AL06CR14

AS (2006) CR14

 

Provisorische Ausgabe

SITZUNGSPERIODE 2006

(2. Teil)

BERICHT

14. SITZUNG

Donnerstag, 13. April 2006, 10.00 Uhr

REDEBEITRÄGE AUF DEUTSCH


Präsident

Ich darf jetzt Herrn Brok auffordern, das Wort zu ergreifen.

Wir freuen uns ganz besonders über Ihre Anwesenheit, die ein enormes politisches Gewicht hat.

Seit der Erweiterung der Europäischen Union hat sich auch für den Europarat vieles geändert. Wir haben nicht an Bedeutung verloren; und besonders heutzutage, wo es in Europa eine Art Krise gibt, wird der Europarat immer wichtiger; denn wir haben die Chance und die Möglichkeit, näher an die Bürger heran zu rücken.

Wir sind eine Wertegemeinschaft; und es war in dieser Woche eine große Freude, dass

Jean-Claude Juncker seinen Bericht hier, in dieser Versammlung, präsentiert und darauf hingewiesen hat, dass wir die europäische Architektur überdenken müssen.

Auch Kanzler Schüssel, Premierminister Tariceanu, Präsident Barroso und Premierminister Juncker selbst haben ihre Visionen von Europa hier dargelegt; und dies war eine große Ermutigung und eine klare Stärkung unserer Position. Das Verhältnis zwischen Europäischer Union und Europarat erfährt einen neuen Anfang mit konkreten Vorschlägen. Es beinhaltet, dass alle Organe der Europäischen Institutionen mit einbezogen werden sollen – nicht nur das Europäische Parlament, nicht nur die Versammlung des Europarates, sondern auch die nationalen Parlamente.

Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass alle Abgeordneten hier ein Doppelmandat innehaben: nämlich eins auf europäischer und eins auf nationaler Ebene, ein Umstand, der heute immer wichtiger wird, denn wir wollen bürgernah sein. Besonders auch das Verhältnis zwischen dem Europaparlament und den nationalen Parlamenten wird verstärkt werden.

Aus diesem Grund freuen wir uns besonders, dass Sie heute hier sind: Sie sind seit 1980 Mitglied des Europaparlamentes, seit 1999 Vorsitzender des politischen Ausschusses im Europäischen Parlament, und ich darf sagen, dass Sie eine hervorragende Leistung im Konvent erbracht haben. Das war ein bedeutendes Ereignis; und ich hoffe, dass wir nicht zum letzten Mal über das Thema einer europäischen Verfassung beraten haben.

Zum Schluss möchte ich noch meiner Hoffnung Ausdruck geben, dass die Zusammenarbeit zwischen dem Europaparlament und Europarat, insbesondere der beiden politischen Ausschüsse, in Zukunft praktische Gestalt annimmt.

Ich danke Ihnen sehr herzlich für Ihr Kommen und gebe Ihnen das Wort.

Elmar BROK, Deutschland

Herr Präsident!

Herzlichen Dank für die Einladung und für die freundlichen Worte.

Mich überkommt ein Gefühl der Nostalgie, denn vor 25 Jahren habe ich, da hinten sitzend, gegen 23 Uhr 45 meine erste parlamentarische Rede, meine „Jungfernrede“, gehalten, als wir in diesem Saal sozusagen noch zur Untermiete waren.

Ich freue mich auch deshalb, hier zu sein, weil in diesem Jahr seit dem Beginn des europäischen Integrationsprozesses 60 Jahre vergangen sind - im September 1946 hat Winston Churchill seine Rede in Zürich gehalten, in der er zur europäischen Integration aufrief. Winston Churchill war ja als Oppositionspolitiker Mitglied der Parlamentarischen Versammlung des Europarates.

Ich stelle fest, dass der Europarat und die Europäische Union von Beginn an als Folgen des zweiten Weltkrieges die gleichen Ziele und Ideale hatten, nämlich Frieden, Freiheit, Demokratie und Menschenrechte.

