SITZUNGSPERIODE 2003

(3. Teil)

BERICHT

17. SITZUNG

Montag, 23. Juni 2003, 15.00 Uhr

REDEBEITRÄGE IN DEUTSCH


Eduard LINTNER, Deutschland, EPP/PPE

Herr Präsident,

Im Rechtsausschuss wurde, glaube ich zu Recht die Meinung vertreten, dass wir jetzt im Hinblick auf die Tatsache Stellung nehmen müssen, dass am 1. Juli eine Fristsetzung abläuft, welche die Vereinigten Staaten ihren Verhandlungspartnern gesetzt haben. Dieser Sachverhalt ist von einiger völkerrechtlicher Brisanz und droht vor allem auch eines unserer wichtigsten Projekte, nämlich den Internationalen Strafgerichtshof, zu blockieren. Deshalb meinen wir, das Plenum dieser Versammlung sollte sich damit befassen.

Eduard LINTNER, Deutschland, EPP/PPE

Herr Vorsitzender,

Wir haben uns mit dieser Frage nicht ausdrücklich befasst, sondern sie ist nur kurz ohne ein Votum andiskutiert worden. Dabei wurde die Meinung vertreten, man sollte sich trotzdem mit dieser Sache befassen.

Eduard LINTNER, Deutschland, EPP/PPE

Die Kommission ist gegen die Absetzung.

Franz FISCHLER,

Mitglied der Europäischen Kommission

zuständig für Landwirtschaft, ländliche Entwicklung und Fischerei

Sehr geehrter Herr Präsident,

meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten,

meine sehr geehrten Damen und Herren,

Zunächst möchte ich mich herzlich für die Einladung bedanken, heute zu Ihnen zu sprechen. Das sage ich nicht nur aus purer Höflichkeit, sondern verstehen Sie das bitte als eine Wertschätzung der Beiträge des Europarates zu vielen politischen Themen, die es daher auch verdienen, ausgiebig diskutiert zu werden. Das gilt besonders auch für die beiden Berichte, die heute zur Diskussion stehen.

Lassen Sie mich zuerst die Landwirtschaft im Mittelmeerraum ansprechen. Die Landwirtschaft ist ein Schlüsselelement der euro-mediterranen Partnerschaft und gleichzeitig ein wichtiger Teil der Volkswirtschaften der Mittelmeerländer. Wie Sie, Herr Abgeordneter Fernández Aguilar zu Recht in Ihrem Bericht ausführen, braucht der Agrarsektor im Mittelmeerraum insbesondere mehr Diversifizierung der Erzeugung, Qualitätsverbesserungen auf allen Ebenen und – wie Sie mehrmals betont haben – ein gutes Wassermanagement, um nachhaltig mit dieser wichtigsten Produktionsressource umzugehen.

Was die Diversifizierung der Erzeugung angeht, so bemüht sich die Europäische Union seit mehreren Jahren mit Hilfe von Assoziationsabkommen, den Boden für eine gegenseitige Handelsliberalisierung im Agrarsektor aufzubereiten, wobei wir in Barcelona die Schaffung einer Freihandelszone als finales Ziel vereinbart haben. Entsprechend dem Geist des Barcelona-Prozesses wird der gesamte Agrarhandel schrittweise in die Handelsliberalisierung einbezogen, entweder über Zollpräferenzen für unbeschränkte Mengen oder über Zollkontingente, die so hoch festgesetzt werden, dass sie mindestens dem Umfang des traditionellen Handels zwischen den Vertragspartnern entsprechen. Der gegenseitige fortschreitende Marktzutritt soll dazu beitragen, eine Zone der Stabilität zu schaffen und ein gerechtes, marktorientiertes Handelsumfeld aufzubauen. Dabei dürfen wir jedoch die soziokulturellen und ökologischen Aspekte des Handels nicht vergessen. Darauf ist bei der Gestaltung der MEDA-Programme der Gemeinschaft Rücksicht zu nehmen. Diese schon heute sehr wirksamen Instrumente sollen künftig auch noch weiter verbessert werden.

Um die Produktion im Mittelmeerraum zu diversifizieren und die Entwicklung der lokalen Produktion und der Nischenproduktion zu fördern, wurden zwischen den Partnern als Teil des institutionellen und rechtlichen Rahmens für die bessere Verwaltung der Märkte neue Foren eingerichtet. Zum Beispiel hat die Kommission vor kurzem einen Unterausschuss für die Landwirtschaft mit Marokko eingerichtet. Ähnliches haben wir auch mit allen Ländern in der Region vor, so dass wir mit der Zeit über maßgeschneiderte Instrumente verfügen, um Probleme, die sich bei der Liberalisierung des Handels oder der Diversifizierung der Erzeugung, der Entwicklung neuer Absatzmärkte ergeben, rasch und wirksam lösen zu können.

