AL12CR18 |
AS (2012) CR 18 |
Provisorische Ausgabe |
SITZUNGSPERIODE 2012
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(2. Teil)
BERICHT
18. SITZUNG
Freitag, 27. April 2012, 10.00 Uhr
REDEBEITRÄGE AUF DEUTSCH
Gerhard PFISTER, Schweiz, PPE/DC / EPP/CD
(Dok. 12894)
Frau Präsidentin,
geschätzte Kolleginnen und Kollegen!
Ich danke dem Berichterstatter und Kollegen für die Erarbeitung der Resolution und den Bericht. Allerdings muss ich feststellen, dass Resolution und Anhang Mängel und Ungenauigkeiten haben, sowie etliche Pauschalbehauptungen aufweisen, die nicht zutreffend sind. Der Bericht und die Resolution sind in der Tendenz zu einseitig und zu etatistisch.
Die inflationäre und unpräzise Verwendung des Begriffs „offshore“ verkennt die Realitäten einer globalen Wirtschaft, eines gemeinsamen europäischen Binnenmarkts, der ja politisch gewollt ist, und der den Unternehmen die Möglichkeit gibt, den freien Kapitalverkehr, die Migration der Arbeitskräfte und den Wettbewerb so zu nutzen, dass Wertschöpfung und Wohlstand generiert werden.
Der Aspekt, dass der europäische Wirtschaftsraum sich mit anderen in einem immer härteren Wettbewerb befindet, fehlt. Dabei muss die Steuerpolitik der europäischen Staaten gerade diese Dimension stärker berücksichtigen als bisher.
Steuerpolitik ist eine nationale Kernkompetenz. Wenn in einem europäischen Land derzeit davon gesprochen wird, den Steuersatz für vermögende Personen bis 75% anzuheben, dann folgt daraus keineswegs eine Verpflichtung für andere europäische Länder, das auch so zu tun, im Gegenteil. Aber man kann dann nicht verhindern, dass es andere Länder gibt, die im Verhältnis dazu attraktiver werden, ohne dass sie selbst etwas dafür getan hätten. Es muss den Staaten weiterhin erlaubt sein, die Höhe der Besteuerung, die Staatseinnahmen, souverän festzulegen. Eine europäische Vereinheitlichung in Steuerfragen würde Europa insgesamt im globalen Wettbewerb massiv zurückwerfen.
Es ist zudem bedenklich, dass die Resolution die Frage der Legalität zwar anerkennt, aber als moralisch verwerflich denunziert. Die Schweizerinnen und Schweizer haben in ihrer Mehrheit, durch viele Volksabstimmungen, immer wieder eine bestimmte Auffassung bestätigt, welche Rolle der Staat in der Besteuerung und in der Wahrung der Privatsphäre spielen soll, wie viel Einfluss er haben kann, und wie stark die Freiheitsrechte der Menschen gewichtet werden.
Eine solche Haltung generell und pauschal einfach als unethisch zu behandeln, ist nicht zielführend. Sie verhindert nur den Dialog.
Die Resolution verkennt die Bemühungen der Schweiz, in diesen Fragen einen Dialog zu pflegen. Die Schweiz schlägt z.B. das Modell der Abgeltungssteuer vor.
Eine Qualität Europas ist der Respekt vor Minderheiten und dem Recht. Nicht die Macht der Zahlen, der Größe, sondern die Macht des Legalen, des Rechts und des Dialogs bringen Europa weiter. Diesen Respekt vor kleinen Staaten, die aus ihren viel kleineren Möglichkeiten sehr viel machen, machen müssen, diesen Respekt vor Minderheiten vermisse ich in der Resolution.
Der Europarat hat richtigerweise entschieden, sich auf seine Kernthemen zu fokussieren. Wirtschafts- und Steuerfragen gehören sicher nicht mehr dazu, sonst müsste man sich mit mehr Fundiertheit mit den Themen auseinandersetzen. Diese Resolution ist auch nicht mehr aktuell, sie blendet alle positiven Schritte und Entwicklungen der letzten Monate und Jahre aus. Insgesamt ist sie aus meiner Sicht des Europarats nicht würdig und für mich inakzeptabel. Danke.
