AL12CR31

AS (2012) CR 31

 

Provisorische Ausgabe

SITZUNGSPERIODE 2012

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(4. Teil)

BERICHT

31. SITZUNG

Dienstag, 2. Oktober 2012, 15.30 Uhr

REDEBEITRÄGE AUF DEUTSCH

Andrej HUNKO, Deutschland, UEL/GUE

(Dok. 13021 und 13022)

 

Vielen Dank, Herr Präsident!

Ich möchte zunächst Herrn Gardetto für diesen Bericht danken. Es ist meiner Ansicht nach ein guter Bericht, in dem viele Maßnahmen aufgeführt sind, die Wahlen demokratischer machen.

Lassen Sie mich einige grundsätzliche Überlegungen anstellen. Demokratischer heißt ja, dass Demokratie kein perfekter Zustand ist, der irgendwann einmal erreicht wurde, sondern es ist ein permanenter Prozess, der immer wieder erkämpft und weiterentwickelt werden muss. Das drückt sich auch im Titel dieses Berichts aus, in dem der Komparativ gewählt worden ist. Das ist ein sehr guter Ansatz.

Wie schwierig das ist, kann ich Ihnen aus meinem Land berichten. Deutschland ist sicherlich ein Land, wo die Demokratie weit entwickelt ist. Doch sind wir gerade jetzt in Deutschland in einer Situation, wo wir kein Wahlgesetz haben, weil unsere Regierung kein verfassungskonformes Wahlgesetz vorgelegt hat; es wurde vom Verfassungsgericht abgelehnt. Auch hier gibt es Probleme, auf die ich hinweisen will.

Ich möchte auf etwas eingehen, was Herr Gardetto auch in seinem Bericht anspricht: die Tatsache, dass immer mehr Menschen sich von unseren gegenwärtigen Wahlsystemen in den verschiedenen Ländern entfremdet fühlen. Ich erinnere dabei an die Wahlbewegung in Spanien, die sich selbst “Echte Demokratie Jetzt!“ (¡Democracia Real YA!) nennt, an die Europawahlen, wo die Wahlbeteiligung nur bei gut 40 % lag oder an eine Kommunalwahl in Deutschland mit einer Wahlbeteiligung von 33 %.

Hier haben Menschen das Gefühl, dass im Parlament nicht mehr ihre Interessen verhandelt werden, sondern irgendwelche Politiker sich nur austauschen und im Anschluss an die Wahl etwas ganz anderes tun, als das, was sie versprochen haben.

Ich glaube, das hat selbst viel mit einem Problem zu tun, das in Zukunft noch stärker auf uns zukommen wird: dem Einfluss von Wirtschaftsmächtigen auf die Wahlen und dem Druck der Finanzmärkte insgesamt auf die Demokratie.

Ich habe gerade an einer Wahlbeobachtung in der Ukraine teilgenommen. In der Abschlusserklärung wiesen wir darauf hin, wie enorm dort der Einfluss von mächtigen Wirtschaftsakteuren, von Oligarchen ist. Dieses Problem beschränkt sich aber nicht nur auf die Ukraine.

Wenn wie in Deutschland Begriffe wie marktkonforme Demokratie geprägt werden, dann ist das eigentlich eine Perversion des Demokratiegedankens. Wir brauchen einen demokratiekonformen Markt; wir brauchen eine Wirtschaft, die sich parlamentarischen, demokratischen Mehrheiten unterordnet. Das sind meiner Ansicht nach Themen, auf die wir in Zukunft zunehmend zu sprechen kommen werden.

Ich möchte mich ausdrücklich dem anschließen, was zur Beteiligung von Frauen gesagt wurde, sowie an Herrn Santinis Äußerungen zur Beschränkung von Ausländern. In dieser Hinsicht haben Sie unsere volle Unterstützung.

Vielen Dank.

Vilmos SZABÓ, Ungarn, SOC

(Dok. 13021 und 13022)

Sehr geehrter Herr Präsident,

meine Damen und Herren!

Die Berichterstatter haben eine hervorragende Arbeit ausgeführt, für die ich ihnen meine Anerkennung ausdrücken möchte.

Während der globalen Umgestaltung der Welt ist es unerlässlich, sich Überblick über den aktuellen Stand der wichtigsten Grundwerte zu verschaffen.

Die Möglichkeit demokratischer Wahlen und die Sicherung der dafür nötigen Bedingungen gehören zu den wichtigsten Grundrechten der Menschen, und es ist von grundlegender Wichtigkeit, dass die Bürger dieses Grundrecht auch ausüben und bei der Wahl ihrer politischen Vertreter ihren Willen zum Ausdruck bringen können.

