AL11CR27       AS (2011) CR 27

Provisorische Ausgabe

SITZUNGSPERIODE 2011

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(3. Teil)

BERICHT

27. SITZUNG

Freitag, 24. Juni 2011, 10.00 Uhr

REDEBEITRÄGE AUF DEUTSCH

Joachim HÖRSTER, Sitzungsvorsitzender

(Dok. 12634)

Unsere Sitzung ist eröffnet.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen!

Zuerst haben wir über die Wechsel und die Mitgliedschaften, die für die Ausschüsse vorgeschlagen sind, zu entscheiden. Die Neubesetzungen sind in den Dokumenten enthalten, die unter Nummer 4 und 5 vorliegen. Darf ich fragen, ob die Änderungen, die in der Mitgliedschaft der Ausschüsse vorgeschlagen sind, akzeptiert werden, oder gibt es dagegen Einwendungen?

Ich sehe, es gibt keine Einwendungen. Damit ist dem zugestimmt.

Um genügend Gelegenheit zu haben, um bei dem nachfolgenden Thema die Debatte zu führen und möglichst Viele daran zu beteiligen, werden wir die Liste der Sprecher nach der ersten Debatte etwa um 10.50 Uhr unterbrechen. Bei der zweiten Debatte soll die Rednerliste um 12.30 Uhr unterbrochen werden.

Gibt es dagegen Einwendungen? Das ist nicht der Fall. Dann ist dem auch zugestimmt.

Der nächste Punkt, den wir heute auf der Tagesordnung haben, ist die Aussprache über den Bericht der Tätigkeit der Versammlung bei dem Monitoringverfahren, ein Bericht, der im Auftrag des Monitoring Committees von Frau Woldseth präsentiert wird.

Wie bereits gesagt, werden wir die Rednerliste etwa um 10.50 Uhr unterbrechen, damit der Berichterstatter noch Zeit hat, den Rednern zu antworten.

Ich erteile jetzt Frau Woldseth das Wort. Sie haben 13 Minuten, die Sie aufteilen können.

Joachim HÖRSTER, Sitzungsvorsitzender

(Dok. 12634)

Vielen Dank, Frau Woldseth. Sie haben noch 4 Minuten und 22 Sekunden für Ihre Schlussbemerkungen.

Ich eröffne jetzt die Aussprache und erinnere daran, dass jeder Redner 5 Minuten Redezeit hat.

Als Erstem gebe ich dem Kollegen Gross von der sozialistischen Fraktion das Wort.

Joachim HÖRSTER, Sitzungsvorsitzender

(Dok. 12634)

Danke. Als nächste Rednerin ist Frau Marina Schuster für die Liberalen an der Reihe.

Marina SCHUSTER, Deutschland, ALDE / ADLE

(Dok. 12634)

Herr Präsident,

Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Auch ich möchte meinem geschätzten Kollegen Dick Marty sehr herzlich für seinen sehr guten Bericht danken.

Dieser Bericht zeigt sehr gut, wo sich die jeweiligen Staaten im Rahmen des Monitoringverfahrens befinden, und er gibt Auskunft darüber, wo wir stehen. Der Bericht ist auch kein business as usual, weil Dick Marty anlässlich des 15. Jahrestages des Bestehens des Komitees natürlich auch Bilanz zieht, einerseits mit einem Rückblick und andererseits mit dem Ausblick dahingehend, wie wir unsere Arbeitsweise im Monitoring noch verbessern können.

Insofern empfehle ich den Kolleginnen und Kollegen, sich auch das Memorandum und den Anhang genau anzuschauen, denn das ist für die weiteren Sitzungen unsere Agenda.

Ich möchte auf einen Schwerpunkt Dick Martys eingehen: Die Durchführung von Wahlen. Faire und freie Wahlen sind die Voraussetzung für eine funktionierende Demokratie und wir erleben leider in einigen Ländern schwere Mängel des Wahlprozesses, sei es die Verhinderung von Wahlkampagnen oder bei der Registrierung von Parteien, und selbst bei der Meinungs- und Versammlungsfreiheit.

Dafür möchte ich hier einige konkrete Beispiele nennen. Da der Bericht sehr umfangreich ist, wähle ich drei Beispiele aus:

Russland wurde von meinem Kollegen Andreas Gross erwähnt. Es hat in den Jahren 2009 und 2010 verschiedene Änderungen des Wahlgesetzes gegeben. Leider finden wir einen begrenzten politischen Pluralismus und auch ein restriktives politisches Umfeld. Das gibt Anlass zur Sorge. Auch die jüngste Entscheidung, die neue Partei Parnas dort nicht zu registrieren, löst bei uns Enttäuschung aus, denn Russland ist 1996 dem Europarat beigetreten und hat sich unseren Werten und Konventionen verpflichtet.

