SITZUNGSPERIODE 2004

(1. Teil)

BERICHT
1. SITZUNG

Montag, 26. Januar 2004, 15.00 Uhr

REDEBEITRÄGE IN DEUTSCH


Renate WOHLWEND, Liechtenstein, EPP/CD

Danke, Herr Präsident, liebe Kollegen,

Wie Sie gehört haben, hat sich das Büro am 25. November in Maastricht gegen die Empfehlung des Monitoring-Ausschusses ausgesprochen und gleichzeitig beschlossen, einen Dialog mit Liechtenstein aufzunehmen. Es sei darauf hingewiesen, dass der Liechtensteinische Landtag im Oktober mit 24 von 25 Stimmen ein Monitoring als nicht gerechtfertigt angesehen hat. Eine Resolution wurde dem Präsidenten unserer Versammlung zugestellt und lag dem Büro für die oben erwähnte Sitzung in Maastricht vor. Die Gründe, die nach unserer Ansicht gegen ein Monitoring sprechen, haben wir in den Büro-Sitzungen vom 26. September und 25. November näher ausgeführt. Hier will ich drei Beispiele nennen.

87,7% der Liechtensteinischen Stimmberechtigten haben am 16. März 2003 in der Volksabstimmung über die Verfassungsänderung teilgenommen. 64,3%, also praktisch zwei Drittel, haben diesen Änderungen zugestimmt. Für ein Land, das eine stark ausgeprägte direkte Demokratie lebt, ist dies eine überwältigende Zustimmung. Im Gegensatz zu mancherlei Behauptungen übt der Fürst seine politische Macht nicht ohne Verantwortlichkeit aus. Vielmehr bedürfen seine hoheitlichen Akte für ihre Gültigkeit der Gegenzeichnung durch den Regierungschef. In diesem Zusammenhang freue ich mich auch, Sie informieren zu können, dass mein Parlament ein neues Staatsgerichtshof-Gesetz verabschiedet hat. Diesem Gesetz zufolge unterliegen die Akte des Landesfürsten, die in Grundrechte eingreifen, der Kontrolle des Staatsgerichtshofes. Das Staatsoberhaupt hat dieses Gesetz bereits sanktioniert. Der Regierungschef hat es gegengezeichnet und gerade am 20. Januar 2004 ist es im Liechtensteinischen Landesgesetzblatt unter Nummer 32 veröffentlicht worden. Das Ministerkomitee des Europarates hatte bereits nach der ersten Lesung dieses Gesetzes festgehalten, dass damit den Rechtsstaatserfordernissen gemäß Satzung des Europarates entsprochen wird.

Der Bericht des Monitoring-Ausschusses befasst sich vorwiegend mit der Liechtensteinischen Verfassung von 1921 und nur am Rande mit den Verfassungsänderungen vom März 2003. Die kritischen Äußerungen zur Verfassung von 1921 sind deswegen problematisch, weil die Verfassung von 1921 schon einmal von den dafür zuständigen Organen des Europarates geprüft und für in Ordnung befunden worden ist, nämlich 1978 anlässlich der Genehmigung unseres Aufnahmegesuchs. Die Liechtensteinische Verfassung mit ihrem Dualismus von Fürst und Volk als Prinzip des Machtausgleichs und als Wesensmerkmal unserer Konsenspolitik ist speziell, hat sich aber seit achtzig Jahren bestens bewährt. Eine solche Verfassung in Frage zu stellen wäre ein Novum für den Europarat und hätte meines Erachtens zur Folge, dass sämtliche Verfassungen der so genannten „alten“ Mitgliedsländer neu überprüft werden müssten.