In den vergangenen Jahrzehnten hat es in den Mitgliedsstaaten des Europarates bedeutende Fortschritte gegeben, doch kommen auch Fehler, Mängel, Missbrauch und schlechte Praktiken, sowie Wahlbetrug vor.

Die typischen negativen Erscheinungen sind hier sehr gut zusammengefasst: Missbrauch von Verwaltungsmitteln, mangelnde Unparteilichkeit der Medien, ungleicher Zugang zu den Medien, mangelnde Transparenz bei der Finanzierung von Wahlkämpfen und Parteien, mangelnde Unabhängigkeit und Neutralität der Wahlbehörden, Einschüchterung von Kandidaten und Wählern, Manipulationen bei der Registrierung, um die Zahl der Wähler und/oder Kandidaten zu vermindern.

Es ist eine interessante Feststellung, dass am Wahltag begangene Wahlmissbräuche eher in den Mitgliedsstaaten mit weniger demokratischen Traditionen festzustellen ist, während Missbrauch im Verlauf des Wahlkampfs viel eher in Mitgliedsstaaten mit reicher demokratischer Erfahrung vorkommt.

Ungarn gehört zu den Mitgliedsländern mit weniger demokratischen Traditionen. Zwischen 1990 und 2010 konnten wir erfolgreich 6 freie und demokratische Wahlen durchführen. Die 2010 gewählte ungarische Regierung jedoch führte ein neues Wahlgesetz ein, das zu den im Bericht angeführten Negativ-Beispielen zählt, wie auch schon die Venice Commission feststellte.

Doch ist die Entwicklung leider nicht hier stehen geblieben. Gegenwärtig wird im ungarischen Parlament eine Gesetzesvorlage für Wahlverfahren diskutiert, nach der auch die Registrierung zu den Wahlen neu reguliert werden soll. Dadurch würde die Möglichkeit, an Wahlen teilzunehmen, deutlich eingeschränkt und das bereits bestehende Demokratiedefizit weiter vergrößert.

In seinen Empfehlungen gibt der Bericht die Hauptrichtungen zur Verbesserung des demokratischen Charakters der Wahlen an: Die Wahlbeteiligung muss erweitert, Transparenz gewährleistet und die Kontrolle verstärkt werden. Was die Registrierung zu den Wahlen angeht, so muss diese so gestaltet werden, dass so viele Bürger wie möglich teilnehmen können und die Anmeldung der ersten Wähler automatisch wird.

Die ungarischen Sozialdemokraten unterstützen diese sowie die anderen Empfehlungen des Berichts eindeutig.

Vielen Dank.

Gisela WURM, Österreich, SOC

(Dok. 13021 und 13022)

Danke, Herr Präsident!

Sehr geehrte Damen und Herren,

liebe Berichterstatter und Berichterstatterinnen!

Viel war heute während des ganzen Tages von Demokratie die Rede, und zwar von repräsentativer Demokratie. Doch was ist das für eine Demokratie, wo 51% der Bevölkerung oft nur 20% Vertreter in den verschiedenen Körperschaften haben?

Einer meiner Vorredner hat das als „Halbdemokratie“ bezeichnet; in Teilen ist es vielleicht eine „Zweidrittel-Demokratie“. Jedenfalls ist diese Art von Demokratie, die auch Geschlechtergerechtigkeit heißt, bei weitem hier noch nicht erreicht.

Wie wir dem vorzüglich gestalteten Bericht von Frau Stavrositu entnehmen können, gibt es unter den verschiedenen Ländern Vorbildländer, wie z.B. Finnland. Die finnische Sprecherin hat uns erklärt, wie Demokratie in ihrem Land funktioniert: nicht mit Quoten, sondern mit einem Gleichstellungsgesetz aus den achtziger Jahren. Doch gibt es in Europa auch nicht wenige Nachzügler.

Ich bin eine Verfechterin der Frauenquote. Ich komme aus Österreich, wo wir über das Instrument der Frauenquote, das seine Gegnerinnen wie auch seine Verfechterinnen hat, oft und lange diskutiert haben. Ich kann nur sagen, dass in all jenen Parteien, welche die Quote eingeführt haben, die Frauenbeteiligung zumindest halbwegs stimmt. In meiner Partei haben wir ca. 40% Frauen in den Vertretungskörperschaften, während in anderen Parteien ohne Quotierung die Geschlechtergerechtigkeit teilweise nur bei ca. 10% liegt.