Beide Institutionen haben in diesen Bereichen große Erfolge erzielt, doch ist die Aufgabe mit dem Erreichen dieses Erfolges nicht beendet. Vielmehr ist es eine immerwährende Aufgabe mit neuen Schwerpunkten. Der Europarat ist ja auch in der Lage, weit über die gebietsmäßigen Möglichkeiten der Europäischen Union hinaus zu operieren und daher Kooperation zu ermöglichen, gemeinsame Standards zu entwickeln, was die Europäische Union aufgrund ihrer Aufgabenstellung, Möglichkeiten, der Notwendigkeit der Tiefenintegration, der Rechtsordnung des Binnenmarktes und anderer Fragen nicht leisten kann.

Die Tatsache, dass in wenigen Wochen Russland zum ersten Mal den Vorsitz einer europäischen Institution übernehmen wird, ist auch ein wichtiges Symbol für die Rolle, die der Europarat spielen kann, um die europäischen Völker enger zusammen zu führen.

All dies sind für mich Hinweise darauf, dass die Zusammenarbeit zwischen Europarat und Europäischer Union aus zwingenden Gründen sehr viel enger werden muss als bisher.

Bisher nämlich war diese Zusammenarbeit eher lose und meist auf technokratischer Ebene angesiedelt, institutionelle Beziehungen wurden hauptsächlich durch Briefwechsel

(der letzte, glaube ich, vor fünf Jahren) geregelt. Es gibt High Level- Meetings zu Themen von beiderseitigem Interesse, die Kommission kann an den Ministertreffen des Europarates teilnehmen, und zweimal im Jahr finden die heute bereits angesprochenen Meetings von EU-Präsidentschaft und Kommission einerseits sowie der Europarats-Präsidentschaft und dem Generalsekretär andererseits. Doch auch hier zeigt sich bereits, dass diese Aktivitäten auf einer recht niedrigen institutionellen Ebene stattfinden und wir beachten müssen, dass keinerlei parlamentarische Beteilung dabei stattfindet – weder des Europäischen Parlaments noch der Parlamentarischen Versammlung des Europarates, und dies ist in meinen Augen ein Anachronismus.

Beim dritten Gipfel der europäischen Staats- und Regierungschefs im Mai 2005 wurde ein neues Rahmenwerk für die Zusammenarbeit vor allem bei den Themen der Menschenrechte, der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit beschlossen, beziehungsweise es wurde beschlossen, die Voraussetzungen dafür zu schaffen. Dazu soll es ein Memorandum of Understanding geben, welches zentrale Fragen behandelt: Wie kann die EU die Institutionen, Mechanismen und Instrumente des Europarates besser nutzen?

Wie können alle Europarats-Mitgliedstaaten von einer engen Beziehung mit der Europäischen Union profitieren?

Der Bericht von Premierminister Juncker, der vorgestern in diesem Hause vorgelegt wurde, hat ja gerade in diesem Bereich zahlreiche Initiativen aufgezeigt, und ich kann mir vorstellen, dass gerade auf dieser Grundlage eine intensivere Zusammenarbeit angestrebt werden sollte. Ich halte den Ansatzpunkt für richtig, dass der Juncker-Report in die weitere Ausarbeitung des Memorandums of Understanding einbezogen wird, und dass das Europäische Parlament sowie die Parlamentarische Versammlung des Europarates dazu gehört werden müssen.

Das heißt, dass auch in Zukunft Ihre Forderung gewährleistet sein muss - und wir werden Sie diesbezüglich unterstützen – dass nichts ohne Konsultation unserer Parlamente beschlossen werden soll.

Wir haben einige konkrete Themenbereiche, welche in allen Berichten, die Herr Marty genannt hat, angesprochen wurden: die Frage nach der Menschenrechtsagentur.

Die Europäische Union ist gerade im Bereich der Menschenrechte Champion.

Und ich glaube, dass wir diese Leistung des Europarates ernst nehmen und für uns nutzen sollten. Ich bin aber gegen Doppelarbeit. Ich befürworte die Position des Juncker-Berichtes, dass im Bereich der Menschenrechts-Agentur eine Konzentration auf bestimmte Werte innerhalb der Europäischen Union gegeben sein sollte.

Die Europäische Union hat die Artikel 6 und 7 ihres Vertrages – und dies wird durch die Verfassung ausgebaut – in dem bestimmte innere Standards wie Nichtdiskriminierung und Rechtsstaatlichkeit geprüft werden, um diesen Mechanismus in Gang zu setzen, wenn eine Verletzung des Artikels 6 vorliegt. Darauf sollte sie sich ausschließlich konzentrieren.