Maximilian REIMANN, Schweiz, ALDE / ADLE
(Dok. 12894)
Frau Vorsitzende,
geschätzte Kolleginnen und Kollegen!
Dieser Bericht enthält im Anhang (Seite 16) so etwas wie ein globales Sündenregister, das der Schweiz den Spitzenplatz zuteilt, gefolgt von den Cayman Islands und Luxemburg.
Ich habe kaum je eine derart tendenziöse, einseitige Statistik auf Papier des Europarates zur Kenntnis nehmen müssen, seit ich diesem Rat angehöre, und das sind immerhin 13 Jahre.
Mit der Übernahme solcher Statistiken desavouiert sich der Europarat leider selbst. Sie wurden erstellt von einer privaten Nicht-Regierungsorganisation, die dem linken gesellschaftlichen Spektrum zuzuordnen ist.
Diese NGO mit dem frommen Namen „Tax Justice Network“ war schon zu den Hearings vom 9. Dezember letzten Jahres in Paris aufgeboten, bei denen ich auch anwesend war, und sie war ko-federführend bei der Erstellung dieses Berichtes. Von den damaligen Einwänden seitens verschiedener Kommissionsmitglieder ließ sich der Berichterstatter aber leider nicht zu einer ausgewogeneren Version bewegen. Entsprechend heute die vielen Änderungsanträge, denen hoffentlich mehr Erfolg beschieden sein wird.
Konkret werfe ich der erwähnten Statistik vor, dass sie auf Sachverhalten beruht, die teilweise falsch oder zeitlich klar überholt sind. so blendeten die Verfasser gänzlich aus, dass die Schweiz 2009 zum Amtshilfestandard gemäß OECD-Musterabkommen Art. 26 übergegangen ist. Sie hat seither schon mindestens zwei Dutzend Doppelbesteuerungsabkommen nach dieser Vorgabe abgeschlossen. Zudem wird ausgeblendet, dass die Schweiz bereits mit drei europäischen Ländern Abgeltungssteuerabkommen abgeschlossen hat, nämlich mit unseren beiden Nachbarländern Deutschland und Österreich, sowie mit Großbritannien. Andere Länder bemühen sich ebenfalls um solche Abkommen, darunter nota bene auch Griechenland.
Auf Basis dieses Abkommens sind ausländische Bankkunden gehalten, ihre Steuerpflichten zu erfüllen. Wollen sie es nicht, werden sie den Finanzplatz Schweiz verlassen müssen.
Das ist eine korrekte Regelung, getroffen im beidseitigen Einvernehmen von zwei Staaten. Kollege van der Maelen, die Schweiz ist ein souveräner Staat. Er tut, was er für richtig hält und nicht, was ihm eine fragwürdige NGO unterjubeln möchte.
Und noch etwas sollten Sie, Herr Kollege, zur Kenntnis nehmen: Glauben Sie nicht, mit automatischem Datenaustausch von Bank zu Steueramt würde man die aus dem Lot geratenen Staatshaushalte verbessern. Gerade die von Ihnen so aufs Korn genommene Schweiz beweist Ihnen das Gegenteil, mit dem bewährten Bankkundengeheimnis. Dieses verschont die Bürger vor einem schrankenlosen Schnüffelstaat. Und es hat seinen Anteil daran, dass wir in der Schweiz trotz vergleichsweise tiefer Steuersätze über gesunde Staatsfinanzen verfügen. Ein löbliches Vorbild, das befolgt werden sollte, statt dass man darüber jammern sollte.
Gebhard NEGELE, Liechtenstein, EPP/CD / PPE/DC
(Dok. 12894)
Danke Frau Präsidentin,
Werte Kolleginnen und Kollegen!
Was sind die Kernaufgaben des Europarates? Demokratie, Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit.
Der Europarat ist nicht in erster Linie ein Forum für Finanz- und Steuerfragen. Vorausgesetzt, dass dieses Thema überhaupt in den Europarat gehört, wäre meines Erachtens hierfür der politische Ausschuss der geeignete gewesen.
