AL10CR14       AS (2010) CR 14

Provisorische Ausgabe

SITZUNGSPERIODE 2010

________________________

(2. Teil)

BERICHT

14. SITZUNG

Mittwoch, 28. April 2010, 10.00 Uhr

REDEBEITRÄGE AUF DEUTSCH

 


Viola von CRAMON-TAUBADEL, Deutschland, SOC

(Debatte zum Zeitgeschehen: die Folgen des Krieges zwischen Georgien und Russland)

Sehr geehrter Herr Präsident!

Auch ich möchte noch einmal der Botschafterin für den ausgezeichneten Bericht danken, der ja mittlerweile auch international anerkannt ist, und anregen, um die Diskussion in den beteiligten Ländern voranzutreiben, ihn sowohl ins Georgische als auch ins Russische zu übersetzen. Das könnte einer langfristigen Versöhnung durchaus zuträglich sein.

Außerdem möchte ich, dass wir in die Zukunft schauen, um zu sehen, welche Konsequenzen wir aus den Ergebnissen dieses Berichts ziehen können.

Wir haben natürlich großes Verständnis für das georgische Sicherheitsbedürfnis. Auch haben wir viel Respekt für den neu erarbeiteten Plan der georgischen Regierung zur stärkeren Einbindung von Abchasien und Süd-Ossetien, denn eines ist klar : Der Weg über die Isolation der beiden Provinzen wird langfristig nicht der richtige sein und nicht zum Ziel führen. Vielmehr muss der Dialog mit allen Beteiligten gesucht werden. Dazu müssen auch interessierte und beteiligte Partner aus dem Westen den direkten Kontakt mit den Akteuren in Abchasien und Süd-Ossetien suchen und neue Wege gehen können.

Wir denken, dass die Einbindung der Provinzen der richtige Weg ist. Wir sollten die georgische Regierung wirklich ermuntern, diesen Plan umzusetzen.

Der zweite Punkt, der uns sehr am Herzen liegt, ist die Frage der sogenannten Binnenflüchtlinge. Die Situation dieser Menschen ist nach wie vor sehr schwierig, und die Probleme sollten sowohl von georgischer als auch von internationaler Seite dringend angegangen werden. Die Lösung der immer noch bestehenden Kollektivunterkünfte kann im Sinne der betroffenen Menschen kaum länger hingenommen werden. Anders als für die Binnenvertriebenen aus der kriegerischen Auseinandersetzung von 2008 wurden für diese Gruppe bisher kaum eine akzeptable Lösungen gefunden.

Gleichzeitig muss aber auch die humanitäre Situation der georgischen Bevölkerung in Abchasien, hier vor allem im Gali-Distrikt, verbessert werden. Die humanitären Bedingungen dieser Menschen sind teilweise immer noch äußerst schwierig. Lösungsansätze zur Verbesserung dieser Bedingungen müssen auch von der georgischen Regierung mit vorangetrieben werden. Wir sind der Ansicht, dass die „Strategie der Einbindung“ dazu erste Ansätze bieten kann.

Natürlich kann die internationale Gemeinschaft nur dann helfen, wenn ihr der Zugang zu allen Problemfeldern offen steht. Daher müssen die Voraussetzungen für den ungehinderten Zugang zum Gebiet der abchasischen und süd-ossetischen Provinzen geschaffen werden. Der Informationsbedarf und die Hilfsbereitschaft seitens der internationalen Gemeinschaft sind groß und werden nur dann gedeckt, wenn sich alle beteiligten Akteure v.a. abseits der Statusfrage auf neue pragmatische Lösungen verständigen können.

Marina SCHUSTER, Deutschland, ALDE / ADLE

(Dok. 12193)

Sehr geehrter Herr Präsident,

liebe Kolleginnen und Kollegen!

Zunächst möchte ich im Namen der ALDE-Fraktion beiden Berichterstattern für ihre Berichte danken.

Ich bin froh, dass wir beide zusammen behandeln, denn das eine ist natürlich die rechtliche Frage – da hat Herr Holovaty sehr wichtige Punkte genannt -, und das andere ist die Frage der Ursachen.

Wir dürfen nicht vergessen, dass Piraterie nur das Symptom einer fast vergessenen wirtschaftlichen, politischen und humanitären Krise ist. Nach über 17 Jahren Bürgerkrieg sind die staatlichen Strukturen in Somalia zerfallen, dadurch sind rechtsfreie Räume entstanden – ein perfekter Rückzugsort für Piraten und Terroristen.

Es gibt immer Menschen, die eine sehr romantische Vorstellung von Piraterie haben. Doch Piraterie ist kriminell; es ist mittlerweile sogar ein sehr erfolgreicher krimineller Geschäftszweig, mit dem sich sehr viel Geld verdienen lässt.

Wir müssen uns immer wieder fragen: Wer verdient denn daran? Wohin gehen diese Gelder? Wer wird damit unterstützt? Fest steht: Durch Piraterie werden Menschen entführt, verletzt, getötet, und es entstehen große wirtschaftliche Schäden. Deshalb ist es wichtig, dass wir gegen Piraterie vorgehen.

