AL09CR16       AS (2009) CR 16

Provisorische Ausgabe

SITZUNGSPERIODE 2009

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(2. Teil)

BERICHT

16. SITZUNG

Donnerstag, 30. April 2009, 10.00 Uhr

REDEBEITRÄGE AUF DEUTSCH


Holger HAIBACH, Deutschland, EPP/CD / PPE/DC

(Projekt für Protokoll Nr. 14 bis, Dok. 11864 und 11879)

Herr Präsident!

Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Im Namen der EPP-Gruppe möchte ich Klaas de Vries zu seinem hervorragenden Bericht gratulieren, der ein schwieriges Thema in sehr enger Zeit behandelt und im Grunde genommen das sagt, was hier zu sagen ist, nämlich dass dieses Zusatz-, Fakultativprotokoll 14bis ein Teil der Lösung sein kann, aber nicht die endgültige Lösung ist. Das ist ja bei meinem Vorredner schon angeklungen.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ist in vieler Hinsicht einzigartig. Er ist eines der wenigen Individual-Beschwerde-Organe weltweit und, glaube ich, auch zu Recht etwas, auf das wir stolz sind und stolz sein können, weil er wirklich eine hervorragende Arbeit macht.

Aber wenn ich mir anschaue, wie viele Fälle vor dem Gericht eigentlich landen, dann frage ich mich: „Können wir darauf stolz sein?“ Ist es nicht wirklich ein Zeichen dafür, dass unsere Rechtssysteme in unseren Mitgliedsstaaten nicht so funktionieren, wie sie eigentlich funktionieren sollten, wenn so viele Fälle hier nach Straßburg gehen müssen? Deswegen ist es genau richtig zu sagen, dass es unsere Aufgabe zu Hause in unseren Parlamenten ist, darauf zu sehen, dass unsere Rechtssysteme in unseren Nationalstaaten funktionieren. Dann wird auch der Druck, der nach Straßburg kommt, sicherlich weniger werden.

Das wird aber nicht dazu führen, dass der Gerichtshof weniger gebraucht wird; es wird nur dazu führen, dass der Gerichtshof sich auf die wirklich wichtigen Dinge konzentrieren kann, wo es darum geht, Urteile zu fällen, die weit über die Ländergrenzen des jeweiligen Staates, gegen den Klage erhoben wird, wichtig sind.

Im Monitoringbericht über die Russische Föderation kann man zum Beispiel nachlesen, dass 70% der dort anhängigen Fälle und gesprochenen Urteile nicht exekutiert werden. Es ist vollkommen klar, dass es, wenn man den Gerichtshof hat, zu einem Druck führt, diese Fälle dort auch hinzubringen.

Gegen Deutschland werden vielleicht nicht ganz so viele Urteile gesprochen – im letzten Jahr waren es vielleicht sieben oder acht, wenn ich es richtig in Erinnerung habe –, aber das heißt nicht, dass diese Urteile nicht bedeutend gewesen wären. Es gab das Caroline–Urteil, das wichtige Zeichen gesetzt hat zur Frage der Persönlichkeitsrechte von Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen. Es gab ein Urteil zur Frage der Rückgabe oder Entschädigung von Eigentum, das zur Zeit des Unrechtsregimes in der DDR enteignet worden ist. Es gab viele wichtige Urteile – nicht viele in der Zahl, aber sie haben unsere Rechtsprechung entscheidend beeinflusst.

Wir müssen dafür einstehen und heute auch ein wichtiges Zeichen setzen, dass dieser Gerichtshof das auch weiterhin machen kann. 14bis wird hoffentlich ein wenig die Situation beruhigen, aber 14bis ist nicht die endgültige Lösung des Problems. Nicht einmal Protokoll 14 wird die Lösung des Problems sein, aber irgendwo muss man an dieser Stelle ja ansetzen.

Deswegen glaube ich, dass es wichtig ist, dass zwei Zeichen von der heutigen Debatte ausgehen: Das eine Zeichen muss sein, dass wir sagen, wir sind pragmatisch genug, einen Weg zu unterstützen, der zumindest hilft, die Probleme des Gerichtshofes zu lindern. Das andere Zeichen muss sein, dass wir weiterhin darauf drängen – und es ist nun einmal die russische Staatsduma, die die Ratifikation momentan aufhält –, dass diese Ratifikation tatsächlich stattfindet. Deswegen habe ich mit anderen Kollegen zusammen einen entsprechenden Änderungsantrag eingebracht und ich hoffe, dass das hier die Mehrheit der Versammlung findet.

Ich finde es ein bisschen bedauerlich, dass wir dieses so wichtige Thema relativ am Ende unserer Tagesordnung, auch mit der entsprechenden Abwesenheit von Mitgliedern diskutieren. Es hat diese Woche andere Themen gegeben, die vielleicht momentan aktueller und wichtiger sind, aber ich möchte noch einmal betonen, dass die Frage des Gerichtshofes bleibt, auch lange nachdem wir die Frage des Generalsekretärs entschieden haben und viele wichtige Debatten dieser Tagesordnung hinter uns gebracht haben werden. Insofern hoffe ich, dass wir einmal zu einer Zeit kommen, in der wir nicht mehr über diese Frage diskutieren müssen. Aber wenn wir über sie diskutieren müssen, dann sollten wir es zu einer Zeit tun, in der sowohl die Präsenz als auch die Zeit dafür sorgen, dass wir die Wichtigkeit dieses Themas erkennen.

Amendments:

Holger HAIBACH, Deutschland, EPP/CD / PPE/DC

(Projekt für Protokoll Nr. 14 bis, Dok. 11864 und 11879, Amendment 1)

Herr Präsident,

Es sollen zwei Botschaften von der heutigen Debatte ausgehen: Das eine ist, dass wir 14bis brauchen, um die Situation des Gerichtshofs zu verbessern. Aber wir wollen auch klar machen, dass es trotzdem immer noch notwendig ist, zu einer Ratifikation des Protokolls 14 an sich zu kommen. Das soll nun dieses Amendment hier noch einmal deutlich machen, dass wir auch klar machen: Es ist in unser aller Interesse, dass die russische Staatsduma den Weg freimacht für die endgültige Ratifizierung von Protokoll 14.