SITZUNGSPERIODE 2005

(2. Teil)

BERICHT
12. SITZUNG

Mittwoch, 27. April 2005, 10.00 Uhr

REDEBEITR�GE IN DEUTSCH


Eduard LINTNER, Deutschland, EPP/CD, PPE/DC

Herr Pr�sident,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

wenn wir uns zur�ckerinnern an die Zeit vor etwa einem Jahr, so muss ich leider feststellen, dass die damals erfolgte Zur�ckverweisung des Berichtsentwurfs zu dem � zugegebenerma�en schwierigen - Thema Euthanasie nicht im Sinne der damaligen Mehrheit des Plenums genutzt worden ist. Damals ging es n�mlich darum, den Entwurf inhaltlich so zu �berarbeiten und zu gestalten, dass er mit der immer noch geltenden Empfehlung 1418 aus dem Jahre 1999 der Plenarversammlung des Europarates in Einklang zu bringen ist.

Man muss zwar zugeben, dass in dem neuen Entwurf eine ganze Reihe beruhigender Formulierungen und konzilianter Versicherungen vorhanden sind, doch letztlich wird in der Empfehlung die aktive Sterbehilfe, das hei�t das vors�tzliche und absichtliche T�ten zu erlauben, festgehalten. Dies folgt aus der Definition in Ziffer 13 des Berichts und aus der Verwendung des Begriffs �Euthanasie�. Und genau die, meine Damen und Herren, steht in krassem Gegensatz zu der Haltung des Europarats in seiner damaligen Resolution und zur  �berzeugung vieler Mitglieder dieses hohen Hauses.

So sind wir ganz �berwiegend der Meinung, dass die aktive Sterbehilfe f�r jemanden, der das Gebot der Achtung der W�rde des Menschen und das unbedingte christliche Gebot �Du sollst nicht t�ten� ernst nimmt, generell nicht in Betracht kommen kann.

Auch die im Bericht zahlreich enthaltenen Hinweise auf angeblich so zufrieden stellende Regelungen, zum Beispiel in den Niederlanden oder in Belgien, helfen uns nicht weiter, denn der Mit-Berichterstatter des Rechts-Ausschusses, der Kollege McNamara, hat schon vor einem Jahr auf Untersuchungen in diesen L�ndern hingewiesen, die beweisen, dass die dortigen Regelungen, die Herr Kollege Marty ja immer wieder als eine Art Vorbild anbietet, keineswegs f�r die behauptete Klarheit und Sicherheit gesorgt haben, der Kollege McNamara zitiert Berichte, welche besagen, dass zum Beispiel in den Niederlanden nur in 54% der F�lle die vorgeschriebene Anmeldung korrekt erfolgt ist. Ein weiteres Ergebnis dieser Untersuchungen war, dass in einem Viertel aller F�lle die aktive Sterbehilfe offenbar ohne Einwilligung des Patienten vorgenommen worden ist, dass also genau das unter der Bezeichnung �Euthanasie� praktiziert wurde, was nach Ziffer 14 des Berichts des Kollegen Marty eigentlich � nach seiner Auffassung - mit Euthanasie gar nichts zu tun haben d�rfte.

Ich finde auch, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, dass wir bei dem Begriff �Euthanasie� bleiben sollten, denn er macht deutlich, dass es eben um passive und aktive Sterbehilfe geht. Das deutsche Wort �Sterbehilfe�, welches auch schon vorgeschlagen worden ist, verharmlost jedoch den Sachverhalt, weil sich hinter dem so human klingenden Begriff der Hilfe eben auch die Bereitschaft zum aktiven T�ten versteckt.

Der Kollege Marty betont mehrfach, dass wir nicht der Versuchung erliegen sollten, auf diesen sehr heiklen und auch von religi�sen und kulturellen �berzeugungen gepr�gten Problemfeld unseren 46 Mitgliedstaaten Empfehlungen in eine bestimmte Richtung geben zu wollen.

Doch genau dies ist doch die Absicht des gesamten Berichts und der Resolution.

