AL06CR30

AS (2006) CR30

 

Provisorische Ausgabe

SITZUNGSPERIODE 2006

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(4. Teil)

BERICHT

30. SITZUNG

Donnerstag, 05. Oktober 2006, 15.00 Uhr

REDEBEITRÄGE AUF DEUTSCH


Rosmarie ZAPFL-HELBLING, Schweiz, EPP/CD/PPE/DC

(Doc. 10925 rev. 2)

Herr Präsident!

Die Schaffung eines Gedenkzentrums für Zwangsvertreibungen und ethnische Säuberungen soll die Mitglieder des Europarates sensibilisieren, die schrecklichen Geschehnisse des vergangenen Jahrhunderts aufzuarbeiten, sich der Erinnerung an die Verbrechen an den Menschen und Volksgruppen zu stellen und sich damit auf den Weg der Versöhnung zu begeben. Es gibt noch etliche Mitgliedsländer des Europarates, die sich bis heute um diese Aufarbeitung gedrückt haben.

Das ist zu einem Teil auch verständlich. Auf der anderen Seite kann jedoch nur dann vergeben werden und eine Versöhnung stattfinden, wenn die Gräuel der Vergangenheit ehrlich und objektiv enttabuisiert werden, und Verantwortung übernommen wird. Was geschehen ist, darf nie vergessen werden. Und deshalb danke ich dem Berichterstatter, dass er diesen Bericht verfasst hat.

Wenn man sich vorstellt, dass in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts bis zu 80 Millionen Europäer gezwungen wurden, ihr Heimatland zu verlassen, dass davon bis heute viele nicht zurückkehren konnten, so wird klar, dass noch vielerorts Wunden offen sind. Ein Beispiel von vielen möchte ich Ihnen nennen: Der Europarat hat 1993 festgehalten, dass die Slowakische Republik die Paragraphen 81 und 108 ihrer Verfassung, in denen es um die kollektive Vertreibung von 1946 und 1947 geht, streichen solle. Dies ist bis heute noch nicht geschehen. Deshalb sage ich auch, dass leider das Verständnis gegenüber diesen Verbrechen gegen die Menschlichkeit vielerorts nicht vorhanden ist. Ganz abgesehen davon, dass in den vergangenen 15 Jahren in einigen Mitgliedsländern des Europarates neue Vertreibungsdramen stattgefunden haben und der Ausschuss für Migrationsfragen sich auch schon mit Berichten zu diesen Situationen geäußert hat.

Die EPP-Gruppe ist der Meinung, dass ein solches Gedenkzentrum für Opfer von Zwangsvertreibung ein Symbol der kollektiven Erinnerung sein soll. Es soll auch die Erinnerung an die Bedeutung des Europarates in den Ländern des Ostens auffrischen, in denen vieles vergessen wird. All das, was der Europarat in diesen Ländern getan und geholfen hat, gerät langsam in Vergessenheit. Im Vordergrund steht heute alleine die Europäische Union.

Das Ziel dieses Zentrums soll es sein, junge Generationen darin zu unterrichten, dass mit einer gemeinsamen Erinnerung die Trennungen der Vergangenheit zu überwinden sind, und damit zu einem Europa beigetragen werden kann, in dem kulturelle und religiöse Unterschiede als Chance und nicht als Unterschiede wahrgenommen werden. Wenn ein solches Zentrum dazu beitragen kann, die Aussöhnung zu fördern, so kann es auch als Instrument der Konfliktverhütung eingesetzt werden. Dann sollten finanzielle Bedenken meiner Meinung nach nicht im Vordergrund stehen. Unsere wichtigste Aufgabe als Mitglieder des Europarates ist ja die Wahrung der Menschenrechte, und darauf hinzuweisen, wie und wo sie verletzt wurden, und wie künftige Generationen damit umgehen sollen.

