SITZUNGSPERIODE 2004

(3. Teil)

BERICHT
 

21. SITZUNG

Mittwoch, 23. Juni 2004, 15.00 Uhr

REDEBEITRÄGE IN DEUTSCH


Rudolf BINDIG, Deutschland, SOC

Herr Präsident,

Eine der Forderungen des Europarates an Armenien ist, dass dort auch ein alternativer Militärdienst begründet wird, welcher die Möglichkeit bietet, aus Gewissensgründen den Wehrdienst zu verweigern.

Meine Frage ist: Wann wird dieses eingeführt, und können Sie sicherstellen, dass es nicht die Form eines Strafdienstes annimmt, weil man vielleicht doppelt so lange dienen muss wie beim Wehrdienst?

Rosmarie ZAPFL-HELBLING, Schweiz, EPP/CD

Herr Vorsitzender, liebe Kolleginnen und Kollegen,

Überall auf dieser Welt sind es die Frauen, die bei Konflikten am stärksten betroffen sind. Es sind auch die Frauen, welche nach den Kriegen dafür sorgen, dass das Leben weitergeht, die Familien ernährt werden, die Häuser wieder aufgebaut und vor allem auch wieder Lebensgrundlagen geschaffen werden. Bei Verlusten von Menschenleben wie auch bei Flüchtlingen beträgt der Frauenanteil 80 Prozent – und dennoch sind es immer wieder die Männer, welche die Positionen besetzen, in denen im Konfliktfall Entscheidungen getroffen werden. Es reicht nicht, im Bericht die Frauen dafür zu loben, dass sie nach einem Konflikt zum Wiederaufbau und zur Festigung des Friedens beitragen. Nur wenn Frauen, wie vorhin gesagt, an den Schalthebeln der Macht sitzen, haben sie die Möglichkeit, sich dafür einzusetzen, dass Konflikte nicht ausbrechen. Dann können Täter, welche Frauen schänden, vergewaltigen und verstümmeln, zur Rechenschaft gezogen werden.

Erinnern Sie sich an die Bilder aus Ex-Jugoslawien? Alle Mächtigen der europäischen Länder haben es geduldet, dass Frauen aus allen Lagern, auf allen Seiten vergewaltigt wurden. Alle haben geduldet, dass zehntausende Frauen um ihre ermordeten Männer trauerten, welche in Massengräbern verscharrt wurden. Es reicht nicht, wenn wir verlangen, dass die staatlichen Gesetzgebungen in Bezug auf strafbare Handlungen gegen Frauen geändert werden müssen. Wir fordern, dass in den Regierungen, Parteien und Behörden Frauen vertreten sind, welche für die Konfliktverhütung zuständig sind. Deshalb lehne ich den Änderungsantrag des Herrn Platvoet ab, der „Frauenparteien“ in Artikel 3.1 streichen will. Frauen sollen die Möglichkeit haben, in Parteien stark zu werden. Nur so können sie ihre Chancen, gewählt zu werden, vergrößern. Nur so können sie in Positionen gewählt werden, in denen sie mitbestimmen können. Wir wollen nicht, dass Frauen allein regieren, dass Frauen allein die Verantwortung tragen. Frauen und Männer müssen gemeinsam entscheiden, doch sind wir heute weit davon entfernt.

Die EVP-Gruppe unterstützt auch die Punkte 3 und 4, dass der Kongress der Gemeinden und Regionen Europas des Europarates aufgefordert wird, Frauengruppen und Organisationen zu unterstützen, die auf lokaler Ebene für Sicherheit und Frieden arbeiten, und die Teilnahme von Frauen zu fördern, die an Entscheidungsfindungen teilnehmen. Es muss auf der untersten Ebene, in den Gemeinden beginnen. Nur dann können Frauen auch in höhere und wichtige Positionen aufsteigen. Ich denke, dieses Thema sollte – wie auch von Frau Cliveti im Bericht gefordert – beim Europagipfel thematisiert werden.

Frieden ist nur möglich, wenn die sozialen Ungerechtigkeiten zwischen Männern und Frauen aufgehoben werden. Frieden ist nur möglich, wenn Verbrechen gegen Frauen geahndet werden und Frauen nicht einfach immer nur die Opfer sind. Die EVP-Gruppe erwartet vom Europarat, dass dieser Bericht ernst genommen und damit europaweit in Zukunft die Chance für mehr Frieden vergrößert wird. 

Ich möchte Frau Cliveti ganz herzlich für den sehr wichtigen Bericht danken, den sie erstellt hat.

Ruth-Gaby VERMOT-MANGOLD, Schweiz, SOC

Herzlichen Dank.