Im vorliegenden Bericht werden viele Informationen aufgeführt und Forderungen im Zusammenhang mit Steuern im internationalen Bereich gestellt. Die Aktualität der Informationen im Bericht lässt zu wünschen übrig. Vielleicht ist dies auch darauf zurückzuführen, dass es sich hier um einen rollenden Prozess handelt, der voll im Gange ist.
Die zahlreichen Forderungen, welche in die Resolution Eingang gefunden haben, sind für mich zu einseitig. Man bekommt den Eindruck, dass die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise und die soziale Ungerechtigkeit auf so genannte Steueroasen zurückzuführen sind. Das ist natürlich einfach und bequem zu kommunizieren, stimmt aber bei weitem nicht.
Die Begriffe Steueroasen und Offshore-Finanzplätze sind nirgends eindeutig definiert. Es wäre grundsätzlich klarer und sinnvoller, von intransparenten und nicht kooperativen Finanzplätzen zu sprechen.
Die meisten so genannten Steueroasen haben schon längst die Zeichen der Zeit erkannt. Der Finanzplatz in meinem Land beispielsweise wurde in den letzten 3 Jahren richtiggehend auf den Kopf gestellt und neue Geschäftsmodelle sind im Aufbau. Die implementierte Gesetzgebung ist proaktiv ausgerichtet und entspricht den OECD-Standards. Hierzu wurden auch zahlreiche Doppelbesteuerungsabkommen geschaffen.
Liechtenstein erfüllt die OECD-Standards. Es erstaunt deshalb, dass der Berichterstatter gerade unser Land als unkooperativ darstellt. Der Bericht ist auch hier nicht up to date, auch was sein Land betrifft.
Nun ein paar kurze Ausführungen zu einigen Themen im Bericht, zu denen ich meine Bedenken anmelde.
Unter Punkt 11.3 wird vorgeschlagen, dass die UNO künftig als Forum für die Normensetzung figurieren soll. Ich finde, dass die bestehenden Organisationen wie die OECD und das Global Forum diese Aufgabe bereits heute besser und zeitnaher erfüllen.
Ein weiterer Punkt betrifft die europaweite Harmonisierung im Steuerbereich. Hierzu gebe ich zu bedenken, dass – wie in anderen Bereichen – die Ausschaltung von Wettbewerb nicht sinnvoll ist. Jeder Staat muss in seiner Kompetenz individuell jene Steuern erheben können, die seiner Tradition, seiner Größe und seinen Besonderheiten entsprechen.
Der nächste kritische Punkt ist der automatische Informationsaustausch. Hier gilt für mich, dass das Recht des Einzelnen auf Privatsphäre gewahrt bleiben muss. Das Bankgeheimnis ist nicht a priori mit Steuerflucht und Steuerhinterziehung gleichzusetzen.
Gleich anschließend werden wir diverse Änderungsanträge behandeln. Der Bericht bzw. die Resolution würde mit diesen Anpassungen nach meinem Dafürhalten auf mehr Akzeptanz stoßen und praktikabel werden.
Danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Alfred HEER, Schweiz, ADLE / ALDE
(Dok. 12894)
Sehr geehrte Frau Vorsitzende!
Vorerst möchte ich festhalten, dass eine Steueroase oder ein Steuerparadies etwas Positives ist. Wer von uns möchte in einer Steuerwüste oder Steuerhölle leben?
Gut, als Politiker im Europarat mit einer fixen Staatsbesoldung und exorbitanten Spesen lässt es sich auch in einer Steuerwüste gut leben. Die Frage ist nur, ob das auch für die Bevölkerung in diesen Steuerhöllen gilt, und hier nicht nur für den reichen Teil, sondern auch für die ärmeren Regionen, die durch indirekte Steuern, wie der Mehrwertsteuer oder Steuern auf Benzin, richtiggehend gemolken werden.
Selbstverständlich will ich hier nicht für den Steuerbetrug sprechen. Jeder hat Steuern zu entrichten, welche demokratisch festgelegt wurden. Tatsächlich kann es auch sein, dass multinationale Unternehmen ihre Steuern optimieren.
