AL12CR13

AS (2012) CR 13

 

Provisorische Ausgabe

SITZUNGSPERIODE 2012

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(2. Teil)

BERICHT

13. SITZUNG

Dienstag, 24. April 2012, 16.00 Uhr

REDEBEITRÄGE AUF DEUTSCH

Marina SCHUSTER, Deutschland, ALDE / ADLE

(Dok. 12893)

Herr Präsident,

Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich möchte im Namen der ALDE-Gruppe der Berichterstatterin Frau Saïdi ganz herzlich für Ihren Bericht danken. Ich begrüße ausdrücklich, dass Ministerin Hakkaoui aus Marokko an dieser Debatte teilnimmt und dargelegt hat, wo sich weitere Punkte auf der Tagesordnung befinden und was verbessert werden soll (weiter auf Arabisch).

Wir alle stellen uns die Frage, was 14 Monate nach der Jasminrevolution für die Frauen geschehen ist. Hat sich ihre Lage verbessert? Wenn man mit den Frauen in der Region spricht, dann sieht man die große Sorge, dass Rechte beschnitten werden könnten.

In Libyen stehen die Frauenrechte nicht groß auf der Agenda des Nationalen Übergangsrates. In Ägypten sehe ich die große Gefahr, dass sich die Lage für Frauen verschlechtert: Wenn man sich die Vertretung von Frauen in der Volksversammlung ansieht, dann sind von 508 Mitgliedern nur noch 12 Frauen; davon wurden 3 vom Militärrat ernannt. In Marokko ist die Repräsentation von Frauen im Unterhaus leicht gestiegen. In Tunesien ist sie gesunken.

Ich möchte aber nicht nur auf die bloßen Zahlen eingehen, denn es geht auch darum, welche Gesetze und Reformprojekte angestoßen werden. Ein wichtiger Punkt ist, dass Tunesien und Marokko angekündigt haben, dass sie alle Vorbehalte gegen die UN-Konvention zur Beseitigung aller Formen der Diskriminierung gegen Frauen abschaffen möchten.

In Marokko gibt es zudem eine neue Verfassung. In Tunesien hatte die Verfassung von 1956 und auch das Personenstandsrecht von 1957, darunter das Recht zur Scheidung und das Verbot der Polygamie, bereits eine Vorreiterrolle eingenommen. Wenn man mit tunesischen Frauen spricht – und in dieser Hinsicht kann ich Frau Saïdi nur zustimmen – kommt die Sorge zum Ausdruck, dass diese Rechte beschnitten werden könnten.

Dies bringt mich zu einer ganz entscheidenden grundsätzlichen Bemerkung, die gerade aus liberaler Sicht besonders wichtig ist. Wir wissen, dass in den Ländern des arabischen Frühlings Religion einen besonderen Stellenwert einnimmt. Aber die Religion, die Tradition oder die Kultur darf nicht als Grund oder Vorwand dienen, universelle Menschenrechte zu beschneiden. Wir haben diese universellen Menschenrechte - sie müssen nicht erst verliehen werden.

Ich glaube, dass gerade der Europarat mit seiner Venice Commission sehr viel Hilfe und Unterstützung für die jeweiligen Verfassungsreformprozesse anbieten kann. Es ist wichtig, dass wir am Ball bleiben, denn der Arabische Frühling, an dem Frauen beteiligt waren, soll ein Erfolg werden. Es darf nicht sein, dass Frauen Verliererinnen des Arabischen Frühlings werden. Lassen Sie uns dem gemeinsam entgegentreten. Dieser Bericht ist ein sehr wichtiger Beitrag, an dem wir unsere Arbeit ansetzen sollten.

Vilmos SZABÓ, Ungarn, SOC

(Dok. 12898)

Dankeschön, Frau Präsidentin!

Meine Damen und Herren!

Ich möchte dem Berichterstatter meine volle Anerkennung für seine Arbeit ausdrücken. Er hat unsere Aufmerksamkeit auf eine der wichtigsten Herausforderungen unserer Zeit gelenkt. Auch hat das Thema Aktualität: Das Jahr 2013 wird „das europäische Jahr der Staatsbürger“.

Auf vielen Gebieten ist es wichtig, dass es stets und in allen Altersklassen aktive Staatsbürger gibt. Für uns hier im Europäischen Rat ist das Verhältnis der Demokratie und der aktiven Staatsbürgerschaft besonders wichtig.

Wir sind uns alle darüber einig, dass die drei grundlegenden Kennzeichen eines Staatsbürgers Respekt, Verantwortung und Partizipation sind. Für einen demokratisch denkenden und handelnden Staatsbürger ist das Verantwortungsgefühl für seine Heimat, seine Nation und den Betrieb der Gesellschaft von erstrangiger Bedeutung.

Die Bürger müssen die Funktionen des Staates und der jeweiligen Regierungen beeinflussen können. Sie müssen herausfinden können, wie den Familien, der engeren und weiteren Gemeinschaft ein besseres Leben geschaffen werden kann. Sie müssen den nötigen Spielraum haben, um an Informationen zu gelangen. Und selbstverständlich müssen sie die Möglichkeit haben, durch Stimmabgabe bei der Wahl nach ihrer besten Überzeugung frei entscheiden zu können.

Bei der Erwähnung von Respekt und Toleranz erlaube ich mir, hier nachdrücklich die den Minderheiten, besonders den nationalen Minderheiten angehörenden Staatsbürger hervorzuheben. Für diese Staatsbürger sind die drei grundlegenden Kennzeichen – Respekt, Verantwortung und Teilnahme – noch viel bedeutungsvoller. Für sie ist die größte Herausforderung die Bewahrung der nationalen Identität, die Aneignung und der Gebrauch ihrer Muttersprache, die Möglichkeit, die nationale Geschichte zu lernen und ihre Kultur zu pflegen, eine Selbstverwaltung aufzubauen oder Autonomie zu erlangen.

Der Berichterstatter hebt mit Recht die entscheidende Rolle und Verantwortung der Staaten und nationalen Regierungen hervor. Dem möchte ich noch die entscheidende Rolle und Verantwortung hinzufügen, die den demokratischen nationalen und europäischen Eliten zukommen. Wir leben in einer Zeit, wo die Teilnahme der Bürger an den Wahlen abnimmt. Immer weniger wollen sich politischen Parteien anschließen. Viele Menschen sind in großem Maße enttäuscht und haben das Vertrauen in die partizipative Demokratie und deren Institutionen verloren, während gleichzeitig der Einfluss der rechtsextremistischen politischen Kräfte zunimmt.

Die nationalen Regierungen und die politischen Eliten müssen die Demokratiedefizite vermindern, durch wirksame Maßnahmen das Vertrauen der Bürger in die Demokratie und ihre Institutionen wiederherstellen, und wir hier im Europarat und der EU müssen die Möglichkeiten des Erfahrungsaustauschs und die Anerkennung guter Praktiken erweitern.

Dankeschön.