Seit vielen Jahren besuche ich als Mitglied dieses Rates in verschiedenen Krisen- und Kriegsgebieten die Flüchtlingslager, in Aserbaidschan und Armenien, in Bosnien-Herzegowina und im Kosovo, in Serbien, Georgien und Tschetschenien. Überall treffe ich Frauen, die unter äußerst gefährlichen Bedingungen Aufbau- und Friedensarbeit leisten. Sie beschaffen unter schwierigen Umständen Medikamente, suchen nach Vermissten und begraben unter Lebensgefahr die Toten. Sie kämpfen um Nahrung für die Hungernden und um bessere Unterkünfte für Flüchtlinge. Sie erteilen verwaisten Kindern Unterricht, um sie von den grausamen Erinnerungen und Kriegserlebnissen abzulenken. Sie ermutigen Mütter, die Situation ihrer hungrigen und kranken Kinder immer wieder laut und eindringlich zu denunzieren. Sie verurteilen unerbittlich Folter, Mord und Verschleppungen und dokumentieren mit geheimen Fotos die Gräueltaten der Kriegsparteien. Sie gehen auf die Straße und halten gegen den Willen der Behörden auf öffentlichen Plätzen Mahnwachen ab. Es sind die Frauen, die Opfer der Kriege sind, es sind Frauen, die ihre Toten beweinen und mit Nachdruck zum friedlichen Aufbruch drängen – mutig, zielstrebig und häufig ohne Rücksicht auf die eigene Sicherheit.

Ich weiß, dass Frau sein allein noch kein Friedensprogramm bedeutet, und daher will ich auch nichts idealisieren. Frauen gehen in ihrer Friedens- und Aufbauarbeit von einem breiteren Friedensbegriff aus. Friede ist nicht einfach Abwesenheit von Krieg, wo die Waffen vorübergehend schweigen, aber die Vergeltung weiterhin im Vordergrund steht. Friede bedeutet vielmehr menschliche Sicherheit, und dies aus der Erfahrung, dass überall dort Krieg herrscht und Konflikte verhütet werden müssen, wo die Rechte der Menschen durch Waffen, durch menschenverachtende Traditionen, durch Ausgrenzung und Diskriminierung verletzt werden. Dies sind die verschiedenen Fronten, an denen die Menschen aufgerieben, traumatisiert und für ihr Leben geschädigt werden.

Friede ist daher dort nicht möglich, wo feindliche Staaten sich gegenseitig bekämpfen; wo Mädchen sexuell verstümmelt und Frauen gesteinigt werden, weil sie sich nicht traditionskonform verhalten; wo Mädchen zwangsverheiratet oder von ihren Eltern aus Armut an Menschenhändler verkauft werden. Friede ist nicht möglich, wo Mädchen und Jungen aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer Minderheit kein Recht auf Schule und Bildung haben. Friede ist dort nicht möglich, wo vergewaltigte Frauen aus ihrer Gesellschaft ausgegrenzt werden, wo häusliche Gewalt verschwiegen wird und sexuelle Übergriffe auf Kinder aus Spargründen nicht bekämpft werden. Friede ist auch dort abwesend, wo Natur und Umwelt aus Gewinnsucht und Verantwortungslosigkeit zerstört werden.

Ich habe mit verschiedenen Frauen ein weltweites Projekt lanciert. 1000 Frauen sollen für den Friedensnobelpreis 2005 nominiert und ihre Arbeit damit deutlich sichtbar gemacht werden. Damit soll auch die Rolle der Frau in der Friedens- und Konfliktbearbeitung endlich verdeutlicht werden. Ihre Strategien, die Methoden und die Wirksamkeit ihrer Netzwerke und ihrer Arbeit soll endlich zur Kenntnis genommen werden, und zwar weltweit.

Frauen haben im Weltkonzert der männlichen Friedensmacher keine Stimme. Dort verzichtet man mutwillig auf das Lebenswissen der Frauen. Viele Frauen und Männer wollen dies jedoch nicht weiter dulden. Wir wollen uns nicht mit staatsmännischen Shakehands, mit Diplomatie und Verträgen zufrieden geben – wir wollen mehr. Wir wollen, dass Frauen endlich in den höchsten Entscheidungsgremien an der Macht beteiligt werden, und dies für den Frieden und die Verwirklichung menschlicher Sicherheit, die allen dient.

Rosmarie ZAPFL-HELBLING, Schweiz, EPP/CD

Danke schön.

Ich bin gegen diesen Änderungsantrag. Aus meiner langjährigen Erfahrung weiß ich, wie wichtig Frauenparteien sind. Nur so haben Frauen Chancen, in verantwortungsvolle Positionen gewählt zu werden. Deshalb bin ich gegen diesen Änderungsantrag.

Terezija STOISITS, Österreich, SOC

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

Ich werde jetzt ähnlich gebetsmühlenartig sprechen wie Herr Gubert. Es geht hier um Respekt und Liebe gegenüber Kindern. Es geht um Kinderrechte und darum, ein Signal auszusenden, dass jener Ort, wo am meisten Gewalt gegenüber Kindern ausgeübt wird, die Familie ist. Deshalb stehen in diesem wirklich lobenswerten Bericht das Kind und die Integrität des Kindes im Mittelpunkt. Hier aber werden von Herrn Gubert ideologische Ersatzdiskussionen geführt. Die Abstimmungstafel zeigt bedauerlicherweise, dass im Schnitt sieben oder acht weitere Kollegen seine Meinung teilen. Das macht mir Sorge. Er alleine wäre es nicht. Den sieben oder acht anderen Kollegen aber möchte ich hier ins Gewissen reden, sich dem anzuschließen, was im Mittelpunkt des Europarates steht: Gewaltfreiheit, Erziehung zur Gewaltfreiheit und Gewaltfreiheit in der Erziehung.

Danke.