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AS (2009) CR 32
Provisorische Ausgabe

SITZUNGSPERIODE 2009

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(4. Teil)

BERICHT

32. SITZUNG

Mittwoch, 30. September 2009, 15.00 Uhr

REDEBEITRÄGE AUF DEUTSCH

 

Marieluise BECK, Deutschland, ALDE / ADLE

(Debatte: die Lage der Menschenrechtsaktivisten und die Zunahme der Gewalt in der zur Russischen Föderation gehörigen Region Nordkaukasus)

Sehr geehrter Herr Präsident,

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Ich war vor zwei Jahren in Begleitung von Ella Panfilowa, die damals noch die Beauftragte des Präsidenten Putin für den Aufbau der Zivilgesellschaft war, und Swetlana Galuschkina, einer Menschrechtsaktivistin aus Moskau, die vor allen Dingen mit tschetschenischen Flüchtlingen arbeitet, in Tschetschenien und Inguschetien.

Ich weiß nicht, ob so eine Reise heute noch möglich wäre. Ich möchte zu den russischen Kollegen sagen, dass wir auch in Beslan waren. Ich war tief erschüttert, das zu sehen. Es gibt Terrorismus in dieser Region, das ist überhaupt keine Frage.

Trotzdem bleibt die Frage, ob man die Verantwortung für die Bedrängnis, in der sich die Menschenrechtsaktivisten befinden, die sich nicht nur im Nordkaukasus, sondern auch in anderen Teilen der russischen Föderation immer stärker bedroht fühlen, tatsächlich überall den Terroristen zuschieben kann. Der russische Staat muss sich doch damit auseinandersetzen, dass kein einziger der Morde aufgeklärt und kein einziger der Täter gefasst worden ist.

Bei so einer Bilanz muss die Russische Föderation und müssen die Verantwortlichen damit rechnen, dass es auf sie zurückfällt und die Frage gestellt wird, ob vielleicht überhaupt kein Interesse an der Aufklärung dieser Morde besteht. Die russischen Menschenrechtler sagen, dass sie das Gefühl haben, die Einschläge rücken näher, und dass es für sie schwieriger wird, zu arbeiten. Das gilt ganz besonders auch für Tschetschenien.

Liebe russische Kollegen, Herr Slutsky, Sie müssen doch zur Kenntnis nehmen, dass eine Organisation wie Memorial inzwischen die eigenen Mitarbeiter evakuiert hat, weil sie nicht mehr das Gefühl haben, die Sicherheit dieser Menschen dort garantieren zu können.

Wo sind denn da die Sicherheitsorgane der Russischen Föderation, jene Institutionen, die behaupten, ihre allererste und wichtigste Aufgabe sei es, die Menschenrechtler zu schützen, die für den Aufbau von Zivilgesellschaft sorgen? So sehr viele gibt es nicht mehr, die überhaupt noch wagen, in dieser Region als Menschenrechtsaktivisten zu arbeiten.

Sie müssen auch zur Kenntnis nehmen, dass, wie jeder weiß, Natalia Estemirowa persönlich von Präsident Kadyrow bedroht worden ist. Er persönlich hat ihr gegenüber und gegenüber Memorial Drohungen ausgesprochen.

Das sollte ein Problem der russischen Föderation sein, dass es mit Präsident Kadyrow einen Statthalter gibt, der Menschenrechtsaktivisten, die versuchen, sich für Rechtsstaatlichkeit einzusetzen, bedroht. Das ist doch nicht nur ein Problem des Nordkaukasus mit der separatistischen Bewegung, sondern ein Problem des Kremls.

Das ist die Hauptaufforderung, die von hier an Sie, russische Kollegen, sowie an den Europarat gehen sollte: Alle jene, die hier Mitglieder sind, haben sich der Verpflichtung unterzogen, für Rechtsstaatlichkeit, Demokratie, Freiheit und Menschenrechte zu kämpfen und nicht zu versuchen, das zuzudecken, was im eigenen Land passiert.

