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AS (2014) CR 6

 

Provisorische Ausgabe

SITZUNGSPERIODE 2014

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(1. Teil)

BERICHT

6. Sitzung

Mittwoch, 29. Januar 2014, 15.30 Uhr

Gerhard PFISTER, Schweiz, PPE/DC / EPP/CD

(Dok. 13372)

Frau Präsidentin,

geschätzte Kolleginnen und Kollegen!

Ich möchte dem Berichterstatter und den Kollegen für die Erarbeitung dieses ausgezeichneten Berichts, der sehr präzise die Herausforderungen für alle europäischen Staaten beschreibt, recht herzlich danken.

Die Situation in Syrien lässt insbesondere die Türkei, den Libanon, Irak und Jordanien an ihre Grenzen kommen. Diese Länder tun ihr Möglichstes, aber sie können es nicht alleine tun.

Es gibt leider keinerlei Anzeichen dafür, dass die Ursachen für die Flüchtlingsströme in absehbarer Zeit beseitigt werden können. Es ist davon auszugehen, dass die Millionen Flüchtlinge aus Syrien noch lange nicht in ihre Heimat zurückkehren können.

Unsere Länder und Regierungen sind aufgefordert, die vier Staaten, die die Hauptlast tragen, stärker und besser zu unterstützen – finanziell, logistisch und humanitär. Je besser Türkei, Jordanien, Libanon und Irak durch die europäischen Staaten unterstützt werden, umso weniger besteht die Gefahr, dass die Flüchtlinge in Abhängigkeiten von Schlepperbanden und lebensbedrohliche Situationen geraten, wenn sie über das Mittelmeer oder auf anderen gefährlichen Wegen nach Europa einzureisen versuchen.

Eine Ergänzung zu Punkt 41 im Exposé des Berichts: Es ist richtig, dass die Schweiz im Herbst 2013 beschlossen hat, die Familienzusammenführung für syrische Flüchtlinge zu erleichtern. Da aber die Anzahl der Flüchtlinge innerhalb kürzester Zeit enorm anstieg, hat die Schweiz diese Entscheidung inzwischen wieder zurücknehmen müssen.

Das zeigt, dass isolierte Entscheidungen eines Landes nicht zielführend sind, so gut sie auch gemeint sein mögen. Denn alle europäischen Länder sind verpflichtet, einerseits die Hilfe direkt an der syrischen Grenze zu verstärken, andererseits sich untereinander besser zu koordinieren und die ankommenden Flüchtlinge solidarischer unter sich und gemäß der Bevölkerungsstärke der jeweiligen Länder aufzuteilen.

Einzelne Staaten allein sind nicht in der Lage, der enormen Anzahl von Flüchtlingen gerecht zu werden. Unser Rat sollte diesen Aspekt betonen, dass Europa dieses Problem nur gemeinsam, untereinander solidarisch, sowie koordiniert einigermaßen lösen kann.

Alle syrischen Flüchtlinge haben ein Recht auf Schutz, solange die Lage in Syrien so katastrophal ist wie jetzt. Aber alle Syrer haben auch ein Recht, so schnell wie möglich wieder in ihre Heimat zurückkehren zu können, wenn die Lage sich dort wieder verbessert. Auch dafür müssen sich die europäischen Staaten stärker engagieren, als das bis jetzt der Fall war.

Besten Dank.

Anne BRASSEUR, Präsidentin der Parlamentarischen Versammlung des Europarates

(Dok. 13372)

Vielen Dank.

Anne BRASSEUR, Präsidentin der Parlamentarischen Versammlung des Europarates

(Dok. 13372)

Herr Schennach hat das Wort.

Stefan SCHENNACH, Österreich, SOC

(Dok. 13372)

Danke sehr, Frau Präsidentin!

Auch ich möchte dem Berichterstatter für diesen sehr offenen und klaren Bericht danken und gratulieren. Ich bedanke mich auch dafür, dass man mich als Experte zum Hearing nach Paris eingeladen hat.

Die Situation ist unvorstellbar. Ich möchte noch einmal an uns appellieren, das Augenmerk auf die Situation der jungen Mädchen und Frauen zu richten. Nach wie vor werden tausende Mädchen und junge Frauen zwangsverheiratet und in die Prostitution geschickt.

Erst vor zwei Wochen war ich in Jordanien. Dort ist die erste Frage eines Taxifahrers: „Wollen Sie junge syrische Mädchen zu billigen Preisen?“

Wir haben derzeit allein im Flüchtlingslager Zaatari zwischen sechs und zehn Geburten pro Tag als Folge von Vergewaltigung! Ich bin sehr froh, dass die Union für das Mittelmeer vor zwei Wochen Verantwortung für die Flüchtlingslager übernommen hat. Wir werden bereits in der ersten Februarwoche in einer konzentrierten Aktion die verschiedenen Flüchtlingslager besuchen. Ich selbst fahre in die Türkei.

Wir brauchen ganz dringend ein von internationalen Sicherheitskräften kontrolliertes Lager für junge Mädchen und unbegleitete Frauen, deren Sicherheit bisher niemand garantieren kann. Ich bitte Sie, dies an die Regierungen und Staaten weiterzutragen.