Eine Frage liegt mir besonders am Herzen, meine Damen und Herren, nämlich die Qualität der Erzeugnisse und die Nahrungsmittelsicherheit. In der Mittelmeerlandwirtschaft stehen sich zwei völlig unterschiedliche Agrarkonzepte gegenüber. Auf der einen Seite die traditionelle Subsistenzlandwirtschaft, deren Erzeugung rückläufig ist. Auf der anderen Seite die exportorientierte Erzeugung hauptsächlich von Zitrusfrüchten, Frühkartoffeln, Obst und Gemüse, Schnittblumen, die von Investitionen in Bewässerungsprojekte besonders profitiert. Auf jeden Fall aber müssen unsere Partner im Mittelmeerraum weitere Fortschritte bei den Reformen der Landaufteilung machen. Ebenso bei der Öffnung des Bodenmarktes, bei Investitionen in Wasserprojekte, bei der Verbesserung der vor- und nachgelagerten Bereiche und bei den Reformen im Zoll- und im Transportwesen.

Wie Sie sehen, gibt es also auch in Zukunft eine ganze Reihe von Herausforderungen, aber unsere Hilfsprogramme sollen mithelfen, diese bewältigen zu können. Unser gemeinsames Ziel ist letztendlich ein nachhaltiger und gerechter Agrarsektor in den Partnerländern.

Der zweite Bericht, der heute zur Diskussion steht, beschäftigt sich bekanntermaßen mit der Erweiterung. Es freut mich, dass Sie, Herr Abgeordneter Libicki, die Notwendigkeit der ländlichen Entwicklung besonders betont haben. Gerade weil die ländliche Entwicklung für die Kandidatenländer von einer solch herausragenden Bedeutung ist, haben wir mit dem SAPARD-Programm schon vor der Erweiterung begonnen die Entwicklungschancen in den ländlichen Räumen dieser Staaten zu verbessern. Für die Zeit nach dem Beitritt haben wir in den Beitrittsverhandlungen ein maßgeschneidertes Paket für die ländliche Entwicklung in den Beitrittsländern geschnürt. So haben wir einige neue Maßnahmen speziell für die ländliche Entwicklung dieser Länder vereinbart, z.B. eine Beihilfe für Semi-Subsistenzbetriebe oder finanzielle Unterstützungsmöglichkeiten bei der Anpassung an Gemeinschaftsnormen. Zudem gilt ein höherer Kofinanzierungssatz.

Ihr Bericht, Herr Abgeordneter, unterstreicht darüber hinaus auch die Notwendigkeit, die Gemeinsame Agrarpolitik zu vereinfachen. Dem kann ich nur zustimmen. Vereinfachung sollte in den neuen und bisherigen Mitgliedsstaaten ganz oben auf unserer Prioritätenliste stehen. Allerdings möchte ich unterstreichen, dass wir schon in den vergangenen Jahren über hundert Vorschläge zur Vereinfachung aufgegriffen und so gut wie möglich umgesetzt haben. Dass die Vereinfachung der Gemeinsamen Agrarpolitik für mich eine Toppriorität ist, beweisen auch die Vorschläge zur Reform, die ich im Januar vorgestellt habe. Ich hätte Ihnen gerne heute schon das Ergebnis präsentiert, aber es muss diese Woche noch ein wenig weiterverhandelt werden. Ich hoffe, dass wir dann auch zu einem Ergebnis kommen werden.

