SITZUNGSPERIODE 2005

(3. Teil)

BERICHT

21. SITZUNG
Donnerstag, 23. Juni 2005, 15.00 Uhr

REDEBEITR�GE IN DEUTSCH


ANNEX
Feier zum 50-j�hrigen Jubil�um der WEU-Versammlung

Klaus B�HLER, Pr�sident der WEU (2000-20002)

Herr Pr�sident,

Meine Damen und Herren,

liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich kann nahtlos dort fortfahren, wo mein Vorredner geendet hat. Dies zeigt auch, wie hervorragend hier in unserer Versammlung schon immer die �berparteiliche Zusammenarbeit gewesen ist. Nicht parteipolitische Gegens�tze beherrschten die Diskussion, sondern das Ziel einer gemeinsamen europ�ischen Sicherheitspolitik.

Dies ist auch mein erster Wunsch � dass dies in der Zukunft so praktiziert werden sollte.

Als ich im Dezember 1999 gew�hlt wurde, haben mir viele Kollegen, oder Vertreter der Regierungen gesagt, ich zitiere aus dem Ged�chtnis: �Du wirst der sein, der das Licht ausmacht und die T�r schlie�t�.

Dies war damals die Situation in der sich die WEU-Versammlung nach Nizza gerade befand. Meine Damen und Herren, heute stelle ich mit Genugtuung fest, auch wenn wir nicht in Paris sondern am europ�ischen Geburtsort tagen, dass das Licht brennt und die T�ren offen stehen � und ich glaube, dass viele Skeptiker nach den Ergebnissen der Referenden nun froh sind, dass hier noch Lichter brennen und T�ren offen stehen.

Vielleicht werden die sie dann ja einmal benutzen, sie standen n�mlich in den vergangenen 50 Jahren immer offen. Meine Kollegen haben es vorhin teilweise schon vorweggenommen, dass wir in einem politischen, einem europ�ischen Umfeld dass einmal erfreulicher war als heute. Trotzdem hat diese Versammlung allen Grund zum feiern.

50 Jahre gemeinsames Engagement f�r die Sicherheitspolitik, in einer Zeit in der weder die europ�ische Wirtschaftsgemeinschaft, noch die Europ�ische Gemeinschaft diese Position besetzt hat. Die EU sah sich erst nach der Katastrophe im ehemaligen Jugoslawien dazu gezwungen, diese Position zu besetzen.

Dort hat man endlich erkannt, dass es neben dem wirtschaftspolitischen Aspekt der Europ�ischen Gemeinschaft noch einen anderen wichtigen Faktor gibt, n�mlich die gemeinsame Sicherheitspolitik. Deswegen hat man hier erfolgreich gearbeitet. Es ist schade, dass der NATO-Generalsekret�r nicht mehr anwesend ist, denn die Zusammenarbeit zwischen WEU, Versammlung und Rat mit der NATO war immer hervorragend. Sie ist sogar institutionell, in unserer Verfassung festgeschrieben, wenn ich an Artikel 4 des WEU-Vertrages denke.

Ich w�nsche der Europ�ischen Union, dass sie in Zukunft auch eine solch exzellente Zusammenarbeit mit der NATO haben wird wie sie die WEU immer gehabt hat. Leider fehlte manchmal das Interesse von Regierungen und �ffentlichkeit, man muss dies auch bei einer Veranstaltung wie der heutigen sagen. Wir sollten hier den Nachholbedarf decken.

Meine Kollegen haben darauf hingewiesen, wie wichtig es war und ist, dass es sich bei dieser Versammlung um nationale Abgeordnete handelt, denn die Kompetenzen f�r Verteidigungspolitik liegen bei den Nationalparlamenten und den einzelnen Regierungen.

Deshalb ist es auch eine vitale Aufgabe f�r die Zukunft � ich zitiere den britischen Au�enminister Straw, der in seiner Ansprache an die WEU-Versammlung letzte Woche genau davon sprach. Und zwar wurde von der Integrationsaufgabe nach dem �ffnen des Eisernen Vorhangs gesprochen � der Europarat wie auch die WEU-Versammlung hat diese Aufgabe wahrgenommen � vor allem f�r die L�nder, denen noch lange Zeit die T�ren der EU und der NATO verschlossen waren.

Ich erinnere auch daran wie wichtig es f�r unsere Versammlung war, im kontinuierlichen Dialog mit Vertretern Russlands als st�ndigem Gast zu stehen � auch dies ist ein wertvoller Aspekt der europ�ischen Sicherheitspolitik.

Eine Bemerkung die ich w�hrend meiner Pr�sidentschaft gemacht habe war, dass wir diese Anstrengungen, um gemeinsam eine europ�ische Sicherheitspolitik aufzubauen, brauchten. Aber es hei�t nicht �weniger USA�, sondern �mehr Europa�. Damit m�chte ich zum Ausdruck bringen, dass dies, auch in Zukunft, Hand in Hand gehen sollte.

Ein Dilemma vor dem wir nach dem � vorl�ufigen � Scheitern der Verfassung noch stehen, ist eine B�ndnisverpflichtung, welche uns bisher noch fehlt.

Wir haben den Artikel 5 des Br�sseler Vertrages in der WEU-Konstitution, aber keine solche Verpflichtung in anderen Gremien. Eine europ�ische Sicherheitspolitik ohne eine gewisse B�ndnisverpflichtung ist jedoch Politik �� la carte�, bei der man sich seinen Gang aussuchen kann. Daran muss hier gearbeitet werden.