Was aber das Bankgeheimnis und die Schweiz betrifft, so muss klar festgehalten werden, dass Steuerbetrug bereits heute nicht durch das Bankkontengeheimnis geschützt ist.
Mit dieser Resolution fordern Sie aber einen Repressionsapparat, welcher in Steuersachen aufgebaut werden und die Bürger drangsalieren soll. Sie wollen fundamentale Rechte der europäischen Bürger auf privates Eigentum und auf Privatsphäre durch Steuerschnüffler untergraben, welche mit dem automatischen Austausch von Daten auch unbescholtene Bürger bespitzeln können.
Wie schon erwähnt, können bereits heute im Rahmen der Rechtsvereinbarungen Steuerbetrüger überall in Europa verfolgt werden. Auch die Bestimmungen über die Geldwäscherei werden in der Schweiz strikt angewandt.
An der Türe des Europarates steht “House of Democracy“. In welchen Ländern kann der einfache Bürger über die Höhe der Steuern befinden? Nur in der Schweiz kann er dies, sei es auf Bundes-, Kantons- oder Gemeindeebene: Keine Steuererhöhung ohne Volksentscheid!
Wäre das Bankgeheimnis dazu da, Steuern zu hinterziehen, müssten die Schweizer die größten Hinterzieher und Betrüger sein, da das Bankgeheimnis bekanntlich auch für Schweizer gilt. Das Gegenteil ist jedoch der Fall.
Wollen Sie ehrliche Steuerzahler in Europa, dann fördern sie nicht Steuerharmonisierung sondern den Steuerwettbewerb. Wollen Sie ehrliche Steuerzahler, dann lassen Sie diese über die Höhe der Steuern in der Volksabstimmung befinden. Wollen Sie Wachstum, Arbeitsplätze und Steuersubstrat, dann besteuern Sie Firmen und Privatleute mit Augenmaß. Privatleute investieren das Geld sinnvoller als der Staat. Nicht der Staat muss wachsen, wie die Finanzkrise uns gezeigt hat, sondern die Wirtschaft.
Diese Resolution ist der Beginn des Aufbaus eines Bespitzelungs- und Schnüffelstaates gegen die Bürger Europas.
Ich lehne diese Resolution ab und bitte Sie, das gleiche zu tun.
Besten Dank.
Amendments:
Stefan SCHENNACH, Österreich, SOC
(Dok. 12894, Amendment 7)
Es ist dieselbe Logik, den Bericht zu schwächen. Denn wenn man die Steuerparadiese, die in diesem Bericht genannt sind, herausnimmt, dann beudetet die Annahme dieses Antrags eine Schwächung des Berichts. Deshalb bin ich dagegen.
Doris BARNETT, Deutschland, SOC
(Dok. 12896)
Vielen Dank, Herr Präsident!
Für die Sozialistische Fraktion darf ich dem Berichterstatter für den informativen und sehr nützlichen Bericht danken, den wir nicht einfach „lochen und abheften“, sondern in unseren Parlamenten auch umsetzen sollten.
Rentensysteme sind Langfristsysteme, die, wenn das Vertrauen der Bevölkerung in sie erhalten bleiben soll, nur mit einem langen Vorlauf geändert werden dürfen.
Der demographische Aufbau unserer Bevölkerungen zwingt uns dazu, frühzeitig Änderungen einzuleiten, wenn auch die jungen Generationen noch von dem Rentensystem, in das sie ja kräftig einzahlen dürfen, profitieren sollen. Dabei ist die richtige, gerechte Balance zu finden, was nicht einfach ist. Denn zu dem demographischen Wandel kommt noch die Finanzkrise hinzu, die viele Länder veranlasst, Sparmaßnahmen auch in den Sozialsystemen vorzunehmen.
Seit vielen Jahren wissen wir, dass unsere Bevölkerung zum Teil massiv schrumpft. Dagegen steigt bei uns allen die Lebenserwartung. Allerdings erreichen nicht alle ihr Rentenalter in gesundem Zustand.
Also müssen wir doch das ersichtliche Ungleichgewicht zwischen der abnehmenden Bevölkerung, die in das System einzahlt, und der steigenden Lebenserwartung mit längeren Rentenlaufzeiten auflösen. Dabei sind die Eingriffsmöglichkeiten in das gesetzliche Rentensystem beschränkt auf Beitragshöhe, Leistungshöhe, Renteneintrittsalter und Steuerzuschuss.