Bisher – und diesen Vorwurf muss ich den russischen Kollegen machen – sieht alles danach aus, dass eher zugedeckt wird - von welcher Seite auch immer die Morde kommen; dass diese Verbrechen eher nicht verfolgt werden, dass es kein Interesse daran und auch keine Initiativen gibt, um die Menschen zu schützen, die in dieser Menschenrechts- und Rechtsstaatsarbeit stehen.

Drehen Sie die Sache doch bitte so herum, dass wir das hier im Europarat sehen und sagen können: „Jawohl, es ist schwer, mit separatistischen Bewegungen umzugehen.“ Wie schwierig die Auseinandersetzung mit dem Islamismus ist, erleben wir ja in Afghanistan auch. Aber setzen Sie doch sichtbare Zeichen, dass alles daran gesetzt wird, diejenigen, die an der Seite von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie stehen, mit allen Mitteln zu schützen, und dass jene, die sich dem entgegenstellen, mit allen Mitteln verfolgt werden.

Einer der Prüfsteine ist auch die Unterzeichnung des Protokolls 14, denn Russland weiß, dass es die Arbeit des europäischen Menschenrechtsgerichtshofes behindert, solange dieses Protokoll nicht endlich in Kraft gesetzt wird.

Bitte setzen Sie sichtbare Zeichen. Wir wollen Russland an der Seite der europäischen Staatengemeinschaft hier im Europarat haben.

Sabine LEUTHEUSSER-SCHNARRENBERGER, Deutschland, ALDE / ADLE

(Dok. 11993)

Herr Präsident,

liebe Kolleginnen und Kollegen!

Der Ihnen vorliegende Bericht zu vermuteten politisch motivierten Missbräuchen der Strafjustiz betrifft den Kernbereich der Zuständigkeit des Europarats als Wächter von Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten. Die Verteidigung dieser beiden Grundwerte unserer Organisation liegt mir sehr am Herzen, und ich freue mich, Ihnen nach der Wahl in Deutschland diesen Bericht jetzt hier präsentieren zu dürfen.

Die Unabhängigkeit der Justiz von politisch motivierten Einflüssen ist nicht nur von Interesse für Juristen, sondern hat auch eine große politische Bedeutung als Grundvoraussetzung für wirkliche Demokratie. Denn „checks and balances“ zwischen den Gewalten erfordern eine unabhängige Justiz.

Diese hat auch eine große wirtschaftliche Bedeutung, als Standortfaktor für Investitionen, d.h. zur Vermeidung von Kapitalflucht und zur Ermunterung ausländischer Investitionen – ein besonders wichtiger Punkt gerade in wirtschaftlichen Krisenzeiten wie heute. Ich bin deswegen dem Politischen Ausschuss und dem Wirtschaftsausschuss und deren Mitberichterstattern Christos Pourgourides und Kimmo Sasi für ihre konstruktiven, sehr kenntnisreichen Beiträge zu dieser Debatte und für ihre Meinung sehr dankbar.

Ich habe mir große Mühe gegeben, die Situation in objektiver Weise darzustellen, mit denselben Maßstäben für alle Länder. Weil ich unmöglich alle 47 Europaratsstaaten „abarbeiten“ konnte, habe ich vier Rechtssysteme ausgesucht, die als typisch für eine jeweils größere Gruppe von Ländern gelten können:

- Das Vereinigte Königreich (England und Wales) für das common law-System mit seinem sehr kontradiktorischen Strafverfahren, samt unabhängiger Staatsanwaltschaft und einer Verteidigung mit starken Rechten und Ressourcen;

- Frankreich stellvertretend für die auf dem Code Napoléon aufbauenden traditionell inquisitorisch angelegten Justizsysteme;

- Deutschland für eine Gruppe von Ländern, die einen gewissen Mittelweg zwischen kontradiktorischen und inquisitorischen Ansätzen gewählt haben; und schließlich

- die Russische Föderation als Repräsentant einer Gruppe von Rechtssystemen sui generis, die noch stark von der Rechtskultur der früheren Sowjetunion beeinflusst sind.