Die hier empfohlene Richtung haben bisher nur zwei Mitgliedstaaten in Gesetzesform gegossen, n�mlich Belgien und die Niederlande, nicht aber Frankreich, wie uns die franz�sischen Kollegen mehrfach versichert haben.

Wir sollten es daher eigentlich bei der Resolution von 1999 belassen.

Der vorgelegte Bericht ist angesichts der Situation in den einzelnen Mitgliedstaaten auch nicht hilfreich. Daher w�re es am besten, den Bericht erst gar nicht zu beschlie�en.

Da dies jedoch sehr unwahrscheinlich ist, pl�dieren wir daf�r, in jedem Falle die von Herrn Kollegen McNamara aus dem Rechtsausschuss und anderen � unter anderem von Kollegen aus meiner Fraktion � vorgeschlagene �nderung zu �bernehmen. Vielen Dank.

Wolfgang WODARG, Deutschland, SOC

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

wenn ein Mensch am Ende seines Lebens sagt: �Ich will nicht mehr�, dann hat das h�ufig viele Gr�nde. Es offenbart eine gro�e Hilflosigkeit, die wiederum zwei Seiten hat:

Zum einen sieht dieser Patient keinen Ausweg, was bedeutet, dass ihm Alternativen, Auswege geboten werden m�ssen, von denjenigen, die Verantwortung f�r ihn tragen.

Zum anderen betrifft diese Hilflosigkeit diejenigen, die das eigentlich tun m�ssten: Das medizinische Personal.

In L�ndern, wo die Menschen in Heimen leben, wo eine Minimalversorgung vorgenommen wird, in L�ndern, in denen die Palliativmedizin nicht fl�chendeckend eingerichtet ist, gibt es keine Alternative. Hier wei� man nichts von der schmerzlindernden Wirkung von Medikamenten, die nicht zum Tode f�hren m�ssen, sondern � im Gegenteil � das Leben h�ufig verl�ngern k�nnen.

Dort gibt es keine Alternativen, und deshalb ist es gef�hrlich, wenn wir hier �ber die Euthanasie diskutieren. Es ist der Versuch, hier einen einfachen Weg zu legalisieren, einen einfachen, kosteng�nstigen Weg. Und wir wissen, - nicht nur ich als Gesundheits�konom sondern jeder andere auch, dass die letzten drei Monate des Lebens die teuersten sind. Wir haben in den sozialen Systemen unserer L�nder gro�e Schwierigkeiten, die Kostentr�ger dazu zu bringen, palliativmedizinische Einrichtungen �berhaupt zu installieren.

In seinem Bericht bef�rwortet Herr Marty zwar die Palliativmedizin, doch er will gleichzeitig die Euthanasie in einen rechtlichen Rahmen stellen, aus der Grauzone herausholen und als Alternative diskutieren. Die Diskussion dieser Alternative birgt aber die gro�e Gefahr, dass genau dass eintritt, was ein �rztepr�sident bei uns in Deutschland einmal das �sozial vertr�gliche Ableben� genannt hat.

Dass viele die M�he scheuen, jemandem auf seinem letzten Weg zu begleiten und Angst haben zuzusehen, wie jemand stirbt, es nicht aushalten k�nnen zuzusehen, wie jemand stirbt � dass diejenigen sagen : �Der wird das wohl so gewollt haben, das wird wohl gut f�r ihn sein � dabei ist es eher gut f�r den, der es tut, weil es billiger ist. Diese Gefahr ist enorm gro�.

Als Menschen, die in der Politik gro�e Verantwortung tragen, die daf�r verantwortlich sind, dass  palliativmedizinische Strukturen �berhaupt erst geschaffen werden, soll das unser Schwerpunkt sein, und dies wurde in dem Bericht von 1999 ganz stark hervorgehoben, was sehr verdienstvoll war.

