AL08CR05

AS (2008) CR 05

 

Provisorische Ausgabe

SITZUNGSPERIODE 2008

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(1. Teil)

BERICHT

5. SITZUNG

Mittwoch, 23. Januar 2008, 10.00 Uhr

REDEBEITRÄGE AUF DEUTSCH


Sabine LEUTHEUSER-SCHNARRENBERGER, Deutschland, ALDE/ADLE

(Dok. 11454 und Addendum)

Herr Präsident,

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

Im Namen der ALDE gratuliere ich unserem Berichterstatter, Herrn Dick Marty, sehr herzlich zu diesem profunden, gelungenen Bericht, und ich darf sagen, wir sind sehr stolz, dass damit auch die ALDE für diesen Bericht so steht, und das auch nachlesbar ist.

Der Bericht zu den Schwarzen Listen des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen und der Europäischen Union zeichnet uns, die Parlamentarische Versammlung des Europarats, als bisher einziges parlamentarisches Gremium aus, das sich auch mit den Defiziten beim notwendigen Vorgehen gegen Terrorismus befasst und Fehler und Mängel klar benennt.

Es geht dabei nicht um Kleinigkeiten, sondern darum, dass Menschen oder Gruppierungen, die einmal auf diesen Schwarzen Listen stehen, weitgehend rechtlos sind, wenn es darum geht, dass sie zu Unrecht auf diese Listen gekommen sind und wieder gestrichen werden wollen.

Mit der Aufnahme in diese Listen sind sie massiv in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt, Konten werden beschlagnahmt, es können ganze Existenzen ruiniert werden, und die Unschuldsvermutung wird weitgehend beseitigt. Dies wird in diesem Bericht anhand von ganz konkreten Beispielen sehr überzeugend und für jeden Leser verständlich und, ich finde, erschreckend dargestellt.

Es darf nicht sein, dass bei dem notwendigen Vorgehen gegen Terrorismus die wesentlichen Grundsätze der europäischen Menschenrechtskonvention und des Internationalen Paktes für bürgerliche und politische Rechte außer Kraft gesetzt werden.

Denn, wie ich ausdrücklich betonen möchte, der Rechtsstaat ist in der Lage, wirkungsvoll gegen Terroristen vorzugehen. Wir überprüfen ständig seine Instrumente und bewerten sie; wir wägen ab, was mehr Sicherheit bringt und wie auch die berechtigten Anliegen, die Grundrechte eines jeden Bürgers, der betroffen sein kann, geschützt werden können.

Deshalb reden wir hier über Selbstverständlichkeiten, die beachtet werden müssen! Ich hätte nicht gedacht, dass ich in der Parlamentarischen Versammlung dafür werben muss, dass Menschen, die durch ihre Aufnahme in diese Listen vom Vorgehen gegen Terrorismus betroffen sind, das Recht haben, darüber, dass sie auf diesen Listen stehen, informiert zu werden! Dass es zu ihrem Recht gehört, die konkreten Gründe mitgeteilt zu bekommen und damit die Möglichkeit der Verteidigung zu haben, einen Anwalt nehmen zu können.

Und dass der Betroffene dann, wenn, wie im Kadi-Fall, festgestellt wird, dass es keinerlei Beweise dafür gibt, dass er wirklich Geldwäsche oder andere Dinge betrieben und dadurch die Taliban unterstützt hat, von den Listen gestrichen wird und auch Schadenersatz bekommt, wenn zwischenzeitlich seine Firma oder sein Privathaus gepfändet worden sind, weil er durch Einfrieren seiner Konten seinen Verbindlichkeiten nicht mehr nachkommen konnte.

Es ist von größter Wichtigkeit, dass diese Rechtsstandards auch bei den “Black List-Verfahren” beachtet werden. Und wie der Generalanwalt ja auch noch einmal festgestellt hat - Herr Omtzigt hat es gerade betont -, ist das möglich.

Jetzt geht es darum, dass das Ministerkomitee mit den Vertretern der Regierungen sich endlich dazu aufrafft, konkret in ihren Funktionen im UN-Sicherheitsrat und im Rat der EU darauf hinzuwirken, dass das bisherige Verfahren in diesem Sinne, wie wir es fordern, mit diesen Standards korrigiert wird.

Und ich hoffe, dass der Ministerrat ein hoffentlich sehr überwältigendes Votum der Parlamentarischen Versammlung auch ernst nehmen wird.

Vielen Dank.

Andreas GROSS, Sitzungspräsident

Vielen Dank Ihnen.

Andreas GROSS, Sitzungspräsident

Dann kann ich Herrn Bargetze von Liechtenstein das Wort geben. Er gehört zur EPP.

Rony BARGETZE, Liechtenstein, EPP/CD / PPE/DC

(Dok. 11454 und Addendum)

Danke, Herr Präsident!

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

Ich möchte Herrn Dick Marty für seinen ausgezeichneten und inhaltsreichen Bericht zum Thema der Schwarzen Listen der UNO und der EU danken. Ich teile seine Beurteilung der Situation voll und ganz. Das derzeit geübte Verfahren ist in der Tat weder der UNO noch der EU würdig und bedarf dringend einer Änderung.

Ich darf darauf hinweisen, dass Liechtenstein bereits seit längerem im Rahmen der Vereinten Nationen aktiv ist, um die Handhabung dieser Schwarzen Listen zu verbessern und insbesonderer rechtsstaatliche Gesichtspunkte zu berücksichtigen.

Gegenwärtig bestimmen die Mitglieder des Sicherheitsrates in einem rein politischen Verfahren über den Entzug von Rechten von Personen oder Gruppierungen, die der Zusammenarbeit mit Al Kaida oder den Taliban verdächtigt werden, ohne dass es dafür eine unabhängige Berufungsinstanz gäbe. Es erscheint mir unbedingt erforderlich, die Kriterien und erforderliche Nachweise dafür, ob eine Person mit Al Kaida oder den Taliban assoziiert werden kann, strenger zu beurteilen.

Es muss gewährleistet werden, dass niemand ohne gründliche und überzeugende Überprüfung aller Verdachtsmomente auf eine solche Liste gesetzt wird. Außerdem ist notwendig, alle Betroffenen von der Aufnahme in die Liste zu verständigen und die Möglichkeit zu gewähren, ein Rechtsmittel dagegen einzulegen.

Liechtenstein hat zusammen mit der Schweiz, Dänemark und Schweden Vorschläge für eine Neugestaltung dieses Systems Schwarzer Listen ausgearbeitet und am 8. Dezember 2007 an einem Workshop in New York vorgestellt.

Als Grundlage diente eine Untersuchung des Watson Institutes for International Studies der amerikanischen Brown University, die auf Ersuchen der Schweiz, der Bundesrepublik Deutschland und Schwedens zur “Stärkung gezielter Sanktionen durch faire und klare Verfahren” erstellt und anschließend als UN-Dokument verteilt worden war, sowie eine weitere Studie von Professor Michael Bothe von der Universität Frankfurt.

Diese Vorschläge beinhalten:

Diese von Liechtenstein unterstützten Forderungen decken sich weitgehend mit dem, was im Empfehlungsentwurf des Rechts- und Menschenrechtsausschusses der Parlamentarischen Versammlung verlangt wird, den wir daher voll unterstützen.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

Andreas GROSS, Sitzungspräsident

Danke Ihnen, Herr Bargetze.