AL15CR33

AS (2015) CR 33
Provisorische Ausgabe

SITZUNGSPERIODE 2015

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(4. Teil)

BERICHT

33. Sitzung

Mittwoch, 30. September 2015, 15.30 Uhr

Zsolt CSENGER-ZALÁN, Ungarn, PPE/DC / EPP/CD
(Dok. 13864)

Vielen Dank, Herr Präsident!

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte wacht über die Einhaltung der Grundrechte, die in der Europäischen Konvention für Menschenrechte festgelegt sind, und ist somit ein äußerst wichtiges Organ der Wahrung der Menschenrechte in Europa.

Es ist ausgesprochen wichtig, dass die Urteile des Menschenrechtsgerichtshofes auch entsprechend durchgesetzt werden. Die Durchsetzung wird natürlich in erster Linie vom Ministerrat überwacht. Meiner Meinung nach ist es ausgesprochen positiv, dass auch die Parlamentarische Versammlung diese Urteile unter die Lupe nimmt, damit wir die Mängel an unsere nationalen Parlamente weitergeben und die nötigen rechtlichen Schritte einleiten können.

Aufgrund des Entschließungsentwurfs können wir davon ausgehen, dass zurzeit 11 000 Urteile nicht vollstreckt worden sind, davon 331 in Ungarn. Hier möchte ich hervorheben, dass andere Mitgliedstaaten weit mehr Urteile nicht vollstreckt haben, Italien z.B. 2622.

Aber wenn wir schon über Statistiken reden, möchte ich darauf hinweisen, dass wir uns nicht nur auf die Zahlen konzentrieren sollten, sondern auch auf den Inhalt. Es gibt bei der Vollstreckung von Urteilen individuelle und allgemeine Maßnahmen. Die individuellen Maßnahmen, wie z.B. die Zahlung von Schadenersatz an die klagende Partei oder die Einleitung von speziellen juristischen Verfahren, werden von ungarischer Seite immer innerhalb der vorgegebenen Fristen erledigt. Ganz andere Fragen sind jedoch die generellen Maßnahmen, welche flächendeckende Gesetzgebung voraussetzen.

Im Fall von Ungarn handelt es sich nämlich um ein strukturelles Problem: die überlangen Gerichtsverfahren. Es ist verständlich, dass dieses Problem nicht innerhalb von 1-2 Monaten gelöst werden kann. Das Pilot-Urteil Gazsó gegen Ungarn wurde am 16. Juli 2015 durch den Gerichtshof gefällt und Ungarn hat bis zum 16. Oktober 2016 Zeit, um das Problem der verzögerten Urteile zu lösen.

Außerdem hatten wir einen Plan für die Reform der Judikative, welcher durch die bessere Verteilung der Fälle unter den Gerichten auch die Verzögerungen abgeschafft hätte. Dieser wurde jedoch von anderen Instanzen angegriffen und konnte nicht durchgesetzt werden.

Ich möchte also die parlamentarische Versammlung dazu aufrufen, nicht nur die Zahlen anzuschauen, sondern auch den Inhalt der nicht vollstreckten Urteile zu berücksichtigen und nach ihrem jeweiligen Gewicht zu beurteilen.

Dankeschön.

Axel E. FISCHER, Deutschland, EPP/CD / PPE/DC
(Dok. 13864)

Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
meine Damen und Herren!

Bereits 1950, also ein Jahr nach seiner Gründung, verabschiedete der Europarat in Rom die Europäische Konvention der Menschenrechte und Grundfreiheiten. Diese hat bis heute Gültigkeit.

Dort sind die grundlegenden Freiheitsrechte verankert, wie das Recht auf Leben, Verbot der Folter, Recht auf Freiheit und Sicherheit, das Recht auf faire Gerichtsverfahren, das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens u.v.m. Über all dem wacht der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte.

Ich bin dem Präsidenten sehr dankbar, dass er hier klare, deutliche Worte gesprochen hat. Wir als Parlamentarische Versammlung sind dabei ja nicht unbeteiligt, denn wir wählen die Richterinnen und Richter, die von den nationalen Regierungen vorgeschlagen werden. Wir haben einen Richter-Wahlausschuss, der im Vorfeld ihre Qualität prüft. Es ist für uns nicht selbstverständlich, die Vorschläge der Länder anzunehmen. Wenn wir der Auffassung sind, dass die drei vorgelegten Vorschläge nicht unseren legitimen Anforderungen entsprechen, schicken wir sie wieder zurück.

ich möchte dem Kollegen Berichterstatter zu dem Bericht, der uns vorliegt, sehr herzlich gratulieren. Ich halte es für absolut inakzeptabel, dass wir fast 11 000 Fälle von nicht umgesetzten Gerichtsurteilen haben. Was bedeutet es denn für ein Land, wenn plötzlich die Bürger anfangen, entsprechende Urteile in Frage zu stellen? Wie soll ein Rechtsstaat funktionieren, wenn die Bürger sagen, „das Urteil interessiert mich nicht“ oder „die Gesetze interessieren mich nicht“? Das können wir einfach nicht akzeptieren.