Eine meiner Vorrednerinnen meinte, sie würde sich nicht gerne als „Quotenfrau“ bezeichnen lassen. Ich habe damit kein Problem; ich sehe hier sehr viele „Quotenmänner“, die offensichtlich auch kein Problem damit haben! Denn 90% Männerquote – das sagt auch etwas über eine Gesellschaft aus.

Wir müssen also weitermachen und uns Instrumente überlegen, die es uns ermöglichen, unsere Gesellschaft mit mehr Demokratie zu durchfluten. Dazu müssen mehr Frauen die Möglichkeit haben, in den entsprechenden gesetzlichen Körperschaften mitzubestimmen, genauso aber auch in der Wirtschaft. Es wurde die Quote bei den Aufsichtsräten erwähnt, die in Norwegen bereits eingeführt wurde – und Norwegen ist ein wirtschaftlich erfolgreiches Land.

Diese Vorbilder sollten wir ernst nehmen und nachahmen.

Herzlichen Dank.

Igor CORMAN, Republik Moldau, SOC

(Dok. 13021 und 13022)

Ich danke Ihnen, Herr Vorsitzender!

Als erstes möchte ich dem Berichterstatter, Herrn Gardetto, für seine exzellente Arbeit danken. Das hier besprochene Thema ist in der Tat wichtig und aktuell, denn Wahlen stellen zugleich Stärke und Schwäche einer Demokratie dar.

Wir in der Republik Moldau sind in den letzten Jahren in der Disziplin „Wahlen“ wahrlich Meister geworden. Allein in den letzten drei Jahren hatten wir fünf Wahlkämpfe. Das Gute daran ist, dass wir aus diesen demokratischen Übungen mehr demokratische Erfahrungen schöpfen konnten. Die andere Seite der Medaille ist jedoch, dass zu viele Wahlkämpfe der Stabilität schaden, die Gesellschaft ermüden und die politische Klasse unglaubwürdig erscheinen lassen.

Wie der Berichterstatter richtig feststellt, bleibt das Problem des schwindenden Vertrauens der Bürger in die Institutionen der repräsentativen Demokratie bestehen. Moldau ist hier keine Ausnahme. Genau aus diesem Grund wurde vor kurzem in unserem Parlament ein Gesetzentwurf registriert, und es werden Debatten über Änderungen des Wahlsystems durch Einführung der Mehrheitswahl folgen. Wir erwarten dadurch eine Annäherung zwischen den Bürgern und der Politik.

Eine anderes, im Bericht zu Recht festgestelltes Problem, mit dem auch wir zu schaffen haben, ist die fehlende Transparenz des aktuellen Finanzierungssystems der politischen Parteien und der Wahlkampagnen. In diesem Zusammenhang haben wir einen anderen Gesetzentwurf vorgeschlagen mit dem Ziel, die Lücken in der nationalen Gesetzgebung zu schließen und einen hohen Grad an Transparenz in diesem Bereich zu sichern.

Gleichzeitig möchte ich Kritik gegenüber den Einschätzungen des Berichts bezüglich der Organisation von Wahlen in der Republik Moldau zum Ausdruck bringen. Diese entsprechen nicht der Realität. Erstens hatten die im Ausland ansässigen moldauischen Bürger auch bis 2010 die Möglichkeit, ihr Wahlrecht auszuüben, und zwar an den 33 Sitzen der diplomatischen Vertretungen. 2010 wurden zusätzlich 42 weitere Wahllokale eröffnet; wie ich glaube, eine beachtliche Leistung.

Und zweitens wurden diese Wahllokale dort eröffnet, wo eine hohe Dichte an moldauischen Bürgern festzustellen war. Die geographische Verteilung der Wahllokale erfolgte auf objektive Art und Weise und nicht nach politischen Kriterien, wie im Bericht behauptet wird.

Sicherlich stellen Wahlen eine notwendige, jedoch nicht hinreichende Bedingung für eine demokratische Regierung dar. Dafür ist noch viel mehr nötig, von funktionierenden demokratischen Institutionen bis hin zu einer starken Zivilgesellschaft mit informierten und aktiven Bürgern – dass ein informierter Bürger sich weniger leicht manipulieren lässt, ist allgemein bekannt. Aber ich glaube, dass die Verwirklichung der im Bericht vorgeschlagenen Maßnahmen ein wichtiger Schritt in diese Richtung sein wird.

Danke schön.