Der Bericht zeigt, dass es in allen diesen Ländern durchaus ernsthafte Probleme gibt. Es wäre aber falsch, deswegen einfach zu sagen, dass wir alle gleichermaßen betroffen sind und erst einmal vor unserer eigenen Haustür kehren sollten. Dazu tendieren wir leider in dieser Versammlung öfter, weil es uns erspart, dezidiert und differenziert Stellung zu nehmen.

Sicherlich, das Vereinigte Königreich hat, wie etwa die Skandale um British Aerospace und „cash for honours“ zeigen, durchaus noch Feinarbeiten an der Rolle und parlamentarischen Verantwortlichkeit des Attorney General zu leisten – das Ergebnis der sorgfältigen parlamentarischen Auseinandersetzung mit diesen Problemen muss noch im einzelnen konkret umgesetzt werden.

Sicherlich, die Knappheit an Ressourcen der französischen und der deutschen Justiz droht zu einem ernsten Problem auch unter dem Gesichtspunkt der Unabhängigkeit zu werden.

Sicherlich, die sich anbahnende grundlegende Strafjustizreform in Frankreich, die auf eine Abschaffung der Institution des Untersuchungsrichters (juge d’instruction) und die Übertragung der meisten seiner Funktionen auf die Staatsanwaltschaft hinausläuft, wirft viele Fragen auf: Ist es nicht zur Wahrung des Gleichgewichts zwischen den Prozessbeteiligten erforderlich, der Staatsanwaltschaft im Gegenzug eine größere Unabhängigkeit einzuräumen?

Wenn der Strafprozess einen stärker kontradiktorischen Charakter bekommen soll – das ist das erklärte Ziel der Léger-Kommission –, muss dann nicht die Verteidigung früher als bisher in Frankreich üblich Zugang zum Beschuldigten und zu den Ermittlungsakten bekommen? Viele Fragen, die in Frankreich zur Zeit öffentlich mit großem Engagement diskutiert werden, und für deren Beantwortung unser Bericht einen konstruktiven Beitrag zu leisten vermag.

Sicherlich, auch Deutschland hat Defizite: So gibt es immer noch nicht in allen Ländern einen Justizrat entsprechend den Empfehlungen der Venedig-Kommission, und auch auf Bundesebene gibt es noch Verbesserungsbedarf. Das gilt gerade auch für das Weisungsrecht der Justizminister an die Staatsanwaltschaft in Einzelfällen.

Ich habe davon während meiner Amtszeit als Justizministerin nie Gebrauch gemacht, aber allein seine Existenz kann einen schädlichen Schein hervorrufen, wenn z.B. die Staatsanwaltschaft ein Verfahren gegen einen hochrangigen Politiker einstellt.

Gleichgewicht muss das Grundprinzip der Organisation einer fairen Strafjustiz sein, die unangebrachten politischen Einflüssen entzogen sein soll.

Gleichgewicht, wir sagen auch: Waffengleichheit, zwischen Anklage und Verteidigung; zwischen unabhängigem Gericht und in engen Grenzen weisungsgebundener Staatsanwaltschaft; Gleichgewicht zwischen dem Prinzip der Selbstverwaltung der Justiz und den legitimen Interessen anderer gesellschaftlicher Gruppen; Gleichgewicht schließlich auch zwischen starken rechtlichen Schutzmechanismen für Richter und Staatsanwälte und deren ehrlicher Pflichterfüllung.

Mein Bericht legt im Einzelnen dar, dass es eben durchaus gewisse Defizite in dieser Beziehung in England und Wales, in Frankreich und auch in Deutschland gibt. Die Situation in der Russischen Föderation ist jedoch trotz aller bisherigen Reformversuche, die anerkannt werden müssen, unvergleichlich stärker „aus dem Gleichgewicht“ als in den erstgenannten Ländern.

Die Staatsanwaltschaft ist, wie ich selbst in zwei Verhandlungen gegen die Herren Chodorkowski und Lebedew beobachten konnte, die uneingeschränkte Herrin des Verfahrens. Die gegen 100% gehende Verurteilungsquote spricht für sich, erst recht die disziplinarischen Sanktionen gegen Richter, die angeblich zu oft – nach unseren Maßstäben eher zu selten – zu Freisprüchen gelangen.