In der Resolution bekundet der Liechtensteinische Landtag die feste Absicht, weiterhin seine besondere Aufmerksamkeit der getreuen Befolgung der dualen Verfassungsordnung und der genauen Beachtung der Prinzipen der Demokratie und des Rechtsstaats zu widmen. Dazu kann der vorgeschlagene Dialog wesentlich beitragen. Wie mein Kollege Schreiner schon gesagt hat, kommt hinzu, dass unser Generalsekretär, Herr Schwimmer, am Abend der Abstimmung über die Verfassungsänderung im März letzten Jahres die Ansicht vertreten hat, der souveräne Wille des Volkes, der in dieser Abstimmung in demokratischer Weise zum Ausdruck gekommen ist, müsse respektiert werden. Es komme in einer konstitutionellen Monarchie auf die konstitutionelle Praxis an; der Europarat werde die Verfassungswirklichkeit genau beobachten. Dies, geschätzte Kollegen, ist nur in einem konstruktiven Dialog zu bewerkstelligen, wie es ja auch vom Büro beschlossen worden ist. Noch einmal: beachten Sie das Selbstbestimmungsrecht des Liechtensteinischen Volkes, das auch in der Resolution des Liechtensteinischen Landtages zum Ausdruck kommt.

Ich komme zu meiner Schlussfolgerung. Vor diesem Hintergrund – klare Entscheidung der Liechtensteinischen Stimmbürger in einer Abstimmung und die ebenso deutlich zum Ausdruck gebrachte Haltung des Liechtensteinischen Parlaments – werden Sie mir zustimmen können, dass der vorgeschlagene Dialog das beste Mittel zur Erreichung dieses Zieles ist. Damit ein echter Dialog entstehen kann, braucht man nicht nur zwei gleichberechtigte, sondern auch gleich motivierte Partner. Ein Dialog bietet Gewähr für eine Offenheit der Gespräche und für die Beobachtung einer europaratskonformen Verfassungspraxis in Liechtenstein. Ich danke Ihnen für eine Bestätigung der vom Büro getroffenen Entscheidung.

Andreas GROSS, Schweiz, SOC

Danke Herr Präsident, meine Damen und Herren,

Ich wollte eigentlich darüber sprechen, was man für ganz Europa aus den russischen und serbischen Wahlen als Grundsatzproblematik lernen kann, wie sie sich in den alten und den neuen Demokratien zeigt. Zuerst möchte ich aber noch ein Wort zu der außerordentlichen Einseitigkeit sagen, mit der Frau Wohlwend und Herr Schreiner das Problem Liechtenstein dargestellt haben. Wir müssen uns bewusst sein, dass es bei uns viele Spezialisten für Monarchie gibt. Es gibt einige Spezialisten für direkte Demokratie. Es gibt jedoch wenige, die gewohnt sind, dass die beiden Systeme zusammenkommen. Deshalb glaube ich, dass hier fadenscheinige, unangebrachte Argumente vorgebracht werden. Die einen erkennen jeweils die Schwäche der anderen Argumentation nicht. Ich denke, es ist ein Grundsatz in rechtstaatlichen Demokratien, dass niemand Macht ausüben sollte, der nicht selbst immer wieder dafür zur Rechenschaft gezogen werden kann, wie er diese Macht ausgeübt hat. Das Argument, der Fürst müsse dem Regierungschef gegenüber gegenzeichnen, ist kein Argument, weil der Regierungschef von ihm abhängig ist. Die Gegenzeichnung wäre höchstens dann eine echte Gewähr, wenn die beiden gleich unabhängig, beziehungsweise autonom wären.

Als großer Anhänger der direkten Demokratie weiß ich bestens, dass 60%, 70%, ja sogar 80% der Menschen irren können, wenn die Art der Fragestellung und die Umstände der Entscheidungsfindung nicht der rechtstaatlichen demokratischen Kultur entsprechen, die angebracht wäre. Ich denke, darüber müssen wir viel kritischer reden, auch mit Liechtenstein. Ich bin davon überzeugt: wenn wir die gleichen Maßstäbe, die wir heute Liechtenstein gegenüber anzuwenden bereit sind, neuen Demokratien wie z.B. der Ukraine gegenüber angewendet hätten, dann würden wir mit unseren Positionen unglaubwürdig, die wir richtigerweise gegenüber der Ukraine vertreten haben. Das, was wir von ihnen verlangen, müssen wir auch von uns selbst verlangen. Die Schweiz würde heute nie Mitglied des Europarates mit dem Stand der Verfassung von 1963, weil z.B. die Frauen damals in der Schweiz kein Stimmrecht hatten. Das wäre heute inakzeptabel. Deshalb ist es ein schlechtes Argument, heute nicht mehr über die Verfassung reden zu wollen, weil Liechtenstein 1978 Mitglied wurde. Ich habe der Schweizer Delegation versprochen, dass ich das Ergebnis des Büros akzeptiere, das, glaube ich, mit acht zu sieben getroffen wurde. Ich werde auf diesen Beschluss nicht zurückkommen. Ich werde aber prüfen, ob wirklich ein kritischer Dialog geführt wird, und zwar ein Dialog, wie ihn der liechtensteinische Fürst nicht gewohnt ist. Man kann selbst nur lernen, wenn man bereit ist, den anderen die Freiheit zur eigenen Meinung zu geben. Man konnte in der Abstimmungskampagne in Liechtenstein beobachten, dass die Gegner des Fürsten diese Freiheit der ungeschmälerten anderen Meinungsäußerung nicht hatten. Viele Bürgerinnen und Bürger fühlten sich erpresst. Das war das Problem.

