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AS (2015) CR 16
Provisorische Ausgabe

 

 

SITZUNGSPERIODE 2015

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(2. Teil)

BERICHT

16. Sitzung

Donnerstag, 23. April 2015, 10.00 Uhr

 

Doris FIALA, Schweiz, ALDE / ADLE

(Dok. 13764)

Geschätzte Präsidentin,

geschätzte Damen und Herren!

Im Namen der Liberalen Fraktion danke ich dem Berichterstatter für den Entwurf seiner Erschließung.

Die unvorstellbar dramatische Situation in Europas Gewässern verlangt von uns Allen konzertierte Hilfsaktionen. Wir müssen die humanitäre Notlage stoppen und den dramatischen Anstieg von Todesfällen zu verhindern suchen.

Die einst gut gedachten Dublin-Verträge sollten u.a. das sogenannte „Asylum Shopping“ verhindern, Minderjährige ohne Begleitung Erwachsener schützen und die Familien-Wiedervereinigung ermöglichen.

Heute müssen wir uns schmerzlich eingestehen, dass die Schengen-Außengrenzenländer Griechenland, Italien, Malta und Spanien oft überfordert sind. Jedes unserer Länder wäre ob dieser Situation überfordert. Der unaufhaltsame Anstieg der Flüchtlinge kann fast nicht bewältigt werden.

Tatsache ist, dass in den vergangenen 2 Jahren fast die Hälfte aller im Mittelmeer ankommenden Menschen aus Syrien und Eritrea stammten, wenn auch noch 38 andere Länder betroffen waren.

2014 überquerten rund 210 000 illegale Einwanderer das Mittelmeer, 170 000 strandeten in Italien. 3500 Menschen ertranken. Die sich verschlechternde, dramatische Lage in Libyen motiviert immer häufiger zu riskanter Flucht. Die Methoden der Schlepper, mit nicht seetüchtigen Booten, die hoffnungslos überladen werden, werden immer größere Todesfallen.

Die mangelnde Solidarität der EU, die Ablösung durch die Operation Triton mit geringeren Finanzen, personellen und logistischen Ressourcen verschlimmert die Lage zusätzlich.

Bis Oktober 2014 kamen allein in Italien über 36 000 Syrer an, in Griechenland waren es über 23 000. 3,2 Mio. Syrer wurden in den Nachbarländern registriert. Die Erklärungen der Terrororganisation „Islamischer Staat“, ihre Anhänger in den Flüchtlingsstrom einzuschleusen, haben Ängste geschürt und berechtigte Sicherheitsfragen aufgeworfen.

Wir müssen in unseren Ländern und gemeinsam mit höheren Beiträgen seitens aller Mitgliedsstaaten Such- und Rettungsaktionen unterstützen, Maßnahmen gegen Schlepper koordinieren, die Dublin-Verordnung überprüfen und Asylsuchende solidarischer nach einem Schlüssel gemäß Bevölkerungszahl der Aufnahmeländer verteilen, humanitäre Hilfsmaßnahmen ausweiten und die administrative, justizielle und ermittlungstechnische Zusammenarbeit ausbauen.

Wer Ja sagt zu globaler Wirtschaft, muss auch zu gemeinsamen globalen Lösungen Ja sagen.

Ich danke Ihnen.

Frank SCHWABE, Deutschland, SOC

(Dok. 13764)

Vielen Dank, Frau Präsidentin!

Alltäglich ereignen sich leider mehrere Katastrophen. Das Schlimme daran ist, dass sie eigentlich vorhersehbar sind. Jeder Abgeordnete, der sich in den letzten Monaten mit diesen Fragen beschäftigt hat, musste wissen, dass genau das passieren würde, was jetzt passiert. Wir hatten aber nicht die moralische Kraft, dies zu verhindern. Dies sollte uns alle mit Trauer und Scham erfüllen. Die hier stattfindenden menschlichen Katastrophen sind vor allem eine moralische Katastrophe für die Europäische Union.

Man muss m.E. dementsprechend auf vier Ebenen handeln:

Die erste Ebene sind die Fluchtursachen, wie Kriege und Armut. Hiergegen ist es am schwierigsten, etwas zu tun.

Auf den anderen drei Ebenen können wir aber sehr wohl ansetzen. Niemand kann sagen, wir seien dazu nicht in der Lage:

Die zweite Ebene ist die humanitäre Hilfe. Gerade vor Ort in den Bürgerkriegsgebieten können wir die humanitäre Hilfe verbessern und den Menschen zumindest eine Chance geben, in den Regionen zu bleiben. Dazu bräuchten wir etwa 20 Mrd. € an humanitärer Hilfe, die wir aber leider nicht in der Lage bzw. bereit sind aufzubringen. Zum Vergleich: Allein der Verteidigungsetat der Bundesrepublik Deutschland umfasst etwa 30 Mrd. €.

Der dritte Punkt sind die Fluchtwege: Wir müssen uns um die Fluchtwege vor allem im Mittelmeer, aber auch in anderen Regionen kümmern. Es ist vollkommen falsch, die Menschen nicht zu retten und dies als eine Art Abschreckungsmaßnahme zu verstehen.

Der vierte Punkt ist die Hilfe der Menschen vor Ort und deren rasche Integration.

Wir haben als Abgeordnete aus dem deutschen Parlament in dieser Woche gemeinsam mit italienischen Abgeordneten eine Initiative gestartet. Dafür möchte ich mich ausdrücklich bedanken. Sie haben die E-Mail sicher alle erhalten und können sich auch gerne beteiligen.

Wir haben erklärt, dass wir uns die Verantwortung für das, was da passiert, nicht länger gegenseitig zuschieben wollen, sondern uns dafür verantwortlich machen wollen. Damit wollen wir diese Form der Unverantwortlichkeit durchbrechen.

