SITZUNGSPERIODE 2007

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(2. Teil)

BERICHT

17. SITZUNG

Donnerstag, 19. April 2007, 15.00 Uhr

REDEBEITRÄGE AUF DEUTSCH


Ruth-Gaby VERMOT-MANGOLD, Schweiz, SOC

(Dringlichkeitsdebatte: Die Situation im Nahen Osten)

Ich habe letztes Jahr im Januar die Wahlen in Palästina beobachtet, aus denen die Hamas als Sieger hervorging. Wir deklarierten die Wahlen als frei und fair, aber die westliche Welt war nicht zufrieden, weil nun plötzlich die "Terroristen", die Hamas, Regierungspartner der Fatah geworden sind.

Die Folgegeschichten sind bekannt: Man wollte zwar die Demokratie, aber bitte nicht mit diesem Partner! Doch die Menschen haben gewählt, der äußere Druck, die Kritik, das Misstrauen der westlichen Regierungen verschlimmerte die Zerreißprobe im Innern des palästinensischen Staates, wo sich Hamas und Fatah Kämpfe lieferten.

Im Sommer 2006 war ich erneut in Palästina. Die interne Situation war politisch und gesellschaftlich fast hoffnungslos. Der Mauerbau und seine Auswirkungen auf die Menschen, die mehr und mehr in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt werden, die neuen Siedlungsbauten Israels, die noch schärfere Kontrolle an den Checkpoints, Arbeitslosigkeit und eine perspektivenlose Zukunft drückten auf die Gemüter.

Ein Besuch im Krankenhaus von Nablus zeigte auch, dass es an allen technischen Geräten, an Medikamenten und Verbandmaterial mangelt. Eine wirksame Gesundheitsversorgung kann auf diese Weise nicht gewährleistet werden und die Menschen müssen krank wieder nach Hause geschickt werden.

Das war im Sommer 2006. Israel stellt die bekannten Forderungen: keine Regierung mit Hamas, Anerkennung seines Staates. Aber die Anerkennung eines Staates ist nur dann möglich, wenn beide Seiten frei entscheiden können. Palästina kann in keinem Punkt frei entscheiden.

Langsam haben sich die Fatah unter Präsident Abbas und die Hamas unter Ministerpräsident Haniyah angenähert und mit der Unterstützung der Nachbarstaaten Treffen abgehalten. Eine gemeinsame Regierung der Nationalen Union ist im Entstehen, und so etwas wie Zukunftshoffnung bricht in Palästina auf.

Aber machen wir uns keine Illusionen. Palästina bewegt sich, Israel kaum. Es wird weiter an der Mauer sowie an den neuen Siedlungen auf palästinensischem Gebiet gebaut. Der Forderung, sich auf die Grenzen von 1967 zurückzuziehen, wird nicht nachgegeben. Auch wenn der israelische Premier Olmert einen Gipfel mit den Regierungen der arabischen Länder veranstalten will, frage ich mich, was das bedeutet. Ich hoffe, dass es etwas bedeutet, wenn dieser Dialog zwischen Israel und den umliegenden Staaten geführt wird.

Palästina hat sich bewegt, eine Art inneren Frieden und politische Stabilität zu errichten versucht. Jetzt muss Israel eben auch an diesen Dialogen und an diesem vielleicht erfolgreichen Weg teilnehmen. Keine politische Einschätzung, keine politische Zukunftsperspektive – ich finde, dass der uns heute vorliegende Bericht nicht sehr glücklich ausgefallen ist. Es ist eher eine Abfolge von Zeitungsmeldungen.

Wir haben es jedoch mit einem Minenfeld zu tun, in dem Menschen versuchen, einen Staat zu schaffen, sich zu ernähren, ihre Felder vor der Trockenheit zu retten, die sie nicht bewässern können, weil die Checkpoints willkürlich geschlossen bleiben. Nahrungsmitteltransporte können nicht stattfinden weil die Straßen gesperrt sind. Man telefoniert von Familie zu Familie per Skype mit der kleinen ruckenden Kamera – Abend für Abend.

