AL08CR26

AS (2008) CR 26

 

Provisorische Ausgabe

SITZUNGSPERIODE 2008

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(3. Teil)

BERICHT

26. SITZUNG

Donnerstag, 26. Juni 2008, 15.00 Uhr

SCHRIFTLICHE REDEBEITRÄGE AUF DEUTSCH


Herta DÄUBLER-GMELIN, Deutschland, SOC

(Doc. 11608)

Lieber Präsident Kellenberger,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

Herzlichen Dank für diese Gelegenheit, heute anhand dieses vorzüglichen Berichts des Kollegen Hancock von den Resolutionen und den Empfehlungen über die großartige Arbeit des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz zu reden. Wir unterstützen nicht nur die Arbeit des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz, sondern auch die Resolutionen und die Empfehlungen, und wir tun das aus vollem Herzen und eigentlich mit drei guten Gründen.

Zum einen deshalb, weil in der Tat, wie der Kollege Hancock ausgeführt hat, die Breite der Arbeit des IKRK in angemessener Weise dargestellt wird und zum zweiten, weil auch die Bedeutung dieser unglaublich vielfältigen Arbeit jetzt, aber auch seit Beginn der Arbeit des IKRK vor nunmehr 145 Jahren in einer sehr angemessenen Weise gewürdigt wird.

Damals hat es angefangen mit konkreten Hilfsaktionen im Bereich der Humanität, aber damals fand eben auch schon statt, was wir heute so dringend brauchen, nämlich die Initiative, damals zum Aufbau, heute zum Ausbau des humanitären Völkerrechts. Und wir wissen ganz genau – weil wir uns hier gerade in diesem Haus mit Menschenrechtsverletzungen, auch mit der Vorbeugung vor Menschenrechtsverletzungen beschäftigen – dass wir alle von der Arbeit des International Komitees des Roten Kreuzes außerordentlich stark profitiert habe, und dass ohne die Arbeit des IKRK die Humanität in unseren Ländern anders aussehe als sie heute tut und auch die Frage der Durchsetzung der Menschenrechte längst nicht so weit wäre, auch wenn wir natürlich sehr genau wissen und wenn Präsident Kellenberger das auch sehr stark betont hat, wie viel hier noch zu tun bleibt.

Der dritte Grund, warum ich diesen Bericht, auch die Resolutionen und auch die Empfehlungen – jetzt ungeachtet der Äußerungen des Kollegen Hancock zum deutschen Fußball – voll und ganz unterstreiche besteht darin, dass er eben auch aufzeigt, was wir selbst tun können, ja, was wir selbst tun müssen. Nicht nur die Staaten, denen wir angehören, sondern eben auch diese parlamentarische Versammlung des Europarats und der Europarat auch.

Ich will das an einem Beispiel ganz besonders deutlich machen. Es ist ja sehr interessant und manchmal gar nicht so bekannt, dass es der zweite Präsident des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz, Monsieur Gustave Moinier, bereits in den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts war, der sehr deutlich gesagt hat, dass Menschenrechte völkerrechtliche Charakter brauchen und dass humanitäre Hilfe ebenfalls in völkerrechtlich wirksame Verpflichtungen gekleidet werden müssen. In beiden Fällen hat sich das IKRK ja sehr stark engagiert. Aber er hat hinzugefügt, dass beide Bereiche des Völkerrechtes letztlich ohne Wirksamkeit bleiben müssten, wenn nicht auch die persönliche Verantwortlichkeit der Mächtigen, völkerrechtlich verankert werden würde, weil ohne diese völkerrechtliche Verankerungen ja die Befolgung von Konventionen letztlich eben doch ein Problem sein würde. Er hat damals schon – und es war damals ein Traum – einen internationalen Strafgerichtshof gefordert.

Dieser Traum blieb ein Traum nahezu hundert Jahre lang, und heute haben wir ihn. Heute können wir auf der Basis dieses Traumes weiterarbeiten, weil er Wirklichkeit geworden ist. Aber jetzt kommt unsere Aufgabe. Wir wissen ganz genau, dass dieser Internationale Strafgerichtshof, der schwerste Menschheitsverbrechen verfolgen soll, der gegen die Impunität der Mächtigen vorgehen soll, dass er heute 106 Mitglieder hat; aber noch längst nicht alle Mitgliedsstaaten der Völkergemeinschaft hier mitwirken. Und wenn wir uns jetzt selbst in unseren Reihen umsehen, dann sehen wir, dass auch noch nicht alle Mitglieder des Europarates - obwohl wir diese Prinzipien unterstützen – Mitglieder sind und unsere Aufgabe ist es – und ich bin dankbar, dass das in der Resolution und auch in der Empfehlung so deutlich enthalten ist, dafür zu werben, dass die Mitglieder des Europarates sehr schnell auch in diesem Bereich den Internationalen Staatsgerichtshof unterstützen und damit indirekt zu dem beitragen, was wir heute mit dem Dank, mit der Hochachtung, mit dem Respekt und mit der Unterstützung für die Arbeit des Internationalen Roten Kreuzes zum Ausdruck bringen wollen.

