AL12CR10ADD1

AS (2012) CR 10
Addendum 1

 

Provisorische Ausgabe

SITZUNGSPERIODE 2012

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(2. Teil)

BERICHT

10. SITZUNG

Montag, 23. April 2012, 11.30 Uhr

NICHT MÜNDLICH GEHALTENE

REDEBEITRÄGE AUF DEUTSCH

Marieluise BECK, Deutschland, ALDE / ADLE

(Dok. 12902)

Ich danke dem Kollegen Tiny Kox für den besonnenen Bericht über den Verlauf der russischen Präsidentschaftswahlen. Die Bescheidenheit gebietet es, dass wir als Vertreterinnen und Vertreter des Europarats ohne die flächendeckende Wahlbeobachtung der russischen Bürgerinnen und Bürger kein aussagekräftiges Urteil hätten fällen können. Insofern muss das Schicksal der NGO Golos und dieser kritischen Bürger von uns sehr aufmerksam verfolgt werden.

Wir begrüßen heute im Europarat eine neue Delegation der russischen Duma, deren Zustandekommen wir selbst als „nicht demokratischen Kriterien genügend“ definiert haben. Dennoch sollten wir diese Kolleginnen und Kollegen offen aufnehmen und davon ausgehen, dass sie gemeinsam mit uns an der Agenda des Europarats arbeiten wollen. Das heißt, es geht nicht darum, als nationale Delegation zu denken und zu handeln, um möglichst kritische Stimmen zum Verstummen zu bringen, sondern darum, unsere gemeinsame Geschäftsgrundlagen Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Freiheit in allen Staaten des Europarats zu respektieren und umzusetzen.

Nach diesen Wahlen steht nun die Frage im Mittelpunkt, wohin sich das Land entwickeln wird. Sind die angekündigten Reformen auch ernst gemeint?

Ein Beispiel: Im Jahr 2007 verweigerten die russischen Behörden willkürlich die Registrierung der Republikanischen Partei. Im Jahr 2011 erklärte der Europäische Menschenrechtsgerichtshof dieses Vorgehen für rechtswidrig. Und nun – erst vier Monate nach den Dumawahlen – hört die russische Justiz endlich auf Straßburg und das Oberste Gericht verordnet die Registrierung der Partei. Doch fünf Jahre war die Partei de facto aus dem politischen Leben ausgeschlossen. Ihr wurde die Möglichkeit geraubt, zu Parlamentswahlen anzutreten.

Wir werden erst noch sehen, ob die neue russische Führung die Chance begreift, welche die neue Bürgerbewegung für die innere Reform des Landes bedeutet. Denn eine ökonomische Modernisierung ist nicht ohne innere Demokratisierung möglich.

Ich wünsche Russland, dass diese wunderbaren Impulse aus der russischen Gesellschaft von der Regierung nicht erstickt werden mögen. Ich wünsche im Gegenteil, dass wir zusammen mit den russischen Kolleginnen und Kollegen hier in den nächsten Jahren feststellen können, dass in Russland tatsächlich eine neue Phase der Demokratisierung von unten eingetreten ist.