Waffengleichheit zwischen Verteidigung und Anklage ist selbst in den Fällen eine Illusion, in denen – wie in dem eben erwähnten Verfahren – sich die Angeklagten gute Anwälte finanziell leisten können: illegale Durchsuchungen der Anwaltsbüros und Einschüchterung von Anwälten; systematische Ablehnung von Beweisanträgen; Erörterung von Beweisen in der Verhandlung ersetzt durch wochenlanges monotones Verlesen von Akten… Ich kann hier nicht alle rechtsstaatlichen Verstöße aufzählen, aber sie sind erschreckend. Sie können in meinem Bericht ausführlich mit Nennung von Namen und Anlässen Vieles dazu nachlesen.

Ein so ungleichgewichtiges System ist natürlich besonders anfällig für politisch motivierte Einflussnahme – ganz gleich ob dies so gewollt ist oder nicht. Ich habe in meinem Bericht einige emblematische Strafrechtsfälle beschrieben – von Chodorkowski und Lebedew über den Hermitage-Skandal um die groteske Verfolgung der legitimen Manager und deren Rechtsanwälte, bis hin zu den Verfahren gegen die angeblichen Mörder von Anna Politkowskaja und gegen den Leiter des Sacharow-Museums, Herrn Samodurow. Anhand dieser Fälle wird deutlich, dass der Kampf gegen den „rechtlichen Nihilismus“, den Präsident Medwedjew selbst öffentlich einfordert, noch lange nicht gewonnen ist.

Meine offiziellen Gesprächspartner in Moskau haben mich auf einige Reformen hingewiesen, die die Unabhängigkeit der Justiz stärken sollen. Ich habe sie ausdrücklich in meinen Bericht aufgenommen; wir werden weiterhin beobachten, wie sie sich in der Praxis auswirken werden. Die aktuelle Momentaufnahme, die ich erstellt habe, ist jedenfalls noch nicht erfreulich.

Unter diesen Umständen ist es auch nachvollziehbar, dass viele Gerichte in den Europaratsstaaten Bedenken haben, Auslieferungen nach Russland anzuordnen, weil es oft konkrete Anhaltspunkte dafür gibt, dass die Betroffenen dort kein faires Verfahren zu erwarten hätten.

Eine funktionierende internationale Kooperation im Strafrechtsbereich setzt voraus, dass die Strafjustiz in etwa gleiche Standards in punkto Rechtsstaatlichkeit erfüllt. Diese „gleiche Augenhöhe“ mit den anderen in unserem Bericht durchaus kritisch betrachteten Rechtskulturen möglichst bald zu erreichen, dabei wollen wir unseren russischen Freunden helfen, ein wenig auch durch diesen Bericht und diese Debatte!

In diesem Sinne freue ich mich auf die Debatte und bitte um Unterstützung für den vorliegenden Resolutionsentwurf.

Marieluise BECK, Deutschland, ALDE / ADLE

(Dok. 11993)

Danke, Herr Präsident!

Auch ich möchte mich bei der verehrten Kollegin Leutheusser-Schnarrenberger für diese sehr fundierte Arbeit bedanken. Ich fand es sehr klug, dass darin der Blick auf mehrere Länder und vor allem westliche demokratische Staaten gerichtet wird, damit wir uns nicht den Vorwurf einhandeln, wir wollten auf einem Auge blind sein.

Für uns gilt, dass Demokratie unterschiedliche Gesichter haben kann. Dennoch ist eins vollkommen klar: Das absolute Fundament von jeglicher Demokratie ist Rechtsstaatlichkeit und Unabhängigkeit der Justiz. Das ist der zentrale Punkt, nach dem wir diesen Bericht bewerten müssen.

Es gibt Vorschläge und Probleme sowohl in Großbritannien als auch in Frankreich und Deutschland, doch in Russland gibt es Probleme, die von anderer Natur und Qualität sind, nämlich das Problem der politischen Einflussnahme auf Prozesse, auf Gerichtsorte, auf Staatsanwälte und auf Richter. Dazu kommt, dass die so genannte „Vierte Gewalt“, die Korruption oder Ähnliches aufdecken kann, nämlich die Medien, in Russland als Korrektiv weitgehend fehlt.

