AL09CR08
AS (2009) CR 08
 
Provisorische Ausgabe

SITZUNGSPERIODE 2009

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(1. Teil)

BERICHT

8. SITZUNG

Donnerstag, 29. Januar 2009, 15.00 Uhr

REDEBEITRÄGE AUF DEUTSCH


Doris BARNETT, Deutschland, SOC

(Dok. 11807)

Herr Vorsitzender,

auch ich möchte Herrn Sasi und natürlich auch dem Sekretariat danken, besonders aber auch den vielen Diskussionsteilnehmern, die ja deutlich gezeigt haben, dass wir alle die gleichen Befürchtungen und Probleme haben, und dass wir alle am gleichen Strang in die gleiche Richtung ziehen. Die Finanzmärkte müssen aus ihren Luftschlössern, die auf Spekulationen, also auf Wetten, beruhen und mit den echten Dingen, der realen Wirtschaft, kaum etwas gemein haben, wieder zurückkehren zu den Grundsätzen des ehrlichen Kaufmanns, also weg vom Spekulantentum.

Wenn in der realen Wirtschaft Renditen im einstelligen Bereich üblich sind, dann können 25% in der spekulativen Finanzwelt einfach nicht mehr passen. Deshalb muss der Finanzsektor reguliert und kontrolliert werden, um ihn vor seinen eigenen Exzessen zu schützen, um ihn in seinem Profitstreben auf die reale Wirtschaft neu auszurichten, und um ihn als notwendigen und verlässlichen Dienstleister und Partner für die Wirtschaft und Gesellschaft zur Verfügung zu haben.

Mit dem Bericht und der Resolution haben wir hier nicht den Stein der Weisen. Aber wir wollen alles tun, um vor allem den Menschen, die wir vertreten, nicht die Lasten aufzubürden, nämlich Steuern und eventuell Arbeitslosigkeit, während die spekulativen Finanzmärkte zum „business as usual“ zurückkehren. Das können wir aber nur, wenn wir es gemeinsam wollen und angehen.

Mit der möglichst großen Unterstützung bei der Verabschiedung der Resolution denke ich, dass wir hier ein Zeichen setzen können, und ich hoffe, Sie tun das und wir ziehen hier tatsächlich gemeinsam an einem Strang und in dieselbe Richtung.

Vielen Dank.

Wolfgang WODARG, Deutschland, SOC

(Dok. 11787)

Meine Damen und Herren,

Wir sprechen heute über einen politischen Bereich, den wir viel zuwenig ins Auge gefasst haben. Ich will Ihnen die Problematik an einem kleinen Beispiel erläutern.

Stellen Sie sich vor, dass Sie durch ein Land wie Kolumbien fahren, und da begegnet Ihnen plötzlich auf der Straße jemand, der schwer bewaffnet ist. Man sieht, dass er aus Asien kommt, er hat eine schwere Maschinenpistole umgehängt und sagt: „Stopp“. Sie halten natürlich lieber an, aber sie wissen eigentlich nicht, weshalb. Wer ist das? Er hat eine Uniform an, aber was für eine sehen Sie nicht. Es ist jedenfalls kein Polizist aus Kolumbien. Es ist ein Beschäftigter, der vielleicht aus Korea kommt und für eine britische Firma arbeitet, die wiederum einen Auftrag der US Army ausführt und dort für die kolumbianische Regierung bestimmte Aufträge erfüllt, also jemand, der als Söldner eingestellt ist und dort irgend etwas mit Waffengewalt vertritt. Was, weiß man nicht so genau.

So etwas gibt es überall in der Welt. Es ist ein Markt geworden. Seit der eiserne Vorhang gefallen ist, hat sich dieser Bereich ganz stark entwickelt. Wir haben weltweit 1,5 Millionen Beschäftigte in diesen Firmen, die überall in den Krisengebieten der Welt tätig sind. Eine der berühmtesten Firmen ist Blackwater, die durch die Schlagzeilen gegangen ist. Wir haben aber im Irak insgesamt über 100 000 Beschäftigte von privaten Militärfirmen. In Afghanistan genauso.