Ich komme nun zu dem anderen Thema, das vielleicht noch wichtiger ist für ganz Europa. Ich glaube, aus den russischen und den serbischen Wahlen sind zwei Lektionen zu ziehen, wobei die serbischen Wahlen technisch viel besser gewesen sind als die russischen. Das muss man zu Gunsten des Kleinen gegenüber dem Großen sagen, weil der Große bei uns manchmal zu schnell und zu gut wegkommt. Die Fünf-Prozent-Regel war bei beiden ein großes Problem. Leider haben die beiden aus der deutschen Geschichte das gelernt, was sie aus der russischen oder serbischen Geschichte nicht unbedingt lernen konnten. Heute sind viele Menschen in beiden Ländern aus dem Parlament ausgeschlossen, weil deren Parteien zum Teil ganz knapp die fünf Prozent nicht erreichten. Für die Integration von Vielfalt und von Verschiedenheit ist es schlecht, wenn sich zu viele ausgeschlossen fühlen. Wir sollten z.B. mit der Venice Commission darüber nachdenken, ob wir nicht für junge Demokratien diese Schwelle auf zwei oder drei Prozent senken sollten.

Ein anderer Punkt ist vielleicht noch wichtiger. Die nationalistischen Kräfte haben in beiden Staaten in einem außerordentlich erschreckenden Ausmaß gewonnen. Die Demokraten haben zum Ausdruck gebracht, wie wenige Chancen sie hatten, für die Demokratie eine Mehrheit zu finden, weil die Demokratie keine ökonomische Verbesserung liefern konnte. Die Demokratie hat nie eine Chance, wenn sie nicht zeigen kann, dass sie fähig ist, die soziale Grundstellung der Menschen zu verbessern. Wenn 60 bis 70% der Menschen arbeitslos sind und die Demokraten keine Chance haben, dies zu verbessern, werden die Nationalisten immer einen Vorteil haben. Das sollten wir lernen. Die Demokratie muss fähig sein, die soziale Lage der Menschen zu verbessern, wenn sie gegen nationalistische Tendenzen eine Chance haben will.

Vielen Dank.

Jelena HOFFMANN, Deutschland, SOC

Sehr geehrter Herr Präsident,

Zuerst möchte ich die Möglichkeit wahrnehmen, Ihnen ganz herzlich zu Ihrer Wahl zu gratulieren. Ich bin sehr froh, dass Sie mit Ihrer sehr korrekten Arbeit und mit Ihrem Engagement weiterhin unserer Versammlung zur Verfügung stehen.

Nun zu den Wahlen. Am 7. Dezember vergangenen Jahres war ich schon zum dritten Mal als Wahlbeobachterin in Russland, genauer gesagt in Moskau, dieses Mal nicht als Mitglied der Wahlbeobachtergruppe des Europarates, sondern als Mitglied eines OSZE-Teams. Nach dem dritten Mal kann man schon Vergleiche ziehen. Dieses Mal ist mir besonders das Bestreben der Menschen aufgefallen, alles dem Gesetz entsprechend durchzuführen – gleich, ob es Wähler, Mitarbeiter in den Wahllokalen oder die einheimischen Wahlbeobachter waren. Ich finde, es ist eine sehr gute Entwicklung in Russland, nicht nach dem Gefühl zu handeln oder nach dem, was der Chef gesagt hat. Wir wissen, dass Russen sehr oft Schwierigkeiten haben, die Gesetze richtig umzusetzen. Ich möchte dies hier nochmals unterstreichen, denn dieser Punkt ist mir diesmal wirklich aufgefallen.