Deshalb ist es auch unsere Aufgabe als Mitglieder der nationalen Parlamente, bei uns zu Hause der Regierung deutlich zu machen, dass wir erwarten, dass solche Gerichtsurteile umgesetzt werden.

Ich gebe ganz offen zu, dass auch ich aus politischer Sicht nicht von jedem Urteil unbedingt begeistert bin. Aber ein Gericht spricht Recht, und das muss akzeptiert werden, ob es einem passt oder nicht! Das gilt für jede einzelne Regierung unserer 47 Mitgliedsstaaten.

Deshalb wäre es m.E. sehr gut, wenn wir diesen Bericht heute annehmen. Deshalb mein Dank an den Berichterstatter und meine Bitte, in den nationalen Parlamenten darauf zu drängen, dass unsere Regierungen akzeptieren, was sie einmal unterschrieben und vereinbart haben, also akzeptieren, was in den Urteilen klar und deutlich steht.

Herzlichen Dank.

Alfred HEER, Schweiz, ADLE / ALDE
(Dok. 13851)

Geschätzte Frau Präsidentin,
geschätzte Damen und Herren!

Auch ich möchte dem Rapporteur herzlich für seinen ausgewogenen Bericht danken.

Leider ist es so, dass viele der heutigen Konflikte in der Welt ihren Ursprung in religiösen Differenzen haben – denken Sie nur an die Konflikte im Nahen Osten. In Europa kennen wir diese Probleme glücklicherweise noch nicht. Wir müssen alles daran setzen, dass das friedliche Zusammenleben der verschiedenen Religionen in unseren europäischen Ländern gewährleistet ist.

Die Religionsausübung muss gewährleistet werden. Sie hat aber auch ihre klaren Grenzen, nämlich dort, wo die Menschenwürde, der demokratische Rechtsstaat oder auch die Freiheit des Einzelnen tangiert sind. Ich denke z.B. an Mädchen oder Frauen, die in der Ausübung ihrer Freiheit oder ihrer Ausbildung durch die Religion behindert werden. Dies sollten und dürfen wir nicht tolerieren.

Wir sollten den Dialog mit allen religiösen Führern dieser verschiedenen Religionen führen. Ein Dialog zwischen Politik und Religion muss stattfinden. Doch jenen Religionsführern, die Hass predigen, müssen klare Grenzen gesetzt werden, nicht nur durch die Politik und den Rechtsstaat, sondern auch durch die verbündeten Religionsführer, die auf der vernünftigen Basis das Gute sehen.

Wir haben in unseren Ländern unterschiedliche Religionen – Muslime, Juden, Christen -, aber im Grundsatz sollte die Religion für den Menschen da sein. Das Gute in den Religionen sollten wir mitnehmen und ein gutes und gütliches Zusammenleben fördern. Einst gab es im Nahen Osten das „goldene Zeitalter“, wo Juden und Muslime gut zusammenleben konnten. Es ist nicht auszuschließen, dass dies auch in Zukunft irgendeinmal wieder möglich sein wird.

Was die Beschneidung von Knaben betrifft, so ist dies eine Jahrtausende alte Tradition. Hier sehe ich eigentlich kein Problem mit der Unversehrtheit, denn man kann ja nicht sagen, dass den Knaben dadurch irgendein Nachteil entstehen würde. Bei den Mädchen ist das anders, darum bin ich froh, dass im Bericht die Wörter „young boys“ eingefügt werden. Bei den Mädchen ist die religiöse Beschneidung letztendlich eine Verstümmelung und damit nicht tolerierbar. In diesem Sinne werden wir dem Bericht zustimmen. Ich danke nochmals dem Berichterstatter.

Axel E. FISCHER, Deutschland, EPP/CD / PPE/DC
(Dok. 13851)

Frau Präsidentin!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Meine Damen und Herren!

Religionsfreiheit ist ein Menschenrecht, aber Religion darf die Menschenrechte nicht ausschalten.

Religion gibt den Menschen Orientierung und Halt. Versteht man sie als Nächstenliebe, Hilfsbereitschaft und Selbstlosigkeit, so ist Religion für die junge Generation, wie auch für alle anderen Menschen, eine gute Orientierung.

Toleranz muss Religion leben. Das bringt der Bericht sehr gut zum Ausdruck, denn wenn man ein wirklich religiöser Mensch ist, hat man auch Toleranz für andere Religionen und dafür, dass andere Menschen sagen, dass sie gar keiner Religion angehören wollen.

Das sind m.E. äußerst wichtige und entscheidende Dinge. Wenn wir in unsere nationalen Parlamente gehen, sollten wir auch darauf achten, dass Religionsunterricht selbstverständlich in der Landessprache durchgeführt wird. Ein Christ muss, wenn er das möchte, in seinem eigenen Land auch einem anderen Religionsunterricht zumindest folgen können, um zu sehen, was dort berichtet wird. Deswegen muss dieser Unterricht in der Landessprache stattfinden. Religion, egal welche, muss offen sein für alle Menschen in einem Land.

