AL15CR15

AS (2015) CR 15
Provisorische Ausgabe

SITZUNGSPERIODE 2015

________________

(2. Teil)

BERICHT

15. Sitzung

Mittwoch, 22. April 2015, 16.30 Uhr

Mechthild RAWERT, Deutschland, SOC
(Dok. 13742)

Sehr geehrte Frau Präsidentin,
liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich möchte mich ausdrücklich bei der Berichterstatterin Deborah Schembri für diesen wegweisenden Bericht bedanken. Dieser Bericht markiert einen Meilenstein in der Frage der Anerkennung von Trans*Menschen und Transgender. Der Bericht trägt zur Aufklärung und Sensibilisierung der europäischen Bevölkerung für die besonderen Belange transgeschlechtlicher Menschen bei – ich hoffe, insbesondere bei den Fachkräften aus den Bereichen Erziehung, Recht, Gesundheit, Psychologie und ich gebe zu, auch in der Politik.

Ich begrüße es außerordentlich, dass die Situation von Trans*Menschen aus menschenrechtlicher Perspektive betrachtet wird. Mir imponiert, wie der sorgfältig recherchierte Bericht in enger Konsultation mit Menschenrechts- und Antidiskriminierungsstellen, sowie mit NGOs wie Transgender Europe entstanden ist.

Denn leider müssen wir ja noch immer eine Diskriminierung von transgeschlechtlichen Menschen konstatieren, sei es auf dem Arbeitsmarkt, sei es bei der Wohnungssuche oder bei Gesundheitsdienstleistungen. Aber auch von Hasskriminalität sind Trans*Menschen besonders betroffen. Deswegen gilt es hier, Maßnahmen zu ergreifen.

Der Bericht unterbreitet den Mitgliedsstaaten wichtige Handlungsvorschläge, um bestehende Diskriminierung zu beseitigen. Ich denke, auch mein Heimatland, Deutschland, kann hiervon nur lernen und ich freue mich als Vorsitzende der deutsch-maltesischen Parlamentariergruppe im Deutschen Bundestag, dass ich sagen kann: Wir lernen von Malta!

Denn wir müssen die faktische und rechtliche Situation von transgeschlechtlichen Menschen dringend verbessern. Als Gesundheitspolitikerin – ich bin Mitglied im Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages – möchte ich insbesondere folgende Punkte hervorheben:

  1. Sterilisation und medizinische Eingriffe sowie medizinische Begutachtung müssen als Voraussetzungen zur rechtlichen Anerkennung der geschlechtlichen Identität entfallen.
  2. Transgeschlechtlichen Menschen muss der Zugang zu notwendigen geschlechtsangleichenden Maßnahmen (medizinische Eingriffe, Hormonbehandlungen, sowie begleitende psychologische Unterstützung) über das staatliche Gesundheitswesen ermöglicht werden.
  3. Die nationalen und internationalen Standards der medizinischen Diagnostik bei transgeschlechtlichen Menschen sind zu „entpathologisieren“. Transgeschlechtliche Menschen dürfen nicht mehr als geisteskrank bezeichnet werden!

Der Bericht gibt vielen von uns in der Menschenrechtsfrage Hoffnung. Ich werde mich auf jeden Fall dafür einsetzen, dass er umgesetzt wird und bitte um Zustimmung.

Doris FIALA, Schweiz, ALDE / ADLE
(Dok. 13730)

Geschätzter Präsident,
meine Damen und Herren!

Im Namen der liberalen Fraktion danke ich der Berichterstatterin Olga Borzova von der Russischen Föderation sehr herzlich für ihre sehr wichtige Arbeit.

Persönlich möchte ich mir die Bemerkung erlauben, dass es bedrückend ist, dass die Berichterstatterin heute ihre wichtige Arbeit nicht selber kommentieren kann. Allein diese Tatsache zeigt uns wieder einmal schmerzlich, dass die Mitarbeit und das Engagement der russischen Delegation hier vermisst werden und wir weiterhin auf einigenden Dialog und eine Lösungsfindung zur Beilegung der Konflikte hoffen.

Diesem Rat liegen das Wohl und die Unversehrtheit unserer Kinder seit langem besonders am Herzen. UN- und Lanzarote-Konvention erinnern uns an unsere wichtige Aufgabe, Kinder vor jeder Art von Gewalt, Missbrauch und Vernachlässigung zu schützen.

Zum Wohl des Kindes gehört auch das Recht, nicht gegen seinen Willen von seinen Eltern getrennt zu werden, es sei denn, die zuständigen Behörden bestimmen vorbehaltlich einer gerichtlichen Nachprüfung, dass eine solche Trennung effektiv im besten Interesse des Kindes steht.