Meiner Ansicht nach gibt es bereits genug Berichte zum Thema Menschenrechte, ein weiterer hierzu ist nicht nötig. Wir haben die institutionellen Möglichkeiten des Europarates, in dem alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union Mitglieder sind, und diese sollten entsprechend genutzt werden. Die Probleme bei den Menschenrechten liegen nicht im Bereich der Berichte oder Untersuchungen, sondern in der Frage, wie diese in operationelle Politik umgesetzt werden können. Die Frage lautet also zum Beispiel, wie wir die Menschenrechtsklausel in den Verträgen, welche die Europäische Union abschließt – in Handelsverträgen, Assoziierungsverträgen und anderen – in praktische Politik umsetzen, damit sie angewandt werden und nicht nur deklamatorisch sind. Hier muss unsere Aufgabe im Rahmen der Europäischen Union liegen, nicht aber in der Schaffung von Doppelstrukturen zum Europarat.

Aus diesem Grunde sollten wir meines Erachtens noch einmal eine Initiative unternehmen, in den Debatten innerhalb des Europäischen Parlaments, wie im Juncker-Bericht vorgeschlagen, und wie Herr Kosachev und Herr Marty es auch zum Ausdruck gebracht haben, und auch Sie, Herr Präsident – werden natürlich auch Sie als Mitglieder der nationalen Parlamente aus den EU-Staaten gebeten, ihre jeweiligen Regierungen entsprechend zu motivieren, damit der Ministerrat der Europäischen Union zu einer brauchbaren Lösung in dieser Frage kommt, die Notwendigkeit der Vermeidung von Doppelstrukturen unterstreicht und eine sehr viel stärkere Zusammenarbeit zustande bringt.

Meine Damen und Herrn, ein wichtiger Punkt im Bericht von Ministerpräsident Juncker war seine Forderung nach dem Beitritt der EU zur Europäischen Menschenrechtskonvention.

Herr Präsident, Sie als Mitglied des Konvents zur Erarbeitung eines Europäischen Verfassungsvertrages wissen sehr genau, dass wir gerade aus diesem Grunde die gemeinsame Rechtspersönlichkeit der Europäischen Union erarbeitet haben, um auf diese Art und Weise einen unmittelbaren Beitritt zur Menschenrechtskonvention des Europarates zu ermöglichen.

Ich hoffe immer noch, dass uns dieser Schritt trotz der Verzögerungen, die es gegeben hat,

bis zum Jahre 2009 gelingt. Wenn dies in einem überschaubaren Zeitraum nicht möglich sein sollte, hätte ich nichts dagegen, wenn wir über den Artikel 48 Möglichkeiten schaffen könnten, via Ratifikationen der nationalen Parlamente der Mitgliedstaaten einen Beitritt der Union zur Menschenrechtskonvention zu ermöglichen und dies letztlich dazu führen würde, dass die Europäische Union selbst Mitglied des Europarates werden könnte. Dies dürfte wohl in einigen Mitgliedstaaten ein Problem sein, doch möchte ich als Mitglied des Europäischen Parlamentes ausdrücklich diesen Vorschlag unterstützen, damit wir vorankommen.

Wir müssen auch die Tatsache sehen, dass die Europäische Verfassung ohnehin nur funktionieren kann, wenn es Straßburg gibt, wenn wir die Charta der Grundrechte als geltendes Recht haben, das heißt die Gesetzgebung der Europäischen Union und ihrer Administration zu Menschenrechtsverletzungen führen sollten, dann führt dies über den Luxemburger Gerichtshof, ebenso wie es in den einzelnen Ländern über deren Gerichtshöfe entschieden würde. Am Ende des Weges jedoch müssen sich beide Wege beim Gerichtshof in Straßburg treffen, damit eine kohärente Rechtsprechung in Fragen der Menschenrechte innerhalb Gesamteuropas hergestellt werden kann.