Detlef DZEMBRITZKI, Deutschland, SOC

(Doc. 10925 rev. 2)

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich danke dem Berichterstatter, Herrn Einarsson, für den vorgelegten Empfehlungsentwurf. Dieser nähert sich aus meiner Sicht dem schwierigen und noch immer belasteten Thema von Zwangsvertreibung und ethnischer Säuberung auf angemessene und sachliche Weise. Die formulierte Entschließung zur Gründung eines europäischen Gedenkzentrums unter der Schirmherrschaft des Europarates wird von uns inhaltlich voll unterstützt.

Wenn es uns gelänge, die Vertreibungsgeschichte Europas gemeinsam aufzuarbeiten, ohne sie gegen den anderen auszuspielen, dann wäre dies ein großer Schritt in unsere gemeinsame Zukunft. Denn Ziel dieses Zentrums ist es, die Aussöhnung zu fördern, als Instrument der Konfliktverhütung zu handeln, sowie Rassismus und Fremdenfeindlichkeit zu bekämpfen. Gerade hier sind die Historiker aufgefordert, in diesem gemeinsamen Zentrum mitzuarbeiten. Es würde ja auch ein Prozess der historischen Aufarbeitung dort stattfinden.

Wichtige Voraussetzung für das Gelingen solcher gemeinsamer Bemühungen ist es, dass dieser Prozess nicht mit politischen Forderungen und Bedingungen belastet wird. Dies würde den mit der öffentlichen Diskussion verbundenen gesellschaftlichen Heilungsprozess nicht nur stören, sondern zerstören.

Aus diesem Grund hat der deutsche Bundestag im Mai 2002 das Projekt des Bundes der Vertriebenen für ein Zentrum gegen Vertreibung in Berlin abgelehnt und beschlossen, das Thema der Vertreibung grundsätzlicher zu bearbeiten und einen Dialog mit den europäischen Nachbarn darüber anzuregen. Ziel sollte sein, eine gemeinsame Konzeption für ein europäisches Zentrum gegen Vertreibung zu erarbeiten, und deswegen sind wir Herrn Einarsson auch so dankbar, dass dies ja geschehen ist. Zwar ist die wissenschaftliche Forschung über die Vertreibungsgeschichte des 20. Jahrhunderts international relativ gut vernetzt, ihre Ergebnisse und Erkenntnisse sind jedoch gesellschaftlich nicht präsent und verarbeitet, schon gar nicht über nationale Grenzen hinweg. Gerade hier käme dem Europäischen Gedenkzentrum eine zentrale Rolle zu.

Dabei unterstütze ich auch die durch den Berichterstatter ausgesprochene Empfehlung, dem Zentrum nicht nur eine virtuelle, sondern auch eine physische Form zu geben. Auch wenn die künftig geplante Arbeit nicht in erster Linie nur an einem Ort, sondern dezentral und auch durch vielfältige Aktivitäten der Zivilgesellschaft in einem Netzwerk geschehen soll, so ist doch ein Zentrum an einem festen Ort als Sekretariat nötig. Ich unterstütze aber auch hier den polnischen Veränderungsvorschlag im nationalen Bereich, dies wirklich unter Obhut des europäischen Gedenkzentrums zu setzen. Die Wahl eines Sitzes sollte nicht am Anfang stehen, sondern erst später zum Thema werden.

Aber lassen Sie mich dazu, auch weil der Kollege Iwinski es hier angesprochen hat, eine persönliche Bemerkung machen: Ich bedaure sehr die Aktivitäten des Bundes der Vertriebenen und ihrer Vorsitzenden, Frau Steinmach, in meiner Heimatstadt Berlin, weil dadurch Missverständnisse provoziert worden sind. Ob dies der Fall sein sollte, steht dabei nicht im Vordergrund; diese Missverständnisse sind eben entstanden.