In Fällen von physischen, sexuellen oder psychologischen Missbräuchen und schwerer Vernachlässigung werden Kinder zu Verwandten, Pflegeeltern, in öffentliche oder private Institutionen gebracht, in seltenen Fällen auch zur Adoption freigegeben.

Was gut gemeint ist, ist nicht immer das Beste für das Kind. Voreiliges Handeln ist gefährlich. Oftmals kommt ein Kind vom Regen in die Traufe, von Gewalt in einen nächsten Missbrauch. Finanzielle Armut darf deshalb niemals die einzige Rechtfertigung sein, ein Kind der elterlichen Obhut zu entziehen. Vielmehr müssen wir versuchen, die ärmsten der armen Familien zu unterstützen.

In diesem Zusammenhang bitte ich Sie alle, auch die Sensibilität rund um das Romakinder-Thema zu bedenken. Was Sie und ich ggf. für zielführend ansehen, muss nicht im Sinne und zum Schutz des Kindes das Beste sein. Wir sollten keine kurzfristigen, mahnenden Empfehlungen geben, sondern best practice-Erfahrungen austauschen und unterstützen.

Im Namen der ALDE bitte ich Sie daher, den Empfehlungen der Berichterstatterin zu folgen. Insbesondere bitte ich Sie, in Ihren Ländern alles zu tun, damit angemessene, umsichtige Normen auch bei schwierigen Fällen zum Tragen kommen, wenn Kinder aus ihren Familien genommen werden, und immer das Recht der Kinder einbezogen wird.

Die europäischen Leitlinien sind gut, oft ist die Gesetzgebung gut. Es mangelt aber hier und da an der guten Handhabung und Anwendung, und somit an der erwähnten good practice.

Ich danke Ihnen, wenn Sie diesen wichtigen Bericht unterstützen.

Katrin WERNER, Deutschland, UEL/GUE
(Dok. 13730)

Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!

Danke an die Berichterstatterin auch im Namen meiner Fraktion, der Europäischen Linken, für den Bericht und für ihre Analyse. Wir stimmen in vielen Punkten überein.

Kinder dürfen nicht gegen ihren Willen aus ihren Familien herausgenommen werden. Ist dies der Fall, so müssen wir sie schützen. Kinder und Jugendliche haben Rechte! Dazu zählen das Recht auf Bildung, Betreuung, Versorgung, auf eine gewaltfreie Erziehung, nicht arbeiten zu müssen, als Kind mit Behinderungen mit anderen gleichgestellt zu werden, und das Recht auf gesellschaftliche Mitbestimmung.

In Deutschland wiesen im Jahr 2012 2 von 3 Kindern, bei denen eine Kindswohlgefährdung vorlag, Anzeichen der Vernachlässigung auf. Dies sind erschreckende Zahlen für eines der reichsten Länder in Europa und macht eines sehr deutlich: Wir brauchen in den Mitgliedsstaaten des Europarates einen modernen Kinder- und Jugendschutz.

Gesetze, Verordnungen und Verfahren, die das Interesse des Kindes bei einer Kindswohlgefährdung in den Mittelpunkt stellen, sind unerlässlich. Wir alle wissen, dass dies ein hochsensibles Thema ist. Wir alle kennen die beiden Seiten der Medaille. Wir brauchen jedoch vor allem präventive Maßnahmen, die der Kindswohlgefährdung vorbeugen.

Die Ursachen körperlicher, kognitiver, erzieherischer und emotionaler Vernachlässigung finden wir häufig nicht allein im Elternhaus, sondern auch in den gesellschaftlichen Strukturen.

Wir müssen unterscheiden zwischen Verbrechen gegen Kinder, auf die wir mit individueller Strafverfolgung reagieren, und der Aufgabe zur Verbesserung des Kinderschutzes durch Prävention. Wir dürfen Eltern, die sich in einer schlechten ökonomischen Situation befinden, nicht unter den Generalverdacht der Vernachlässigung stellen. Stattdessen gilt es, ihnen finanziell unter die Arme zu greifen und die notwendigen Beratungs- und Unterstützungsangebote barrierefrei bereitzustellen.

Das gesicherte Aufwachsen von Kindern muss unabhängig von der ökonomischen Situation der Eltern garantiert sein. Eine Herausnahme von Kindern aus ihren Familien aufgrund der finanziellen Lage der Eltern sollte in den Mitgliedstaaten des Europarats verboten sein.

Eine gute Betreuung, Erziehung und Bildung von Kindern muss durch die Gesellschaft sichergestellt werden. Dies ist nur durch bedarfsdeckende Sozialleistungen sowie eine zuverlässige und beitragsfreie Infrastruktur zu erreichen. Kinderarmut ist ein großes Problem und muss aktiv bekämpft werden.