Aus diesem Grunde ist eine Politik der Europäischen Union mit einer eigenen Grundrechtscharta nur dann möglich und sinnvoll, wenn dies in die Menschenrechts-Konvention des Europarates eingeschlossen ist und auch die Rechtsprechung des Gerichtshofes des Europarates einbezogen wird. Ich halte es für zwingend notwendig, um ein Auseinanderdriften der Dinge zu verhindern, und ich hoffe, dass gerade die Diskussion dieser Tage das Bewusstsein wieder stärkt und wir entsprechende Fortschritte machen können.

Der Juncker-Bericht ist sehr optimistisch; er enthält weitreichende Vorschläge, aus der EU-Kommission war zu hören, dass man von einigen Punkten überrascht war – wir müssen nun prüfen, was mehrheitsfähig ist und was nicht. Auf jeden Fall sollte der Juni-Gipfel des Europäischen Rates genutzt werden, um die Vorschläge des Juncker-Berichtes zu erörtern und die entsprechende Antwort der Europäischen Union darauf zu erteilen.

Herr Präsident, ich möchte Ihnen vorschlagen, dass wir uns mit Ihnen abstimmen, so wie wir beispielsweise im auswärtigen Ausschuss des Europäischen Parlaments mit Ihrer Mitarbeit oder der Ihres Vertreters entsprechend vorankommen. Wir müssen einsehen, dass es bei den Kompetenzen Unterschiede in der Zusammensetzung unserer Gremien gibt, dass wir ein direkt gewähltes Mandat haben - während Sie Ihren eigenen Worten nach das Doppelmandat haben – es gibt mancherlei Unterschiede, doch eins ist klar: Sie in dieser Versammlung sind ebenso wie wir im Europäischen Parlament durch die Wähler legitimiert, und dies unterscheidet uns von den Institutionen, die sonst in Brüssel oder Straßburg tätig sind.

Aus diesem Grunde halte ich eine enge Zusammenarbeit zwischen dem Europäischen Parlament und der Parlamentarischen Versammlung des Europarates für zwingend notwendig, meiner Meinung nach sind wir auf dieser Grundlage fähig, Mehrwert für unsere Völker zustande zu bringen, eine vernünftige Arbeitsteilung zu leisten und uns gegenseitig in diesem Prozess für ein friedliches und freiheitliches Europa gegenseitig zu unterstützen.

Herzlichen Dank.

Präsident

Herzlichen Dank für diesen überaus konkreten und ermutigenden Beitrag – wie immer ein überzeugter Europäer; und wenn man selbst eine Überzeugung hat, kann man auch andere überzeugen. Ich hoffe, Sie haben bemerkt, dass es in diesem Hause sehr viele überzeugte Europäer gibt. Dieses Haus kennt viele Menschen mit Idealen; das haben wir gemeinsam.

Ich hoffe sehr, dass die Zusammenarbeit zwischen dem Europäischen Parlament und der Parlamentarischen Versammlung des Europarates – wie gesagt, mit Menschen, die von den Bürgern unserer Länder legitimiert wurden – dazu beitragen möge, Europa den Menschen wieder näher zu bringen.

Ich gebe jetzt das Wort an den ersten Sprecher, Mr. Walter aus Großbritannien.

Eduard LINTNER, Deutschland, EPP/CD/PPE/DC

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen,

Im letzten Mai haben die Regierungs- und Staatschefs der Mitgliedsstaaten des Europarates in Warschau noch ausdrücklich die Entschlossenheit bekundet, ich zitiere, „die zentrale Rolle des Europarats beim Schutz und der Förderung der Menschenrechte zu stärken, und die dazu vorhandenen Institutionen besser zu nutzen.“

Dies folgte ja unter anderem aus Jean-Claude Junckers Ausführungen, und Herr Brok hat vorhin für das Europäische Parlament diese Grundsätze noch einmal bekräftigt. Dann ist es aber nur folgerichtig und vernünftig wenn der Europarat, oder eben die EU sich darauf konzentriert, die Institutionen die beim Europarat vorhanden sind, und auf die schon mehrfach hingewiesen wurde; die Menschenrechtskonvention, den Menschenrechtsbeauftragten, den Menschenrechtsgerichtshof, das Monitoring-System für sich zu nutzen und zu stärken.

