AL10CR12       AS (2010) CR 12

Provisorische Ausgabe

SITZUNGSPERIODE 2010

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(2. Teil)

BERICHT

12. SITZUNG

Dienstag, 27. April 2010, 10.00 Uhr

REDEBEITRÄGE AUF DEUTSCH


Angelika GRAF, Deutschland, SOC

(Dok. 12169)

Sehr geehrter Herr Vorsitzender,

Ich möchte mich zunächst bei Ihnen, Frau Berichterstatterin, ganz herzlich dafür bedanken, dass Sie einen so guten und ausführlichen Bericht vorgelegt haben. Ich denke, er greift viele Punkte auf, die in der Debatte um dieses Problem wichtig sind.

Deutschland gehört zu den 10 Staaten, die einen eigenen Aktionsplan vorgelegt haben. Er ist Teil eines entwicklungspolitischen Gender-Aktionsplans und wurde im Februar 2009 vorgelegt.

In diesem Aktionsplan wird beschrieben, welche Rolle Frauen in der allgemeinen Entwicklungspolitik übernehmen sollen und müssen. Damit Entwicklungspolitik nachhaltig wird, ist es notwendig, Frauen entsprechend einzubeziehen.

Das Motto dieses Aktionsplans ist übrigens: „Frauenrechte stärken, denn keine Hälfte der Welt kann ohne die andere überleben“. In diesem Aktionsplan wird ausführlich auch auf die spezielle Rolle eingegangen, die Frauen in internationalen kriegerischen und nichtkriegerischen Konfliktsituationen haben.

Er bezieht sich genauso wie der uns heute vorliegende Entschließungsentwurf auf die VN-Resolutionen 1325 und 1820, die ja sozusagen so etwas wie die Bibel der genderbasierten Konfliktprävention und –lösung darstellen.

Wir können, wenn wir die Medien verfolgen, heute ja jeden Tag feststellen, dass die schrecklichen Bilder, die wir spätestens seit den Berichten über den Dreißigjährigen Krieg mit einer mordenden Soldateska verbinden (ich denke z.B. an Grimmelshausens „Simplicius Simplicissimus“), in unserer angeblich so zivilisierten, modernen Gesellschaft nicht weniger, sondern mehr werden.

Wir sehen, dass Frauen nicht „nur“ zum Opfer gemacht werden, wenn sie vergewaltigt werden, sondern dass Massenvergewaltigungen und Gewalt gegen Frauen zunehmend als grausame Kriegswaffen eingesetzt und von den Konfliktparteien systematisch als Mittel der Kriegsführung genutzt werden. Die Frauen werden verschleppt und „geschändet“, um den Männern bzw. der ganzen Gruppe die Ehre zu nehmen.

Nach der Situation der Frauen nach der Vergewaltigung fragt selten jemand. Das ist meines Erachtens ein Thema, mit dem wir uns ausführlich und intensiv beschäftigen müssen.

Frauen benötigen in bewaffneten Konflikten besonderen Schutz und besondere Unterstützung. Deshalb ist es richtig, dass die VN-Resolution 1820 fordert, dass sexuelle Gewalt gegen Frauen zum Kriegsverbrechen erklärt wird. Oft ist aber auch den internationalen Einheiten, die in Konflikte eingreifen, die besondere Verletzlichkeit der Frauen nicht bewusst. Die Staaten Europas müssen deshalb auch national mehr tun, um durch Aufklärung präventiv weitere Konflikte zu vermeiden.

Oft ist übrigens die Gewalt an Frauen und Mädchen in Konflikt- und Krisensituationen dort am größten, wo geschlechtsspezifische Gewalt auch in Friedenszeiten nicht oder nur unzureichend geahndet wird. Hier besteht ein Zusammenhang. In sogenannten Friedenszeiten gegen häusliche Gewalt vorzugehen, ist deshalb oft die beste Prävention gegen Gewalteskalation im Kriegs- oder Konfliktfall.

Die Entschließung, mit der wir uns heute beschäftigen, sieht aber auch die Kompetenzen, die Frauen in der Konfliktbewältigung haben. Wer in Krisenländer wie z.B. Afghanistan oder Sudan reist und mit internationalen und regionalen NGOs spricht, wird feststellen, dass die Frauen, die dort arbeiten, unglaublich stark sind. Auch die Frauen in der Bevölkerung können genau definieren, welche Probleme in der Gesellschaft bestehen.

Sie setzen sich für die Schwachen der Gesellschaft ein, machen auf Defizite aufmerksam und haben oft viel mehr Mut, die Dinge beim Namen zu nennen als die Männer. Sie machen den Wiederaufbau nachhaltig, weil ihre Erlebnisse und ihre Lebenssituation oft eine andere ist als die der Männer und weil ihnen andere Dinge wichtig sind, die auch für das Fortkommen der Gesellschaft wichtiger sind als Krieg und Gewalt.

Wir müssen diesen Frauen den Rücken stärken. Deshalb kann ich nicht verstehen, dass es, wie Kollege Vrettos angesprochen hat, heute noch Länder in Europa gibt, welche kein einziges weibliches Mitglied im Kabinett haben - Länder übrigens, die sehr wohl dringend Konfliktlösungsangebote und Konfliktlösungen brauchen könnten.

Ich möchte schließen mit dem Spruch, der als Motto über dem entwicklungspolitischen Gender-Aktionsplan Deutschlands steht: „Frauenrechte stärken, denn keine Hälfte der Welt kann ohne die andere überleben.“

Das ist das Wichtige an dieser Debatte.

Vielen herzlichen Dank.