Wenn wir nun die Euthanasie aus der Grauzone herausholen wollen, dann bedeutet dies, dass wir die Beispiele aus Holland, Belgien und der Schweiz betrachten und m�glicherweise f�r andere L�nder zur Adoption freigeben. Gleichzeitig w�rde dies jedoch auch bedeuten, dass wir die Grauzone gar nicht aufkl�ren � was Herr Marty gern h�tte � sondern dass wir sie verschieben und eine neue Grauzone schaffen. Realit�t ist die Euthanasie in Holland: 2000 Menschen, die, weil sie es so wollen, und weil die �rzte es best�tigt haben, get�tet werden (zu 90 Prozent werden sie get�tet, zu 10 Prozent ist es assistierter Suizid). 1000 Patienten, das haben wir heute bereits geh�rt, werden get�tet, ohne dass sie diesen Wunsch ge�u�ert h�tten.

Ich glaube, wenn die Demenzkranken nun das Ziel der Euthanasie werden � wie es in Holland ja bereits diskutiert wird � dann haben wir hier eine enorme neue Grauzone, die bei der Fortf�hrung dieses Gedankens, dieses Sich-leicht-Machens, impliziert, dass man die Menschen umbringt.

Ich bin Sozialdemokrat und m�chte nicht, dass man die Menschen im Stich l�sst, wenn es ihnen am schlechtesten geht � ich m�chte, dass wir uns f�r sie einsetzen, und dass wir alles tun. Wir haben so viel Geld � wir k�mmern uns um Reitpferde, wir k�mmern uns um Hunde, wir sind reich. Wenn aber reiche L�nder hier den einfachen Weg gehen und sich einreden, man k�nne dieses Problem mit einer Spritze l�sen, dann ist das besch�mend.

Ruth-Gaby VERMOT- MANGOLD, Schweiz, SOC

Die Redebeitr�ge vermitteln das Gef�hl, der Bericht Marty wolle zwingend die M�glichkeit schaffen, dass alle Menschen sich je nach Situation t�ten k�nnen, oder sich durch willf�hrige �rzte t�ten lassen k�nnen, wenn der Sterbeprozess zu lange dauert, sich Schmerzen einstellen und die Lebensqualit�t nicht mehr stimmt.

Einige Stellungnahmen erwecken den Eindruck, dass Menschen sich durch die Verabreichung t�dlicher Medikamente die letzten Tage ihres Lebens, �� la carte�, ersparen k�nnen.

Wer den Bericht auf diese Weise interpretiert, der tut dies wissentlich zu Unrecht.

Berichterstatter, sowie, bisher, eine Mehrheit der Sozialkommission wollen im Gegenteil noch nachdr�cklicher die Rechte der Kranken und Sterbenden st�rken, und den Mitgliedsstaaten ein Rahmenkonzept f�r eine m�gliche interne Gesetzgebung anbieten.

Es ist nicht sinnvoll diesen Bericht mit religi�sen, fundamentalistischen oder emotionalen Argumenten zu kommentieren. Damit verhindern wir, dass der Europarat seine vordringlichen Aufgaben erf�llt, n�mlich die Begleitung von Kranken und Sterbenden als einem wichtigen Teil der allgemeinen Menschenrechte.

Ich habe gestern an der Sitzung der Sozialkommission teilgenommen, in der die zahlreichen Amendements diskutiert wurden. Es ist besch�mend zu sehen, wie die jahrelange Arbeit der Kommission durch einzelne Gruppen sowie eine knappe Kommissionsmehrheit zerst�rt werden sollte. Es fand ein absurdes Machtspiel statt das weder dem Leiden unheilbarer Kranker und Sterbender, noch dem Bed�rfnis nach Rahmenbedingungen in dieser schwierigen Frage Rechnung trug.

Es geht um zwei Aspekte: zum einen um das Recht des Menschen, frei zu entscheiden wie er sein Leben f�hren und/oder beenden will. Zum anderen um den Schutz der Rechte des Menschen an seinem Lebensende.

