AL15CR27

AS (2015) CR 27
Provisorische Ausgabe

SITZUNGSPERIODE 2015

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(3. Teil)

BERICHT

27. Sitzung

Freitag, 26. Juni 2015, 10.00 Uhr

Stefan SCHENNACH, Österreich, SOC

(Dok. 13809)

Danke, Herr Vorsitzender!

Ich habe nur eine Bitte, nämlich eine Korrektur des Protokolls über die russischen Beglaubigungen, wo ich bei der Zusammenfassung falsch bzw. missverständlich zitiert wurde. Im Deutschen sagt man, Glaube kann Berge versetzen, aber ich habe nicht von Theologie, sondern von Dialog gesprochen.

Da wir doch hoffen, dass unsere russischen Kollegen das nachlesen, möchten wir nicht, dass sie völlig verwirrt sind. Es geht nicht um Theologie, sondern um Dialog. Es wäre schön, wenn die russische Kirche nicht Teil des Problems, sondern dessen Lösung wäre. Ich bitte, im Protokoll das Wort „Theologie“ gegen „Dialog“ auszutauschen. Ich weiß nicht, wie dieses Missverständnis vorkommen konnte.

Katrin WERNER, Deutschland, UEL/GUE

(Dok. 13809)

Sehr geehrter Herr Präsident!

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!

Vielen Dank an die Berichterstatterin auch im Namen der europäischen Linken für ihren Bericht. Wir stimmen in vielen Punkten überein.

Seit einiger Zeit können wir in Europa einen allgemeinen Rechtsruck beobachten. In vielen europäischen Ländern, wie in Frankreich oder Ungarn, äußert sich das in Wahlerfolgen von extrem rechten oder rechtspopulistischen Parteien.

In ganz Europa gab es jüngster Vergangenheit große rassistische, fremdenfeindliche und homophobe Massenmobilisierungen, die tausende von Menschen auf die Straße gebracht haben. In Dresden demonstrierten über Wochen hinweg jeden Montag mehrere zehntausend Menschen gegen Flüchtlinge. Mit 162 Anschlägen haben sich im Jahr 2014 in Deutschland die Anschläge auf Unterkünfte für Asylbewerberinnen und –bewerber im Vergleich zu 2013 fast verdreifacht.

Diese Beispiele zeigen uns eines ganz deutlich, dass rassistische und menschenverachtende Einstellungen längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen sind. Sie drohen, wieder salonfähig zu werden und dagegen müssen wir vorgehen. Deshalb ist dieser Bericht so wichtig.

Frau Santerini geht in ihrem Bericht ausgiebig auf gesetzgeberische Maßnahmen ein, mit denen gegen Hassreden vorgegangen werden kann, und legt dabei den Fokus darauf, dass diese Maßnahmen in Widerspruch zur freien Meinungsäußerung geraten könnten.

Für mich ist es ganz klar, dass gegen öffentlich geäußerte menschenfeindliche Positionen Stellung bezogen und auch vorgegangen werden muss. Der Fokus sollte dabei jedoch nicht nur auf den juristischen Mitteln liegen. Wir sollten unser Hauptaugenmerk auf das zivilpolitische Engagement der Menschen legen, die sich gegen rassistische und menschenfeindliche Bestrebungen stellen.

Wir brauchen einen antifaschistischen Widerstand, der von der europäischen Gesellschaft ausgeht. Dazu ist es notwendig, dass sich die verschiedenen diskriminierten Gruppen zusammenschließen, um gemeinsam und länderübergreifend vorzugehen. Die Politik sollte daher in erster Linie Maßnahmen ergreifen, die darauf abzielen, zivilgesellschaftliche Gruppen und Vereinigungen, die sich aktiv gegen rechtsextreme Aktivitäten engagieren, zu unterstützen und zu fördern.

Ich möchte noch einmal betonen, wie wichtig die politische Bildung ist: Sie ist das effektivste Instrument gegen demokratie- und menschenfeindliche Orientierung, was auch durch verschiedene Studien belegt wurde. Durch sie kann eine Normalisierung von menschenfeindlichen Einstellungen verhindert werden. Darüber hinaus ermöglicht sie es den Menschen, Phänomene menschenfeindlicher Einstellung richtig zu erkennen und dementsprechend zu handeln.

