AL11CR26       AS (2011) CR 26

Provisorische Ausgabe

SITZUNGSPERIODE 2011

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(3. Teil)

BERICHT

26. SITZUNG

Donnerstag, 23. Juni 2011, 15.00 Uhr

REDEBEITRÄGE AUF DEUTSCH

Viola von CRAMON-TAUBADEL, Deutschland, SOC

(Debatte zum Zeitgeschehen: die politischen und humanitären Konsequenzen der Lage in Syrien und Libyen)

Verehrter Präsident,

liebe Kolleginnen und Kollegen!

Wie Einige schon gesagt haben, ist an dieser Stelle der Europarat gefragt.

Wer hätte gedacht, dass wir mit der tragischen Selbstverbrennung eines tunesischen Gemüsehändlers im Oktober 2010 eine Welle von Aufständen in der MENA-Region erleben werden?

Was in Tunesien und Ägypten zu einer Ablösung der Machthaber geführt hat, birgt in den Kämpfen in Libyen und Syrien noch große Gefahren um die Zukunft dieser Staaten.

Obwohl die Reformbewegungen in Ägypten und Tunesien bald von den europäischen Staaten unterstützt wurden, zeigen wir Europäer uns im Umgang mit Libyen und Syrien noch immer uneinig. Die anfänglich breite Unterstützung für die UN-Resolution 1973 zum Schutz der Zivilbevölkerung war wichtig für die weitere Entwicklung in Libyen.

Sowohl die Arabische Liga als auch einflussreiche Staaten aus der Afrikanischen Union, wie z.B. Nigeria und Südafrika, waren der Meinung, dass in Libyen ein Fall von responsibility to protect vorliegt, wie der Kollege gerade lange ausgeführt hat; dass Gaddafi also nicht in der Lage war, seine eigene Bevölkerung zu schützen, und es deswegen gerechtfertigt ist, eben auch militärisch einzugreifen.

Allerdings ist die Resolution nach Einschätzung vieler Menschen vor Ort nur unzureichend. Die militärischen Ziele der Intervention sind nach wie vor unklar. Gleichzeitig ist es aber, ebenfalls nach Meinung sehr Vieler, die sich in der Region auskennen, nur noch eine Frage von Wochen, bis das Gaddafi-Regime stürzen wird.

Für die Zeit nach Gaddafi steht Libyen allerdings vor sehr großen Herausforderungen und benötigt dringend internationale Hilfe bei der Transformation. Im Osten des Landes zeigen sich jedoch bereits in der Region um Benghazi im zivilen Leben hoffnungsvolle gesellschaftliche Veränderungen. Das sollten wir bei aller Unsicherheit um die weitere Entwicklung in Libyen auch anerkennen.

Für den Umgang mit dem syrischen Regime ist aus europäischer Sicht die Einbindung der Türkei, einem Schlüsselpartner für die Region, absolut zentral. Ministerpräsident Erdogan hat mit seiner Kritik an Syrien gezeigt, dass er das Problem ähnlich bewertet wie die Staats- und Regierungschefs in der Europäischen Union.

Gleichzeitig hat die Türkei, wie ebenfalls bereits erwähnt wurde, alle materiellen Vorbereitungen getroffen, um – sehr verantwortungsbewusst – auch größere Flüchtlingsbewegungen aus Syrien aufnehmen zu können. Da hilft es meines Erachtens nicht, wenn wir die Rhetorik bemühen und mit Worten wie „Zustrom“ oder „Wellen von Flüchtlingen“ argumentieren, denn ehrlich gesagt muss man ja wirklich zugeben, dass wir in Europa noch keinen großen Flüchtlingswellen hatten.

Wenn wir die tatsächlichen Zahlen ansehen, sind wir mit bisher 28 000 Flüchtlingen aus Nordafrika eher sehr wenig berührt; die echten Flüchtlingsströme sind in Nordafrika und werden demnächst vielleicht auch noch die Türkei erreichen. Die europäischen Staats- und Regierungschefs müssen deshalb gemeinsam mit der Türkei an einer kohärenten Strategie arbeiten, die auf eine stärkere Integration der Türkei in die Europäische Außen- und Sicherheitspolitik hinausläuft.