In Mittelamerika gibt es private Militärfirmen, die dort für die Kaffeebarone in Guatemala tätig sind. Sie fliegen dort bewaffnete Hubschrauber und passen auf, dass deren Interessen zur Not mit Gewalt verteidigt werden. Wer es sich leisten kann, kauft sich seine Sicherheit in den Ländern, die es selber nicht können, die für ihre Bürger keine Sicherheit in vollem Umfang liefern können.


Das ist ein Markt, der sich seit dem Fall der Mauer, seit sich die beiden großen Machtblöcke in ihrer Struktur geändert haben, stark entwickelt hat. Es gab sehr viele gut ausgebildete Soldaten und Offiziere, die niemand mehr brauchte, und es gab viele Waffen, die nicht mehr nötig waren. Das war die Basis für diese neuen Firmen. Es gab Futter und es gab die Möglichkeit, dieses Know-how und diese Hardware zu verwenden.

So wurden Angebote an Staaten formuliert. Man trat an die Vereinigten Staaten und andere große Staaten heran und forderte sie auf, zu outsourcen und bot ihnen an, diese Aufgaben für sie zu erledigen. „Outsourcen ist modern, wir übernehmen das“.

Inzwischen ist es so, dass das Militär der Vereinigten Staaten ohne diese Firmen gar nicht mehr funktionieren würde. Genauso würde auch die britische Armee nicht mehr funktionieren, wenn diese Firmen plötzlich aufhören würden, zu arbeiten; sie würde ihren Auftrag nicht mehr weiterführen können. Ganz wesentliche strategische Positionen, Intelligece Service, werden von diesen Firmen erledigt. Die staatlichen Aufträge sind nur ein Teil des Geschäfts.


Ein weiterer Teil des Geschäfts sind die private Unternehmen, Mining Companies, Erdölfirmen oder Holzfirmen, die in Afrika Holz einschlagen wollen, oder Baufirmen, die Ölpipelines bauen wollen, oder auch Eisenbahnunternehmen, die Gleise durch den Kongo legen wollen. Diese Firmen schließen mit den Staaten Verträge ab, aber die Staaten sagen: „Für eure Sicherheit können wir nicht garantieren, das müsst ihr selber machen, bringt eure Leute mit“. Daraufhin heuern diese Firmen solche Leute an - ein weiterer großer Bereich des Geschäfts.

Häufig ist es so, dass bei diesen Firmen, wie z.B. früher bei dem südafrikanischen Unternehmen Executive Outcomes, die private Militärfirma nur ein Teil des Unternehmens ist. Gleichzeitig haben diese Unternehmen auch eigene Mining Companies. Das heißt, sie arbeiten in einer Branche und garantieren zugleich die Sicherheit innerhalb der Firma. Dort gibt es auch Netzwerke zwischen den Firmen und wir wissen, dass diese auch häufig den Namen wechseln.

Wenn wir heute in der Zeitung lesen, dass Blackwater wegen einer Schießerei, bei der es 17 Tote gegeben hat, von der irakischen Regierung nicht länger toleriert wird, dann ist die Lösung für die Firma einfach. Blackwater hatte die amerikanische Botschaft bewacht und durch die US-Regierung Immunität zugesprochen bekommen, sodass keiner seiner Söldner dort für das, was er getan hat, bestraft wird. Diese Firma will der Irak nicht mehr haben.

Doch die Lösung ist für eine solche Firma einfach: Sie benennt sich um, sie macht eine Branche dicht. Aus Executive Outcomes wird dann z.B. Sandline. Und wenn Sandline Probleme hat und es Skandale gibt, dann wird die Firma Aegis gegründet. Das sind häufig dieselben Leute, die weiterarbeiten, dieselben Manager, die die neue Firma aufmachen.

