AL07CR35 AD01

AS (2007) CR 35 AD01

 

Provisorische Ausgabe

SITZUNGSPERIODE 2007

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(4. Teil)

BERICHT

35. SITZUNG

Donnerstag, 4. Oktober 2007, 15.00 Uhr

REDEBEITRÄGE AUF DEUTSCH

Addendum 1


Gisela WURM, Österreich, SOC

(Dok. 11352)

Sehr geehrte Damen und Herren,

Zwangsprostitution und Menschenhandel zählen zu den schwersten Menschenrechtsverletzungen der Gegenwart. Die Parlamentarische Versammlung verurteilt diese moderne Sklaverei und sieht die Konvention des Europarates gegen Menschenhandel als eines der effektivsten Instrumente zur Bekämpfung des Menschenhandels.

Die Konvention wurde bisher von 29 Mitgliedstaaten des Europarates unterzeichnet und bedauerlicherweise nur von 9 ratifiziert. Zum Inkrafttreten des Übereinkommens benötigt man jedoch 10 Ratifizierungen.

Die Wirksamkeit des Übereinkommens zur Bekâmpfung von Zwangsprostitution und Menschenhandel steht und fällt aber mit der Ratifizierung und Anwendung der Konvention in allen Mitgliedsländern.

Daher, liebe Kolleginnen und Kollegen, mein Appell an Sie: Machen Sie Druck, leisten Sie Überzeugungsarbeit, damit diese Konvention in Ihren Parlamenten ratifiziert wird! Denn ein einheitliches Vorgehen aller 47 Staaten des Europarates ist notwendig zur wirksamen Bekämpfung der Zwangsprostitution und des Menschenhandels.

Laut dem letztjährigen Schlepperbericht des Innenministeriums in Österreich wurden 20 807 geschleppte Personen in Österreich aufgegriffen, darunter 2 497 Kinder! In der EU gibt es Schätzungen, dass rund 500 000 Frauen nach Westeuropa geschleppt werden. Ca. 80% der Opfer werden der Zwangsprostitution zugeführt.

Das Geschäft mit der Ware Mensch floriert. Mittlerweile hat es nach dem Drogen- und Waffenhandel den dritten Platz eingenommen.

Die Parlamentarische Versammlung empfiehlt bei Kinderprostitution ein auf Prävention, Opferschutz und Verfolgung der Freier fußendes Nulltoleranzmodell. Es wird davon ausgegangen, dass Kinderprostitution niemals freiwillig erfolgen kann, da Kinder nicht in der Lage sind, in Prostitution « einzuwilligen ».

Daher muss hier auf den Schutzgedanken besonderes Augenmerk gelegt werden. Von einer strafrechtlichen Verfolgung Minderjähriger ist jedenfalls abzusehen. Die Einführung einer aktiven Politik zur Strafverfolgung von Freiern Minderjähriger wäre eine zielführende Maßnahme zur Bekämfpung von Kinder-Zwangsprostitution.

Im Hinblick auf die “freiwillige” Prostitution Erwachsener (Über-Achtzehnjähriger) sollten die Mitgliedstaaten eine einheitliche Politik ausarbeiten. Derzeit laufen die beschlossenen Vorgehensweisen der 47 Mitgliedstaaten weit auseinander:

So verbietet das Verbotsmodell, dem 17 Mitgliedstaaten folgen, Prostitution und bestraft Prostituierte und Zuhälter, nicht jedoch die Freier. Das Problem dabei ist, dass Prostituierte in den Untergrund gedrängt werden und damit der organisierten Kriminalität, Zuhältern, Freiern und Krankheiten schutzlos ausgeliefert sind.

9 Mitgliedstaaten folgen dem Regulationsmodell, in dem versucht wird, Prostitution zu regeln, aber sie nicht zu verbieten. Prostitution wird dabei als Beruf gesehen, der den Prostituierten eine eigenständige Existenz sichert.

Die relative Mehrheit der Mitgliedstaaten (20) hat einen abolitionistischen Ansatz und versucht, die Prostitution durch Bestrafung der Kuppler und Zuhälter abzuschaffen. Schweden geht noch einen Schritt weiter – dort werden die Freier bestraft.

Ziel wäre, dass die Mitgliedstaaten des Europarates eine einheitliche Linie zur freiwilligen Prostitution ausarbeiten. Was jedenfalls vermieden werden muss, ist das Abdrängen Prostituierter in die Kriminalität und damit in den Untergrund!

Ein Eingehen auf die persönliche Situation der Prostituierten, wie physische und psychische Probleme, Suchtkrankheiten, die strukturelle Problematik, wie Armut, politische Instabilität/Krieg, unzureichende Schulbildung und mangelnde Chancengleichheit in den Mitgliedstaaten ist absolut notwendig.

Auch der Zugang Prostituierter zu Gesundheits-Checks muss gewährleistet sein, um lebensgefährliche Krankheiten wie Aids und Geschlechtskrankheiten zu vermeiden.

Kriminalisierung der Prostituierten ist jedenfalls keine Lösung!

Danke.