Der diplomatische und wirtschaftspolitische Druck auf Syrien muss von allen Seiten erhöht werden. An dieser Stelle appellieren wir auch an die russische Regierung, gemeinsam mit der Europäischen Union und den anderen Vertretern im Un-Sicherheitsrat tätig zu werden.

Niemand allerdings denkt derzeit an eine Intervention, aber nur mit einer entschiedenen Haltung der internationalen Gemeinschaft für echte Reformen können greifbare Veränderungen für die Menschen in Syrien erreicht werden.

Zu diesen Unterstützungsmaßnahmen gehören natürlich auch z.B. unabhängige internationale Untersuchungskommissionen. Über den Militäreinsatz in Libyen hinaus sollte sich Europa insbesondere auch vor dem Hintergrund der eigenen Glaubwürdigkeit unmissverständlich für Reformen einsetzen. Das gilt insbesondere auch für jene Länder im Umbruch, die sich derzeit nicht so sehr im Fokus der internationalen Aufmerksamkeit befinden, wie z.B. Bahrain, Jemen oder Oman.

Vielen Dank.

Marina SCHUSTER, Deutschland, ALDE / ADLE

(Dok. 12540)

Herr Präsident,

Liebe Kolleginnen und Kollegen!

In ganz Europa wird intensiv über Frauenquoten diskutiert: Frauenquoten innerhalb der Parteigremien, bei den Listenaufstellungen, in der Wirtschaft. Auch bei uns zu Hause im deutschen Bundestag wird über die Frage von verbindlichen oder flexiblen Frauenquoten diskutiert.

Auch der Bericht heute sieht eine verpflichtende Frauenquote von 40% für große Unternehmen vor. Ich möchte die Frage stellen, wie diese Frauenquote der Auszubildenden hilft, die eine Stelle sucht, der Existenzgründerin, die gerade ihr Geschäft eröffnet hat, einer Frau mit zwei Kindern, die versucht, ihren Wiedereinstieg ganztags ins Berufsleben zu finden.

Es steht fest, dass Politik von und für Frauen echte Gesellschafts- und Wirtschaftspolitik und viel mehr als die Forderung nach einer Quote ist. Was wir brauchen, ist eine Akzeptanz von anderen Rollenverständnissen, eine familienfreundliche Unternehmenspolitik und auch die richtigen politischen Rahmenbedingungen.

Dazu gehören eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, flexible Öffnungszeiten für die jeweiligen Kinderbetreuungseinrichtungen, firmeninterne Förder- und Weiterbildungsprogramme, gerade für Wiedereinsteigerinnen.

Was die Führungspositionen in Aufsichtsräten betrifft, brauchen wir ein echtes transparentes Verfahren, denn oft wird gar nicht richtig nach einer Frau gesucht: Man nimmt die, die man kennt, und so wird der Posten besetzt.

Viele Betriebe haben aber erkannt, dass familienfreundliche Unternehmensstrukturen ein echter Wettbewerbsfaktor sind und werden es sich überhaupt nicht leisten können, in Zukunft auf qualifizierte Frauen zu verzichten.

Der internationale Frauentag feierte im März sein 100-jähriges Jubiläum. Vieles hat sich gewandelt, aber der Weg zu wirklicher Gleichberechtigung ist noch nicht zu Ende.

Wer meint, mit einer Quote sei alles erledigt, täuscht sich, denn etwas müssen wir Frauen selbst tun: Wir müssen uns jeden Tag im Beruf, in vermeintlichen Männerberufen und Männernetzwerken durchsetzen, für unsere Positionen eintreten und auch Sachkonflikte austragen.

Wir wissen dabei, dass wir keine Quotenfrauen sind, sondern unseren Erfolg selbst erarbeitet haben.

Vielen Dank.

Maximilian REIMANN, Schweiz, ALDE / ADLE

(Dok. 12540)

Herr Vorsitzender,

geschätzte Kolleginnen und Kollegen!

