AL07CR06AD01

AS (2007) CR06AD01

 

Provisorische Ausgabe

SITZUNGSPERIODE 2007

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(1. Teil)

BERICHT

06. SITZUNG

Mittwoch, 24. Januar 2007, 15.00 Uhr

Addendum 1


Rainder Steenblock, Deutschland, SOC

(Doc. 11018)

Der Zerfall Jugoslawiens dauert immer noch an und wird die internationale Gemeinschaft auf lange Zeit als Begleiter und mit militärischer Präsenz zur Friedenssicherung brauchen. Aber bei aller Mühseligkeit des Prozesses: Es gibt keine Alternativen zu diesem Engagement, das Europa aus ethischen Gründen und aus eigenen Interessen aufrechterhalten muss.

Jeder, der sich länger mit dem Kosovo befasst hat, weiß, dass die Kosovoalbaner niemals unter das Dach Serbiens zurückzukehren bereit sind. Natürlich wird versucht, das Kosovo zum Präzedenzfall zu machen. Aber Kosovo ist ein einzigartiger Fall insofern, als die NATO dort militärisch interveniert und die UN dieses Gebiet zu einem Protektorat erklärt haben. Deshalb sind die UN für die Entscheidung zuständig. Aber die EU ist in der Mitverantwortung für die Entwicklung danach.

Die Zeit ist überreif, Entscheidungen zu fällen und den Schwebezustand zu beenden. Eine klare und endgültige Trennung von Serbien ist notwendig. Und die Perspektive auf die EU. Gleichzeitig geht es darum, Serbien zu stabilisieren, nicht zu demütigen. Erschwerend dafür ist aber, wie wenig sich Serbien mit der historischen Last des Milosevic-Erbes bisher auseinandersetzt. Die hoffnungsvollen Wahlergebnisse vom letzten Sonntag sind vielleicht ein Zeichen für eine allmähliche Veränderung in der serbischen Gesellschaft. Aber die Ergebnisse für die rotbraunen Parteien der mutmaßlichen Kriegsverbrecher Seselj und Milosevic deuten auf eine noch zunehmende Polarisierung hin. Der Prozess des gesellschaftlichen Bewusstseinswandels weg von der Fixierung auf die nationale Opferrolle hin zu einem offenen und demokratischen europäischen Anspruch steht immer noch am Anfang.

Die Entwicklung leidet aber vor allem im Kosovo unter der ungeklärten Situation. Die Albaner betrachten die UN-Hoheit über das Kosovo zunehmend eher als Besatzung denn als Schutz vor Serbien; die wirtschaftliche Entwicklung stagniert, die sozialen Spannungen nehmen zu. Deshalb drängen auch UNMIK und die OSZE auf eine Klärung der Statusfrage.

Die Entscheidung über den zukünftigen Status muss eine Unabhängigkeit des Kosovo ermöglichen. Angesichts der unvereinbaren Positionen Serbiens und des Kosovo sowie der gravierenden politischen, wirtschaftlichen und menschenrechtlichen Defizite im Kosovo ist eine solche aber nur mit Einschränkungen möglich: eine internationale sicherheitspolitische Präsenz, die jetzt von den UN-mandatierten KFOR-Truppen wahrgenommen wird, bleibt notwendig, ebenso eine zivile Aufsicht über die politische Entwicklung des Landes. Hierbei geht es vor allem um die Situation der Minderheiten – der Serben, Roma, Ashkali und weiterer Gruppen. Rechte und Schutz der Minderheiten müssen nicht nur festgeschrieben, sondern ihre Umsetzung auch garantiert werden.

Denn der Status löst keineswegs alle Probleme. Wir müssen daher vor allem die Forderung an die Kosovo-Albaner stellen, die Minderheiten tatsächlich zu schützen, und ein Strafrechtssystem aufzubauen, das dem eines Rechtsstaates gleicht. Das Rechtswesen des Kosovo enthält auch nach sieben Jahren viele Unzulänglichkeiten. Eine strafrechtliche Verfolgung der Übergriffe des Jahres 2004 hat es zum Beispiel kaum gegeben. Hier kann gerade der Europarat eine wichtige Rolle.

Die Perspektive für das Kosovo kann – wie für den gesamten westlichen Balkan – nur der Beitritt zur EU sein. Diese Aussicht ist eine Bedingung für eine nachhaltige politische Stabilität und wirtschaftliche Entwicklung. Aber bis dahin ist es noch ein langer Weg, auf dem die EU und auch der Europarat weit reichende Unterstützung leisten müssen.