Piraterie hat aber noch eine andere Dimension, denn es ist auch ein großes humanitäres Problem: Wir haben mittlerweile 1,5 Millionen Menschen, die als binnenvertrieben gelten, die Nahrungsmittelversorgung kann nur durch die Hilfe des World Food Programmes sichergestellt werden, und ich bin froh, dass durch das Atalanta-Mandat 3,3 Millionen Menschen mit Nahrungsmittelhilfe versorgt werden konnten.

Doch wir dürfen nicht vergessen: Die Zukunft des Landes liegt allein im politischen Prozess. Wir können sonst noch lange Fregatten zur Abschreckung oder zur Begleitung von Schiffen des World Food Programmes dorthin schicken, wenn sich an den staatlichen Strukturen, an der Sicherheit im Land nichts ändert. Ohne Sicherheit und ohne den Aufbau staatlicher Strukturen an Land wird es keine Sicherheit auf See geben.

Zur rechtlichen Frage: Herr Holovaty hat sehr wichtige Anmerkungen gemacht, denn die einzelnen Fälle sind juristisch sehr komplex. Deswegen müssen wir dafür Sorge tragen, dass die Vereinbarungen, die geschlossen werden, allen Menschenrechtskonventionen Rechnung tragen, dass diese verbindlich eingehalten werden und uneingeschränkt umgesetzt werden.

Es ist meines Erachtens ein sehr guter Vorschlag, einen Verhaltenskodex einzurichten, denn wir müssen dafür Sorge tragen, dass nicht jeder Mitgliedsstaat im Einzelfall andere Regelungen anwendet, sondern dass wir alle verbindlich auf unseren Konventionen beruhen, und dass wir diese Implementierung überwachen.

Vielen Dank.

Andrej HUNKO, Deutschland, UEL/GUE

(Dok. 12193)

Herr Präsident,

Meine Damen und Herren!

Ich werde mich in der kurzen Zeit vor allem mit dem politischen Bericht und weniger mit der juristischen Diskussion im Holovaty-Bericht befassen.

Vielen Dank auch an Frau Keleş für den Bericht und diese wichtige Diskussion.

Ich konnte als neues Mitglied dieser parlamentarischen Versammlung nicht an den Diskussionen im Ausschuss teilnehmen, erlaube mir aber dennoch einige Anmerkungen im Namen der Fraktion der Vereinigten Europäischen Linken.

Der Bericht enthält einige wichtige Fakten und Überlegungen, die ich sehr begrüße. Hier meine ich die Punkte, die sich mit den gesellschaftlichen Ursachen der Piraterie befassen, z.B. im Punkt 6, in dem festgestellt wird, dass militärische Abschreckung keine dauerhafte Lösung des Problems der Piraterie darstellt, weil dessen eigentlichen Ursachen auf dem Festland zu suchen sind. Nur durch einen umfassenden Lösungsansatz lassen sich Armut, Instabilität und verantwortungslose Regierungsführung in Somalia und anderen Ländern, d.h. die Faktoren, die die Piraterie verursachen, erfolgreich bekämpfen.

Dieser Gedanke wird leider im Bericht nicht konsequent weiterverfolgt. Wir müssen meiner Ansicht nach das Augenmerk noch viel stärker auf die Ursachen der Piraterie lenken.

Im Punkt 25 des Berichts wird völlig richtig darauf hingewiesen, dass die Schwäche des somalischen Staates von internationalen Fischfangflotten ausgenutzt wurde, um die Gewässer von Somalia zu überfischen. Wir müssen hier deutlich sagen, dass auch europäische Fangflotten daran beteiligt waren. Hier wurde der Zusammenbruch der somalischen Zentralregierung Anfang der 90er Jahre und das Fehlen einer Küstenwache genutzt, um die Gewässer leer zu fischen.

Auch wenn die Schiffe häufig unter Billigflaggen fahren, sind die Profiteure klar zu benennen. Sie sitzen oft in der EU, den USA und Japan. Greenpeace nennt diese Form des Fischdiebstahls und der Umweltzerstörung auch Piraterie und ruft die EU auf, hier eindeutige ökonomische und rechtliche Schritte zu unternehmen. Bis heute geschah wenig. Das müsste man meines Erachtens noch deutlicher ansprechen.

Neben der Überfischung gefährdet auch die illegale Müllentsorgung die Sicherheit der Gewässer am Horn von Afrika. Der UN-Sonderbotschafter für Somalia, Ahmedou Ould-Abdallah, erklärte dazu: „Ich bin sicher, dass Müll entsorgt wird, Chemikalien und wahrscheinlich auch atomare Abfälle.“ Ein Sprecher des Umweltprogramms der Vereinten Nationen, Nick Nuttall, beschreibt in einem Interview mit dem Fernsehsender Al Jazeera die ökonomische Bedeutung der illegalen Müllentsorgung: „Europäische Unternehmen stellten fest, dass es sehr billig ist, so ihren Müll zu entsorgen, wenn dies lediglich $ 2,50 pro Tonne kostet, während die Müllentsorgungskosten in Europa bei $ 1000 pro Tonne liegen.“

Diese Zerstörung der Lebensgrundlagen in Somalia ist der eigentliche Nährboden für die Piraterie. In dem Bericht wird leider mehr militärisches Engagement gefordert. Das kann ich nicht unterstützen.