Die einzige rechtlich relevante Lücke die in der Tat bleibt betrifft Rechtsakte sowie die Handlungen der EU-Institutionen selbst, die nicht Mitglieder der Menschenrechtskonvention sind, und zur Behebung dieser Rechtslücke hat Jean-Claude Juncker gestern einige, aus meiner Sicht auch sehr richtige Vorschläge gemacht: die EU sollte nämlich ohne weitere Verzögerung der Menschenrechtskonvention beitreten, und die EU selbst sollte im Jahr 2010 Mitglied des Europarates werden.

Konkret bedeutet dies aber, dass alle aktuellen Vorhaben und Vorschläge der EU-Gremien schon heute im Licht dieser Zielsetzung gesehen und geprüft werden müssen. Werden sie verwirklicht, wovon ja allen Bekundungen nach auszugehen ist, dann wird die EU als völkerrechtliches Gebilde selbst unmittelbar Teil des Schutzsystems des Europarates und seiner Menschen- und Grundrechtsinstitutionen. Dieser Schutz ist sehr viel wirksamer und lückenloser als es die Agentur je sein könnte, denn sie darf ja keine verbindlichen Entscheidungen treffen, da sie ja nur zur Beratung und Prüfung vorgesehen ist. Die Existenz einer eigenen Grundrechtsagentur, auch dies ist bereits gesagt worden, würde beim Bürger nur Verwirrung und Verunsicherung hervorrufen – es käme zwangläufig zu Doppelprüfungen und doppelter Arbeit bei den beteiligten Institutionen und es käme auch zu der fatalen Versuchung bei staatlichen Stellen – ich kann das aus Erfahrung sagen – die einzelnen Einrichtungen im Ernstfall gegeneinander auszuspielen.

Ich brauche jetzt über die Ausstattung der Institutionen des Europarates im einzelnen nicht zu reden – ich kann mich hier auf das beziehen, was viele Kolleginnen und Kollegen bereits gesagt haben. Aber die zu Tage getretenen gewaltigen Ausstattungsunterschiede, die führen geradezu zwangsläufig dazu, dass die Einrichtungen des Europarates gegen die Wand gedrückt würden und schweren Schaden nehmen müssten, trotz gegenseitiger Beteuerungen

Es verwundert daher nicht, dass Vorbehalte in vielen nationalen Parlamenten gegen diesen Plan bestehen- erforderlich wird die Einstimmigkeit der Regierungen sein; hier liegt unsere Chance, auch in den nationalen Parlamenten. Wenn es uns gelingt die einzelnen Regierungen davon zu überzeugen, dass diese Agentur nicht installiert werden soll, dann scheitert der Plan. Bis dahin; so finde ich, sollten wir den vernünftigen Vorschlägen des Berichterstatters folgen, nämlich erstens, die Einrichtung der Grundrechtsagentur erst einmal auszusetzen, so der Vorschlag Jean-Claude Junckers. Zweitens sollte die EU schnellstens der Europäischen Menschenrechtskonvention beitreten. Drittens sollte die EU schnellstens ins Auge fassen, bis 2010 Mitglied des Europarates zu werden. Wenn diese Schritte verwirklicht werden, dann wäre die eigene Menschenrechtsagentur der EU ohnehin überflüssig.

Rainder STEENBLOCK, Deutschland, SOC

Vielen Dank, Herr Präsident!

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

ich glaube, Sie sind mit mir einverstanden, dass wir eine große Europäische Woche in Straßburg gehabt haben. Es wäre sicherlich noch besser gewesen, wenn wir die Debatten von Dienstag und von heute miteinander hätten verbinden können; doch ich glaube, dass wir an diesen beiden Tagen über die Zukunft Europas so intensiv diskutieren, ist ein gutes Zeichen, auch gegen die Glaubwürdigkeitskrise, die es momentan zu Recht bei vielen Bürgerinnen und Bürgern in Europa gibt.

Wir brauchen, um Europa voran zu bringen – und ich danke Ihnen, Herr Brok, dafür, dass Sie dies auch vom Europäischen Parlament her noch einmal betont haben - eine stärkere Zusammenarbeit der Parlamente, von diejenigen, die direkt vom Volk gewählt worden sind: vom Europäischen Parlament, doch auch von den nationalen Parlamenten und der Parlamentarischen Versammlung hier.