Meine Damen und Herren, wenn wir ein wenig auf die letzten Jahre zurückblicken, wird klar, dass wir bereits einen beträchtlichen Weg zurückgelegt haben, um die Gemeinsame Agrarpolitik zu modernisieren. In der Zwischenzeit wird mehr und mehr anerkannt, dass die Landwirtschaft mehr bedeutet als nur die Herstellung von Lebensmitteln. Die Landwirtschaft hilft heute wieder, die Artenvielfalt in Fauna und Flora zu erhalten. Sie trägt dazu bei, dass wir uns über gepflegte Kulturlandschaften freuen können. Sie sorgt für die Erhaltung wichtiger natürlicher Ressourcen, und sie bringt Leben in die ländlichen Gemeinden. Die Landwirtschaft ist also eine multifunktionale Tätigkeit, die der gesamten Gesellschaft nützt. Es ist daher auch nur konsequent und logisch, dass eines der Ziele der gegenwärtigen Reformvorschläge auf die Verstärkung der Verbindung zwischen Landwirtschaft und Umwelt ausgerichtet ist. Das ist auch der Grund, warum ich soviel Wert darauf lege, dass die Empfänger von Direktzahlungen als Gegenleistung dazu verpflichtet werden, ihr gesamtes Land in einem guten landwirtschaftlichen Zustand zu halten, Umweltprobleme zu vermeiden und das Land und ihre Haustiere pfleglich zu behandeln.

Das bringt mich zu einem heiklen Thema, das Ihr Bericht ebenfalls anspricht. Während der Erweiterungsverhandlungen gab es eine breite Debatte, ob den zukünftigen Mitgliedsstaaten die Direktzahlungen von Anfang an in vollem Umfang gewährt werden sollten oder erst nach einer gewissen Übergangzeit oder gar nicht. Wie Sie wissen, haben wir letztendlich einen Kompromiss erzielt, der die stufenweise Einführung der Direktzahlungen in den ersten Jahren nach dem Beitritt vorsieht. Allerdings dürfen die neuen Mitgliedsstaaten die Direktzahlungen durch nationale Mittel in einem gewissen Ausmaß ergänzen. Meiner Meinung nach bringt diese Lösung die Interessen und Wünsche sowohl der gegenwärtigen als auch der künftigen Mitgliedsstaaten in einer vernünftigen Weise zusammen.

Meine Damen und Herren, Ihre beiden Berichte sprechen Themen an, die für die Zukunft der EU von größter Bedeutung sind. Diese Themen verdienen auch weiterhin unsere volle Aufmerksamkeit. Die Landwirte und Verarbeiter in den Mittelmeerländern müssen Bereiche finden, in denen ihre Erzeugung zu der in der EU komplementär ist, sie müssen ihre Standards harmonisieren, und wir müssen technische und finanzielle Hilfe gewährleisten. Hinsichtlich der Landwirtschaft in einer erweiterten Union mit 25 Mitgliedern bin ich optimistisch, dass ein wettbewerbsfähiger landwirtschaftlicher Sektor entstehen wird und dass die Landwirtschaft auch nachhaltig betrieben werden wird. Allerdings steht den betroffenen Staaten eine beträchtliche Umstrukturierung ins Haus, die nur in Verbindung mit einer ausreichenden ländlichen Entwicklungspolitik bewältigt werden kann. Mit der Aufnahme von zehn neuen Mitgliedsstaaten ist der Erweiterungsprozess jedoch noch nicht abgeschlossen. Die Beitrittsverhandlungen gehen mit Bulgarien und Rumänien weiter. Ende 2004 wird die Kommission einen Bericht erstellen, inwieweit die Türkei die politischen Beitrittskriterien erfüllt, und Sie wissen natürlich auch, dass Kroatien bereits ebenfalls einen Beitrittsantrag gestellt und der Gipfel in Thessaloniki gerade am Wochenende die Erweiterung um Südosteuropa beraten hat.

Meine Damen und Herren, ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit, und ich bin mir sicher, dass wir auch nach der heutigen Debatte weiter die Gelegenheit haben werden, unseren Dialog zu diesen Themen fortzusetzen.

Der Präsident

Sehr geehrter Herr Fischler,

Vielen herzlichen Dank für Ihren interessanten und wertvollen Beitrag zu unserer Debatte. Wir führen nun die Debatte durch. Wenn Sie am Schluss für ein paar Minuten das Wort wünschen um zu antworten, dann steht Ihnen das selbstverständlich frei. Herzlichen Dank dafür, dass Sie hierher gekommen sind und dieses Statement abgegeben haben.