Deshalb sollte sich im Idealfall die Rente aus 3 Teilen zusammensetzen: der gesetzlichen und der betrieblichen Altersrente und einer privaten Vorsorge.
Weil sich das alles aus Arbeit finanziert, spielt das Arbeitsverhältnis als solches auch eine wichtige Rolle bei diesem Thema. In Deutschland ist es inzwischen üblich, dass jeder Arbeitnehmer zunächst befristet eingestellt wird, mit der Aussicht, nach zwei Jahren in ein festes Arbeitsverhältnis übernommen zu werden. Solche Unsicherheiten fördern nicht gerade den Wunsch, gleich eine Familie zu gründen, in ein Haus zu investieren, Kinder zu bekommen. Aber genau das wäre wichtig für die Stabilität der Rentensysteme.
Oder unbezahlte Praktika, die gerade junge Akademiker mit der vagen Aussicht auf einen Arbeitsplatz oft über Jahre angeboten bekommen. Die Zeit vergeht – in die Rentenkasse kommt nichts.
Auch die Aufspaltung von Arbeitsplätzen in Teilzeit und stundenweise Arbeitsplätze ist mittlerweile zur Unsitte geworden. Aber die Arbeitgeber wissen: Eine Halbtagskraft arbeitet in ihren 4 Stunden ca. 80% dessen, was eine Ganztagskraft, eine 8-Stunden-Kraft, erbringen würde. Das spart Kosten, und die Rentenkasse hat das Nachsehen.
Wenn dann noch hinzu kommt, dass, wie derzeit noch in Deutschland, es keinen gesetzlichen Mindestlohn gibt und es damit auch zu Lohndrückerei kommt, kann man schon erahnen, wie später einmal die Renten aussehen werden.
Diese Menschen können nicht ordentlich für ihr Alter vorsorgen. Andererseits muss der Staat im eigenen Interesse aufpassen, dass er später nicht für die günstige Kostengestaltung der Arbeitgeber herhalten und die geringen Renten mit Sozialhilfe aufstocken muss.
Wir brauchen anständige Arbeitsbedingungen, die die Grundlage für angemessene Renten liefern. Wettbewerb ist nicht alles, der Mensch muss im Mittelpunkt stehen.
Eine Entwicklung allerdings könnte uns etwas Beruhigung bringen: Die Arbeitgeber brauchen dringend qualifizierte Arbeitnehmer. Diese werden immer weniger – und werden bald ihren Preis selbst bestimmen können. Dann werden wir hoffentlich sehen, dass auch unsere Rentensysteme davon profitieren.
Gute Arbeit, guter Verdienst, gute Rente – angesichts des nächste Woche bevorstehenden Tags der Arbeit hätte der letzte Punkt in unserer Sitzungswoche nicht besser gewählt sein können.
Stefan SCHENNACH, Österreich, SOC
(Dok. 12896)
Herr Präsident!
In diesem Bericht sprechen Sie, Herr Rapporteur, das wichtige Thema des Alterns in Würde als Menschenrecht an.
Mit dem Titel Ihres Berichtes gehen Sie speziell auf ein Problem der Gegenwart und der Zukunft ein: ausreichend Rente für alle. Diese große Frage wird auf uns zukommen. Das Rentensystem eines Landes wird durch seine soziale Differenziertheit, seine sozialen Standards und seine soziale Entwicklung gekennzeichnet.
Der Generationenvertrag ist in unseren Staaten die Grundlage dafür, aber es ist gelungen, der Jugend einzureden, dass dieser Generationenvertrag brüchig geworden ist. Wenn die Jugend aber nicht hinter einem Generationenvertrag steht, dann gerät dieses Umlagesystem, das noch immer die Basis für ein Altern in Würde ist, in Bedrängnis.
Alle unsere Länder haben Probleme. Geburtenrückgänge und eine wachsende Lebenserwartung gehören zu den Herausforderungen, denen wir gegenüberstehen.