Herzlichen Dank!

Maximilian REIMANN, Schweiz, SOC

(Doc. 11608)

Herr Vorsitzender,

Herr IKRK-Präsident,

geschätzte Kolleginnen und Kollegen,

Ich habe vorliegenden Bericht als ehemaliger IKRK-Delegierter im Nahen Osten sowie als seinerzeitiger Verfasser einer völkerrechtlichen These mit engem Bezug zum IKRK konstruktiv-kritisch unter die Lupe genommen.

Auch ich möchte dem Bericht ebenso hohe Gründlichkeit wie Aktualität attestieren und unterstütze die Stoßrichtung der Empfehlungen voll und ganz.

Trotzdem möge mir erlaubt sein, noch ein paar zukunftsgerichtete Bemerkungen anzubringen, teilweise auch mit leicht kritischem Unterton.

Der nachhaltige Erfolg des IKRK seit über anderthalb Jahrhunderten, obwohl es sich nicht um eine staatliche Institution handelt liegt darin, dass es sich strikt der Neutralität, der Unabhängigkeit und ausschließlich dem Dienst für die leidenden Menschen in Konflikten verpflichtet hat. Mit der Politik geht das IKRK jedoch weitgehend auf Distanz; d.h. es mischt sich nicht in die politische Händel und Streitigkeiten ein. Dafür sind andere Organisationen zuständig.

Im vorliegenden Bericht, der sich ausschließlich mit den Aktivitäten des IKRK befasst, ist diese Distanzierung von der Politik m.E. zu wenig konsequent durchgehalten worden.

So befasst sich der Bericht u.a. auch mit der Verfolgung von Kriegs- und Völkerrechtsverbrechen. Das ist aber eine klare Aufgabe des Internationalen Strafgerichtshofes. Der Bericht sagt das auch und deshalb sind Passagen über die Verfolgung von Kriegsverbrechen hier aber am falschen Ort, obwohl sie für sich genommen absolut zutreffend sind.

Auch die Aufforderung ans IKRK, seine Arbeit zum Schutz von Einwanderern fortzusetzen, gehört m.E. nicht in diesen Bericht hinein, denn mit legalen Einwanderern hat sich das IKRK nicht zu befassen. Vielleicht können Sie, Herr Präsident Kellenberger, alter Weggefährte aus gemeinsamer außenpolitischer Zeit in Bern zu dieser strikten politischen Unabhängigkeit des IKRK noch ein Wort der Bestätigung sagen.

Stark unterstützen möchte ich hingegen die Aufforderung an die internationale Gemeinschaft, die Tätigkeit des IKRK noch stärker finanziell zu unterstützen, dies aber, wie gesagt, ohne irgendwelchen politische oder andere Auflagen.

Ebenso positiv ist das Anliegen des IKRK zu unterstützen, die Grundsätze des humanitären Völkerrechts in die schulischen Lehrpläne aufzunehmen. Das ist gelebte Gewalt- und Kriegsprävention. Denn stellen Sie sich nur einmal vor, das wäre beispielsweise im Kaukasus oder im Nahen Osten der Fall: 20, 25 Jahre später sind diese Schüler dann an der politischen Macht. Ich bin überzeugt, wir hätten dann wesentlich weniger menschliches Leiden in solchen Konfliktregionen!

Großer Schwachpunkt des humanitären Völkerrechts ist hingegen dessen Durchsetzung in Konflikten. Gewisse Staaten verweigern sich, aus Eigeninteresse natürlich. Nicht-staatliche Akteure wie Terroristen, sog. Freiheitskämpfer oder Widerstandsbewegungen, die zunehmend in Konflikten auftreten, fühlen sich den Genfer Konventionen und Zusatzprotokollen nicht verpflichtet.

Deshalb stellte sich der Schweiz als Signatarstaat dieser völkerrechtlichen Verträge je länger, je mehr die Frage, ob und wo überall Bedarf für eine Weiterentwicklung der Genfer Konventionen Handlungsbedarf besteht, ob allenfalls eine neue Staatenkonferenz für die Ergänzung dieses humanitären Völkerrechts nötig ist usw. Wir haben in der außenpolitischen Kommission des schweizerischen Ständerates Aufträge an die Regierung verabschiedet, dieser Frage, gemeinsam mit dem IKRK nachzugehen.

Ich stelle folglich mit Genugtuung fest, dass die vorliegenden Empfehlungen des Berichtes von Kollege Hancock ebenfalls weitgehend auf dieser Linie liegen.

Ich danke Ihnen.