Renate JÄGER, Deutschland, SOC

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen,

Ich schätze an diesem Bericht besonders, dass er einen wichtigen Beitrag dazu leistet, die umfassende Debatte über die Gestaltung der Landwirtschaft im europäischen Raum weiterzuentwickeln und weiterzuführen. Diese Debatte soll dazu beitragen – und ich denke, dass sie auch dazu beiträgt – bei den Reformen die in der GAP zusammen voranzubringen sind, einen oder verschieden Kompromisse zu finden. Aus meiner Sicht stellen aber bereits die Beschlüsse des Europäischen Rates von Kopenhagen eine faire Grundlage für alle weiteren Bemühungen dar. Es muss so sein, dass das Erreichte zunächst einmal akzeptiert wird und dass wir diesen erreichten Kompromiss nicht mit neuen Anforderungen belasten und auch nicht wieder in Frage stellen dürfen. Die weiteren Debatten und Bemühungen müssen mehreren Zielen dienen, und ich denke ein Ziel, das bisher noch nicht erwähnt worden ist, ist die soziale Ausgewogenheit bei der Gestaltung einer neuen Landwirtschaft. In diesem Sinne ist darauf zu achten, dass in den Beitrittsländern die soziale Ausgewogenheit bei dem gesamten Übergangsprozess, dem Reformprozess, erhalten bleibt. Aber es ist genauso viel Wert darauf zu legen, dass die soziale Stabilität in den ländlichen Räumen der alten Mitgliedsländer gewahrt bleiben muss.

In diesem Zusammenhang möchte ich dieses weitere Ziel nennen, welches für mich eine große Bedeutung hat. Es ist die Fortführung des Modulationsprozesses, auf den sehr großes Augenmerk gelegt werden sollte. Ich denke, dass dieser Modulationsprozess sowohl den alten Mitgliedsländern als auch den neuen Mitgliedsstaaten, den Beitrittsländern, eine reichhaltige Palette an finanziellen Möglichkeiten einräumt, den Agrarsektor zu modernisieren, neue landwirtschaftliche aber auch nicht landwirtschaftliche Aktivitäten im ländlichen Raum zu entwickeln, Umweltschutz in größerem und stärkerem Umfang zu betreiben und vor allen Dingen sich um den Erhalt der biologischen Vielfalt zu bemühen. Auch die Beseitigung von Schäden, die insbesondere durch die kommunistische Landwirtschaft in den Beitrittländern entstanden sind, sollte mit Hilfe dieser finanziellen Mittel ermöglicht werden können. Grundsätzlich ist daher zu begrüßen, dass die direkten Beihilfen schrittweise reduziert und das freiwerdende Geld in die Förderung des strukturschwachen ländlichen Raums investiert wird. Wie viel Geld in den einzelnen Mitgliedsländern verbleibt und verbleiben wird, ist sicherlich noch ein großer Streitpunkt, und ich wünsche der EU-Kommission viel Erfolg bei der Herausarbeitung der Kriterien, wie man diese Mittel verteilt und wie diese Gelder auf die Länder fließen können.

Da diese Umsteuerung von Geldleistungen in den einzelnen Nationalstaaten eine ganz konkrete Umsetzung erfahren muss, ist es aus meiner Sicht wichtig, dass auch die Beitrittskandidaten in einer geeigneten Weise an diesem Prozess teilhaben. Ich halte es für außerordentlich wichtig, dass zumindest Zwischenberichte oder aktuelle Verhandlungsstände diesen Beitrittsländern mitgeteilt werden. Ich wünsche mir sehr, dass die Vielfalt der landwirtschaftlichen Systeme in den einzelnen Ländern bei allen Verhandlungen weitere Berücksichtigung finden und nicht Zahlungen unbedingt an die Größe der landwirtschaftlichen Betriebe gekoppelt werden. Ich hoffe auch, dass der Europarat nach den Mittwochverhandlungen recht schnell den neuesten Stand erfährt. Ich denke, Herr Fischler, dass Sie dies hier sicher versprechen können.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Rosmarie ZAPFL-HELBLING, Schweiz, EPP/PPE

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen,

Eigentlich sind ja die Menschenrechte der Grundpfeiler des Europarates, und gerade deshalb ist es für die EPP-Gruppe unverständlich, dass wir heute noch Mitgliedsländer haben, die den Menschenrechten keine oder zu wenig Beachtung schenken. Dem Berichterstatter danke ich, dass er auf ganz wichtige Punkte hinweist. Er sagt, dass diese Verletzungen auf verschiedene Ursachen zurückzuführen seien. Aber gerade Mitgliedsländer des Europarates müssten sich anstrengen, dass Konflikte und Krisensituationen nicht entstehen können. Dazu braucht es aber auch grundlegende Voraussetzungen wie Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Das ist dann auch die Basis, um die Armut in verschiedenen Regionen Europas zu bekämpfen und die wirtschaftliche Entwicklung zu fördern. Beschämend sind Situationen, welche die freie Meinungsäußerung einschränken und die Pressefreiheit unterdrücken. Die Medien sind es ja meist, welche auf Missstände hinweisen, die aber auch so die Bevölkerung sensibilisieren können. Sie weisen auch auf die Möglichkeiten hin, welche die europäische Menschenrechtskonvention den Menschen bietet, wie sie ihre Rechte geltend machen können. So wundert es nicht, dass immer wieder Journalisten in Europaratsstaaten verhaftet und Zeitungsredaktionen geschlossen werden.