Mein Kollege Thomas Feist weist immer wieder darauf hin, dass es sich bei Gewalt und Missachtung der Rechte der Frauen, der Kinder oder auch der Männer um einen Ausbruch von Menschenverachtung handelt, der mit Religion überhaupt nichts zu tun hat. Damit hat er es auf den Punkt gebracht: Wenn Religionen vorgeben, aus religiösen Gründen Frauen, Kinder oder, in selteneren Fällen, auch Männer zu unterdrücken, dann ist das eine Missachtung der Menschenrechte.

Aus diesem Grund ist auch das, was z.B. der IS (Islamische Staat) tut, in dem Sinne, wie wir es hier im Europarat sehen und verhandeln, nicht wirklich religiös.

Deshalb bin ich sehr glücklich, dass wir heute diesen Bericht diskutieren. Mit ein paar Änderungsvorschlägen wollen wir ihn noch besser machen. Ich bin mir sicher, dass wir den einen oder anderen Änderungsantrag mit Mehrheit beschließen werden.

Ich möchte abschließen, wie ich begonnen habe: Religionsfreiheit ist ein Menschenrecht, aber unter dem Vorwand der Religion dürfen Menschenrechte nicht ausgeschaltet bzw. ausgehebelt werden.

Herzlichen Dank!

Thomas FEIST, Deutschland, EPP/CD / PPE/DC
(Dok. 13851)

Vielen Dank, Frau Präsidentin!

Ich möchte mich beim Berichterstatter nicht nur für den Bericht, sondern auch für die außerordentlich gute und konstruktive Zusammenarbeit im Ausschuss bedanken. Wir hatten von deutscher Seite aus einige Anmerkungen, die gute Grundlage zu Diskussionen boten.

Wenn wir über Religionsfreiheit und Menschenrechte sprechen, müssen wir auch die Rolle der Religionsgemeinschaften in unseren Gesellschaften genauer beleuchten. Wie Sie sagten, braucht es ein Miteinander zwischen Religionsgemeinschaften und der Zivilgesellschaft. Genau das findet statt – z.B. in Deutschland, wo Kirchen sich karitativ den Flüchtlingen widmen.

Weil Deutschland vorhin mehrmals angesprochen wurde, möchte ich darauf hinweisen, dass, wenn wir den Bericht ernst nehmen, es nicht zielführend sein kann, die Flüchtlinge in den Aufnahmestätten nach Ethnie oder Religion zu trennen. Das würde genau dem widersprechen, was in diesem Bericht steht, nämlich, dass Religionsfreiheit die Grundlage für ein friedliches Zusammenleben ist.

Auch die Schule wurde bereits angesprochen. Ich möchte darauf hinweisen, dass es wichtig ist, in unseren Schulen darauf hinzuwirken, dass neben einer interreligiösen auch eine interkulturelle Kompetenz vermittelt wird. Daher freue ich mich, dass ich heute im Ausschuss viel Unterstützung für eine Initiative erhalten habe, die sich mit interkulturellen Lernkompetenzen beschäftigt. Neben den sogenannten MINT-Fächern Mathematik, Physik etc. darf die kulturelle und interreligiöse Bildung nicht ins Hintertreffen geraten.

Wenn wir auf der Grundlage von Religionsfreiheit dafür sorgen, dass wir in Europa ein gedeihliches Miteinander haben, dann und nur dann kann Europa auch weiterhin als Vorbild für die gesamte Welt gelten. Denn dort, wo im Namen Gottes Menschen verfolgt, diskriminiert und benachteiligt werden, müssen wir unsere Stimme erheben und sagen: Es gibt verschiedene Wege der Erkenntnis, auch der religiösen Erkenntnis – alle haben ihren Wert.

Deswegen ist der Bericht eine gute Grundlage für ein gedeihliches und friedliches Zusammenleben in Europa.

Vielen Dank.

Amendments zu Dok. 13851:

Axel E. FISCHER, Deutschland, EPP/CD / PPE/DC
(Dok. 13851, Amendment 02)

Vielen Dank, Frau Vorsitzende!

Dieser Antrag ist noch einmal zur Präzisierung des Berichts gedacht, weil wir damit noch einmal deutlich machen, worum es im Detail geht. Ich bin sehr froh, dass wir auch die Zustimmung des Berichterstatters dazu haben und glaube, dass es vernünftig wäre, diesen Antrag entsprechend anzunehmen.

Axel E. FISCHER, Deutschland, EPP/CD / PPE/DC
(Dok. 13851, Amendment 02, Subamendment)

Frau Präsidentin,

wir sind mit dieser Streichung absolut einverstanden weil der Kern, die Bedeutung des Antrags damit erhalten bleibt. Ich denke, das kann man so annehmen.