Wir sind mit dieser Entscheidung nicht zufrieden, denn sie wirft einen Schatten auf die nächsten Wahlen. Ich bin sicher, dass sich der Monitoringausschuss mit dieser Entscheidung auseinandersetzen wird. Dick Marty hat in seinem Bericht bereits kritisiert, dass es bei der Parteizulassung zu viele Einschränkungen und zu große Hürden gibt, um einen Sitz im Parlament zu bekommen.

Auch andere Länder weisen Unzulänglichkeiten bei der Durchführung von Wahlen auf. In Aserbaidschan sind noch nicht alle von der Venice Commission vorgebrachten Punkte bezüglich des Wahlgesetzes umgesetzt worden. Bei den letzten Parlamentswahlen im November 2010 hat sich gezeigt, dass die Voraussetzungen für wirklich kompetitive Wahlen nicht gegeben waren. Als Folge dieser Einschränkungen konnte nur ein Sitz von der Opposition errungen werden. Deswegen ist es wichtig, dass das Wahlgesetz überarbeitet wird und die Empfehlungen von der Venice Commission und ODIHR wirklich umgesetzt werden.

Auch Armenien hat aus diesem Bericht Aufgaben. Hier haben wie in Russland und in Aserbaidschan Oppositionelle zu wenig Zugang zu den Parlamentswahlen. Deswegen ist Armenien aufgefordert, die Wahlen im nächsten Jahr, im Mai 2012, durch eine umfassende Wahlreform voranzutreiben, um faire und gleiche Bedingungen herzustellen und das Vertrauen in den Wahlprozess zu erhöhen.

Das waren Beispiele, die sich mit den Wahlen befassen. Eine Aufgabe betrifft aber auch uns selbst, wenn wir die Rolle eines Wahlbeobachters übernehmen: Die wenigsten Wahlen werden am Wahltag selbst untergraben. Deswegen ist es wichtig, dass wir uns nicht nur den Urnengang anschauen, sondern auch die Wochen und Monate davor.

Wahlen werden manipuliert durch die Nichtzulassung von Parteien, durch die Unterbindung der Möglichkeit der Wählerregistrierung, durch den Zuschnitt von Wahlkreisen, durch die Einschränkung der Pressefreiheit, durch Einschränkungen für Parteien, Zugang zu den Medien zu erhalten, oder auch durch die Einschüchterung von Kandidaten und Mitgliedern von Parteien.

Deswegen ist es so wichtig, dass wir immer auch die Zeit davor mitbetrachten, um ein umfassendes Bild von den Wahlen zu erhalten, und dass wir entsprechende Stellungnahmen abgeben. Wenn das nicht passiert, untergräbt es die Glaubwürdigkeit und das wäre ein großer Schaden.

Ich bitte alle, die an Wahlbeobachtungen engagiert sind – meine erste Wahlbeobachtung werde ich bald durchführen – darauf zu achten.

Vielen Dank.

Joachim HÖRSTER, Sitzungsvorsitzender

(Dok. 12634)

Vielen Dank!

Der nächste Redner ist Herr Pochinok für die Gruppe der Europäischen Demokraten.

Joachim HÖRSTER, Sitzungsvorsitzender

(Dok. 12634)

Der nächste Redner ist Herr Petrenco für die Vereinigte Europäische Linke.

Joachim HÖRSTER, Sitzungsvorsitzender

(Dok. 12634)

Vielen Dank!

Der nächste Redner ist Herr Herkel für die Europäische Volkspartei.

Joachim HÖRSTER, Sitzungsvorsitzender

(Dok. 12634)

Vielen Dank, Herr Herkel!

Ich möchte die Berichterstatterin, Frau Woldseth, fragen, ob sie bereits jetzt oder erst am Schluss auf die Sprecher der politischen Gruppierungen antworten möchte.

Vielen Dank! Dann fahre ich in der Rednerliste fort. Der nächste Redner ist Herr Kollege Minchev aus Bulgarien.

Joachim HÖRSTER, Sitzungsvorsitzender

(Dok. 12634)

Vielen Dank! Nächste Rednerin ist Frau Christoffersen aus Norwegen.