Ich teile die Meinung meines polnischen Kollegen, der sagt, dass das übergeordnete Ziel dieses Zentrums ein Beitrag zur Versöhnung in unserem Europa sein muss. Ich glaube aber, dass wir mit dem von Herrn Einarsson erarbeiteten Konzept bzw. Empfehlungspapier tatsächlich die Chance haben, der Versöhnung in Europa dienlich zu sein. In diesem Sinne unterstütze ich ausdrücklich diese Empfehlung und hoffe, dass wir hier doch eine breite Zustimmung finden, weil wir damit einem Prozess der Versöhnung dienlich sein können.

Vielen Dank.

Rosmarie ZAPFL-HELBLING, Schweiz, EPP/CD/PPE/DC

(Doc. 11011)

Herr Vorsitzender, liebe Kolleginnen und Kollegen!

Wir haben vom Präsidenten der Migrationskommission gehört, dass die Welt, in der wir leben, die Welt, die sich ständig wandelt, in der die Migrationsproblematik in allen europäischen Ländern immer größer wird, vor einer ganz großen Herausforderung steht. Das heißt, wir müssen uns gegenseitig besser verstehen, und wir müssen besser miteinander kommunizieren. Es geht dabei nicht um die traditionellen Normen der Kommunikation; es braucht eine neue Sicht der Werte und Kulturen. Um die Vielfalt der Kulturen zu verstehen, braucht es eine neue Dimension der Integration. Dies stellt für die Betroffenen, aber auch für die gesamte Gesellschaft eine große Herausforderung dar.

Die Medien spielen dabei eine ganz wichtige Rolle. Wie tragen sie zur Integration und Orientierung der ausländischen Mitbürger bei? Medienanalysen, die bis heute zu diesem Thema gemacht wurden, verdeutlichen, dass Berichte über Minderheiten meist ausgrenzende und diskriminierende Elemente enthalten. Meist wird negativ und bedrohlich berichtet. Der Anstieg der Kriminalität, die Wegnahme von Arbeitsplätzen, und andere Themen.

Gerade an die Medien müssen hohe Anforderungen gestellt werden, wenn wir an die soziale Problemlage der verschiedenen religiösen, kulturellen und politischen Erfahrungshorizonte der Migrantengruppen in unseren Ländern denken. Sie spielen eine wichtige Rolle, um zu gewährleisten, dass Fragen im Hinblick auf Migration, Flüchtlinge und Asyl auf eine anständige, ausgewogene Art und Weise dargestellt werden.

Sicher stellt der Mangel an Information für Migranten und Asylsuchende ein Fehlverständnis gegenüber unserer Tradition dar, und hat damit all die negativen Auswirkungen, die ein solches Verhalten nach sich zieht. Die EPP ist klar der Meinung, dass die Bekämpfung von Rassismus, Diskriminierung in jeder Form, die ständige Überwachung des Europarates erfordert. Durch die Unterstützung unserer Mitgliedsstaaten können die Medien eine entscheidende Rolle bei dieser Bekämpfung spielen.

Wie ich schon sagte, gibt es Mitgliedsländer, die dies tun. Und deshalb unterstützen wir die Forderung, dass der Europarat eine Studie zu Medienbeobachtungen in Auftrag gibt. Europa hat ein Übereinkommen zum grenzüberschreitenden Fernsehen der Staaten, und über Computerkriminalität. Dies müsste nur von allen Mitgliedsländern unterzeichnet werden. Es braucht Verhaltenskodexe für die Medienschaffenden, dass sie nicht nur Artikel in schreierischer Aufmachung schreiben, um möglichst große Absätze ihrer Medien zu erzielen. Sie sollen vermeiden, dass Klischee-Darstellungen von Migranten und Flüchtlingen geschaltet werden.

In meinem Land ist man teilweise sogar dazu übergegangen, bei einem Verkehrsunfall die Nationalität des Verschuldners, wenn es um einen Ausländer geht, in die Medien zu bringen. Diese Information ist völlig irrelevant und schürt die Ausländerfeindlichkeit. Die Mitgliedsstaaten werden in dem Bericht aufgefordert, Gesetze gegen die Aufhetzung, die öffentliche Verbreitung und Verteilung von Material mit rassistischem Inhalt zu verabschieden und auch umzusetzen. Ich hatte in meinem Land die Gelegenheit, die Computeraufschaltung einer rassistischen Organisation und deren Material zu studieren. Es ist unglaublich, auf welche Art und Weise zu Hass, Rassismus und Intoleranz aufgerufen, ja aufgehetzt wird.