Ich begrüße ausdrücklich, dass Herr Jacquat in seinem Bericht von einer Mindestrente spricht.
Was die Migrantinnen und Migranten in Europa angeht, so muss auch darauf hingewiesen werden, dass sie in Europa mit die Garanten dafür sind, dass das soziale Netz der Sicherheit funktioniert.
Lassen Sie mich noch ein Wort zur Jugend sagen. In den letzten 15 Jahren ist eine ganze Generation junger Menschen herangewachsen, deren Beschäftigungsverhältnisse durch Praktika, prekäre Beschäftigung und Geringfügigkeit gekennzeichnet sind.
In 30 bzw. 35 Jahren werden wir vor dem großen Problem stehen, dass diese Menschen keine ausreichende Rente bekommen. Für junge Frauen und Männer wird es, wenn sie einmal alt sind, für eine entsprechende Rente nicht mehr ausreichen. Prekariat, geringfügige Beschäftigung, Praktikum um Praktikum gehören zu den ganz großen Herausforderungen.
Deshalb ist Ihr Bericht, Herr Jacquat, von großer Bedeutung und ich unterstütze ihn sehr gern.
Erich Georg FRITZ, Deutschland, EPP/CD / PPE/DC
(Dok. 12896)
Meine Damen und Herren,
Ich möchte unserem Kollegen Denis Jacquat ganz herzlich für seinen Bericht danken.
Die Stoßrichtung dieses Berichtes, eine angemessene Altersvorsorge zu schaffen und Armut im Alter zu verhindern, unterstütze ich voll. Dies ist eine zentrale Aufgabe, wenn wir wollen, dass in unseren Gesellschaften Alter und Würde miteinander vereinbar sind.
Die Mitgliedsstaaten des Europarates müssen ihre Altersvorsorge auf die vor uns liegenden demokratischen Herausforderungen vorbereiten. Es geht auch darum, zukünftige Arbeitnehmer mit ihren Lasten nicht zu überfordern.
Wir sollten das Ziel im Auge haben, sowohl ein angemessenes Leistungsniveau, als auch dessen dauerhafte Finanzierung zu sichern. Dabei sollte nicht nur ein Instrument im Mittelpunkt stehen, sondern auf ein ausgewogenes Nebeneinander von kapitalgedeckten und umlagefinanzierten Teilen geachtet werden. In Deutschland werden diese um eine staatlich geförderte eigene Sparleistung der Beschäftigten ergänzt, die den Berufstätigen viele Wahlmöglichkeiten eröffnet.
Es ist wichtig, dass für die Unternehmen Anreize bestehen und auch bestehen bleiben, Betriebsrenten anzubieten, und dass für die Menschen Anreize geschaffen werden, zusätzliche Absicherungen selbst zu entscheiden und abzuschließen. Dass dies eine besondere Schwierigkeit bei Geringverdienern ist, wissen wir. Auch da muss noch ein Weg gefunden werden.
Zu dem Empfehlungsentwurf des Sozialausschusses möchte ich deshalb anmerken, dass er aus meiner Sicht ein wenig eng auf das umlagefinanzierte System ausgerichtet ist. Ich beziehe mich besonders auf den Absatz 6.3.1 des Resolutionsentwurfes und die darin enthaltene Forderung, dass die umlagefinanzierte Rente zumindest dem jeweiligen Mindesteinkommen entsprechen sollte. Es kann sein, dass dieser Anspruch zu hoch ist und dass nur die Mischung unterschiedlicher Teile eines vielfältigen Systems dazu in der Lage ist und dass zum Schluss auch steuerfinanzierte Hilfen dazu beitragen müssen, eine angemessene Altersversorgung zu gewährleisten.
Jedenfalls sollte das nicht allein dem umlagefinanzierten Rentensystem übertragen werden. Wir sollten aber auch den Mitgliedstaaten die Möglichkeit lassen, unter Nutzung komplementärer Altersvorsorgeinstrumente und der allgemeinen steuerfinanzierten Beiträge dafür zu sorgen, dass niemand Angst vor dem Alter haben muss und dass jeder in Würde seinen Ruhestand genießen kann.
Herzlichen Dank.