Allerdings passiert natürlich noch einiges, was unserem europäischen Verständnis nicht entspricht. Zum Beispiel waren ab und zu einige Familienangehörige in einer Wahlkabine, so dass man sich manchmal um den Ehefrieden Sorgen machen musste. Auch waren in fast allen Wahllokalen Sicherheitskräfte anwesend. Wenn man jedoch die Menschen darauf angesprochen hat, waren sie eigentlich froh, die Wahlen in einer so sicheren Atmosphäre durchführen zu können. Sie haben dies nicht als störend oder bedrohlich empfunden. Die Sicherheitskräfte der Miliz, der russischen Polizei oder des Katastrophenschutzes waren in fast allen Wahllokalen anwesend, in denen ich die Wahlen beobachtet habe. Die von mir genannten Abweichungen vom Wahlgesetz in Russland sind nicht gravierend. Wir haben meistens mit der Mentalität des russischen Volkes zu tun. Wir müssen natürlich immer wieder darauf hinweisen, dass die Situation noch nicht so ist, wie wir uns das in Europa vorstellen. Ich glaube jedoch nicht, dass die Wahlen selbst aus diesen Gründen in irgendeiner Weise beanstandet werden sollten.

Meiner Meinung nach sollten nicht die Durchführungen der Wahlen intensiv diskutiert werden, sondern die Wahlergebnisse. Diese werfen mehr Fragen auf, und wir können weniger Antworten darauf geben. Die erste Frage, die sich mir stellt, bezieht sich auf die Ursachen der Wahlergebnisse, zum Beispiel im Hinblick auf die Rolle der Medien vor den Wahlen. Mit Bedauern muss man feststellen, dass der Kreml eine strikte Kontrolle der Medien im Wahlkampf ausgeübt hat. Für Oppositionsparteien und kleinere Parteien war es kaum möglich, ihre Kandidaten und Programme in den Medien zu präsentieren, wobei es die meisten Schwierigkeiten mit den überregionalen Sendern gab, die von der Administration kontrolliert werden. Herrn Khodorkovskys Verhaftung fällt auch in die Zeit des Wahlkampfes, und die Vermutung liegt nahe, dass der Termin der Verhaftung nicht zufällig gewählt wurde. Es steht mir nicht zu, über die Gründe der Verhaftung zu urteilen. Deren Art und Weise und die Berichterstattung in den Medien jedoch sprechen Bände. Am Rande möchte ich anmerken, dass einige von Herrn Khodorkovsky Anwälten die Nichteinhaltung der russischen Prozessordnung beklagen. Es wird berichtet, dass sich sein Gesundheitszustand verschlechtert, da keine ausreichende medizinische Versorgung erfolgt. Ich würde gerne nach Moskau fahren, um mit eigenen Augen Herrn Khodorkovskys Haftbedingungen zu sehen.

Die nächste Frage, auf die ich Antworten suche, ist folgende. Was bedeutet diese Verteilung der Stimmen für die Zukunft Russlands? Einerseits wächst die Gefahr, dass die demokratische Entwicklung gebremst wird und sich die gelenkte Demokratie zu einem zu autoritären Regime entwickelt. Russland hat keine parlamentarische, sondern eine vom Präsidenten dominierte Demokratie. Andererseits besteht die Chance, eine zwar autoritäre, aber reformistische Politik durchzuführen. Putin kann sich nicht mehr hinter der Zerrissenheit und Reformunwilligkeit des Parlamentes verstecken, da alle Entscheidungen des Parlaments ohne seine Zustimmung undenkbar sind.

Ich glaube, wir müssen uns alle diese Fragen stellen. Wir müssen uns fragen, in welche Richtung die Demokratie sich in Russland entwickeln wird. Das ist eine große Herausforderung für uns Europäer. Wir haben die Aufgabe, unseren Kolleginnen und Kollegen in Russland zu helfen, die Demokratisierung ihres Landes voranzutreiben.