Beispielhaft ist der Fall Chodorkowski. Michail Chodorkowski ist zum Symbol für den Umgang des russischen Staates mit seinen unabhängigen Kritikern geworden. Ich weiß, dass manche einwenden werden, dass die Oligarchen in den turbulenten Zeiten der neunziger Jahre alle durchaus auch halbsaubere Aktivitäten betrieben haben.

Aber uns muss klar sein, dass derzeit nur Herr Chodorkowski belangt wird, und zwar gerade er, weil er angefangen hat, das Unternehmen nach transparenten, westlichen Standards zu transformieren, Oppositionskräfte zu finanzieren und die Zivilgesellschaft zu unterstützen. Außerdem hat er den autoritären Führungsstil von Putin kritisiert.

Selbst in Russland gibt es kaum jemanden, der nicht den politischen Charakter dieses Verfahrens sieht, insbesondere im zweiten Prozess, der schon in der Anklage so eindeutig widersprüchlich ist, dass überhaupt nichts mehr logisch zusammen passt. Es geht auch nicht mehr um die Zerschlagung des Yukos-Konzerns, denn diese ist längst erfolgt. Die Profiteure dieser Zerschlagung, die sich im Umfeld des Kremls bewegen, könnten dieses Verfahren eigentlich für beendet erklären.

Jetzt geht es um Machtdemonstration. Chodorkowski steht für den Mitgestaltungsanspruch der Zivilgesellschaft, für demokratische Regeln und eine pluralistische Gesellschaft, in der die Machthaber Widerspruch, auch aus den Medien, aushalten müssen.

Die Demokratie in Russland hat leider weitgehend den Charakter der Simulation; wenn man sie schönredet, nennt man sie „gelenkt“. Das Entscheidende ist, dass der Westen mit Präsident Medwedjew sehr große Hoffnungen verbindet. Auf diesen Präsidenten, der mit dem Programm der Korruptionsbekämpfung und gegen „Rechtsnihilismus“ antritt – ein Vorwurf, der nicht von hier erhoben wurde, sondern den er selbst als Präsident der eigenen Gesellschaft als Spiegel vorgehalten hat -, setzen wir zu Recht Hoffnung.

Die Frage ist nur, ob auch tatsächlich eine wirkliche Veränderung zu sehen sein wird, oder ob es sogar eine Arbeitsteilung geben wird - ein Ministerpräsident Putin, der mit harter und nichtdemokratischer Regel regiert, und ein Präsident Medwedjew, der im Westen gerne gesehen und gehört wird.

Das Verfahren Chodorkowski wird ein Prüfstein für den Zustand des russischen Rechtsstaates sein. Ich fordere dieses Haus auf, sehr genau hinzuschauen, wie dieses Verfahren ausgeht. Fahren Sie als Kollegen hin und schauen Sie es sich an. Was dort abläuft, muss von Russland selbst anders zu Ende gebracht werden, als es angegangen wurde, denn Russland schadet seinem eigenen Ruf und verstellt sich den Weg der rechtsstaatlichen demokratischen Kulturen.

Sabine LEUTHEUSSER-SCHNARRENBERGER, Deutschland, ALDE / ADLE

(Dok. 11993, Antwort)

Ich bedanke mich für die Unterstützung und natürlich auch für die kritischen Anmerkungen, zu denen ich ganz kurz in einigen wenigen Punkten Stellung nehmen möchte.

Zuerst, Herr De Vries, nehme ich Ihren Auftrag natürlich an, dass sehr wohl mit diesem Bericht – wenn er denn hier angenommen worden ist – man hier auch weiterarbeiten kann mit Blick auf andere Länder. Ich habe vier Kategorien gewählt, aber sehr wohl gibt es innerhalb dieser Kategorien noch Unterschiede, denen man weiter nachgehen kann.