Diese Branche ist sehr flexibel und sie wächst. Und zwar so sehr, dass diese Branche allein im letzten Jahr 250 Milliarden Umsatz gemacht hat, die größten Zuwächse insgesamt. Das ist deshalb so bedenkenswert, weil man die Aktie dieser Firma an der Börse kaufen kann. Sie sind auch dazu verpflichtet, Wachstum zu haben, denn sonst laufen ihnen die Aktionäre weg.

Doch wenn eine Sicherheitsfirma wachsen will, braucht sie Krisen, dann braucht sie Arbeitsfelder. Der Krieg gegen den Terror, den die Bush-Administration erfunden hat, war für diese Unternehmen eine geniale Marketingerfindung. Terroristen sind Kriminelle, wir brauchen Polizei, die diese Kriminellen jagt, einsperrt und vor Gericht stellt. Dafür brauchen wir Polizei und internationale Zusammenarbeit.

Wir haben diesen Krieg gegen den Terror mitgemacht, und der war eines der größten Wachstumsfelder für diese Branche. Sehen Sie sich an, was in Afghanistan los ist - dort tummeln sich die Firmen und es gibt einen riesigen Markt, der wahrscheinlich noch wachsen wird. Was im Irak abgebaut wird, soll in Afghanistan neue Arbeitsfelder bekommen, haben wir gehört. Die Lobby ist sehr stark: Es wird Druck auf die Regierungen gemacht, und das ist möglich, weil man schon entsprechende Möglichkeiten hat. Das Gewaltmonopol ist in vielen Staaten erodiert.

Diese Firmen sind sehr stark. Sie sind auch gefährlich, weil sie eben Gewalt anwenden können. Deshalb ist es allerhöchste Zeit, dass wir, die wir doch sagen, wir wollen Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in Europa, uns hier mit diesem Thema befassen. Wir können keine Demokratie und Rechtsstaatlichkeit haben, wenn wir sie nicht durchsetzen können, wenn wir nicht die Möglichkeit haben, als Staat zu sagen, was zu geschehen hat und wie die Gesetze zu befolgen sind.

Das staatliche Gewaltmonopol ist erodiert, und auch in Europa gibt es Staaten, die von diesen Firmen abhängig sind. Diese Firmen haben keine Regeln, es gibt keine Gesetze. Menschen, die durch die Söldner dieser Unternehmen zu Schaden kommen, wissen nicht, an wen sie sich wenden können. Es gibt keine Haftungsregelungen, keine Strafgesetzgebung; die Leute werden nicht bestraft.

Im Gefängnis von Abu-Ghraib sind die armen Menschen, die das Pech hatten, bei der amerikanischen Armee beschäftigt zu sein, bestraft worden. Aber die Leute, die mindestens ebenso schuldig waren, aber bei der Privatfirma arbeiteten, sind noch immer nicht bestraft worden, weil gar nicht richtig klar ist, wer diese Straftat verfolgen soll.

Es sind unklare Rechtsverhältnisse. Überall in unseren Ländern in Europa gibt es Büros, wo man diese Leistung kaufen kann. Wenn ich in Deutschland eine solche Leistung kaufen würde und bewaffnete Leute beschäftigen wollte, dann müssten sie lizenziert werden. Jede Waffe, die sie benutzen, müsste registriert sein, das müsste alles bekannt und transparent sein.

Dieselbe Firma kann mir aber in Deutschland Leistungen verkaufen, die in Afrika erbracht werden sollen, und da kann ich bei ihr Kampfhubschrauber bestellen, ohne dass irgendjemand dafür zuständig wäre, das zu kontrollieren. Diese Büros, diese Firmen gibt es überall, und die Regierungen machen davon Gebrauch. Das ist ein Wildwuchs, etwas, was wir regeln müssen. Wir brauchen Transparenz.