Joachim HÖRSTER, Sitzungsvorsitzender

(Dok. 12634)

Vielen Dank!

Der nächste Redner auf der Liste ist Herr Kandelaki aus Georgien.

Doris STUMP, Schweiz, SOC

(Dok. 12629)

Herr Präsident,

geschätzte Kolleginnen und Kollegen!

Im Namen der sozialdemokratischen Fraktion darf ich die volle Unterstützung dieser beiden Berichte vertreten.

Der Satz „die Jugend ist unsere Zukunft“ fällt häufig; auch heute wurde er mehrfach genannt. Leider fehlen dann oft die entsprechenden Umsetzungen dieses Versprechens in verschiedenen Ländern. Die Zahlen sprechen eine andere Sprache.

Die Arbeitslosigkeit unter Jugendlichen ist, wie der sehr gute Bericht von Frau Pejčinovič-Burič zeigt, beängstigend hoch. Arbeitslosigkeit bedeutet Perspektivlosigkeit und ist die Ursache vieler weiterer Probleme wie Gewalt, Depression, Kriminalität usw.

Dies trifft natürlich besonders stark auf diejenigen Länder zu, die in einer ökonomisch schwierigen Situation sind, aber auch auf Länder, denen es noch gut geht. In der Schweiz z.B. ist es offensichtlich, dass Jugendliche ohne eine gute Schulbildung und ohne Berufsausbildung viel stärker von der Erwerbslosigkeit betroffen sind als Jugendliche mit einer guten Ausbildung.

In hoch qualifizierten Berufen kann die Nachfrage in der Schweiz nicht mehr mit eigenen Leuten befriedigt werden. Wir sind auf die Zuwanderung hoch qualifizierter Arbeitskräfte angewiesen, während in der Schweiz aufgewachsene teilweise keine Arbeit finden, eben weil sie nicht über die nötigen Qualifikationen verfügen.

Die sozialdemokratische Fraktion begrüßt deshalb diesen Bericht und unterstützt seine Empfehlungen vollumfänglich. Hier möchte ich noch zwei persönliche Bemerkungen anbringen.

Erstens: Wir dürfen die jugendlichen Arbeitskräfte nicht ausspielen gegen die älteren und die Frauen, die ebenfalls Erwerbsarbeit suchen. Ich denke, wir müssen dafür sorgen, dass die Erwerbsarbeit auf alle verteilt wird, die erwerbstätig sein wollen und nicht anfangen, Leute früher aus dem Arbeitsmarkt zu drängen. Die älteren Erwerbstätigen verfügen über die Erfahrung, um Jugendliche anleiten zu können, und Frauen sind ebenso darauf angewiesen, ökonomisch selbständig zu sein. Wir dürfen sie nicht gegeneinander ausspielen.

Meine zweite Bemerkung betrifft die Investitionen in die Bildung, und zwar bereits für Kinder von 4 bis 7 Jahren. In diesen Jahren wird die Grundlage für die Lernfähigkeit geschaffen. Wir müssen dafür sorgen, dass die intellektuelle Neugier im jugendlichen Alter geweckt wird und erhalten bleibt.

Sprachkompetenz muss früh entwickelt und das Verständnis für Mathematik, Naturwissenschaften und Technik muss früh gefördert werden, damit die Kinder nachher auch an einer Ausbildung interessiert sind, die sie in die Lage versetzt, Berufe zu erlernen, die für die heutige Welt wichtig sind. Nur so werden die Voraussetzungen geschaffen für eine gute Berufsbildung und Arbeitsmarktfähigkeit.

Wir dürfen also nicht warten, bis die Kinder und Jugendlichen aus Schulversagen die Schule frühzeitig verlassen und dann eben auf Sozialhilfe angewiesen sind und unter Umständen irgendwo herumlungern. Wir müssen frühzeitig in die Lernfähigkeit von Kindern investieren. Deshalb unterstützen wir von der sozialdemokratischen Fraktion auch den Bericht zur Rahmenkonvention für Jugendrechte, denn darin sind auch die ganzen Bemühungen um die Bildung und Erwerbstätigkeit enthalten sind.

Ich danke Ihnen.

Marlene RUPPRECHT, Deutschland, SOC

(Dok. 12629)

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen!

Ich freue mich außerordentlich, dass wir heute das Thema Jugend behandeln. Jugend ist kaum Thema im politischen Raum. Wir beschäftigen uns mit Kindern, dabei wird es allen warm ums Herz und alle sind sich einig, dass etwas getan werden muss, dass wir sie schützen und darauf achten müssen, wie sie aufwachsen.

