AL09CR07       AS (2009) CR 07

Provisorische Ausgabe

SITZUNGSPERIODE 2009

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(1. Teil)

BERICHT

7. SITZUNG

Donnerstag, 29. Januar 2009, 10.00 Uhr

REDEBEITRÄGE AUF DEUTSCH


Hansjörg WALTER, Schweiz, ALDE / ADLE

(Dringlichkeitsdebatte, Dok. 11807)

Frau Präsidentin,

Meine geschätzten Kollegen und Kolleginnen,

Wir müssen hier schon auch eine gewisse Kritik an den Finanzinstituten äußern. Ich bin klar der Meinung, dass Eigenverantwortung und Verantwortungsbewusstsein der Banken nicht mehr im Vordergrund standen. Es war üblich, dass für die Bonitätsprüfung Ratingfirmen ausgewählt wurden, die zum Teil nicht ausgewiesen waren – ich denke da an die Hypothekenkrise in den USA, wo nur noch auf Papierwerte gestützt wurde und nicht mehr auf Realwerte.

Unsere Banker haben den Realitätssinn verloren und in Werte investiert, die keinen Wert mehr hatten. Es wurde üblich, dass Gewinne völlig klar privatisiert wurden, und nun soll es einfach klar sein, dass Verluste verstaatlicht werden. Es kann nicht angehen, dass Gewinne privatisiert und Verluste verstaatlicht werden!

Die Banken haben auch hier ihre Verantwortung und insofern, als sie sich innerhalb der Finanzsysteme gegenseitig aushelfen. Bei uns in der Schweiz musste die Nationalbank intervenieren, damit die Banken einander wieder Interbankkredite gewährten, um so einen Zusammenbruch der großen Institute zu vermeiden.

Staatliche Interventionen sind nun unumgänglich geworden, weil die Finanzen das Blut unserer Wirtschaft sind. Aber ich möchte an dieser Stelle warnen: Die Staaten können auch nicht alles von einem Tag auf den anderen mit kurzfristigen und angekündigten Investitionen bewältigen. Von mir aus gesehen ist es sehr wichtig, dass unsere Staaten nun dort intervenieren und die Gunst die Stunde nutzen, und da sind wir Parlamentarier in unseren Ländern aufgefordert, die Finanzmarktaufsicht so zu stärken, dass diese die Kraft hat, international, global die Kontrolle und die Übersicht zu bewahren. Das war nicht der Fall.

Gut gearbeitet haben in den letzten Jahren und Jahrzehnten die Währungsinstitute, die Notenbanken. Dort hat die globalisierte Zusammenarbeit gewirkt. Aber in Bezug auf Sicherheit und auf die Beurteilung des Eigenkapitals der Banken haben diese Institute versagt, weil sie national ausgerichtet waren.

Ich möchte noch einen Punkt hinzufügen: Wie können wir das verlängerte Wirtschaftswachstum, das nun kommen wird, so gestalten, dass es zumindest nachhaltig ist? Hier ist es entscheidend, dass nicht nur die nationalstaatlichen Institute intervenieren, sondern dass subsidiär gewirkt wird, über die Bundesstaaten, über die Kommunen, um so eine breite Wirkung zu erzielen.

Wir haben jetzt auch die Chance, dort, wo Arbeitslosigkeit oder Kurzarbeit entstehen, in Bildung und durch Förderprogramme in den Umweltschutz zu investieren. Dort können wir auch die Privaten animieren, ihr Geld, ihre Ersparnisse einzusetzen, um so zu verhindern, dass nur der Staat investiert, während privat gespart wird, weil niemand mehr den Mut hat, zu investieren.

Mein Appell ist also, dass es alle angeht, wenn wir das Problem verhindern wollen, dass Menschen durch Arbeitseinschränkungen und Arbeitslosigkeit in ihrer Existenz gefährdet werden.

Ich danke Ihnen.

Wolfgang WODARG, Deutschland, SOC

(Dringlichkeitsdebatte, Dok. 11807)

Frau Präsidentin,

liebe Kolleginnen und Kollegen!

Wir versuchen zu verstehen, was in der Finanzwelt passiert ist. Dort waren Menschen tätig, oft sehr junge, sehr dynamische Menschen mit wenig Erfahrung, die uns gezeigt haben, wie man mit Geld umgeht! Ich habe so manchen Politiker gesehen, der sich im Glanze dieser erfolgreichen Banker gesonnt hat, der an der Seite des Erfolgs stehen wollte. Wir waren dabei, wir haben sie viele Jahre lang machen lassen.

Als Arzt kenne ich ein Verhalten wie das, das ich bei den Bankern gesehen habe, die immer mehr wollen, die nicht aufhören wollen, die das, was sie an Reichtum erwirtschaftet haben, schon gar nicht mehr genießen können, sondern immer mehr wollen. Was wir da gesehen haben, ist ein süchtiges Verhalten.