Vielen Dank.

Rudolf BINDIG, Deutschland, SOC

(Anfang der Rede ohne Mikrofon) … den dritten Jahresbericht des Kommissars für Menschenrechte des Europarates über seine Aktivitäten im Jahre 2002. Dieser Bericht fällt in die Mitte der Amtszeit von sechs Jahren und stellt damit eine wichtige Zwischenbilanz dar. Es ist auch die erste Debatte, die die Versammlung nach der Schaffung des Amtes zu diesem Thema führt. Es gibt uns die Möglichkeit, die Erfahrungen auszuwerten und Empfehlungen für die weitere Entwicklung des Amtes auszusprechen.

Zunächst möchte der Rechtsausschuss und möchten wir dem Kommissar Alvaro Gil-Robles für seine Amtsführung und Arbeit ganz herzlich danken. Sieht man die Möglichkeiten des Amtes und berücksichtigt vor allem auch die Grenzen des Mandates, so kann man sagen, dass er in hervorragender Weise sein Amt gestaltet und ausgeführt hat. Die Hauptaufgaben, die ihm zugewiesen worden sind und die er zu erfüllen hat, sind bekanntlich: die Förderung der Erziehung und die Beachtung der Menschenrechte in den Mitgliedsländern des Europarates; dazu beizutragen, dass es zu einer effektiven Beachtung der Menschenrechte in den Gesetzen und in der Praxis in diesen Mitgliedsländer kommt; zur Identifizierung von Mängeln im Gesetzesbereich und in der Praxis bei den Menschenrechten beizutragen; und schließlich, die nationalen Menschenrechtsgremien in den Mitgliedsländern zu unterstützen. Der Kommissar hat durch eine Fülle von Aktivitäten diese Aufgabe wahrgenommen: durch Berichte und Empfehlungen, durch Meinungen, die er geäußert hat, durch die Organisation und die Teilnahme an Seminaren, durch Kontaktbesuche, durch Beziehungen mit nationalen Ombudsleuten und Menschenrechtsinstitutionen, durch Beziehungen zu den Nichtregierungs-Organisationen, durch die Kooperation mit internationalen Organisationen und durch die Kooperation mit Gremien des Europarates. Auch ist er in schwierigsten Krisensituationen tätig geworden.

Wahrlich, das ist ein breites Aufgabenfeld. Man kann sagen, dass es bemerkenswert ist, wie mit den sehr begrenzten Ressourcen hinsichtlich Personal und Finanzen ein so großes Aufgabenspektrum wahrgenommen worden ist. Besonders möchten wir hervorheben, dass wir es begrüßen, dass der Kommissar eine dynamische Interpretation seines Mandates vorgenommen hat, insbesondere bei den Bestimmungen seines Mandates, die es ihm gestatten, Stellungnahmen auch auf eigene Initiative hin abzugeben. Was die Beziehungen des Kommissars zur Versammlung angeht, so hat er angeregt, dass seinen Empfehlungen ein zusätzliches politisches Gewicht gegeben werden könnte, wenn wir seine Empfehlungen sorgfältig prüfen und gegebenenfalls unterstützen. Ich glaube, wir sollten diesem Wunsch nachkommen. Auch die Ausschüsse unserer Versammlung sollten die Erfahrungen und Berichte des Kommissars nutzen, damit diese konstruktiv weiterentwickelt werden können. Wir selbst möchten den Kommissar bitten, in Zusammenarbeit mit den Ausschüssen dann eine aktive Rolle zu übernehmen, wenn es darum geht, Gesetzesinitiativen zu fördern, die im Anschluss an Urteile des Gerichtshofs erforderlich erscheinen, damit man eine Flut inhaltsgleicher Rechtssachen schon an der Quelle eindämmen kann, wenn es gelingt, dass die jeweiligen Länder ihre Gesetze weiter entwickeln.

