AS (2006) CR21

 

Provisorische Ausgabe

SITZUNGSPERIODE 2006

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(3. Teil)

BERICHT

21. SITZUNG

Donnerstag, 29. Juni 2006, 10.00 Uhr

REDEBEITRÄGE AUF DEUTSCH


 

Präsident

Herr Gross, möchten Sie eine Frage stellen?

Ljiljana MILIĆEVIĆ, Bosnien und Herzegowina, SDS

Herr Präsident, ich habe eine Frage.

Eduard LINTNER, Deutschland, EPP/CD/PPE/DC

Herr Präsident!

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen,

zunächst möchte ich im Namen meiner Fraktion den beiden Berichterstattern und dem Sekretariat des Ausschusses herzlich dafür danken, dass sie trotz der Eile einen so fundierten und umfassenden Bericht hier vorgelegt haben.

Wir haben uns auch in den letzten Stunden intensiv darum bemüht, die Einwände, die seitens der Betroffenen gegen die jetzige Fassung des Berichts vorgebracht worden sind, ernst zu nehmen und sorgfältig zu prüfen, doch ich muss gestehen: Je mehr man sich mit dem Thema beschäftigt, desto klarer wird eigentlich, dass der geforderte Reformprozess unabwendbar ist und gefördert werden muss. Unter anderem hängt von seinem Erfolg ja nichts weniger als zum Beispiel die Beitrittsfähigkeit von Bosnien-Herzegowina zur EU ab, und das ist auch in den Augen der Bevölkerung ein außerordentlich wichtiges Ziel.

Dies entspricht im übrigen auch genau dem, was der Hohe Repräsentant der Internationalen Gemeinschaft und Sonderbeauftragte der Europäischen Union, mein früherer Bundestagskollege, Herr Schwarz-Schilling, bis in die jüngste Zeit hinein immer wieder erklärt und betont hat. Trotz des Reformpakets, welches im April dieses Jahres knapp gescheitert ist, ist eigentlich allen klar, dass der Reformprozess fortgesetzt werden muss.

Wir wollen nicht, dass die Kolleginnen und Kollegen dabei den Eindruck gewinnen, es solle ihnen etwas aufoktroyiert werden, sondern, wie der Hohe Repräsentant, so setzen auch wir auf Eigenverantwortung der Bürgerinnen und Bürger. Sie selbst müssen diesen Prozess in die Hand nehmen.

Die Tatsache jedoch, dass die gegenwärtig geltende Verfassung nicht EU-tauglich ist, muss klar sein. Der jetzige Status ist im Hinblick auf dieses Ziel, oder auch im Hinblick auf die Vorgaben des Dayton-Vertrages als Dauerzustand nicht akzeptabel.

Zu den Standards in den Staaten der Europäischen Gemeinschaft gehört eben auch die Funktionsfähigkeit gesamtstaatlicher Institutionen, und vor allem eine gültige Verfassung die demokratischen Standards und Anforderungen genügt, und welche gleichermaßen für alle Bürger von Bosnien-Herzegowina gilt, das heißt letztlich ohne Unterschied aufgrund ethnischer oder religiöser Zugehörigkeit. Wir wissen auch – Kollege Lloyd hat es bereits betont, dass es ein schwieriger und mühsamer Prozess ist, aber er kann den Betroffenen nicht erspart werden.

Wir können auch auf dieses Ziel allein aus grundsätzlichen Erwägungen heraus nicht verzichten; andernfalls würden wir nämlich so ziemlich alles in Frage stellen, was im Zentrum der Aufgabenstellung des Europarates liegt.

Wir müssen verlangen, dass sich unsere Mitglieder zu diesem Ziel bekennen; deshalb sind wir mit dem Hohen Repräsentanten einig, wenn er fordert, dass die Verantwortlichen in Bosnien-Herzegowina selbst aktiv den Reformprozess in die Hand nehmen. Wir unterstützen sie dabei mit all den Hilfen, die der Europarat geben kann; und dies umso mehr, als der Hohe Repräsentant, Herr Schwarz-Schilling, seine Tätigkeit am 30. Juli nächsten Jahres definitiv einstellen wird. Spätestens nach den Wahlen im Herbst muss dieses Bemühen nach Reformen auch konkret in der Politik erkennbar werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will nicht verschweigen, dass die Vorschläge, die in den letzten Tagen aus der Republik Srpska zu hören waren, nämlich eine Volksabstimmung über die Unabhängigkeit dieser Republik abzuhalten, dem ursprünglich von allen Parteien favorisierten Reformprozess nicht dienlich sind. Eine solche Idee kann sich weder auf das Beispiel Montenegro berufen, weil die historische Entwicklung gar nicht vergleichbar ist, noch auf den Friedensvertrag von Dayton, denn dort wird die Republik ausdrücklich als Entität, das heißt als Teilstaat in Bosnien und Herzegowina, bezeichnet.

Das Entfachen eines solchen Feuers kommt dem Hantieren mit Sprengstoff in einer sehr labilen Region gleich.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, bewertet man den Inhalt des Berichts an dieser Faktenlage und vor diesem Hintergrund, so kann ich eigentlich nur dafür plädieren, dem Bericht, so wie er vorgelegt worden ist, auch zuzustimmen.