Die Forderungen des Berichterstatters sind klarer als der Bericht selbst. Nur Punkt 4 ist meines Erachtens sehr heikel: Palästina soll Israel anerkennen, das ist richtig und muss so sein. Aber kann Palästina jetzt diesen Schritt tun? Es schafft eine Regierung, es versucht, Ruhe zu schaffen. Das ist eine Art der Annäherung.

Man kann auf expliziten Forderungen beharren und den Krieg weiterführen, man kann aber auch sagen: Lassen wir es jetzt so, wie es ist, und reden wir zunächst miteinander. Ich denke, dies wäre eine neue Form des Friedensprozesses den beide Staaten gemeinsam antreten könnten.

Detlef DZEMBRITZKI, Deutschland, SOC

(Doc. 11237 & 11244)

Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich hatte eben das Vergnügen, eine Gruppe von 30 Bürgerinnen und Bürgern aus meinem Wahlkreis hier in Straßburg begrüßen zu können. Sie waren bei unserer Diskussion zu Israel und Palästina anwesend, und haben anschließend mit mir über die Institution des Europarates sowie über seine Arbeit diskutiert.

Ich habe bei dieser Gelegenheit das, was meine Vorredner bereits erwähnt haben, noch einmal unterstrichen; und zwar, dass der Europarat der Hüter der Menschenrechte, ein Gralshüter der Demokratie und der parlamentarischen Arbeit ist.

Ich habe mit Stolz und Freude aufgezeigt, dass die Institution des Europarates sowohl das Komitee des Ministerrates als auch die Parlamentarische Versammlung ist, und dass wir allgemein gut zusammenarbeiten.

Allerdings muss ich dies teilweise revidieren, denn gerade in diesem Punkt – obwohl ich weiß dass hierbei vom Ministerrat sehr viel Arbeit investiert wurde – liegt doch offensichtlich eine Kommunikationslücke vor: Ministerrat und Parlamentarische Versammlung sind nicht so zusammengekommen, dass unsere Interessen als Parlamentarier erkennbar werden.

Wir haben heute bei der Diskussion zur Ukraine sowie zur Situation und zu den Problemen im Nahen Osten erlebt, dass unsere Stärke nur moralischer Natur ist. Wir haben keine operationalisierenden Instrumente zur Verfügung und wenn wir unsere moralische Kraft schwächen lassen, unser Selbstbewusstsein nicht deutlich machen, dann schwächen wir die Möglichkeiten, die wir haben.

Daher denke ich, dass das, was der Kollege Ates vorgeschlagen hat, berücksichtigt werden muss, weil wir nicht den Eindruck entstehen lassen dürfen, dass wir von der Gnade der Europäischen Union abhängen, sondern wir müssen – und dies ist auch im Interesse der EU-Länder – unseren Anspruch als eigenständige Institution deutlich machen.

Deshalb müssen wir unsererseits wiederum die Kraft, die wir als Parlamentarier der nationalen Parlamente haben, hier mit einbringen. In diesem Falle müssen wir eben auch den Ministerrat um Verständnis bitten, dass unsere Interessen dort stärker zur Geltung gebracht werden müssen, um die Chance zu bekommen, den Einfluss, den wir wahrnehmen wollen, auch tatsächlich einzubringen, und weder als Anhängsel von der EU noch vom Ministerrat betrachtet zu werden, sondern hier als gleichwertige Partner agieren und unsere Interessen für Menschenrechte und Demokratie wahrnehmen können.

In diesem Sinne hoffe ich, Herr Kollege Ates, dass Ihrem Anliegen entsprochen wird.

Vielen Dank.

Wolfgang WODARG, Deutschland, SOC

(Doc. 11237 & 11244)

Herr Präsident,

liebe Kolleginnen und Kollegen!

