AL06CR15

AS (2006) CR15

 

Provisorische Ausgabe

SITZUNGSPERIODE 2006

(2. Teil)

BERICHT

15. SITZUNG

Donnerstag, 13. April 2006, 14.00 Uhr

REDEBEITRÄGE AUF DEUTSCH


Andreas GROSS, Schweiz, SOC

Danke, Herr Präsident!

Im Namen der Sozialdemokratischen Fraktion möchte ich Herrn Cilevics für seinen Bericht danken. Er hat als Nachfolge-Berichterstatter von Frau Vermot-Mangold eine schwere Aufgab übernommen, doch diese heikle Mission ist ihm bravourös gelungen, und ich weiß, es ist ein richtiges Minenfeld. Allein schon die drei Staaten auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen im Hinblick auf die schreckliche Situation der Hunderttausenden von Flüchtlingen ist ein Kraftakt.

Wir müssen uns darüber klar werden, dass die Flüchtlinge Kundschafter des Elends und der Gewalt sind, und wenn man sie besucht, dann sieht man das ganze Ausmaß ihrer schrecklichen Situation. Meist sind sie schuldlos in dieses Elend geraten; eigentlich sind sie Objekte der Politik anderer, der Herrschenden, denn sie sind nicht in der Lage, sich selbst zu helfen. Dies ist eine der schrecklichsten Erkenntnisse, die wir hier im Europarat gewinnen können.

Wenn wir den Bericht genau lesen, stellen wir fest, dass der Berichterstatter versucht hat herauszufinden, wo Fortschritte gemacht wurden, und es gibt in der Tat Fortschritte in allen drei Ländern. Auch in Aserbaidschan werden Flüchtlinge nicht länger als politische Instrumente benutzt, man hat gemerkt, dass das Elend dieser Menschen kein Beitrag zur Verbesserung der Situation in

Auf der anderen Seite lässt der Bericht aber auch die Verzweiflung des Verfassers erkennen, dass trotz der Fortschritte die wesentlichen Punkte, welche die Misere der Situation der Flüchtlinge ausmachen, eben nicht angegangen werden. Dies hat mit der politischen Situation und der fehlenden Bereitschaft der Mehrheit in Armenien und Aserbaidschan zu tun.

Dass diese Bereitschaft fehlt, erkennt man auch, wenn man sich die 36 Anträge genauer anschaut. Die Punkte in der Resolution nämlich, die auf Dialog und auf gemeinsame Wege aus dem Elend heraus abzielen, werden allesamt sabotiert, sie sollen alle gestrichen werden.

Dies ist schlimm und hat nichts mit den Flüchtlingen zu tun, sondern mit unserer Einstellung, und wir sollten dies verhindern. Deshalb möchte ich die Vertreterinnen und Vertreter aus Armenien und Aserbaidschan bitten, hier in unserem Hause zu versuchen, über ihren eigenen Schatten zu springen. Ohne Kommunikation nämlich und ohne Dialog kann man keine Kompromisse finden; und ohne Kompromisse wird man die Ursachen für die Flucht nicht überwinden. Ohne demokratische Legitimation aber hat man auch nicht die Stärke für Kompromisse, und deshalb werden wir als Berichterstatter nach wie vor in Armenien und in Aserbaidschan darauf achten, dass die Ursachen des Konfliktes beigelegt werden, denn dann brauchen die Menschen nicht mehr zu flüchten.

Vielen Dank.

Rosmarie ZAPFL-HELBLING, Schweiz, EPP/CD/PPE/DC

Danke, Herr Vorsitzender, liebe Kolleginnen und Kollegen,

wenn Sie einmal in diesen Ländern die Lage der Flüchtlinge gesehen haben, wenn sie dort waren, wenn Sie dieses Elend gesehen haben, dann können Sie dem Berichterstatter für seinen Bericht nur dankbar sein, denn. Dankbar vor allem dafür, dass er all die Änderungsanträge die in der Kommission gestellt wurden und die auch heute noch kommen abgelehnt hat – die Abänderungsanträge die den Bericht grundlegend verfälschen wollen.

Ich war mit dem Berichterstatter zusammen in einzelnen Flüchtlingslagern Aserbaidschans. Ich kann nur bestätigen, dass die Situation der Flüchtlinge menschenunwürdig ist. Es sind ja vor allem Frauen und Kinder, die in provisorischen Unterkünften leben, die nicht geheizt werden können und in die es hineinregnet. Sie erhalten keine medizinische Versorgung, und die Kinder keine Schulbildung. In der Region in der sie seit Jahren oder schon länger leben werden sie auch nicht integriert.

Uns allen ist längst bewusst, dass wir eine Lösung für den Konflikt in Berg-Karabach brauchen. Nur dann kann die Heimkehr der Vertriebenen ermöglicht werden – dies ist der einzige, der größte Wunsch dieser vertriebenen Menschen. Wir haben mit ihnen im Flüchtlingslager gesprochen, wir haben es gehört – und ich denke der Europarat kann sich nicht damit zufrieden geben, wenn die Vertreter der Konfliktländer sagen „das geht nicht; wir haben keinen Kontakt zueinander, wir können nicht miteinander sprechen.“ Dies darf nicht sein. In diesem Fall muss diese Möglichkeit geschaffen werden – beide Länder sind Mitglieder des Europarates, die sich zur Einhaltung der Menschenrechte verpflichtet haben. Sie sind mit diesem Bericht aufzufordern, Gespräche zuführen, sich an einen Tisch zusetzen und Lösungen für diese schwierigen Probleme zu finden.

