AL0CR08

AS (2008) CR 08

 

Provisorische Ausgabe

SITZUNGSPERIODE 2008

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(1. Teil)

BERICHT

8. SITZUNG

Donnerstag, 24. Januar 2008, 15.00 Uhr

REDEBEITRÄGE AUF DEUTSCH


Wolfgang WODARG, Deutschland, SOC

(Dok. 11440 und 11466)

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen!

Zunächst möchte ich denjenigen danken, die dieses schwierige Zusatzprotokoll erarbeitet haben. Es ist das CDBI gewesen, welches über ein Jahr lang versucht hat, hier ein Regelwerk zu erstellen, welches die Regelungen fortschreibt, die wir in der Biomedizinkonvention angefangen haben.

Es ist dieses jetzt das 4. Zusatzprotokoll, welches erarbeitet wurde. Es gibt bereits die Zusatzprotokolle Nr. 1, wo das Klonen von Menschen verboten wurde, das Zusatzprotokoll Nr. 2, in dem wir Regeln für die Organtransplantation bei Menschen festgelegt haben, und das 3. Zusatzprotokoll zum Probandenschutz in der Biomedizin, vor allen Dingen in der Forschung.

Jetzt geht es um genetische Tests. Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, Sie wissen, dass eine unserer wichtigsten Aufgaben in diesem Hause ist, die Diskriminierung von Menschen zu verhindern und zu bekämpfen. Früher haben wir in die Gesetze und Konventionen hineingeschrieben, dass niemand wegen seiner Hautfarbe und seiner Rasse diskriminiert werden darf. Dieser Grundsatz ist überall in der Welt anerkannt.

Aber die Forschung ist fortgeschritten und wir haben viel mehr Möglichkeiten, Menschen zu differenzieren, wir wissen mehr über den Menschen. Und Wissen ist Macht. Wer etwas über einen anderen Menschen weiß, kann dieses Wissen missbrauchen, um die Lebenschancen des anderen zu verschlechtern, und genau dies wollen wir durch das Zusatzprotokoll, welches genetische Tests regeln soll, verhindern.

Genetische Eigenschaften werden auf molekulare Ebene analysiert. Dafür sind spezielle Apparaturen nötig. Nicht jeder kann seine eigenen molekularen genetischen Strukturen selber messen, das machen Speziallabors. Wir wissen aber, dass viele der vererbbaren Eigenschaften auch so zu erkennen sind.

Heute wird Ihnen im Internet angeboten, für unter Tausend Dollar in den Vereinigten Staaten mehrere Hundert unterschiedliche Aussagen über Ihre genetische Risiken, wie z.B. Krankheitsrisiken, zu bekommen. Da gibt es auch Aussagen darüber, ob Männer vorzeitig ihre Haare verlieren oder nicht. Die Risiken dafür will man dann durch einen Gentest analysieren, und Sie werden dann Bescheid wissen. Meistens reicht es jedoch auch, sich einmal sein Familienalbum durchzusehen. Dann kann man feststellen, dass in bestimmten Familien häufig die Männer schon frühzeitig ihre Haare verlieren.

Wir wissen auch, dass Menschen, die eine sehr helle Hautfarbe und rote Haare haben, sehr leicht an Hautkrebs erkranken. Das heißt, Menschen mit einer bestimmten Hautfarbe neigen zu bestimmten Erkrankungen mehr als Menschen mit einer anderen Hautfarbe. Auch das sind genetisch bedingte Unterschiede zwischen den Menschen, aber wir brauchen dafür kein Gentest.

Und so gibt es inzwischen mehrere Hundert phänotypische Ausprägungen (d.h. das, was man mit den Sinnen an Unterschieden am Menschen erfassen kann), bei denen wir genau wissen, wie sie auf molekularer Ebene kodiert sind.

Es gibt mehrere Tausend genetische Merkmale, bei denen wir vermuten, dass sie zu bestimmten Veränderungen im Körper führen, auch zu Krankheiten, und zu bestimmten Entwicklungschancen förderlich oder weniger förderlich sind. Wir wissen also eine ganze Menge über die Zusammenhänge zwischen Genotyp und Phänotyp.

Dieses Gesetz ist jetzt notwendig, weil es Labors gibt, die sich einfach ein Probe Sputum ansehen oder die Wurzel eines Haares, das irgendwo auf einer Sessellehen kleben geblieben ist, und dann Aussagen über den Menschen machen können, dem dieses Haar gehörte. Da kann es natürlich sehr leicht zu Missbrauch und zu Diskriminierungen aufgrund dieses Missbrauchs kommen.