Wir sollten daher die politische Bildung in den Schulen und in der Erwachsenenbildung ausbauen und stärken.

Frau Santerini hat Recht, wenn sie die Weltwirtschaftskrise in ihrem Bericht als eine Ursache der zunehmenden Verbreitung von rassistischem und anderem menschenfeindlichen Gedankengut nennt. Viele Menschen suchen in diskriminierten gesellschaftlichen Gruppen die Sündenböcke für ihre eigene schlechte ökonomische Lage. Hier kann wieder einerseits auf die Notwendigkeit der politischen Bildung verwiesen werden. Andererseits müssen wir aber auch am Wirtschaftssystem ansetzen.

Eine Wirtschaft, die auf dem Prinzip der Konkurrenz basiert, produziert notwendigerweise Armut und Ausgrenzung. Wir brauchen stattdessen eine solidarische Gesellschaft, in der nicht die Interessen der Wirtschaft, sondern die der Menschen im Mittelpunkt stehen.

Nur auf dieser Grundlage können rassistische und andere menschenfeindliche Einstellungen endgültig aus der Welt geschafft werden.

Vielen Dank.

Gabriela HEINRICH, Deutschland, SOC

(Dok. 13809)

Sehr geehrter Herr Präsident,

liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich danke Milena Santerini für ihren herausragenden und sehr klaren Bericht über das neue Phänomen Neorassismus. Der Bericht beschreibt sehr ausführlich die Sachverhalte, die in vielen Ländern Europas seit einiger Zeit zu beobachten sind.

Es ist wichtig, dieses Phänomen des Neorassismus zu beschreiben, weil dieser unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit manchmal gar nicht als das zu erkennen ist, was ihn ausmacht: Diskriminierung, Herabsetzung, Hass. Bestimmte Gruppen sind vermeintlich inkompatibel mit der eigenen Kultur – eine Aussage, die wir auch hier in der Versammlung in Teilen hören mussten.

Flüchtlinge, Ausländer, Menschen mit einer anderen Religion oder einer anderen sexuellen Orientierung sind die Ziele. Erst von Hassreden als Vorstufe, dann von Demonstrationen (dieses Phänomen ist speziell für Deutschland ausführlich beschrieben worden), die eine vermeintliche Mehrheitsmeinung darstellen sollen, oder gar von Gewalt.

Neorassismus ist diffus und gaukelt vor, existierende Werte der Mehrheitsgesellschaft zu schützen. Viele müssen an einem Strang ziehen, damit solche Meinungen nicht die Meinungsführerschaft übernehmen. Wenn ein paar Neorassisten auf der Straße demonstrieren, aber ein Vielfaches an Gegendemonstranten für eine bunte Gesellschaft eintritt, ist das ungeheuer wichtig!

Und wir als Menschenrechtspolitiker sind dabei extrem gefordert. Neorassistische Einstellungen dürfen auf gar keinen Fall aus taktischen Gründen nivelliert oder gar gefördert werden - Herr Badea hat dies bereits angesprochen.

Wir müssen uns klar von Rechtspopulisten abgrenzen, die auf der diffusen Welle mitschwimmen und damit auf Stimmenfang gehen. Denn durch die dauernde Wiederholung, für die schweigende Mehrheit zu sprechen, werden neorassistische Parolen nach und nach salonfähiger.

Europa ist gerade nicht durch Vorurteile und Ausgrenzung bestimmt. Europa versteht sich als Wertegemeinschaft für Vielseitigkeit und die multikulturelle Gesellschaft. Wenn wir das nicht mehr als Chance und Ziel ansehen, stirbt die europäische Idee. Intoleranz, Diskriminierung und Vorurteile unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit gefährden die demokratischen und pluralen Gesellschaften Europas.

2011 wurde im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung eine Studie mit dem Titel „Die Abwertung der Anderen“ veröffentlicht. Sie beschreibt gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit und kommt zu alarmierenden Ergebnissen. Ich nennen drei Beispiele:

- Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit ist in Europa weit verbreitet.

- Sie findet nicht nur in Randgruppen der Mehrheitsgesellschaft statt, sondern in der Mitte der europäischen Gesellschaften.

- Vorurteile gegenüber einer Gruppe gehen häufig mit Vorurteilen gegenüber anderen Gruppen einher.

All das haben wir bereits heute besprochen.

