AS (2006) CR19

 

Provisorische Ausgabe

SITZUNGSPERIODE 2006

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(3. Teil)

BERICHT

19. SITZUNG

Mittwoch, 28. Juni 2006, 10.00 Uhr

REDEBEITRÄGE AUF DEUTSCH


 

Andreas GROSS, Schweiz, SOC

Danke, Herr Vorsitzender.

Wir sollten zunächst Frau Hurskainen danken, dass sie uns ermöglicht, eine so differenzierte Debatte zu führen. Ich möchte dort anknüpfen, wo Herr Juergens aufgehört hat, nämlich bei dem Versuch - der sich sehr schön durch den gesamten Bericht zieht - nämlich zwei Grundrechte gegeneinander abzuwägen.

Da ist erstens das Recht des Individuums auf seinen Glauben und seine Religion, und es gehört in diesem Sinne auch zur Würde des Einzelnen, dass er nicht rechtfertigen muss, warum er sich einer bestimmten Religion zugehörig fühlt, zumal dies ohnehin nicht rational erklärbar ist.

Auf der anderen Seite gibt es aber auch in jeder Demokratie das Recht, jede Religion zu kritisieren, da jede Religion letztlich ein ideologisches Gebäude ist. Der Respekt vor dem Individuum einerseits und die Bereitschaft, Religionsstrukturen zu kritisieren andererseits erlaubt uns die Güterabwägung und damit die Gratwanderung zwischen Meinungsfreiheit und Religionsfreiheit.

Genau das hat die dänische Zeitung jedoch nicht getan; sondern sie hat durch die Art und Weise, wie sie mit der Religion umgegangen ist, diejenigen nicht respektiert, die sich ihr zugehörig fühlen.

Die Lehre von heute – das hat der türkische Premierminister sehr klar zum Ausdruck gebracht, ist im Anschluss an die Katastrophe der Vergangenheit entstanden, bei der eine Auffassung den Ausschluss eines ganzen Volkes aus der Zivilisation zur Folge hatte.

Auf ihr basiert der Europarat; Es ist die Lehre, der zu Folge niemand aus der Demokratie ausgeschlossen werden darf. Und jeder republikanische Staat muss Heimat für alle Religionen sein, selbst wenn er selbst sich einer ganz bestimmten zugehörig fühlt.

In diesem Sinne hat das dänische Gericht nun wiederum Recht daran getan, diese religiös begründeten Morde innerhalb von Familien – dass der Sohn das Recht hat, die Tochter umzubringen, wenn diese sich weigert, den Mann zu heiraten, den der Vater ausgewählt hat - von unseren Staaten eben absolut als Mord verstanden und auch als solcher bestraft wird. Dies ist Ausdruck der republikanischen Grundlage unserer Demokratie, und an der Missachtung der Grundrechte stößt die Religionsfreiheit an ihre Grenzen.

Die Würde des einzelnen verlangt, dass er selbst bestimmen darf, wen er heiraten darf, und dieses Grundrecht ist höher. In diesem Sinne kann man gerade in Dänemark völlig zu Recht nicht nur den Sohn, welcher den Mord begangen hat, verurteilt, sondern auch den Vater, der ihn dazu angestiftet hat.

In der Schweiz hat kürzlich eine Regierung, die von einem solchen Vorhaben einer Familie erfuhr, die beteiligten männlichen Familienmitglieder ausgewiesen. Ich glaube, dies ist ein Beispiel dafür, wie man mit dieser Gratwanderung richtig umgeht, ohne das Recht des einzelnen zu missachten, welches darin besteht, seinen Glauben nicht rechtfertigen zu müssen.

Zweierlei möchte ich noch dem Premierminister der Türkei sagen: Er muss eine Sache korrigieren: Der Westen ist absolut nicht identisch im Hinblick auf Fundamentalismus.

Es gibt in den USA eine Nähe zwischen der Macht und einem fundamentalistischen Verständnis des Christentums, welches ebenso gefährlich ist wie beispielsweise der islamistische Fundamentalismus. Da gilt es also auch innerhalb des Westens zu unterscheiden. Auf der anderen Seite hat er als Muslim während seiner letzten vier Jahr seiner Amtszeit einen größeren Beitrag zur Respekt demokratischer Freiheit in der Türkei geleistet als viele Sozial- und Christdemokraten vor ihm. Dafür gebührt ihm Dank.

Präsident

Besten Dank, Herr Gross.

Eduard LINTNER, Deutschland, EPP/CD/PPE/DC

Dabei handelt es sich eigentlich nur um einen notwendigen, ergänzenden Hinweis auf den erforderlichen, schwierigen Abwägungsprozess. Das ist hier ja schon betont worden.

Eduard LINTNER, Deutschland, EPP/CD/PPE/DC

Hier sollte eigentlich nur zum Ausdruck gebracht werden, dass natürlich in beiden Richtungen darauf zu achten ist, dass die Dinge rechtmäßig geschehen und den nötigen Respekt genießen. Deshalb haben wir hier in unserer Änderung vorgeschlagen, die zweite Richtung beizufügen.

Eduard LINTNER, Deutschland, EPP/CD/PPE/DC

Auch hier geht es eigentlich nur darum, auf die besondere Verpflichtung des Europarates hinzuweisen, auch seinen Beitrag zu leisten, um als multinationale Organisation, die Erfahrung mit verschiedenen Religionen und Überzeugungen in ihren Mitgliedstaaten hat, einen echten erzieherischen und praktischen Beitrag zu leisten.

Präsident

Dankeschön, Herr Lintner.