Diskriminiert werden kann z.B. in der Versicherungsbranche, wenn jemand das Risiko hat, an einer bestimmten Krankheit zu erkranken, und die Versicherung dann sein Haar analysieren lässt und daraufhin sagt, man werde den Betreffenden gerne versichern, aber wegen dessen Neigung an bestimmten Krebs- oder psychischen Erkrankungen zu erkranken, für die doppelte Prämie. Oder auch wenn ein Arbeitgeber, wie das schon vorgekommen ist, Bewerber um eine Arbeitsstelle untersucht. So gibt es viele Bereiche, in denen diskriminiert werden kann, und deshalb brauchen wir hier Schutz.

Das Protokoll nennt Bedingungen, wie dieser Schutz zu gewährleisten ist. Es legt fest, wer diesen Test benutzen darf. Ich bin sehr froh, dass auch vom CBDI und von denjenigen, die diesen Entwurf erarbeitet haben, akzeptiert worden ist, dass wir diese Tests in ärztliche Verantwortung legen sollten.

Es ist ein Unterschied, ob ein Arzt oder eine Ärztin einem Patienten gegenüber Verantwortung übernimmt, oder ob ein Labor das tut. Es gibt den hypokratischen Eid und ganz besondere Regelungen, die den Arzt verpflichten, alles nur zum Wohle des Patienten zu unternehmen. Das gibt es für Laborchefs und Laborangestellte nicht. Deshalb schaffen wir einen doppelten Schutz, wenn wir hier einen Arztvorbehalt einbauen.

Auch, dass der Handel mit den Tests entsprechend durch die Mitgliedsstaaten kontrolliert werden soll, dass hier also verantwortungsvoll mit den Tests umgegangen wird, ist in diesem Protokoll festgelegt, ebenso wie die Beratungs- und Aufklärungspflicht. Man kann nicht im Internet einen Test anbieten, den Menschen dann das Ergebnis auf der Internetseite abrufen lassen, und ihn dann mit den Ergebnissen allein lassen, denn da werden Aussagen gemacht über Lebenschancen.

Es gibt Menschen, die sich wegen der Ergebnisse von Gentests haben operieren lassen. Es gibt ein Gen, das sagt, ob Frauen häufiger oder weniger häufig das Risiko haben, an Brustkrebs zu erkranken. Diese Tests sind schon im Handel. Und es hat Frauen gegeben, die sich aus Angst vor Brustkebs die Brüste haben amputieren lassen. Es hat Menschen gegeben, die Selbstmord begangen haben, weil ihnen eine negative Prognose mitgeteilt wurde.

Natürlich sind das Panikreaktionen, eigentlich traurige Zwischenfälle, die jedoch zeigen, dass man Menschen diese Ergebnisse erläutern muss, ihnen die Angst nehmen und Wege aufzeigen muss, wie sie mit diesen Ergebnissen umgehen sollen. Das muss sichergestellt werden, und das ist in diesem Protokoll eben geschehen.

Dass wir uns hier auf die Anwendung von Gentests in der Medizin beschränkt und nicht noch einmal die gesamte Forschung geregelt haben, ist meines Erachtens ebenfalls richtig. Denn da wurde schon viel geregelt, und wir müssen das gezielt machen.

Auch der ganze Bereich der Perinatologie (Schwangerschaft und Geburt), in dem man mittels genetischer Tests Vorhersagen machen kann, ist ein besonderer Bereich. Man kann auch mit dem Ultraschall Vorhersagen in Bezug auf das noch ungeborene Kind machen; es gibt also nicht nur in der Genetik präventive Methoden, sondern auch anderswo, und deshalb ist es besser, diesen Bereich gesondert zu regeln. Daher wurde eben das Feld der Regelung hier auf den gesundheitlichen Bereich begrenzt.

Ich glaube, es ist ein gutes Zusatzprotokoll, und ich wünsche mir, dass wir es heute verabschieden. Vor allem wünsche ich mir, dass möglichst viele Mitgliedsstaaten dann nicht nur die Biomedizin-Konvention, sondern auch die Zusatzprotokolle zeichnen und ratifizieren. Als Mitglied der deutschen Delegation kann ich sagen, dass Deutschland das bisher nicht getan hat, weil wir uns anfangs darüber geärgert haben, dass die Biomedizin-Konvention eine Mindestnorm ist. Wir wollten es besser, “wasserdicht” machen und haben daher Enquête-Kommissionen eingesetzt.