Wenn Sie die Tausende von Eingaben an den Menschenrechtsgerichtshof vor Augen haben – der Präsident Luzius Wildhaber sagt, es seien ca. 38 000 pro Jahr – dann sehen Sie, in welcher traurigen Situation wir uns befinden. Das sind doch Aufgaben, die der Menschenrechtsgerichtshof mit den heutigen Ressourcen gar nicht mehr bewältigen kann. Die Lösung liegt sicher nicht darin, dass man den Gerichtshof erweitert. Viel wichtiger ist es, dass der Europarat mit großem Nachdruck von den Regierungen verlangt, dass sie die Gesetzgebung in den Ländern anpasst, aber diese auch anwendet. Die Menschen müssen die Möglichkeit haben, in ihrem eigenen Land eine unabhängige Rechtssprechung zu haben.

Im Namen der EPP-Gruppe appelliere ich an das Ministerkomitee, alles daran zu setzen, dass die Menschenrechte in allen Ländern des Europarates durchgesetzt werden, dass unabhängige Rechtsanwälte, Richter, Staatsanwälte und Beamte den Menschenrechten zum Durchbruch verhelfen. Meiner Meinung nach müssten wir auch bei der Bewilligung von Entwicklungshilfegeldern viel mehr darauf achten, dass damit die Ausbildung und die Schulung der zuständigen Beamten in Sachen Menschenrechte gefördert werden kann. Auch sollten wir in aller Offenheit bei Wahlbeobachtungen in diesen Ländern auf die Missstände aufmerksam machen. Kürzlich habe ich bei einer Wahlbeobachtung in einem Europaratsland vernommen, dass ein Kandidat zwei Wochen vor der Wahl aus politischen Gründen verhaftet wurde. Damit hat man ihm auch die Chance genommen, sich rechtzeitig zur Wehr zu setzen und doch noch zu kandidieren.

Die Opfer der Menschenrechtsverletzungen sind sehr oft auch Frauen. Diese Zustände werden oft verschwiegen, oder man macht auf den kulturellen Hintergrund aufmerksam. Staaten, welche die Konvention unterzeichnet haben, dürfen nicht mehr dulden, dass Frauen nicht die gleichen Rechte und Chancen haben wie Männer. Es darf auch nicht geduldet werden, dass sie nur auf Grund ihres Geschlechtes ausgebeutet und ihre Menschenrechte verletzt werden. Zum Glück hat der Europarat in den vergangenen Jahren in seinen Berichten sehr oft auf diese Situationen aufmerksam gemacht und die Länder aufgefordert, diesem Thema mehr Beachtung zu schenken.

Im Namen der EPP-Gruppe empfehle ich Ihnen, diesen Bericht zu genehmigen und alles daran zu setzen, dass die Menschenrechte in allen Ländern des Europarates beachtet werden.

Rudolf BINDIG, Deutschland, SOC

Dieser Änderungsantrag würde den ganzen Sinn des Berichtes ins Gegenteil umkehren, denn dass es allgemeine Menschenrechtsverletzungen in vielen Mitgliedsländern gibt, wissen wir. Es geht gerade darum, sehr problematische Gebiete zu definieren, in denen es regelmäßig zu schweren Menschenrechtsverletzungen kommt, und darum muss es, wenn man überhaupt diesen Bericht anfertigen will, gerade an dieser Stelle stehen bleiben.

Rudolf BINDIG, Deutschland, SOC

Die Erfahrung lehrt uns ja gerade, dass die bestehenden Instrumente nicht ausreichen, diese schweren Menschenrechtsverletzungen in einigen Gebieten zu verhindern, und deshalb sollten wir sagen, dass diese Instrumente nicht ausreichen. Das ist auch ein wichtiger Teil der Gesamtidee, die diesem Bericht vorsteht.