Wenn wir uns in Fragen der Menschenrechte tatsächlich effizient nach vorn bewegen wollen, so ist es völlig richtig, dass wir keine Konkurrenz zwischen dem Europäischen Parlament und dem Europarat haben dürfen. Nehmen Sie bitte mit, dass viele davon überzeugt sind, dass die Mitglieder des Europäischen Parlamentes sehr effiziente und engagierte Menschenrechtsarbeit leisten, das steht fest. Wir brauchen jedoch klare Strukturen, in denen wir arbeiten können, und die sich nach Kompetenz, nach Effizienz und auch nach demokratischen Legitimations-Gesichtspunkten ausrichten. Ich bin sehr dafür, dass in dieser Struktur die Institution des Europarates die Priorität haben muss. Was die Effizienz angeht, so sind unsere Strukturen hier mit relativ wenig Mitteln, jedoch mit hoher Kompetenz ausgestattet; es sind Strukturen, die sich ein weltweites Renommee in Sachen Menschenrechtsarbeit aufgebaut haben.

Der Kommissar arbeitet mit einem Budget von 1.5 Millionen Euro, mit 15 Mitarbeitern. Dies reicht nicht aus, und in einer solchen Situation ist es für mich völlig unverständlich, wie man eine neue Struktur aufbauen kann, die etwa einhundert Mitarbeiter zählen und ein Volumen von etwa 30 Millionen Euro als Geschäftsgrundlage haben soll. Es ist in der Relation zu den Kompetenzen, die wir hier haben – was den Kommissar, den Gerichtshof angeht, aus meiner Sicht gar nicht vertretbar, diese Gelder zusätzlich auszugeben. Wir sind in unseren jeweiligen Ländern den Bürgerinnen und Bürgern für eine effiziente Mittelverwaltung verantwortlich; und genau diese Mittelverwaltung schließt Doppelstrukturen aus.

Wir wollen eine Stärkung des Gerichtshofes für Menschenrechte, eine Stärkung des Kommissars. Beides sind anerkannte Einrichtungen. Wir wollen ebenfalls, dass das Wiener Büro, welches in den Bereichen der Fremdenfeindlichkeit und des Rassismus hervorragende Arbeit geleistet hat, ebenfalls fortgeführt wird. Doch wir brauchen keine Doppelstrukturen; wir wollen die effiziente Verwendung von Steuergeldern.

Deshalb haben wir uns als deutsche Delegation über die Parteigrenzen hinweg auch im Deutschen Bundestag darauf verständigt, einen Antrag einzubringen, der diese Doppelarbeit ausschließt und die Prioritäten beim Europarat und seinen Institutionen setzt.

Ich würde mich freuen, wenn viele Kolleginnen und Kollegen aus den nationalen Parlamenten diesem Beispiel folgen würden. Lassen Sie uns dafür sorgen, dass wir im Interesse der Menschenrechte als Parlamentarier miteinander kooperieren, aber lassen Sie uns klare Strukturen und Verantwortungen schaffen, damit Steuergelder nicht doppelt ausgegeben werden.

Vielen Dank.

Wolfgang WODARG, Deutschland, SOC

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Der Europarat hat den Auftrag, für die Staaten und zwar für alle 46 Staaten Europas – hoffentlich sind es bald noch mehr, nämlich 47 – den Auftrag, einerseits die Menschenrechte zu entwickeln, sie zu hüten, die demokratischen Regeln weiterzuentwickeln, sowie die Geltung der Gesetze zu überwachen, zu fördern und weiterzuentwickeln.

Wir haben hierfür Ziele entwickelt und Indikatoren definiert, wir haben Monitoring-Instrumente die funktionieren, und wir haben Korrektur-Mechanismen. Wir können Einfluss nehmen auf die Staaten und können etwas erreichen. Das alles funktioniert.

Aber es existiert alles nur am Rande des Hungertodes. Es ist so, dass wir sehr wenig Mittel haben für den Gerichtshof, dass der Menschenrechtskommissar mit 14 bis 15 Mitarbeitern und einem Etat von 1,5 Millionen Euro auskommt, was kaum ausreicht, um seine Funktion sicherzustellen. Und dass wir zwar sehr viel Akzeptanz haben, dass wir die Identität Europas darstellen in Bezug auf Menschenrechte, dass dies aber in keinem Verhältnis zum materiellen Aufwand steht.