Inzwischen hat es in Deutschland eine jahrelange Diskussion und viele Gesetze gegeben, und ich bin der Meinung, wir sollten jetzt auch zeichnen, um ein Beispiel zu geben für die Länder, in denen es gar keine Normen gibt. Wir sollten diese Basisnormen überall in Europa zur Verfügung haben. Ich appelliere auch an Großbritannien, diese Biomedizin-Konvention zu unterzeichnen. Ich glaube, dort ist die Diskussion auch sehr fortgeschritten, und auch da könnte man inzwischen, vielleicht sogar gemeinsam mit Deutschland, etwas tun.

Vielen Dank.

Theo MAISSEN, Schweiz, EPP/CD / PPE/DC

(Dok. 11440 und 11466)

Herr Vorsitzender,

geschätzte Damen und Herren!

Die Entwicklung in der medizinischen Forschung, die gewonnenen Erkenntnisse und auch praxisreife neue medizinischen Methoden machen es notwendig, dass wir uns immer wieder damit befassen, das Übereinkommen von 1998 zu ergänzen. So wurde es, wie erwähnt, bereits dreimal ergänzt, und heute wird dies ein viertesmal geschehen, mit einem Zusatzprotokoll betreffend Einsatz und Anwendung von Gentests.

Der Mensch als intelligentes Wesen steht nun wieder einmal vor der Situation, dass er nicht alles tun soll oder darf, was er eigentlich aufgrund seines Wissens und seiner Fähigkeiten tun könnte. So sind auch bei der Anwendung von Gentests Regeln vonnöten, die sicherstellen, dass die Menschenwürde und die Menschenrechte gewahrt werden.

Festzuhalten ist, dass bei dem vorgesehenen Zusatzprotokoll die Gentests bei Embryonen oder Föten, die sogenannte pränatale Diagnose, nicht behandelt werden, ebenso wenig wie die Gentests zu Forschungszwecken. Insbesondere pränatale Tests betreffen, wie bereits von meinem Vorredner erwähnt, einen sehr sensiblen Bereich. Letztlich geht es um die Frage eugenischer Maßnahmen, bzw. die Frage über wertes oder unwertes Leben.

Das Zusatzprotokoll beschränkt sich deshalb zu Recht ausschließlich auf Gentests im Interesse der Gesundheit der Menschen, seien es präventive Maßnahmen oder, vor allem, Maßnahmen zur Heilung bei eingetretenen Krankheiten. Grundsätzlich beinhaltet also dieses Zusatzprotokoll die positiven Ziele der Anwendung von Gentests.

Doch gibt es auch hier Problembereiche: Erstens, wie soll bei nicht einwilligungsfähigen Personen vorzugehen sein? Hier sollte den Staaten die Möglichkeit zu präziseren Regelungen gegeben werden, je nach ihrer Rechtsverfassung.

Ein zweites Problem ist das des Vertrauensschutzes. Hier geht es um die Wahrung der Privatsphäre der Betroffenen, die Frage, wer wie über die gewonnenen Erkenntnisse und Informationen verfügen darf (z.B. die Frage der Weitergabe der Informationen an Versicherungen, ein Thema, das weiterhin zu behandeln ist).

Insbesondere besteht noch ein Regelungsbedarf bei der Anwenung außerhalb der medizinischen Tätigkeiten. Gentests dürfen auf keinen Fall zur Diskriminierung von Einzelpersonen oder gar von ganzen Gruppen führen.

Zur Frage der Ratifikation in der Schweiz kann ich Sie darüber informieren, dass zur Zeit das Parlament daran ist, das Übereinkommen zu ratifizieren. Dies ist bisher noch nicht geschehen, weil wir in mehreren Stufen entsprechende Gesetze, z.B. Transplantationsgesetze, zuerst behandelt haben, und nun erst dabei sind, das Übereinkommen zu ratifizieren. Ich denke, dass wir dann entsprechend auch die Zusatzprotokolle ratifizieren werden.

Ich danke dem Berichterstatter für die Ausarbeitung der Stellungnahme und den Fachleuten für die hervorragende Ausarbeitung dieses Zusatzprotokolls. Ich denke, dass wir den Ergänzungsvorschlägen des Berichterstatters zustimmen sollten.

Ich danke Ihnen.

Wolfgang WODARG, Deutschland, SOC

(Dok. 11440 und 11466)

(Redebeitrag auf Englisch)

Niemand darf wegen seiner biologischen Merkmale bevorzugt oder benachteiligt werden.

(Weiter auf Englisch)