Rudolf BINDIG, Deutschland, SOC

Die Erfahrung zeigt uns, dass diese Versammlung mehrmals Empfehlungen an das Ministerkomitee gegeben hat, man möge von der Möglichkeit Gebrauch machen, auch eine Staatenbeschwerde wahrzunehmen. Leider ist jedoch das Ministerkomitee bereits derart diplomatisiert und nimmt diplomatische Rücksichten, dass man eben nicht mehr die Kraft aufbringt, dort solche Staatsbeschwerden einzubringen. Wir haben es mehrmals gefordert und bedauern hier, dass sie es nicht tun. Deshalb sollte „unfortunately“ stehen bleiben.

Rudolf BINDIG, Deutschland, SOC

Ich kann ehrlich gesagt gar nicht verstehen, warum man gegen den Satz sein kann, der im Text steht. Natürlich ist es zunächst erst einmal die Verpflichtung der betroffenen Staaten, hinreichende Untersuchungen anzustellen und die Leute vor Gericht zu bringen. Daran muss man sie ermahnen. Wenn wir das jetzt annehmen würden, dann würden wir noch einmal ganz allgemein Grundsätze betonen, aber nicht die Staaten daran erinnern, dass sie die Verpflichtung haben, die schweren Menschrechtsverletzungen zu untersuchen und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Deshalb sollten wir doch gegen diesen Änderungsantrag sein.

Rudolf BINDIG, Deutschland, SOC

Vielleicht kann ja auch einmal ein anderer dagegen sprechen, damit diese Rolle nicht immer auf mich kommt.

Ich finde, dass es richtig ist darauf hinzuweisen, dass das Eintreten für die Menschenrechte eine Aufgabe aller Mitgliedsländer des Europarates ist und dass die anderen Länder des Europarates, wenn es in einem Land nicht funktioniert, die Verpflichtung haben, sich darum zu kümmern. Man kann doch nicht einfach schweigen, wenn es in einem Mitgliedsland erhebliche Probleme gibt. Deshalb sollten wir diesen Satz unbedingt stehen lassen.

Rudolf BINDIG, Deutschland, SOC

In der Tat ist es die Aufgabe des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, sich mit den Einzelfällen zu befassen. Das Problem ist aber doch, dass es in diesen Problemgebieten so schwere, massenhafte, oft tausendfache Menschenrechtsverletzungen gibt, so dass gar nicht genug Fälle bis an den Gerichtshof durchkommen. Hier ein Instrument zu schaffen, damit jemand da ist, der auch in einer sehr professionellen Weise die Anträge und Beschwerden aufbereiten und einbringen kann, ist eine kreative neue Idee. Das ist das Herzstück dieses Berichts, dass wir deshalb dort auch so belassen sollten.

Rudolf BINDIG, Deutschland, SOC

Es geht hier darum, auch ein förmliches Instrument zu schaffen und nicht nur die Staaten zu bedrängen oder darauf hinzuwirken, dass sie die Maßnahmen umsetzen. Die Idee ist vielmehr, eine formale Regelung zu schaffen, welche die Staaten verpflichtet, diese Maßnahmen zu ergreifen. Das ist eine härtere Forderung, die glaube ich an dieser Stelle angemessen ist.

Rudolf BINDIG, Deutschland, SOC

Hier handelt es sich in der Tat um eine schwierige Rechtsfrage. Hier stehen wir gewissermaßen an der Vorderfront dessen, was in der Entwicklung des Völkerrechtes und des internationalen Rechtes diskutiert wird. Die Frage lautet: „Ist es notwendig, dass man in einigen sehr grundlegenden Dingen – nämlich bei schwersten Menschenrechtsverletzungen, beim Handel mit Drogen, beim Frauenhandel, beim Missbrauch von Kindern – nicht nur eine Gerichtsbarkeit für Verbrechen schafft, die auf dem eigenen Gebiet stattfinden, sondern auch für Verbrechen, die anderswo stattfinden?“ Wir kennen zum Beispiel in Deutschland eine Rechtsregelung, die sagt dass jemand in unserem Land zur Rechenschaft gezogen werden kann, wenn er in Thailand ein Kind missbraucht. Das ist die vorderste Front, auf welche die Rechtsentwicklung sich hinbewegt. Bei schweren Menschenrechtsverletzungen – und um solche geht es hier – sollte eine solche gerichtliche Zuständigkeit gegeben sein, natürlich immer nur, wenn man eine solche Person im jeweiligen Land auch zur Rechenschaft ziehen kann. Ich glaube, hier sollten wir die Rolle beibehalten, in der Rechtsentwicklung in der Vorderfront zu stehen und deshalb diesen Änderungsantrag ablehnen.