AL12CR05 |
AS (2012) CR 05 |
Provisorische Ausgabe |
SITZUNGSPERIODE 2012
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(1. Teil)
BERICHT
7. SITZUNG
Donnerstag, 26. Januar 2012, 10.00 Uhr
REDEBEITRÄGE AUF DEUTSCH
Marieluise BECK, Deutschland, ALDE / ADLE
(Debatte zum Zeitgeschehen)
Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen!
Wir sollten uns die ernsthaften Worte des Kollegen Gross wirklich zu Herzen nehmen. Sie haben sehr gut geschildert, dass Russland wirklich an einem Scheideweg steht und sich in einer gefährdeten Situation befindet, und dass das System Putin dann nicht mehr Stabilität, sondern eine wirkliche Gefahr für den inneren Frieden darstellen würde.
Denn Menschen lassen sich nicht gerne betrügen und Wahlen müssen frei sein von Betrug, und zwar nicht nur während des Wahltages, sondern auch vorher und nachher – auch das gehört zu freien Wahlen. Das Vorher bedeutet Zulassung von Opposition und Chance für Kandidaten, durch Stimmabgabe die Machthaber auch tatsächlich von ihrer Macht zu vertreiben.
Präsident Putin hat jetzt bekanntgegeben, dass in den Wahllokalen 180 000 Webkameras aufgestellt werden sollen. Doch Kameras lassen sich überlisten – im Gegensatz zu Menschen.
Wie passt denn das Versprechen, man wolle für Transparenz sorgen, damit zusammen, dass Golos nicht nur am 2. Dezember eine Strafverfügung bekommen hat, weil die Organisation die Karte der Verstöße im Internet veröffentlicht hat, sondern dass ihr jetzt gar die Räume gekündigt worden sind, und zwar mit der Begründung, vom 26. Februar bis zum 6. März, also genau in der Zeit der Wahlen, müsse dort der Strom abgestellt werden!
Das heißt, unabhängige Wahlbeobachtung durch russische Bürgerinnen und Bürger selbst ist nicht gewollt, und wir mit unseren 40 oder 80 Mandaten können nicht 90 000 Wahllokale besichtigen. Dies ist also bereits der erste Beweis, dass jetzt schon wieder verhindert wird, dass es bei den Wahlen Transparenz gibt.
Nun zu der Zulassung von Kandidaten: Von Herrn Jawlinskij ist gerade gesprochen worden. Innerhalb von drei Wochen in einem riesigen Land mit 9 Zeitzonen 2 Millionen Unterschriften zu sammeln, ist kaum vorstellbar.
Der Europäische Menschenrechtsgerichtshof hat, wie bei der Auflösung der Republikanischen Partei oder der Nichtanerkennung von Parnas, der russischen Regierung immer wieder gesagt, dass die Hürden für die Zulassung von Oppositionskandidaten zu hoch sind.
Wir haben also bereits zwei Hinweise, dass auch bei diesen Wahlen nicht verstanden wurde, was die Bürgerinnen und Bürger auf der Straße den Machthabenden gezeigt haben, nämlich, dass sie das Recht haben wollen, zu wählen, so wie es in demokratischen Staaten notwendig ist. Es geht um den Einschluss, nicht den Ausschluss der Bürger. Wenn dieser Ausschluss noch einmal stattfindet, haben sie nur noch die Möglichkeit, auf die Straße zu gehen. Das aber ist ein sehr gefährlicher Weg.
Erich Georg FRITZ, Deutschland, EPP/CD / PPE/DC
(Debatte zum Zeitgeschehen)
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen,
Herr Slutsky hat uns in seinem Beitrag Hoffnungen gemacht, dass in Zukunft alles getan wird, damit die Wahlen in Russland anders ablaufen als wir bisher erlebt haben.
Frau Beck und eine Reihe von anderen Kollegen haben gezeigt, welche Zweifel man an dieser Hoffnung haben kann.
Herr Putin hat neulich bei einem Freund, der bei der Duma-Wahl einen guten Beitrag zu seinem guten Wahlergebnis in Tschetschenien geleistet hat – immerhin weit über 90 Prozent – ein Wort gehört, das mich sehr nachdenklich gemacht hat. Herr Kadyrow hat gesagt, er würde die Opposition einsperren.
Die Opposition, die sich in Russland zeigt, ist aber keine Gefahr für diesen Staat, sondern seine Hoffnung, denn sie zeigt, wie die demokratische Substanz in Russland wächst.
Die Leute, die am 4. Februar auf die Straße gehen werden, werden gut ausgebildete, hoch gebildete, motivierte und auf die Zukunft ausgerichtete junge Menschen sein, wahrscheinlich in noch viel größerer Zahl als in der Vergangenheit.
Sie wollen, dass in Russland – wie so oft schon versprochen – das Recht herrscht. Sie wollen Freiheit und Demokratie, weil sie wissen, dass nur damit das Ende der Bürokratie, die sie beherrscht, und das der Herrschaft der ihren Reichtum maßlos zur Schau stellenden Superreichen herbeigeführt werden kann.
Sie sind diejenigen, auf die man sich verlassen sollte, die man einbinden muss. Denn wenn man sie nicht an der Begründung der Macht teilhaben lässt, dann wird diese Macht in Zukunft nicht tragen, so perfekt sie auch organisiert sein mag.
Deshalb kann die Hoffnung nur sein, dass man schon für die Präsidentschaftswahlen alles tut, um die Mängel zu begrenzen, die bei den letzten Wahlen offensichtlich geworden sind. Ganz Ausräumen kann man alle Bedenken wohl sicher nicht, denn dafür ist jetzt im Vorfeld eine zu große Chancenungleichheit entstanden.
Aber dann muss ein Weg gefunden werden, die Gräben, die jetzt in Russland aufgerissen worden sind, durch einen gesellschaftlichen Dialog zuzuschütten und dafür zu sorgen, dass dieses Land bei dem notwendigen Weg in die Modernisierung auf die Beteiligung der Menschen und nicht auf deren Ausgrenzung setzt.
Vielen Dank.
Marieluise BECK, Deutschland, ALDE / ADLE
(Frage an Thomas HAMMARBERG, Menschenrechtskommissar des Europarates, CommDH(2012)1)
Herr Hammarberg,
auch ich möchte Ihnen gerne noch einmal für Ihre wunderbare Arbeit danken. Ich glaube, gerade durch Ihre persönliche Glaubwürdigkeit haben Sie diesem Amt Gewicht gegeben.
Noch einmal zu der schwierigen Frage zum Umgang mit Belarus bzw. dem drohenden Vollzug von zwei Todesstrafen und der physischen Gefährdung der politischen Gefangenen. Wo sehen Sie einen Ansatzpunkt?