Die Frage, ob, wie und durch wen ein Leben beendet werden darf ist zurzeit in keiner Weise geregelt. Tausende Leben werden heutzutage weltweit in oft guter und barmherziger Absicht beendet, indem lebensverl�ngernde Ma�nahmen auf Wunsch des Kranken, seiner Familie, oder auf Beschluss der �rzte, eingestellt werden. Lebensverl�ngernde Ma�nahmen mithilfe von Maschinen vergr��ern das Leid der Betroffenen. T�glich wird in hohem Maβe Morphin an Kranke verabreicht um Leben zu verk�rzen, allerdings gibt es weder Rahmenbedingungen noch verbindliche Grundlagen  die sich auf die W�rde des Sterbenden beziehen. Im Grunde verhalten sich Patienten, Angeh�rige sowie �rzte faktisch rechtswidrig wenn sie sich gegen eine Fortsetzung der lebensverl�ngernden Ma�nahmen entscheiden.

Die Situation ist nicht transparent und wir nehmen menschenunw�rdige Interessen in Kauf, die sich in der Gesetz- und Regellosigkeit verstecken k�nnen. Dies f�hrt dann zu verdeckter Euthanasie.

Eine grundlegende Aufgabe des Europarates ist es, diese Rahmenbedingungen vorzuschlagen, denn es geht hier um Menschenrechte und darum, wie diese am Ende eines Lebens zu sch�tzen sind.

Es geht nicht darum die beste Sterbeart f�r einen leidenden Menschen zu finden, sondern um ein Ende der Gesetzlosigkeit und der die Praxis bestimmenden Grauzone, die zu Fehlentscheidungen f�hren kann.

Bei der Diskussion �ber die Amendements in der Sozialkommission hatte man das Gef�hl, dass es verboten ist, nach Regeln zu suchen und man sich stattdessen lieber mit einer Grauzone zufrieden gibt.

Dies ist menschenunw�rdig und bleibt den Leidenden, ihren Familien, �rzten und Pflegepersonal die Antwort schuldig.

Wolfgang WODARG, Deutschland, SOC

Der Bericht m�chte hier eine effektive Maschinerie einsetzen, um die Euthanasie aus der Grauzone zu holen; das entspr�che einer Legalisierung der Euthanasie, die wir als Europarat den L�ndern empfehlen w�rden.

Daher muss diese Konsequenz hier gestrichen werden, damit die Diskussion offen bleiben kann.

Wolfgang WODARG, Deutschland, SOC

Hier soll lediglich erg�nzt werden, dass ein Patient nicht nur das Recht hat, eine Behandlung abzulehnen, sondern dass er auch das Recht hat, ihr zuzustimmen. Dies geh�rt dazu.

Wolfgang WODARG, Deutschland, SOC

Wir haben im Text schon einmal hervorgehoben, dass der Patient nicht nur das Recht haben soll, etwas zu verweigern, sondern dass er nat�rlich auch das Recht haben soll, einer Therapie zuzustimmen � deshalb diese konsequente �nderung.

Wolfgang WODARG, Deutschland, SOC

Wir wollen den Selbstmord pr�ventiv verhindern; wir wollen alles tun, damit Selbstmorde nicht stattfinden, aber wir wollen auch alles tun, damit die Frage der Euthanasie sich so wenig wie m�glich stellt. Das bedeutet: Wir wollen auch hier Pr�vention betreiben, dies kommt hiermit zum Ausdruck.

Pr�sident

Danke sch�n. Gibt es Redner die sich jeden diesen Vortrag aussprechen wollen? Dies ist nicht der Fall.

Wolfgang WODARG, Deutschland, SOC

Es wird gefordert, dass die Staaten hier die Regeln definieren, wie im Einzelfall damit umgegangen und wie das Ganze gehandhabt werden soll. Dies geschieht normalerweise im Berufsrecht, und das Berufsrecht hat den Vorteil, dass hier jeweils der technische Stand bezogen wird. Es kommt auf die Alternativen an, die sich bieten. Fr�her gab es keine Palliativmedizin, daher war der Ratschlag fr�her auch ein anderer als heute, da man andere Alternativen hat. Damit das ber�cksichtig wird, wollen wir die �nderung.

Pr�sident

Dankesch�n.