Die Handlungsempfehlungen aus der Studie decken sich in weiten Teilen mit den Forderungen aus dem vorliegenden Bericht. Neorassismus ist eine soziale Haltung, die man mit sozialen Mitteln bekämpfen muss. Wir müssen in sozialen Netzwerken Hassreden entgegentreten, und wir müssen in der Bildung die Chancen der Verschiedenheit vermitteln. Nur damit bekämpfen wir den Hass in den Köpfen der Menschen.

Ich fand es sehr beeindruckend, dass die Kollegin Ohlsson auch sehr stark auf die emotionale Seite eingegangen ist, denn obwohl wir seit vielen Jahren Menschenrechtsbildung in den Schulen anbieten (speziell für Deutschland kann ich das sagen), versuchen wir offensichtlich immer nur, die kognitive Seite anzusprechen.

Ich glaube, hier sind wir sehr stark gefragt, die Menschen besser zu erreichen, denn dies ist ein Phänomen, das wir alle miteinander massiv gemeinsam bekämpfen müssen.

Vielen Dank.

Volkmar VOGEL, Deutschland, PPE/DC / EPP/CD

(Dok. 13802)

Frau Präsidentin,

liebe Kolleginnen und Kollegen!

Als erstes möchte auch ich Herrn Professor Franken herzlich für diesen sehr ausgewogenen Bericht danken, der natürlich auch nationale Besonderheiten berücksichtigt. Doch nicht nur für diesen Bericht: Ich bedanke mich ausdrücklich bei ihm und auch anderen Kollegen aus dieser Versammlung, die sich schon seit vielen Jahren mit diesem Thema beschäftigen, denn obwohl dieses Thema schon sehr lange akut ist, interessiert sich erst heute die Öffentlichkeit dafür.

Auch meinen Kollegen Axel Fischer möchte ich in meinen Dank einschließen - aus aktuellem Grund: Auch im Deutschen Bundestag waren wir ja von einem Cyberangriff betroffen. Ein Angriff auf Institutionen, auf Behörden ist ja noch nicht das Ende der Fahnenstange, sondern ein Einfallstor für weitere Angriffe von noch weiterreichender Bedeutung, bis hin zu Angriffen auf unsere gesamte Infrastruktur im Verkehrs-, Wirtschafts- oder Sicherheitsbereich.

Wir sollten uns bewusst sein, dass dieses Problem vergleichbar ist mit der Bedrohung durch Kernwaffen und es daher auf dieselbe Ebene stellen. Deswegen ist es wichtig, diesen Bericht zu haben und mit unseren Mitgliedsstaaten, eigentlich mit der ganzen internationalen Gemeinschaft auf diesem Gebiet sehr eng zusammenarbeiten.

Das beginnt damit, dass man, wenn Angriffe erkennbar sind, recht schnell Rechtshilfegesuche stellt, die schnell bearbeitet werden und dazu führen, dass diesen Kriminellen nachgegangen wird. Ebenso wichtig ist es natürlich, eine enge Zusammenarbeit und Abstimmung bei der Strafverfolgung und Bestrafung der Täter zu pflegen.

Natürlich kommt es darauf an, dass die Sicherheitsstandards insgesamt weiter verbessert werden. Dazu bedarf es nationaler Standards, die jedoch international abgestimmt und kompatibel sein müssen. Diese Standards sollen natürlich nicht nur den Rechtsrahmen beinhalten, sondern ebenso Provider, Kommunikationsunternehmen und andere Beteiligte, die in diesem Bereich arbeiten und auf deren Hilfe und Unterstützung wir genauso angewiesen sind.

Es ist meines Erachtens ein gutes Zeichen, wenn wir heute, zum letzten Tagesordnungspunkt der Junisitzung unserer Parlamentarischen Versammlung, zu einem einstimmigen Beschluss zu diesem hervorragenden Bericht kommen. Allerdings heißt das nicht, dass wir dieses Thema heute abschließen können.

Ich unterstütze meine Vorredner in ihrem Vorschlag, dieses Thema immer wieder hier zu besprechen, denn die Welt verändert sich weiter und die Angriffe sind immer wieder von neuer Qualität. Es ist unsere Aufgabe, darauf zu reagieren, die entsprechenden Beschlüsse zu fassen und Hinweise auch für unsere Mitgliedsstaaten und die internationale Gemeinschaft zu geben.

Danke.