Dieses süchtige Verhalten haben wir beobachtet, und es war uns unheimlich, aber wir haben sie machen lassen. In der Medizin nennt man Leute, die Suchtkranke, Alkoholiker, machen lassen, Ko-Alkoholiker. Das sind Leute, die zum System gehören, die mitmachen. Und wenn wir die Banker jetzt „Bankster“ nennen, ein Mittelwort aus Banker und Gangster, dann sind wir als Politiker „Ko-Bankster“, weil wir sie haben machen lassen.

Deshalb, denke ich, müssen wir dort aktiv werden, wo wir das können, und zwar auf allen Ebenen. Wir müssen auf nationaler Ebene, auf europäischer, und global tätig werden. Ich bedaure, dass die Krise, die wir jetzt sehen und die ja heilsam ist, leider den Falschen weh tut. Jede Krise ist heilsam, da wir merken, dass da etwas nicht in Ordnung ist, dass wir etwas falsch gemacht haben und es tut weh. Das ist eine Chance für uns, unser Verhalten zu ändern und es in Zukunft besser zu machen. Aber leider tut diese Krise den Falschen weh, und wir sorgen nicht dafür, dass diejenigen ihr Verhalten ändern, die uns in die Krise hineingeritten haben.

Ich bekomme Hochglanzzeitungen, in denen die Anleger von Fonds schon wieder anfangen, uns das Gleiche anzubieten. Sie machen einfach weiter, und wir lassen sie weitermachen. Wir hier haben viel zu wenig getan, auf internationaler Ebene neue Regeln einzuführen. Es geht viel zu langsam. Und nun schieben die Regierungen Geld in dieses marode System hinein. Bisher sind wir auch nicht so richtig in der Lage, zu kontrollieren, was wir die ganzen Jahre haben laufen lassen. Wir trauen uns nicht, und es sind auch harte Einschnitte.

Vielleicht muss die Krise erst noch härter werden, damit wir endlich etwas tun. Nur dürfen wir das eigentlich nicht zulassen, denn, wie Kollege Hancock bereits sagte, leiden nicht diejenigen darunter, die für sich finanzielle Polster geschaffen haben und die Verantwortung tragen, sondern diejenigen, die keine Polster haben, die ausgeliefert sind, die nur noch ihre Arbeitskraft haben und jetzt den Arbeitsplatz verlieren. Das sind die wirklichen Opfer.

Deshalb verlange ich, dass sich unsere Staaten gemeinsam mit anderen Staaten aufraffen, und ein weltweites Währungssystem definieren. Dass wir ein Bretton Woods II haben und die Währungsspekulation beenden; mit Währungsspekulation gibt es keine stabile Weltwirtschaft. Das wird immer wieder durcheinander gebracht, denn das wissen wir, Europa hat das schon einmal gelernt, hatte das auch schon einmal, aber wir haben es wieder vergessen und jetzt sehen wir die Folgen.

Aber ich möchte noch zu unseren „Hausaufgaben“ kommen. Ich habe zwei niederländische Kollegen gehört, die uns erzählt haben, dass der eine heute Nachmittag mit der Gewerkschaft demonstrieren will, und der andere mit Bankern sprechen will, um zu lernen, wie es zu der Krise gekommen ist. Beide kommen aus demselben Parlament. Ich bin damit nicht einverstanden, denn ich möchte, dass wir hier etwas tun, was in unserer Zuständigkeit liegt.

Deshalb habe ich folgende Forderungen: Ich fordere, dass wir definieren, dass der Schutz der sozialen Sicherungssysteme hohen Vorrang hat. Dass die Mitgliedsstaaten diesen Schutz sicherstellen, ist ganz wesentlich.

Ich fordere, dass der Schutz wirtschaftlicher Schwächerer Vorrang hat vor den Geschäftsinteressen der Finanzwirtschaft.

Ich fordere, dass die Mitgliedsstaaten des Europarats gegen Steuerhinterziehung zusammenarbeiten. Steuerhinterziehung ist etwas ganz Spezielles, das wir hier im Europarat regeln können. Es ist eine Straftat, bei deren Bekämpfung und Ahndung die Mitgliedsstaaten zusammenarbeiten müssen, doch das tun sie nicht.

Meine vierte Forderung: Finanzinstituten, die Beihilfe zu Steuerhinterziehung leisten, müssen von den Mitgliedsländern die Lizenzen entzogen werden. Auch das geschieht hier nicht. Die USA haben von der Schweiz Transparenz verlangt. Sie wollten wissen, wer dort Geld hingebracht hat, um sie zur Rechenschaft zu ziehen und Steuern einzufordern. Als die Schweiz sich weigerte, erklärten die USA, die Schweizer Finanzinstitute dürften nicht mehr in den USA arbeiten.

Das ist eine konsequente Haltung, die wir nachahmen müssen! Wir sind hier zusammen mit den Ländern, die davon profitieren, dass in anderen Ländern Steuern hinterzogen werden. Wir sitzen hier zusammen, ohne darüber zu diskutieren. Hier brauchen wir Regeln, und müssen meines Erachtens auch härter miteinander ins Geschirr gehen. Das haben wir bisher versäumt. Ich freue mich schon auf die Diskussion.

Herzlichen Dank.