Wir müssen diesen 3-Wochen-Vergnügungsehen, den Bordellen, von denen es in einem einzigen Lager schon fünf gibt, den Urlauben samt bereitgestelltem jungem Mädchen für Kämpfer der freien syrischen Armee endlich ein Ende bereiten!

Obwohl ich ungern gewissen Meinungen widerspreche, möchte ich eines dennoch feststellen: Was wir in Syrien nicht haben, ist ein Bürgerkrieg! Dafür gibt es dort 50 verschiedene Warlords. Es handelt sich auch nicht um einen Religionskrieg; dafür gibt es hier unterschiedlichste Interessensgruppen. Allein der Verband der Kurden, Christen, Chaldäer und Armenier hat auf dem von ihm kontrollierten Gebiet bereits über 1 Million Inlandsflüchtlinge.

Hier kommt keine Hilfe für die Menschen und wir können auch nicht erwarten, dass es irgendwo sichere Korridore gibt. Es ist ja nicht so, als würden hier zwei Fronten gegeneinander verlaufen, sondern es befindet sich praktisch an jeder Straße auf jeder Seite eine andere Gruppe!

Wir müssen uns darauf einstellen, dass diese Situation 20 Jahre lang andauern wird; wir benötigen also langfristige Perspektiven. Ganz kurzfristig benötigen wir jedoch für unbegleitete junge Mädchen und junge Frauen eine sichere Heimstatt und ein sicheres Lager.

Danke.

Anne BRASSEUR, Präsidentin der Parlamentarischen Versammlung des Europarates

(Dok. 13372)

Vielen Dank.

Bernd FABRITIUS, Deutschland, EPP/CD / PPE/DC

(Dok. 13367)

Herr Präsident,

meine Damen und Herren!

Den leitenden Gedanken dieses Entschließungsentwurfes kann man sicherlich zustimmen. Die Parlamentarische Versammlung des Europarates sollte und muss mit starker Stimme jeder Form von Diskriminierung, Fremdenfeindlichkeit und dem Spiel mit der Angst vor dem Fremden entschieden entgegenwirken.

Mit den richtigen Maßnahmen gilt es deshalb, die Akzeptanz von Migration zu erhöhen und Vorurteile abzubauen. Der vorliegende Resolutionsentwurf erfüllt im Wesentlichen dieses Ziel.

Ich denke, wir sind uns alle einig, dass Freizügigkeit und die Möglichkeit zur Migration großartige europäische Errungenschaften sind.

Wir müssen aber auch zur Kenntnis nehmen, dass Migration neben den unbestrittenen Vorteilen auch Probleme und Missbrauch mit sich bringt. Dieses zu verschweigen oder gegen bestehende Missbrauchsmöglichkeiten nicht vorzugehen, schädigt jedoch die Akzeptanz von Migration. Genau dieser Ansatz kommt in dem Resolutionsentwurf leider zu kurz.

Problembewusstsein und Lösungsansätze zeigen sich auf verschiedenen europäischen und nationalstaatlichen Ebenen:

- Die EU-Kommission hat erst im November 2013 einen 5-Punkte-Plan gegen den Missbrauch der Freizügigkeit vorgelegt.

- Die griechische EU-Ratspräsidentschaft 2014 möchte mit dem Bereich „Migration – Grenzen – Mobilität“ genau dort eine Priorität setzen.

- In Deutschland wurde vor wenigen Wochen ein Staatssekretärsausschuss aus Arbeits- und Innenministerium sowie der Migrationsbeauftragten der Bundesregierung eingesetzt, der sich mit dem Problem der Zuwanderung zum alleinigen Zweck des Bezugs von Sozialleistungen beschäftigt.

All das würde nicht geschehen, gäbe es den Missbrauch nicht. Hier sind nationale und EU-weite Regelungen möglich und erforderlich. Deswegen haben wir bei der Regierungsbildung in Deutschland im Konsens zwischen CDU/CSU und den Sozialdemokraten im Koalitionsvertrag festgelegt: „Wir wollen die Akzeptanz für die Freizügigkeit in der EU erhalten. Wir werden deshalb der ungerechtfertigten Inanspruchnahme von Sozialleistungen durch EU-Bürger entgegenwirken.“

Solches Vorgehen gegen möglichen Missbrauch wird oft als Skepsis gegenüber der Freizügigkeit aufgefasst – so auch in diesem Entschließungsentwurf. Dabei ist genau das Gegenteil der Fall: Weniger Missbrauchspotential führt zu mehr Akzeptanz. Missbrauchsbekämpfung ist proeuropäisch!

Ein weiterer wesentlicher Punkt dieser Thematik kommt schon im Titel zu kurz: Es darf nicht nur um Nutzen für die Aufnahmeländer gehen. Um ein, wie es in Punkt 5 heißt, „ehrliches Bild“ von Migration zu zeichnen, ist es erforderlich, nicht nur den Nutzen, sondern auch die Folgen anzusprechen.

Armut ist kein Thema, das mit Migration gelöst werden kann. Wir müssen den Titularländern Hausaufgaben geben: Es müssen vor Ort Perspektiven geschaffen werden, um einem Migrationsanreiz entgegenzuwirken. Nachbarländer darf man nicht nur als Arbeitskräftereservoir für entwickeltere Länder betrachten.

Diesem Aspekt ist in einer Gesamtschau Rechnung zu tragen, das gehört zum „ehrlichen Bild“ dazu.

Danke.