Ali RIZA GÜLCICEK, Türkei, SOC

(Doc. 11011)

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen,

Einleitend möchte ich mich bei der Berichterstatterin Frau Zulueta für ihren umfassenden und detaillierten Bericht über ein derart sensibles Thema bedanken.

Die Wechselbeziehung von Medien und Meinungsfreiheit sowie die damit in Zusammenhang stehende Art der Darstellung von Asylanten und Migranten in den Medien hat durchaus einen entscheidenden Einfluss auf die in den europäischen Staaten lebenden Asylanten und Migranten. Dieser Einfluss kann jedoch leider nicht als positiv bezeichnet werden. Daher halte ich es für angebracht, dass der Bericht von Frau Zulueta über das Image von Asylanten und Migranten in die Tagesordnung des Europarates aufgenommen wurde.

Meinungsfreiheit ist ohne Zweifel in grundlegender Wert demokratischer Gesellschaften. Unser aller Glauben und Bestreben ist es, die Meinungsfreiheit zu wahren und zu stärken.

Wie wir aus nächster Nähe beobachten können, bilden derzeit Diskussionen über die Grenzen der Meinungsfreiheit einen wichtigen Aspekt der internationalen Tagesordnung. Die jüngsten Entwicklungen, vor allem im Rahmen der „Karikaturkrise“ zeigen uns, dass auch den Medien trotz ihrer Rechte, sprich: Meinungsfreiheit, Grenzen gesetzt werden müssen.

Nach dem Beschluss des Europäischen Menschengerichtshofes kann die Meinungsfreiheit in manchen Fällen zu Terrorismus, Gewaltanstiftung und Hassgefühlen anstiften, und Übergriff auf religiöse Werte sollten eingeschränkt werden. Dieser Beschluss unterstreicht, dass die Meinungsfreiheit nicht über allem steht. So wird auch im Bericht zu Recht hervorgehoben, dass die Medien ein bestimmtes Maß an Verantwortung zu tragen haben.

Die Medien bestimmen zu einem großen Teil das Image von Minderheiten und Asylanten, etwa durch hasserregende Artikel über sie, oder durch ausländerfeindliche Propaganda, sowie durch verantwortungslose Statements von Politikern. Angst und Abneigung des Volkes werden oft durch mangelndes Wissen und bestehende Vorurteile verstärkt.

Natürlich besitzen Medien auch die Kraft, diese negativen Einstellungen genau in die entgegengesetzte Richtung zu steuern. Insbesondere bei Asylanten und Migranten wäre es angebracht, dass die Medien verantwortungsvollere Berichte schreiben, die weniger oder gar überhaupt keine Hassgefühle oder Rassismus hervorrufen – dies würde auch zu einer besseren Integration der Minderheiten führen.

Der Europarat hat aufgrund seiner Normen und Standards das Potenzial, den Medien gegenüber eine leitende Rolle zu übernehmen. Ich bin der Meinung, dass alle Rechtsstaaten von den Erfahrungen des Europarates beim Thema „Meinungsfreiheit der Medien“ Gebrauch machen sollten.

In diesem Zusammenhang zeigt der Bericht von Frau Zulueta konkrete Beispiele, die vom Europarat als Hilfestellung ausgehen könnten. Alleine die Vielfalt der verschiedenen Möglichkeiten zeigt uns die Reichweite des Europarates.

Mit verantwortungsbewussten Veröffentlichungen können Medien erreichen, dass Kulturvielfalt respektiert wird, und es bei interkulturellen Verhältnissen zu mehr Toleranz und einem besseren Verstehen kommt.

Vielen Dank.