Es ist ja das Anliegen dieses Berichtes, wie ich auch gerade im Hinblick auf die Anmerkungen der Kollegen aus Frankreich deutlich sagen möchte, aufzuzeigen, dass man bei allen unterschiedlichen Systemen bei Veränderungen immer aufpassen muss, dass es nicht zu einer einseitigen Veränderung und vielleicht zu einer Verminderung bzw. zu einer Schwächung der Unabhängigkeit kommt

Ich habe hier in meinem Bericht nicht gesagt, dass man in Frankreich keine Reformen machen kann. Das habe ich auch bei der Léger-Kommission und den ganzen Beratungen in den Verbänden von Richtern, auch bei den Staatsanwaltschaften (ich war ja bei allen) ausdrücklich und ausführlich dargelegt.

Aber wenn man den Untersuchungsrichter zum Beispiel in dieser Form nicht mehr hat und die Staatsanwaltschaft stärkt, dann muss doch, damit „checks and balances“ nicht in ein Ungleichgewicht kommen, die Staatsanwaltschaft unabhängiger sein; es müssen die Mittel für die Verteidiger gestärkt werden und auch der Zugang zu den Akten muss frühzeitig möglich sein.

Und nur dann, wenn das ausgeglichen wird, kann man natürlich auch Reformen in Systemen vornehmen. Es geht nur darum, immer zu bewerten, ob es bei diesem richtigen Ausgleich bleibt, damit das System nicht in die Schieflage kommt. Deshalb soll dieser Bericht einen Beitrag auch für die Diskussion in Frankreich leisten. Ich will nicht vorgeben, wie ein System sein muss, sondern die Gefahren aufzeigen: Wenn man etwas verändert, darf das nicht einseitig passieren.

Was Russland angeht: Natürlich ist in diesem Bericht – und deshalb denke ich, ist er sehr objektiv – ausdrücklich dargelegt, welche Bemühungen in Russland in den letzten Jahren unternommen worden sind. Ich hatte Gelegenheit, mit vielen Kennern, auch mit Vertretern der höchsten Justizorgane und Gerichte zu sprechen.

Aber es ist nun eben auch ein Faktum, dass es eben auch ausgeführt durch Urteile und Verfahren beim Europäischen Menschenrechtsgerichtshof, zu Entlassungen von Richtern kommt. Dies sind ausdrücklich bestimmte Fälle, die wirklich einen Hintergrund haben, und die Personen nach 19 Jahren hervorragender Richtertätigkeit betreffen.

Es war ein wichtiges Anliegen, dies anhand vieler, vieler Beispiele deutlich zu machen; deshalb ist der Bericht auch so umfangreich geworden. Denn wie ich es auch in meinen Eingangsbemerkungen gesagt habe, wollen wir damit auch helfen, zusammen mit unseren russischen Freunden zu einer weiteren Verbesserung beizutragen, im Sinne dessen, was Ihr Präsident mit der Bekämpfung des Rechtsnihilismus vorhat.

Vielen Dank.

Amendments

Sabine LEUTHEUSSER-SCHNARRENBERGER, Deutschland, ALDE / ADLE

(Dok. 11993, Amendment 5)

Vielen Dank Herr Präsident!

Mein Änderungsantrag ist, dass der Text in diesem Änderungsantrag von Herrn Fedorov und anderen übernommen und in den Bericht eingefügt wird, aber er ersetzt nicht den vorliegenden Text 434, sondern er wird diesem Text zusätzlich vorangestellt. Dann ist der Änderungstext aufgenommen worden, aber nicht der bestehende Text gestrichen worden, sondern ist zusätzlich enthalten.

Sabine LEUTHEUSSER-SCHNARRENBERGER, Deutschland, ALDE / ADLE

(Dok. 11993, Amendment 6)

Ja das ist schon, wie eben in dem Beitrag genannt, der beantragt, dass der Änderungsantrag dahingehend geändert wird, dass es heißt: „Lawyers are still“ und dann geht es weiter im Text mit „subjected to searches“. Also „Lawyers are still“, und das ist genau das, was auch eben schon genannt wurde