Wir wollen die Mitgliedsstaaten auffordern, die Empfehlungen, die der Kommissar an sie gerichtet hat, vollständig und auch zügig umzusetzen. Dies ist in der Resolution vorgesehen, die wir gleich verabschieden wollen. Dies gilt insbesondere für Georgien, für Moldau, aber auch für die Russische Föderation. Nachdem wir nun die Erfahrung haben, wie das Mandat in der Praxis läuft, wollen wir dem Ministerkomitee vorschlagen, dass dieses Mandat überprüft wird und dass auch die europäische Menschenrechtskonvention in einigen Punkten geändert wird. Es wäre wünschenswert, dass der Kommissar das Recht hätte, in einigen Fällen als eine Art „Volksanwalt“ diese dem Gerichtshof vorlegen zu können, wie wir das auch bereits bei der ersten Diskussion des Amtes hier diskutiert haben. Wenn das nicht im ersten Schritt möglich ist, so sollte doch geprüft und überlegt werden, ob er nicht in solchen Fällen als Intervenient auftreten kann. Wichtig ist auch, dass die Punkte, die wir bereits bei der ersten Diskussion über dieses Mandat hier gefordert haben, formal in das Mandat aufgenommen werden. Wann immer der Kommissar es für angemessen erachtet, dem Ministerkomitee und der parlamentarischen Versammlung zu einer spezifischen Angelegenheit einen Bericht vorzulegen, soll er dieses Recht auch förmlich bekommen. Er soll allein die Befugnis haben, seine Empfehlungen, Stellungnahmen oder Berichte auch zu veröffentlichen, und er soll aktiv Informationen anfordern können. Weiter möchten wir anregen, dass in das Mandat eine Regelung aufgenommen wird, die wir auch bei den Richtern haben und die beim derzeitigen Amtsträger natürlich noch gar keine Rolle spielen würde. Wir sollten ergänzen, dass ein mögliches Mandat enden sollte, wenn der Amtsinhaber das siebzigste Lebensjahr erreicht. Eine Möglichkeit sollte auch weiterhin ausgeweitet werden, dass die Erfahrungen des Kommissars im Monitorverfahren einbezogen werden.

Am Ende meiner Einführung komme ich zu einem ganz wichtigen Punkt. Wer ein solches Amt schafft und von diesem Amt erwartet, dass es ein breites Aufgabenspektrum erfüllt, der muss dieses Amt auch ausreichend ausstatten, sowohl mit Personal als auch mit Finanzmitteln. Wenn wir erwarten, dass der Kommissar in Krisensituationen tätig werden soll, wenn wir erwarten, dass er eine Reihe von Seminaren organisiert oder daran teilnimmt, wenn er wichtige Besuche macht, dann muss man auch dafür sorgen, dass er dafür die Grundlage hat. Solche Beiträge können auf freiwilliger Basis geschehen. Das wäre ein erster Schritt. Um die Konstanz der Arbeit zu sichern, wäre es jedoch noch wichtiger, dass dies im regulären Budget geschieht. Natürlich dürfen mit freiwilligen Spenden keine Auflagen verbunden sein. Das Amt müsste auf diese Weise gestärkt werden.

Der Präsident

Herr Rudolf Bindig, Sie haben nur vier Minuten.

Rudolf BINDIG, Deutschland, SOC

Herr Vorsitzender, liebe Kolleginnen und Kollegen,

Alle Redner in der Debatte haben anerkannt, dass die Schaffung dieses Amtes richtig und wichtig war. Ich glaube, diesen Punkt sollten wir festhalten. Ich habe eigentlich keine Kritik gehört, weder an der Schaffung des Amtes, noch an der Amtsführung. Im Gegenteil. In vielen Debattenbeiträgen ist breit der Wunsch vorgetragen worden, die Position des Kommissars zu stärken und seine Arbeitsfähigkeiten auszubauen. Das ist, glaube ich, eine wichtige Mission.