Wenn Sie im Parlament darauf bestehen, dass sie den Einsatz des Militärs und den Einsatz von Gewalt als Parlamentarier kontrollieren wollen, und Ihnen Ihre Regierung dann sagt – so wie es der amerikanische Kongress immer wieder gehört hat – : „Das können wir leider nicht mitteilen, denn es handelt sich um privatrechtliche Verträge zwischen der Regierung der privaten Firma, und wir müssen die private Firma schützen!“, dann ist da sehr viel an staatlicher Kontrolle verloren gegangen, dann hat sich das Parlament, das so etwas zulässt, entmachtet.


Das sind alles Felder, wo wir Regeln schaffen müssen. Dieser Bericht zeigt diese Regeln auf, sagt, was zu tun ist, dass wir eine Grenze ziehen müssen zwischen den Gewaltanwendungen, die nur der Staat durchführen darf, und den Leistungen, die diese Firmen unter Umständen für den Staat machen dürfen. Das ist nicht definiert, das ist überall anderes.

Denken Sie an das Beispiel in Kolumbien. Es muss jedem klar sein, in jedem Land, der jemandem begegnet, der dort mit Gewalt auftritt: In wessen Auftrag handelt er? Wer haftet? Wer ist verantwortlich? Auf welcher rechtlichen Grundlage handelt er? Das muss abfragbar sein. Es muss klar sein, wer das ist, sonst haben wir das Mittelalter wieder eingeführt. Seit dem Mittelalter hatte sich das bei uns einmal geändert, nämlich mit den Westfälischen Verträgen. Damals hatten die Staaten das erste Mal gemerkt, dass es wichtig ist, dieses Gewaltmonopol für sich zu definieren, welches dann später nur aufgrund rechtlicher Bedingungen ausgeübt werden durfte.

Das ist das, was wir hier im Europarat zu verteidigen versuchen, das droht, sich weltweit aufzulösen, weil Gewaltanwendung eine Handelsware geworden ist, die man kaufen kann, die den Gesetzen des Marktes unterliegt, und die sich den Gesetzen von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit inzwischen weitgehend entzogen hat. Das können wir nicht zulassen. Ich möchte mich mit Ihnen gemeinsam an die Arbeit machen und hier überlegen, wie wir das in Zukunft beherrschen können.

Herzlichen Dank.

Wolfgang WODARG, Deutschland, SOC

(Dok. 11787)

Vielen Dank, Herr Präsident!

Ich möchte es kurz machen. Ich bedanke mich alle jenen, die dem Thema gegenüber offen waren, aber auch bei jenen, die mir geholfen haben, dieses Thema hier heute zu präsentieren: Das ist einmal das Sekretariat, das sehr fleißig war und in sehr kurzer Zeit sehr viel geleistet hat, und andererseits bedanke ich mich ausdrücklich auch bei Herrn Üsseler, der als Fachmann geholfen hat, diese Thematik aufzuarbeiten. Es ist ein neues Feld, das wenige von uns bisher systematisch betrachtet haben. Deshalb denke ich, dass das nur ein Anfang war.

Ich möchte die versammelten Kollegen bitten, dass wir das Thema Piraterie behandeln. Ich möchte einen Vorschlag machen, werde dazu eine Motion abgeben, und bitte dabei um Unterstützung, denn das ist der neue Markt, der jetzt vorbereitet wird. Der Krieg gegen den Terror wird abgelöst durch den Krieg gegen die Piraterie.

So werden neue Geschäftsfelder eröffnet, und es lohnt sich, hier einmal nachzuschauen, was wir eigentlich tun müssen, um vernünftig damit umzugehen und dieses Problem rechtsstaatlich zu lösen. Auch Piraterie ist kein Kriegsgegenstand, sondern ein Verbrechen, das durch internationale Zusammenarbeit polizeilich geahndet werden muss. Hier gibt es noch viel zu tun, und so wird es weitere Felder geben.

Herzlichen Dank, und machen wir uns an die Arbeit!