANN, Schweiz, ALDE/ADLE

Herr Vorsitzender, geschätzte Kolleginnen und Kollegen,

Kein vernünftiger Mensch von heut, der auch nur einigermaßen über normale Intelligenz verfügt, kann gegen Kern und Stossrichtung dieses Entschlusses sein. Zu sehr trifft er den Nagel auf den Kopf, und dafür kann man dem Berichterstatter wirklich nur dankbar sein.

Dankbar bin ich ihm aber auch, dass er – gerade als Russe – auch die nötigen Parallelen zur ebenso verabscheuungswürdigen totalitären Herrschaft des kommunistischen Regimes gezogen hat; Mein Vorredner hat eben auch zu Recht auf diesen Punkt hingewiesen – eine Ära, die bekanntlich länger gedauert hat als das grausame Hitler-Regime; und deren ideologischer Nachlass weltweit immer noch über zu viele Sympathisanten verfügt.

Zu kurz kommt im Bericht jedoch der Quervergleich mit der extremistischen Ideologie des Fundamental-Islamismus. Diese Gefahr ist für unsere Gesellschaft meines Erachtens wesentlich größer als die Überreste der Nazi-Ideologie. In Ziffer 14 der Resolution wird dieser religiös verbrämte Extremismus zwar angedeutet, eine eindeutige Nennung und klare Verurteilung auch dieser Ideologie wäre hier aber ebenso deutlicher am Platz gewesen.

Dann möchte ich mich noch zu Ziffer 16 äußern, wo eine internationale Konferenz gegen das Wiederaufleben des Nazi-Gedankengutes gefordert wird. Ich habe meine Zweifel, ob dies der richtige Weg ist. Vielmehr glaube ich, dass man mit einer solch groß aufgezogenen Veranstaltung eher das Gegenteil bewirkt. Es werden damit viele verblendete Neonazi-Wirrköpfe erst recht wieder auf den Plan gerufen. Man gibt ihnen – zumindest indirekt – ein Podium. Es liegt ja auf der Hand, dass sich diese Leute in Gegen-Veranstaltungen sammeln werden, wie es jeweils auch die gewalttätigen Globalisierungsgegner anlässlich eines G8-Gipfels oder im Rahmen des World Economic Forums (WEF) in Davos tun.

Ein großes, kostspieliges Sicherheitsdispositiv wird die logische Folge sein, mit einem Großanmarsch der internationalen Medien. Es ist klar, dass in diesem Scheinwerferlicht auch willkommene Propaganda für das Neo-Nazitum anfällt – ungewollt, aber trotzdem!

Das aber möchte ich verhindern, weshalb ich eine solche Anti-Nazi-Konferenz nicht unbedingt als der Weisheit letzter Schluss betrachte.

Die NS-Ideologie sollte man örtlich und gezielt in jenen Zellen bekämpfen und isolieren, wo sie auftritt. Aber auf die große Weltbühne sollte man sie nicht ziehen.

Schließlich noch eine spezifische Bemerkung aus Schweizer Warte. Die Schweiz war seit den dreißiger Jahren bis zum Zusammenbruch des Hitler-Regimes umringt – ja, ab 1940 förmlich eingekesselt vom damaligen Nazi-Regime und seiner Ideologie. Das Land hatte sich verteidigt, militärisch, politisch und wirtschaftlich, und überstand den 2. Weltkrieg frei und unversehrt, und konnte sich anschicken, aktive zum Wiederaufbau von Europa beizutragen.

Heute nun aber kommen sogenannte Jung-Historiker daher, teilweise staatsfinanziert, und werfen mit Gutmensch-Maßstäben von heute den Verantwortungsträgern von gestern opportunistische Nazi-Kooperation bis hin zu geistiger Gefolgschaft vor. Eine derart unverfrorene Geschichtsklitterung ist natürlich Wasser auf die Mühlen jener unverbesserlichen Nazi-Nachläufer von heute, von denen es auch in der Schweiz leider eine kleine Anzahl gibt. Ich komme nicht umhin, hier mein Bedauern über diese unselige Art von Geschichtsaufarbeitung zum Ausdruck zu bringen.

Vielmehr sollte, wie es auch in Ziffer 3 der Resolution vorbildlich getan wird, unser ehrendes Andenken jenen Widerstandskämpfern gegen Hitler, die heute noch unter uns weilen, zum Ausdruck gebracht werden. Es gibt sie noch, und sie sind Vorbilder, vor denen selbst Neo-Nazis, falls sie geistig noch nicht ganz verroht sind, nicht einfach den Kopf in den Sand stecken können.