Eine weitere wichtige Erkenntnis aus der Debatte war, dass es ein Gefühl gibt, man solle weiterhin – und vielleicht auch noch stärker als bisher – zwischen dem Kommissar und der Versammlung zusammenarbeiten. Was nützt es uns, wenn der Kommissar wichtige Feststellungen trifft, Empfehlungen niederlegt, und diese dann letztlich weitgehend in einem Papier bleiben? Die angesprochenen Länder sollen sie umsetzen, aber auch die Versammlung hier soll davon Gebrauch machen. Es ist wichtig, in den Ausschüssen die Erkenntnisse einbeziehen, und in unseren Resolutionen und Texten auf sie zurückzugreifen. Ein Diskutant hat die Problematik angeschnitten, ob der Kommissar sein Aufgabenfeld deutlich ausweiten soll, über die traditionellen bürgerlichen und politischen Rechte hinaus stärker hinein auch in die wirtschaftlichen und sozialen Rechte. Einerseits gehen wir immer davon aus, dass alle Menschenrechte auf gleicher Ebene stehen. Trotzdem ist es natürlich notwendig, dass der Kommissar Schwerpunkte in seiner Arbeit erkennt, selbst auch in die Kernbereiche der Verletzung von Menschenrechten hineingeht und sich mit diesen Fragen befasst. Ich könnte eine Gefahr darin sehen, wenn man dies zu sehr ausweitet und auch Aspekte der sozialen Rechte umfangreich mitbehandelt. Bei Flüchtlingen wird das ja mit berücksichtigt.

Ich freue mich auf weitere Zusammenarbeit. Ich glaube, die ganze Versammlung hier hat gezeigt, wie wichtig es ist, dass wir in einem Dialog miteinander stehen und dass wir mit einer gewissen Regelmäßigkeit hier auch über die Arbeitsmöglichkeiten, über die Arbeit und die Erkenntnisse des Kommissars miteinander debattieren. In diesem Geiste sollten wir die Debatte mit Ihnen fortführen.

Der Präsident

Vielen Dank.

Der Präsident

Herr Rauber, Sie haben das Wort.

Helmut RAUBER, Deutschland, EPP/CD

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Wir als CDU/CSU des Deutschen Bundestages unterstützen den vorzüglichen Antrag des Ausschusses für Wirtschaft und Entwicklung, das Potenzial Straßburg als europäische Hauptstadt zu nutzen. Wir als Deutsche wollen Straßburg als europäische Hauptstadt. Dabei spielen für uns nicht nur technische Fragen eine Rolle. In Straßburg spiegelt sich ein Teil der deutsch-französischen Geschichte mit all ihren Tiefen, aber auch Höhen wider. Die Straßburger „Relation“ von 1609 gilt neben dem Wolfenbütteler „Aviso“ als die älteste deutsche gedruckte Zeitung. Was das deutsch-französische Verhältnis betrifft, trennte Straßburg nicht, sondern vertiefte die deutsch-französische Freundschaft. Straßburg kann die stabile Brücke zu unserem Nachbarn und darüber hinaus nur spielen, wenn gewisse Voraussetzungen erfüllt sind, die ich hier selbst nicht zu wiederholen brauche.

Wir alle wissen, dass es die Infrastruktur mit all ihren Facetten ist, die heute über die Zukunftsfähigkeit einer Stadt und auch einer Region entscheidet. Wir als Europarat können nur unseren Willen bekunden, dass Straßburg seine europäische Bedeutung behält, bzw. dass sie weiter gestärkt wird. Es liegt in erster Linie an der Stadt bzw. in der nationalen Kompetenz von Frankreich, wie diese Attraktivität, die ja schon sehr hoch ist, noch verstärkt werden kann. In den letzten Jahren ist ja auch einiges geschehen. Als Saarländer denke ich z.B. an die verbesserte Zugverbindung vom Saarland in diese Stadt. Es ist einiges geschehen, es ist aber auch noch einiges zu tun.

Die vorhandenen Defizite und auch die Tätigkeitsfelder sind genannt. Wir teilen die im Antrag formulierten Ziele, unter anderem die Flug- und Hochgeschwindigkeitsverbindung zu verbessern, vorhandene Bildungseinrichtungen auszubauen und zu internationalisieren und über den Rhein hinaus die gesamte Region zu einem Euro-Distrikt zu machen. Straßburg selbst ist eine der schönsten Städte Europas. Sie hat es verdient, weiterhin gefördert und unterstützt zu werden.

Der Präsident

Vielen Dank, Herr Rauber.