Der Schutz von Kindern erfolgt am besten über die Stärkung der Orte, an denen sich Kinder aufhalten. Dazu zählen neben dem Elternhaus Kindertagesstätten, Schulen, aber auch außerschulische Kinder- und Jugendarbeit. Hier muss eine vorbeugende Politik ansetzen. Die Verbesserung der Aus- und Weiterbildung von pädagogischen Fachkräften und der Zugang zu frühkindlicher Erziehung sind dabei zentral.

Der Ausbau von präventiven Maßnahmen ist wichtig. Aber auch die Möglichkeiten von Jugendämtern, Kinderärzten und anderen Betreuungspersonen müssen im konkreten Verdachtsfall der Kindswohlgefährdung ausgebaut werden. Dazu ist es besonders wichtig, dass ausreichend pädagogische Fachkräfte zur Verfügung stehen. Diese müssen zudem angemessen geschult sein.

Die Entscheidung zur Herausnahme von Kindern aus ihren Familien darf auf keinen Fall nur durch eine einzige Person erfolgen. Hierzu muss ein Team von geschulten pädagogischen Fachkräften eingesetzt werden. Die Trennung des Kindes von seiner Familie darf zudem nicht ohne richterliche Entscheidung erfolgen, was auch eine dementsprechende Ausbildung der Richterinnen und Richter voraussetzt.

Durch den Ausbau dieser vorbeugenden Maßnahmen kann in vielen Fällen die Kindswohlgefährdung und damit eine Herausnahme der Kinder aus ihren Familien verhindert werden. Das sollte Ziel eines modernen Kinder- und Jugendschutzes sein.

Kinder haben Rechte. Sie sollten endlich überall verfassungsrechtlich verankert und umgesetzt werden.

Danke.

Stefan SCHENNACH, Österreich, SOC
(Dok. 13730)

Dankeschön, Herr Vorsitzender!

Auch ich möchte mich Frau Bonet Perot anschließen und mich bei der Berichterstatterin, die leider nicht hier ist, bedanken.

Der Bericht ist ein wichtiger Anstoß, auf den wir aufbauen müssen, indem wir gemeinsame Standards in Europa entwickeln. Vor allem den Ansatz, die Dinge verstärkt aus dem Blickwinkel des Kindes zu betrachten, gilt es weiterzuentwickeln. Das Kind muss für alle Entscheidungen, die manchmal zu treffen sind, im Mittelpunkt stehen.

Die Erinnerung an ein Kind aus meiner Zeit als Sozialpädagoge lässt mich bis heute, 35 Jahre später, nicht mehr los: Einmal musste ich einem Sechsjährigen, dessen Rücken von Peitschenschlägen blutig und wund war, erklären, dass er jetzt nicht mehr zu seiner Familie zurückkehren dürfe. Auch ein Kind das gepeinigt, verwahrlost oder missbraucht wird, liebt in besonderer Weise auch diese Eltern. In dieser ganz besonderen pädagogisch-psychologischen Situation muss man unglaublich vorsichtig vorgehen.

Wir müssen aber auch unsere für die Jugendwohlfahrt zuständigen Behörden hier ein wenig in Schutz nehmen, denn sie sind umgekehrt in der Öffentlichkeit verantwortlich, wenn dann tatsächlich ein Kind zu Tode gequält wird oder in der Verwahrlosung nicht überlebt. Es gibt viele solcher Fälle.

In einem weiteren Bericht sollten wir auch alternative Formen der Aufnahme entwickeln. Wenn ein Kind aus Gründen der Verwahrlosung oder körperlicher oder sexueller Gewalt aus der Familie entfernt werden muss, sollte es nicht immer nur institutionelle Aufnahmemöglichkeiten geben. Heute gibt es betreute Häuser, Pflegefamilien, therapeutische Wohngemeinschaften. Aber auch wenn man ein Kind in einer Sofortmaßnahme wegnehmen muss, ist es wichtig, dass die vorübergehende Unterbringung  kindgerecht ist.

Die Zahlen zeigen, dass seit der Wirtschaftskrise in Europa die Adoptionen zunehmen. Hier besteht eine sehr starke Verbindung zur Armut. Es darf nicht sein, dass Familien mit Migrationshintergrund, alleinerziehende Mütter, Patchwork-Familien oder einfach finanziell schwache Familien hier in einer besonderen Weise betroffen sind. Hier wirken viele Dinge zusammen.

Ich kann dem Sozialausschuss nur empfehlen, auf diesem guten Bericht aufzubauen und seinen Ansatz gemeinsam hier weiterzuentwickeln. Denn wir wollen die Standards für alle unsere Mitgliedsländer heben und sie auf den gleichen Standard führen. Ich glaube, unter dem Fokus der Kinderrechte und der Prävention ist das besonders wichtig.