Ich halte eine politische Debatte, in der es um die Fixierung einer Mindest-Frauenquote von 40% für die Verwaltungs- und Aufsichtsräte von privaten Unternehmen geht, aus verschiedenen Gründen nicht eben für eine Sternstunde des Europarates.

Der erste Grund ist familienmotiviert und dabei für mich persönlich der wichtigste: Meine beiden Töchter vertreten seit eh und je die Meinung, dass Frauenquoten etwas Rückständiges, ja aus ihrer Sicht etwas Despektierliches sind. Einen Posten nur deshalb zu erhalten, weil man eine Frau ist, passt nicht in ihr modernes Weltbild. Persönlichkeit, Bildung und Leistung sollen ausschlaggebend sein, wenn es um die Besetzung von Posten geht, und nicht Nepotismus, Gefälligkeit, oder eben (dank Quoten) das Geschlecht.

Deshalb sagten mir meine Töchter schon früh: „Vater, unterstütze nie politische Vorhaben, die Frauenquoten zum Ziel haben; Du tätest uns keinen Gefallen – im Gegenteil: Du würdest unsere Persönlichkeit als Frau unterlaufen!“ Wie recht meine Töchter doch haben, zeigt ein Blick auf die aktuelle Zusammensetzung des Bundesrates, also der Landesregierung in der Schweiz.

Wir haben 7 Ministerien. Davon sind 4, also die Mehrheit, in Frauenhand. Das kann sich bei den nächsten Bundesratswahlen natürlich wieder ändern, aber die Tatsache ist und bleibt, dass es selbst auf höchstem Niveau auch ohne irgendwelche verbindlichen Frauenquoten zu Frauenmehrheiten kommen kann – dank Qualität, Kompetenz und in der Politik natürlich auch dank Zufall, im richtigen Moment am richtigen Ort zur Verfügung gestanden zu haben.

Der zweite Grund, warum Frauenquoten nicht in eine moderne Gesellschaft passen, ist, was den privaten Sektor anbetrifft, um den es mir primär geht, die Einschränkung des freien Wahlrechts. Die Mitglieder von Verwaltungs- und Aufsichtsräten werden gewählt von den Eigentümern der Unternehmen, die an den Schalthebeln ihrer Firmen die besten Leute haben wollen - ganz einfach die fähigsten unter all jenen, die sich zur Verfügung stellen, ungeachtet ihres Geschlechts. Da kann doch nicht der Staat mit der Auflage kommen, die Stellen zu 40% mit Frauen zu besetzen! Das ist ein Einschnitt ins private Eigentumsrecht, der nicht einfach so hingenommen werden kann.

Der dritte Grund schließlich bezieht sich auf die Frage, ob sich eine vierzigprozentige Frauenquote überhaupt immer und überall durchsetzen lässt. Was ist mit jenen Unternehmen, die in Branchen tätig sind, für die sich Frauen a priori weniger interessieren, wie etwa Bergbau, Tief- und Tunnelbau, die Schwer- und die Rüstungsindustrie? Da nützen doch sämtliche progressiven Maßnahmen, Anti-Diskriminierungsprogramme, Gleichstellungszertifikate und all das, was uns zwecks Überwindung der Ungleichstellung von Mann und Frau in diesem Bericht vorgeschlagen wird, nichts und wieder nichts.

Das soll und muss doch einmal klar so gesagt sein. Frauenförderung ist auch aus meiner Sicht, dort, wo es sinnvoll ist und von den direkt betroffenen Mädchen und Frauen auch gewünscht wird, zweifellos zu bejahen. Deshalb stelle ich mit Genugtuung fest, dass an vielen Gymnasien und Hochschulfakultäten heute, im Gegensatz zu meiner Zeit, die Frauen in der Mehrheit sind.

Aber von Gleichstellung mit dem Brecheisen, dort, wo es von den Betroffenen gar nicht gesucht wird, wie das auf der Führungsebene gewisser Branchen eben der Fall sein kann, halte ich nichts. Deshalb lassen wir besser die Finger von solchen Forderungen. Nur dann, wenn die fixen Frauenquoten aus diesem Bericht gekippt werden – dazu liegen uns ja einige Vorschläge vor -, werde ich am Ende diesem Bericht zustimmen.