Beschäftigen wir uns mit Jugend, dann sehen wir Jugend nicht als Gegenwart, obwohl sie das ist. Sie wartet nicht darauf, bis wir etwas tun, sondern sie lebt jetzt. Wir sehen sie häufig als Problemgruppe: Jugend und Gewalt bzw. Gewalttäter, Jugend und Sucht bzw. Alkohol, Jugend und Arbeitslosigkeit.

Ich würde sagen, dass nicht die Jugend das Problem ist, sondern die Bedingungen, unter denen wir sie oft leben oder heranwachsen lassen.

Wir reden über Jugend, als ob es eine homogene Gruppe wäre. Die Gruppe der Jugendlichen ist so vielfältig, bunt und heterogen, wie es Menschen nun einmal sind. Die Einzelnen dieser Gruppe haben unterschiedliche Bedürfnisse und stellen an Politik und Gesellschaft unterschiedliche Herausforderungen. Darauf müssen wir in der Politik und als Politiker antworten.

Die Frage muss lauten: Was brauchen junge Menschen, um an der Gesellschaft als vollwertige, verantwortungsvolle Mitglieder teilhaben zu können? Sie alle habe in Ihren Berichten und Entschlüssen Antworten darauf gegeben. Ich möchte Ihnen ganz herzlich dafür danken, dass Sie die Jugendlichen nicht nur als Problemfälle gesehen, sondern sich der Frage und Herausforderung gestellt haben, wie wir die Rahmenbedingungen schaffen müssen, damit junge Menschen teilhaben können.

Sie fordern die Mitgliedsstaaten auf zu handeln, und das finde ich wunderbar. Als Vertreterin Deutschlands könnte ich jetzt sagen, dass die Situation bei uns nach dem Ranking gar nicht so schlecht ist.

Wenn es um die Jugendarbeitslosigkeit geht, haben wir – Gott sei Dank – im Vergleich zu anderen optimale Zahlen. Aus den letzten Arbeitsmarktzahlen im April geht hervor, dass die Jugendarbeitslosigkeit 7,9 % beträgt. Das ist für Europa eine gute Zahl, aber trotzdem sind 7,9% zu viel.

Was die Zufriedenheit von jungen Menschen in der Bundesrepublik angeht, so haben in der Shell-Jugendstudie 80% angegeben, dass sie glücklich und zufrieden sind und in Wohlergehen aufwachsen. Wir haben aber 20%, bei denen wir genauer hinschauen müssen. Wir haben ein so breit gefächertes Spektrum, dass wir genau reagieren müssen.

Wir haben hoch qualifizierte junge Menschen, die sich vom ersten Tag anstrengen, sich ins Berufsleben zu integrieren – hätte ich das zu meiner Zeit machen müssen, hätte ich nie einen Beruf bekommen; zu unseren Zeiten gab es eine Phase, in der wir auch einmal nachlässig sein konnten –, und trotzdem keine Festanstellung bekommen, sondern befristete Verträge und Praktika.

In Hochkonjunkturzeiten ist es besser; da kommen sie schneller aus der Arbeitslosigkeit heraus. In schlechteren konjunkturellen Zeiten sind sie aber auch die ersten, die wieder gehen müssen.

Und wir haben eine große Gruppe von jungen Menschen, die keinen Schulabschluss haben, die nichts vorweisen können. Hier tut die Bundesrepublik sehr viel: Es gibt viele Programme, mit denen versucht wird, diese Jugendlichen zu integrieren. Besser ist es jedoch, ganz früh anzufangen, um junge Menschen an der Erwerbsgesellschaft teilhaben zu lassen.

Unsere Industriestaaten sind Erwerbsgesellschaften. Die Teilhabe daran ist die Grundlage für die persönliche Existenz und die Zukunftsplanung der jungen Menschen.

Wenn wir sie draußen vor der Tür oder in prekären Beschäftigungsverhältnissen lassen, werden sie nicht den Mut haben, Familien zu gründen. Sie werden keinen Mut für die Gegenwart haben, geschweige denn für die Zukunft.

Damit das nicht passiert, müssen wir uns anstrengen. Ich begrüße es außerordentlich und danke Ihnen, dass Sie das getan haben. Ich werde meinerseits alles tun, dass wir uns Ihren Vorschlägen anschließen.

Danke.