Es geht um Menschen, die seit mehr als zehn Jahren in dieser unwürdigen Situation leben, und dies in Ländern des Europarates. Es ist sehr zu bedauern, dass die beiden Länder auch nicht bzgl. der vermissten Personen zusammenarbeiten.

Im Bericht werden entschiedene Forderungen an die beiden Länder gestellt. Die Behauptung, das Flüchtlingsproblem in dieser Region sei ein humanitäres Problem und kein politisches kann ich nicht akzeptieren. Die Politik ist gefordert; Frieden kann nur geschlossen werden, wenn beide Seiten aufeinander Rücksicht nehmen, wenn die Politiker auf beiden Seiten bereit sind, zugunsten der Menschen in ihren Ländern von ihren Maximalforderungen zurückzutreten. Und ich denke der Europarat kann nur seine guten Dienste anbieten, um dauerhafte Lösungen in der Krisenregion zu finden.

Die EVP-Gruppe unterstützt den Bericht, sie lehnt jedoch alle Änderungsanträge ab, die den Bericht dahingehend ändern wollen, dass in den beteiligten Ländern keine Gespräche geführt werden können.

Ruth-Gaby VERMOT-MANGOLD, Schweiz, SOC*

Liebe Kolleginnen und Kollegen.

Ich bedanke mich sehr herzlich für diese angeregte und für diese kluge Debatte. Ich bedenke, Sie alle haben gespürt, haben gesehen und haben auch die Erfahrung, dass dieses Thema nicht nur einfach nicht ein unwichtiges Thema ist, sondern dass wir hier mitten drin sind in Menschenrechts- und in Frauenrechtsverletzungen, denen wir zustimmen, wenn wir uns nicht dagegen wehren.

„Nichts neues unter der Sonne“ hat Michael HANCOCK gesagt. Ja, nichts neues unter der Sonne. Seit Jahren streiten wir gegen Menschen- und gegen Frauenhandel. von denen viele Rednerinnen und Redner gesagt haben, diese ist eine ganz moderne Sklaverei. Sklaverei ist abgeschafft, längst schon. Darauf sind wir stolz.

Damals waren viele Länder federführend. Aber sie ist nicht abgeschafft. In Wirklichkeit besteht dieser Heiratsmarkt, dieser Heiratshandel, dieser Arbeitshandel und vor allem der Sexhandel, bei dem Frauen sich zwangsweise prostituieren müssen, um die Kunden zu bedienen.

Die Ursachen wurden auch immer wieder erwähnt und ich glaube dies ist ganz wichtig. Wir können nicht und dürfen hier nicht nur die Zwangsprostitution, den Frauenhandel, den Kinderhandel bekämpfen, sondern wir müssen auch hinschauen, welches eigentlich die Ursachen sind? Es sind Armut, Analphabetismus, es ist Arbeitslosigkeit, es ist das Elend in vielen Herkunftsländern, Herkunftsländer die auch hier, als Europarat-Mitglieder in unseren Reihen sitzen.

Ich denke auch hier müssen wir aktiver werden und deutlich sagen: „wir helfen mit, dass diese Ursachen auch dort, wo die Frauen herkommen, bekämpft werden.“

Es ist aber auch organisiertes Verbrechen, in großem Maße jedoch auch in Form von organisierter Kleinkriminalität: immer wieder erzählen Frauen, sie würden von einzelnen Menschen angesprochen. „Wir wissen nicht, wer dahinter steckt, wenn wir hierher verschleppt werden“.

Geld steckt hinter diesem ganzen Geschäft, wahnsinnig viel Geld, Milliarden von Euros stecken dahinter. Diese Milliarden, liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie haben es erwähnt, diese Milliarden gehen irgendwo hin, sie werden anonym verdient. Wer sind diese Täter? Wie können wir dieser Täter habhaft werden, wie können wir sie wirklich bekämpfen? Das ist das organisierte Verbrechen und Frauenhandel steht nicht allein; mit dabei sind Waffen- und Drogenhandel. Wir haben es also mit einer ganz gefährlichen Gesellschaft zu tun, die den Frauenhandel betreibt.

Wir haben von der Konvention des Europarates gegen den Menschenhandel gehört – und ich nehme Euch, liebe Kolleginnen und Kollegen beim Wort! Alle, die hier gesprochen haben, wollen sie unterzeichnen, das nützt noch nicht viel, aber bitte, ratifizieren!

Die Gesetze verändern im eigenen Land, mit den Gesetzen und mit Prävention, mit Kampagnen gegen den Menschenhandel kämpfen: das haben Sie hier gesagt, das haben Sie hier versprochen, und darauf zählen wir.

Ich bedanke mich bei Moldawien, das, wie ich gehört habe, in diesen Tagen diese Konvention ratifiziert hat. Ich glaube das ist ein wichtiges und ein gutes Zeichen, dass eines der ärmsten Länder, eines der ganz stark betroffenen Herkunftsländer diese Konvention ratifiziert.

Wir brauchen den Schutz der Frauen, wir brauchen diese dreißig Tage der Reflexion die zu wenig sind, damit wir die Opfer endlich schützen können.

Ich bedanke mich nochmals ganz herzlich.