Ich sage dies als ein Vertreter eines Mitgliedsstaates, der auch Mitglied in der europäischen Union ist, und ich weiß nicht, wie ich dies zuhause verkaufen soll.

Wenn wir jetzt hören, dass die europäische Union für das Zehnfache dessen was uns für den Menschenrechtskommissar zur Verfügung steht, erst einmal anfangen will, eine Kontaktinstitution in Wien zu schaffen, und hierfür sehr viel Geld in die Hand nimmt, dieselben Staaten die auch Mitglied hier bei uns sind, dann wird dies dem Steuerzahler nicht so richtig klar zu machen sein.

Wenn diese Institution in Wien sich dann darauf beschränkt, eine Kontroll-Instanz für das zu sein was die europäische Union selbst verantwortet, dann muss man aber auch sagen, dass die Mitgliedsländer der europäischen Union, die ja auch Mitgliedsländer bei uns sind, sehr wohl unter Kontrolle sind und sehr wohl auch bei uns beobachtet werden. Und natürlich ist es selbstverständlich, denke ich, dass wir uns als Mitgliedsländer der Europäischen Union, dass wir uns anstrengen, jetzt hier diese Doppelarbeit zu vermeiden und die Funktion des Europarates zu nutzen.

Ich denke der Europarat hat „soft skills“ entwickelt. „Soft skills“, das sind Tugenden, weibliche Tugenden, Tugenden die es geschafft haben, mit Geduld aber mit Hartnäckigkeit die unterschiedlichen europäischen Staaten, die unterschiedlichen politischen Systeme aneinander zu führen, zusammenzuführen, die zwar nachsichtlich sind, die aber trotzdem voller Verantwortung für das Ganze sind und die darauf achten, dass Ganze des Zusammenhaltens in Europa gestärkt wird.

Das sind „soft skills“, diese Erfolge kann man nicht in Euro bilanzieren. Es sind andere Werte die wir pflegen und ich glaube, es sind die Werte, die wir in Europa brauchen, damit das Gefühl eines Europas überhaupt erstmal entsteht, wenn die Menschen dann sehen, wofür denn das alles gemacht und das viele Geld ausgegeben wird.

Diese Identität Europas, die wir pflegen, die wir entwickeln, die muss die europäische Union wahrnehmen und sie muss auch uns stärken und mit uns gemeinsam an der Weiterentwicklung dieser gemeinsamen Wertegemeinschaft arbeiten.

Ich glaube, es wird schwer sein, dass darf ich am Schluss sagen, dem deutschen Steuerzahler zu sagen - der 40% der Kosten der europäischen Union trägt, der aber nur 12% hier im Europarat trägt, dass dort ein zehnmal so teures Instrument in Wien gebaut wird, obwohl wir hier längst die Instrumente haben, die knapp am Hungertod entlangschrammen.

Und daher hoffe ich, dass wir das was Herr Lintner für die deutsche Delegation gesagt hat dann noch gemeinsam durchsetzen und dass auch andere Länder sich gleichermaßen verhalten.

Elmar BROK, Deutschland

Herzlichen Dank, Herr Präsident!

Die Redezeit bei meinem ersten Auftritt vor fünfundzwanzig Jahren betrug anderthalb Minuten; insofern ist mir seither eine Verdopplung gelungen.

Ich möchte mich sehr herzlich bedanken für diese Diskussion, weil sie auch für mich in bestimmten Fragen Klarheit geschaffen hat, und das ist immer die beste Voraussetzung dafür, dass man darauf eine vernünftige Politik aufbaut.

Ich weiß auch und bin vorhin darauf hingewiesen worden, dass es zwischen der Europäischen Union und dem Europarat, zwischen der parlamentarischen Versammlung und dem Europäischen Parlament schon einige Bereiche der Zusammenarbeit gibt; beispielsweise im Rahmen des Stabilitätspaktes, OSZE, Europarat, Europäisches Parlament......

Ich erinnere mich, dass Herr Severin damals für die OSZE in diesem Bereich tätig war, und momentan hat ja das Europäische Parlament darin für dieses Jahr wieder die Führung übernommen. Es gibt auch gemeinsame Fragen, die mit der Entwicklung von Parlamenten und parlamentarischen Institutionen, beispielsweise im West-Balkan, zu tun haben.