Vor etwa einem Jahr haben wir hier bereits diskutiert: Wir haben Herrn Juncker gehört und uns Hoffnungen gemacht, dass die EU unsere Werte für sich entdeckt. Wir haben gehofft, dass die EU das entdeckt, was ihr – auch bei den Menschen Europas – noch fehlte, nämlich all die anderen Werte die neben dem Euro noch Gültigkeit besitzen – und das ist eine ganze Menge. Dass sie Vertrauen bei den Menschen gewinnt indem sie unsere Erfahrungen aufarbeitet und nutzt.

Wir wollen dafür sorgen, dass alle Menschen in Europa mitreden und mit entscheiden dürfen, wie Europa aussehen soll. Wie man das macht, haben wir mühsam erarbeitet. Wenn jemandem Unrecht geschieht, dann soll er natürlich zu seinem Recht kommen, und jedes Mitgliedsland muss dies sicherstellen. Das pflegen wir, und dies schafft in Europa ein Zuhause auf welches die Menschen vertrauen können.

Diese von uns gepflegten Werte sind unteralimentiert. Zwar lässt man uns arbeiten, aber die Regierungen nehmen uns so gut wie nicht ernst. Die Tatsache ob jemand in dieser Welt ernst genommen wird oder nicht drückt sich häufig in Budgets aus. Wenn man unser Budget, sowie das des Menschenrechtskommissars, der eine so wichtige Arbeit leistet, oder des Menschenrechtsgerichtshofes sieht, oder auch die sonstigen Mittel, die uns zur Verfügung stehen, dann ist es geradezu lächerlich im Vergleich zu dem, was in der EU an finanziellen Mitteln verschwendet wird.

Deshalb können wir das, was wir gerade erleben meiner Meinung nach nicht hinnehmen. Wir können es nicht hinnehmen, dass die Regierungen uns überdeutlich zeigen, dass andere Dinge so viel wichtiger sind als unsere Arbeit für die Menschenrechte.

Denn dies stimmt nicht, und wir sind die Vertreter der Bevölkerung Europas. Wir müssen aufpassen, dass so etwas nicht geschieht. Ich kann die Botschaften der Regierungen auch in gewisser Weise verstehen: „Seht zu, dass ihr da mal keine Konflikte entstehen lasst, sondern einen Kompromiss findet!“ Diese Kompromisse werden selbstverständlich in den Mühlen der EU zerrieben, die ihrerseits am liebsten alles selber machen möchte und meint, man könne sich Menschenrechte kaufen – zumindest scheint es manchmal so.

Das geht nicht.

Es ist so viel Geld für ein kleines Institut ausgegeben worden, welches das nachholen soll was wir hier bereits viel besser und umfangreicher vorgearbeitet haben. Ich glaube wir sollten sehr selbstbewusst mit diesem Prozess umgehen.

Ich freue mich, dass sich die Parteien in diesem Hause einig sind und sagen: Nein! Wir lassen uns weder korrumpieren noch so einfach abspeisen. Wir sind selbstbewusst. Wir stehen für die Menschenrechte!

Das heißt natürlich für unser Haus auch, dass wir nicht dann gut sind, wenn wir uns gut mit der EU verstehen – denn das ist nicht der Qualitätsmaßstab für unser Haus, sondern dieser kommt aus der Sache, aus den vielen Projekten die wir bearbeiten und unserer entwickelten Sensibilität für Menschenrechte, sowie aus der Kraft und Hartnäckigkeit mit der wir für die Menschenrechte kämpfen.

Bei Menschenrechten haben wir immer wieder „Zero Tolerance“ angesagt – dies gilt nicht nur für einzelne Menschenrechte, sondern für die Sache an sich. Pflege und Entwicklung der Menschenrechte dürfen nicht weniger, oder durch Kompromisse abgeschwächt werden.

Wir müssen sie im Gegenteil noch mehr einfordern, und wenn wir sehen was in Europa, z.B. in den Gefängnissen und Anstalten los ist, was mit Menschen geschieht, und was im Bereich der Medien monopolisiert wird – all das was hier noch zu tun ist – dann brauchen wir noch mehr Kraft und Unterstützung.

Diesen Weg sollten wir selbstbewusst weitergehen.