AL08CR03

AS (2008) CR 03

 

Provisorische Ausgabe

SITZUNGSPERIODE 2008

________________________

(1. Teil)

BERICHT

3. SITZUNG

Dienstag, 22. Januar 2008, 10.00 Uhr

REDEBEITRÄGE AUF DEUTSCH

Rainder STEENBLOCK, Deutschland, SOC

(Doc. 11472)

Vielen Dank, Herr Vorsitzender,

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Zunächst möchte ich mich bei Lord Russell-Johnston für diesen Bericht bedanken. Ich glaube, er ist der historischen Situation, in der wir uns befinden, angemessen. Er rekurriert auf die Geschichte dieses Konfliktes.

Es ist deutlich, dass wir in einer Situation sind, in der wir entscheiden müssen. Wir haben über sehr lange Zeit hinweg Verhandlungen geführt, in denen alle Möglichkeiten ausgeschöpft wurden, wo internationale Vermittler versucht haben, Lösungsmöglichkeiten zu finden. Wir müssen nun zur Kenntnis nehmen, dass diese Verhandlungen gescheitert sind; alle, die daran teilgenommen haben, haben das gesagt.

Deshalb müssen wir jetzt zu einer Lösung kommen. Wir können uns dieser Verantwortung nicht entziehen. Wir wissen genau, was ein “Weiter so” für diese Situation bedeuten würde: mehr Gewalt und mehr Leid für die Bevölkerung. Das ist aus meiner Sicht nicht verantwortbar.

Nur unter Berücksichtigung der historischen Erfahrung in dieser Region kann eine Lösung gefunden werden. Wir erinnern uns alle daran, dass vor nicht langer Zeit hunderttausende von Kosowaren auf der Flucht vor einer serbischen Aggression waren. Auch das ist ein Teil der historischen Wahrheit, und darüber haben internationale Gerichtshöfe ja auch Entscheidungen gefällt.

Wie mein englischer Kollege ausgeführt hat, war der Kosowo im ehemaligen Jugoslawien eine Region, die schon immer für den Republikstatus gekämpft hat und aufgrund der hohen emotionalen Verbindung, die Jugoslawien mit dem Kosowo hatte, daran gehindert wurde, diesen Status zu bekommen.

Wenn dies dem Kosowo damals gelungen wäre, dann hätten wir diese Diskussion gar nicht. Dann wäre der Kosowo ebenso behandelt worden wie Kroatien, Slowenien und Bosnien-Herzegowina. Das ist ein Teil der historischen Realität, der wir uns stellen müssen.

Natürlich gibt es viele Schwierigkeiten, und es gibt kein Schwarz-Weiß. Es hat in diesen Konflikten auf allen Seiten Grausamkeiten und Brutalität gegeben. Aber zur historischen Wahrheit gehört es auch, den Verursacher der Aggressionen zu identifizieren. Die Tendenz, dort ein großserbisches Reich zu errichten, ist ebenfalls ein Teil der historischen Wahrheit, auf die wir uns beziehen müssen. Und auch dies wird dann ein Teil der Lösung sein.

Es gibt zwei grundlegende Werte, die hier miteinander streiten: Das Recht auf territoriale Integrität eines Nationalstaates ist sicherlich das höchste, das wichtigste Recht eines Staates. Aber es gibt auf der anderen Seite auch das Recht auf Selbstbestimmung. Auch das ist ein hoher Wert, der in diesem Konflikt ebenfalls eine Rolle spielt.

Ich glaube, dass der Nationalstaat, der immer in der Gefahr ist, Nationalismus zu entwickeln, nicht das Modell des 21. Jahrhunderts sein kann. Wir brauchen internationale Kooperationen, die über den Nationalstaat hinaus Perspektiven für die Sicherheit von Menschen zeigen, und nicht Nationalstaaten, die miteinander in Konkurrenz stehen. Das ist nicht die Perspektive des 21. Jahrhunderts.

Die richtige Perspektive ist deshalb die der EU, die den Ländern auf dem Balkan angeboten hat, wenn sie die Kopenhagener und die anderen Kriterien erfüllen, unter dem gemeinsamen Dach der EU zusammenzukommen.

Der erste Schritt, um den Menschen in dieser Region die Perspektive zu geben, in Frieden miteinander leben zu können, ist aus meiner Sicht der Schritt in die Unabhängigkeit. Doch kann dieser Schritt nicht bedingungslos sein.

Wir brauchen internationale Kooperation, internationale Aufsicht. Der Schutz der Minderheitenrechte ist ein zentrales, von uns gewolltes Recht, das dort auch durchgesetzt werden muss. Dafür haben wir internationale Polizei- und die KFOR-Truppen dort. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns unsere Verantwortung übernehmen und zu einer Entscheidung kommen; die Menschen im Kosowo haben das Recht darauf.