AL14CR36      

AS (2014) CR 36
Provisorische Ausgabe

 

SITZUNGSPERIODE 2014

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(4. Teil)

BERICHT

36. Sitzung

Freitag, 3. Oktober 2014, 10.00 Uhr

Stefan SCHENNACH, Österreich, SOC

(Dok. 13597)

Dankeschön, Herr Präsident!

Auch ich möchte Frau Bokuchava für diesen wirklich ausgezeichneten, aufrüttelnden Bericht danken. Er spricht eine der schweren Wunden an, die wir hier in Europa haben. Ich glaube kaum, dass irgendeiner unserer Mitgliedsstaaten aufrichtig sagen kann, dieses Problem gebe es bei ihm nicht.

Es geht hier um Kinder, die in Gefahr laufen, in Gewahrsam genommen zu werden. Dieses Problem hat drei unterschiedliche Aspekte: erstens den Bereich Asyl und Flucht, zweitens den Bereich Migration, und drittens den Bereich organisierte Kriminalität.

Im Bereich Asyl und Flucht müssen, wie es die Berichterstatterin gesagt hat, einige Dinge einfach ausgesetzt werden: das In-Gewahrsam-Nehmen von Kindern und die mühsame Altersfeststellung, immer mit dem Generalverdacht, dass das angegebene Alter nicht stimmt, sowie das In-Abschiebehaft-Nehmen von Kindern. Da kommt z.B. die Polizei in eine Grundschule und holt zehnjährige Kinder mitten aus der Schule, um sie in Gewahrsam zu nehmen. Oder es wird ein siebenjähriges Mädchen von der Polizei aus der Schule geholt und in Abschiebehaft gebracht, obwohl die Mutter wegen psychiatrischer Probleme im Krankenhaus liegt und der Vater inexistent ist.

Diese Dinge sind z.B. in meinem Land passiert! Solche Vorfälle sind unerträglich und dürfen nicht mehr vorkommen. Es muss für unbegleitete Kinder einen absoluten Abschiebestopp geben. Die Polizei darf nicht dort eindringen, wo Kinder vermeintlich in Sicherheit sind, nämlich in Schule und Kindergarten. Bei unbegleiteten Kindern haben die Dublin-Regeln nichts zu suchen. Wir brauchen in Europa keinen Wanderzirkus traumatisierter Kinder.

Im Bereich der Migration ist es schwieriger, hier stellt sich auch die Frage falscher oder nicht funktionierender Integration. Auch hier droht jedoch die allzu schnelle Abschiebung von Jugendlichen, die die Schulausbildung nicht schaffen und dadurch den Halt verlieren.

Der dritte Aspekt, die organisierte Kriminalität, ist ein besonders schwieriges Kapitel. Kinder werden gekauft, gruppenweise in andere Staaten gebracht und zur Kriminalität und organisierten Bettelei missbraucht. Diese Kinder wechseln nächtens in Gruppen den Aufenthaltsort und sind daher sehr schwer aufgreifbar. Was tut ein Staat mit diesen missbrauchten Kindern? Sollen sie in das Land abgeschoben werden, aus dem die Täter kommen? Wie sollen wir mit ihnen umgehen?

Das ist eine unserer ganz großen Herausforderungen.

Danke.

Mechthild RAWERT, Deutschland, SOC

(Dok. 13572)

Danke sehr, Herr Präsident!

Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Auch ich bedanke mich bei der Berichterstatterin Stella Kyriakides sehr für ihren ausgezeichneten Bericht zu einem Thema, welches mehr ist als nur ein gesundheitspolitisches. Es ist ein gesellschaftliches Thema, das auch die Herausforderung von sozialer Inklusion anspricht.

Ich bin im deutschen Bundestag für das Thema Frauengesundheit zuständig und nehme wahr, dass wir überall eine aktuelle Debatte über Nutzen und Risiken des Mammographie-Screenings führen. So kommt eine Reihe internationaler Studien zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen. Das verunsichert die Frauen, aber auch die Ärzte und Ärztinnen.

Wir haben unser Screening erst spät eingeführt; die Evaluation der Brustkrebsmortalität im deutschen Mammographie-Screening-Programm wird erst seit einigen Jahren erforscht. Wir brauchen einen längeren Beobachtungszeitraum und werden daher erst 2015 mit validen Ergebnissen rechnen können.

Derzeit gilt bei uns: Qualitätsgesichertes Mammographie-Screening in zweijährigen Abständen für Frauen zwischen 50 und 70 Jahren ist zur Früherkennung des Mammakarzinoms geeignet. Die Mammographie ist z.Z. die einzige zur Erkennung von Brustkrebsvorstufen oder frühen Tumorstadien allgemein als wirksam anerkannte Methode.

Wie wir hier bereits gehört haben, sprechen wir hier von unterschiedlichen Alterszugängen. Auch das wäre eine wichtige Frage für die weitere Forschung. Sprechen wir hier von den jüngeren, die Zugang zum Screening bekommen sollen, oder reden wir von den 50- bis 70-Jährigen, wie bei uns? Ist es wichtig, den Screening-Zugang auch auf Frauen von über 70 zu erweitern, wie es in Deutschland debattiert wird?

Die Brustkrebssterblichkeit konnte durch das qualitätsgesicherte Mammographie-Screening weiter gesenkt werden, doch bedarf es hier wie gesagt weiterer Forschung.

Ich halte es für unbedingt erforderlich, dass die Frauen wissenschaftlich fundierte, neutrale und umfassende Informationen über die erwünschten und unerwünschten Effekte von Krebsfrüherkennungsuntersuchungen erhalten. Wir haben deswegen auch noch einmal das Einladungsschreiben und das Merkblatt für die Frauen einer Prüfung unterzogen, denn jede Frau hat das Recht auf Wissen, ebenso wie das Recht auf Nicht-Wissen.

Ich begrüße die Forderung nach der flächendeckenden Einrichtung von Krebsregistern und vor allem einer europaweiten Transparenz der ausgewerteten Daten. Leider haben wir in Deutschland dieses Krebsregister erst 2013 eingeführt, können also bisher nur wenige Daten zur Verfügung stellen.

Wir alle wollen die Sterblichkeit der an Brustkrebs erkrankten Frauen senken, die Lebensqualität der Patientinnen verbessern und vor allem im Interesse der Frauen eine Überdiagnose und Übertherapie verringern. Es ist ein Skandal, wenn Ärzte letztendlich inkompetent Diagnosen stellen, die zu aggressiven Chemotherapien und bis hin zur Amputation führen. Das darf nicht sein. Dagegen kämpfen wir alle an.