Meine Damen und Herren, bezüglich der Agentur möchte ich uns einen Rat geben, der anhand eines einzelnen Beispiels zu einer breiten Zusammenarbeit führt:

Wenn ich hier die Redner aller Fraktionen höre, fände ich einen Gedankenaustausch zwischen den Fraktionen der Parlamentarischen Versammlung und des Europaparlamentes sinnvoll und wünschenswert. Gäbe es einen solchen Austausch, wäre es zum Beispiel in dieser Situation leichter, innerhalb des Europäischen Parlaments zu einer vernünftigen Position zu kommen, aber dies gilt sicher umgekehrt auch für andere Projekte.

Aus diesem Grunde sollte in der Tat eine engere Zusammenarbeit der Fraktionen, der Fraktionsführungen, ein Gedankenaustausch für gemeinsame Fragen, eine ständige Einrichtung werden. Dies wären mein Vorschlag und auch meine Konsequenz aus dem, was ich heute hier gehört habe, um auf diese Art und Weise unsere beiderseitigen Willensbildungen entsprechend zu beeinflussen.

Ich persönlich möchte noch einmal zum Ausdruck bringen, dass ich mich weiterhin für Ihre Position einsetzen werde. Wir müssen uns bemühen, das in Mehrheitspositionen zu verwandeln, und wir sollten das in Zusammenarbeit mit Ihnen, uns und unseren nationalen Parlamenten so machen, dass die Doppelarbeit mit der Agentur verhindert wird.

Was wir in der Europäischen Union brauchen, ist Hinweise darauf, dass Artikel 6 des Vertrages verletzt ist. Dies berührt jedoch andere Bereiche als die Menschenrechte und wird bedauerlicherweise innerhalb der Diskussion – auch bei uns in Brüssel – oft verwechselt.

Meiner Meinung nach hat die Arbeit der Menschenrechte Vorrang, und zwar über den Weg der Menschenrechtskonvention, des Gerichtshofes in Straßburg, wie bereits ausgeführt.

Daneben müssen wir uns darum kümmern, wie die Prinzipien der Europäischen Union in den Grundsatzfragen gewährleistet werden können. Dies ist jedoch eine andere Aufgabenstellung, deshalb sollte darauf noch einmal hingewiesen werden, um Doppelarbeit zu vermeiden zugunsten einer Ergänzung der Arbeit zu unserem gemeinsamen Wohl.

Herzlichen Dank.

Präsident

Danke schön. Wir werden bestimmt heute Nachmittag im Büro Ihren Vorschlag einer engeren Zusammenarbeit zwischen den politischen Fraktionen als Gedankenaustausch aufgreifen.

Wolfgang WODARG, Deutschland, SOC

Herr Präsident, im Amendement Nummer 1 geht es darum, dass der Europarat die Referenzinstitution für Menschenrechte werden, und auch entsprechend anerkannt werden soll. Auch die Monitoring-Instrumente des Europarates sollen hier maßgeblich sein.

Wolfgang WODARG, Deutschland, SOC

Zum Thema Menschenrechtskommissar: Die Ergänzung für diesen Antrag möchte, dass der Menschenrechtskommissar aufgewertet und anerkannt wird; sowie von der Europäischen Union mit den entsprechenden Mitteln ausgestattet wird

Wolfgang WODARG, Deutschland, SOC

Hier wird darauf abgezielt, dass sowohl die Europäische Union als auch der Europarat gemeinsam eine zukünftige Strategie entwickeln sollten, um die Demokratie in Europa weiterzuentwickeln, und dass sie die Instrumente der Venedig-Kommission und des „Forum on the Future of Democracy“ gemeinsam nutzen sollten.

Präsident

Dankeschön.

Wolfgang WODARG, Deutschland, SOC

Es zielt darauf ab, die „Institutional Relations“ substanziell weiterzuentwickeln und genaue Pläne zu machen, wie hier in Zukunft zusammengearbeitet wird. Dabei sollten die einzelnen Institutionen und die leitenden Gremien von EU und Europarat genaue Pläne entwickeln, wie sie zusammenarbeiten wollen.