Dabei fragen wir nach zwei Dingen: der Eröffnung legaler Zugangswege für Flüchtlinge in Form von sogenannten humanitären Visa, sowie einer effektiven Seenotrettung orientiert an dem, was Mare Nostrum im letzten Jahr ausgemacht hat, allerdings solidarisch finanziert über die Europäische Union.

Ich begrüße es, dass wir gleich einen gemeinsamen Beschluss verabschieden werden. Sowohl der Beschluss als auch die Empfehlungen sind gut. Doch möchte ich hier noch einige problematische Formulierungen ansprechen: Die Situation wird so dargestellt, als wäre Mare Nostrum ein Anreiz dafür, dass mehr Flüchtlinge kommen. Das ist schlichtweg falsch!

Ich empfehle sehr, diese Passage gleich entsprechend zu korrigieren. Betrachtet man die Zahlen der Vereinten Nationen, wie des UNHCR oder der IOM, die über reale Zahlen verfügen, erkennt man, dass mit Mare Nostrum kein Anreiz dafür geschaffen wird, dass mehr Menschen kommen. Wenn wir also dies sowie einige weitere Punkte korrigieren, dann haben wir einen guten Bericht!

Danke.

Stefan SCHENNACH, Österreich, SOC

(Dok. 13764)

Danke sehr, Herr Vorsitzender!

Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Es war meines Erachtens die richtige Entscheidung, dass wir gerade in dieser Versammlung, einige Tage nach einer erneuten Katastrophe, diese Debatte hier durchführen.

Ich bin ein wenig enttäuscht, denn das erste und wichtigste Ziel sollte es sein, Menschen zu retten und erst in zweiter Linie, darüber nachzudenken, wie die Schlepper zu verfolgen sind.

Die bisher erfolgreichste Initiative, um Menschen zu retten, war Mare Nostrum. Daher sollten wir es in diesem Bericht nicht mobben. Wir brauchen Mare Nostrum als eine gemeinsame, europäisch finanzierte Initiative zurück. Später, wenn diese funktioniert, können wir dann wieder über Grenzschutz debattieren.

Wir haben im Wesentlichen 5 große Krisenherde, aus denen all die Flüchtlinge kommen: Syrien, Irak, Somalia, Nigeria und Afghanistan.

Wir sollten nie vergessen, dass kleine, verletzliche Staaten mehr Flüchtlinge beherbergen, als ganz Europa zusammen. Wenn wir die Flüchtlingszahlen in Europa anschauen, dann gilt mein persönlicher Respekt zu allererst Schweden, das gemessen an seiner Bevölkerungszahl eine unfassbare Anzahl von Flüchtlingen aufgenommen hat. An zweiter Stelle steht Italien und dann kommt Deutschland, das im Grunde in ganzen Zahlen das größte Flüchtlingsasylheim Europas ist.

Die Türkei beherbergt derzeit 2 Millionen Flüchtlinge. Wenn wir in Europa entscheiden würden, dass wir, das große Europa, proportional zu unserer Bevölkerungszahl so viele Menschen aufnehmen sollten, wie die kleine Türkei, dann wäre hier schon sehr viel geholfen.

Die Flüchtlingsströme, ob aus Istanbul, dem Libanon oder dem Irak, führen zuerst nach Khartum. Von dort geht dann die schwere Reise über weitere subregionale Flüchtlingszentren bis zu den 3 großen Einschiffungshäfen Zuwara, Bengasi und Tripolis. Wenn wir Menschen retten wollen, müssen wir bereits im Vorfeld in Khartum und den anderen Zentren in Kooperation tätig werden und Maßnahmen ergreifen.

Doch der erste Schritt muss es sein, Mare Nostrum wieder zu etablieren und den Menschen unmittelbar zu helfen. Der zweite ist es, in Europa, was die Flüchtlingsaufnahme betrifft, das Niveau der Türkei und eine gemeinsame, faire Verteilung zu erreichen.

Amendments zu Doc. 13764:

Frank SCHWABE, Deutschland, SOC

(Dok. 13764, Amendment 04)

Frau Präsidentin,

liebe Kolleginnen und Kollegen!

Die jetzt noch im Antrag stehende Behauptung, dass Mare Nostrum Flüchtlinge anziehe, ist schlichtweg falsch. Alle Zahlen der Vereinten Nationen machen deutlich, dass das so nicht stimmen würde, wenn wir es hier aufschreiben würden; Frau Kollegin Katrivanou hat die Zahlen gerade noch einmal genannt.

Auch bei Monsieur Mariani habe ich gerade verstanden, dass er die Zahlen der Vereinten Nationen nicht anzweifelt. Insofern bitte ich ganz herzlich, entgegen dem knappen Votum des Ausschusses doch hier für den Änderungsantrag zu stimmen.

Alev KORUN, Österreich, SOC

(Dok. 13764, Amendments 06 und 10)

Sehr geehrte Frau Präsidentin,

geschätzte Kolleginnen und Kollegen!

Im vorliegenden Bericht geht es um das Stoppen des Massensterbens im Mittelmeer. In diesem Absatz geht es aber um einen singulären Vorfall, der noch nicht gerichtlich untersucht wurde; er wird erst noch vor dem Gericht verhandelt werden.

Einen solchen Einzelfall zu generalisieren, noch dazu in einem Bericht, wo das Ziel Lebensrettung im Mittelmeer ist, finden wir unpassend und fehl am Platz.

Deshalb wird beantragt, diesen Absatz zu streichen, um Missverständnisse und Verallgemeinerungen zu verhindern.

Dankeschön.