Auch sollten wir momentan �berlegen, ob der Begriff �Neutralismus�, der zur Zeit des Kalten Krieges seinen Stellenwert hatte, heute bei der anonymen Bedrohung durch den Terrorismus noch gerechtfertig ist, bei dem man sich im Grunde nicht neutral verhalten kann. Das politische Umfeld hat sich grundlegend ver�ndert.

Meine Vorredner haben an unsere Lissabonner Initiative erinnert, n�mlich Verantwortung bei der parlamentarischen Kontrolle zu �bernehmen. Dies sollte heute noch einmal wiederholt werden, und die WEU-Versammlung ist dazu nicht nur bereit, sonder auch in der Lage.

Meine Damen und Herren, wir haben viel erreicht: einen gemeinsamen Markt in Europa, die Ans�tze einer gemeinsamen W�hrung, wir haben die l�ngste Friedenszeit, die Mittel- und Westeuropa je erlebt hat. Was wir noch nicht erreicht haben ist eine gemeinsame Sicherheits- und Au�enpolitik. Mein Wunsch ist daher, dass hieran weitergearbeitet wird, dass sich die Verbindung mit dem Europ�ischen Parlament wieder in einer gemeinsamen Zielsetzung �u�ert. Es sind Ans�tze vorhanden.

Ich habe meine Gedanken kurz fassen m�ssen, aber beim 75-j�hrigen Jubil�um, wenn ich denn eingeladen werde, mache ich gerne l�ngere Ausf�hrungen.

Herzlichen Dank.

Stef GORIS, Pr�sident der WEU

Und zu diesem 75-j�hrigen Jubil�um sind sie bereits eingeladen, Herr Pr�sident B�hler. Dankesch�n f�r diese wichtigen Worte, die sie an uns gerichtet haben.

Hartmut SOELL, Pr�sident der WEU (1992-1993)

Herr Pr�sident,

meine sehr verehrten Damen und Herren,

liebe Kolleginnen und Kollegen!

Meine Amtszeit fiel in eine �hnlich bewegte Zeit wie die meiner Vorg�nger, Jean-Marie Caro und Charles Goerens.

Aber weil sie hier auf der Einladung gesehen haben, dass zwei Pr�sidentschaftsjahre fehlen, und zwar zwischen 1990 und 1992, so m�chte ich doch an meinen Vorg�nger, Herrn Robert Pontillon, erinnern, der ein sehr gesch�tztes Mitglied des Hauses, und auch ein sehr gesch�tzter Pr�sident war.

In seine Amtszeit fielen sehr viele Ereignisse, etwa die �ffnung der Versammlung gegen�ber neuen assoziierten Mitgliedern und Partnern.

Mit Robert Pontillon und seiner Familie haben mich viele freundschaftliche Bande verbunden.

Als ich im Juli 1992 dieses Amt antrat, war der Krieg im ehemaligen Jugoslawien in vollem Gang, und die Aggressionen hatten sich seit April 1992 auf Bosnien ausgeweitet, mit weit �ber 10000 Opfern.

Ich kann die Gr�nde dieses Krieges an dieser Stelle nicht ausf�hrlich er�rtern. Es war deutlich dass sie zu einem gro�en Teil im Lande selbst lagen, durch die unter Tito lange verdr�ngten Probleme; Aber es wurde auch deutlich, dass die Westeurop�er zum Teil mit ganz anderen Problemen konfrontiert waren � was sicherlich aufgrund der �ffnung Osteuropas, sowie der deutschen Wiedervereinigung verst�ndlich war. Es herrschte ein gewisses Z�gern, und die Furcht, man k�nne wieder in die alten Feindschaften der ersten Jahrhunderth�lfte zur�ckfallen.

Der franz�sische Pr�sident Mitterand formulierte zurecht: �Der Weg zur�ck ins Sarajewo von 1914 ist k�rzer als der Weg zur Konferenz von Jalta�. Operative Fehler der Politik traten hinzu, etwa auch der Fehler der damaligen Regierung in Bonn, Kroatien vorzeitig anzuerkennen.

Wie ist aber die WEU-Versammlung diesem Konflikt entgegengetreten? Um es auf einen Nenner zu bringen: Die Mehrheit der Versammlung hat sich durch die alten �ngste der Regierungen nicht beirren lassen. Jacques Baumel, ein gesch�tztes Mitglied unserer Versammlung, hat Anfang des Jahres 1992 hier �ber die Erfahrungen einer Reise nach Dubrovnik berichtet, die er Ende 1991 mit Kollegen der franz�sischen Nationalversammlung unternommen hatte. Er berichtete hier von einem Gespr�ch mit serbischen Offizieren � ich zitiere: �Als wir im Oktober 1991 begannen, Dubrovnik, ein Weltkulturerbe, zu beschie�en, haben wir erwartet, dass die Flugzeuge der 6. US-Flotte �ber unsere Stellungen und Schiffe, sowie �ber die Regierungsgeb�ude in Belgrad im Tiefflug hinwegdonnern. W�re dies der Fall gewesen, die Regierung in Belgrad h�tte uns sofort befohlen das Feuer einzustellen.�

Diese Sicht der Dinge mag aus der heutigen Betrachtung etwas vereinfacht erscheinen. Aber wir d�rfen nicht vergessen, dass dies alles ein halbes Jahr nach dem Golfkonflikt stattfand, in dem damals ein B�ndnis aus westlichen und einigen arabischen Staaten zusammen Saddam Hussein aus Kuwait vertrieben hatte. Insofern war die Einstellung der Offiziere gerechtfertigt.

Ich befand mich ebenso im Einklang mit der gro�en Mehrheit der Versammlung, als ich in meiner Antrittsrede vom 1. Juli 1992 die Einrichtung von wirksam zu verteidigenden Schutzzonen, vor allem f�r Bosnien, wie auch die Ausschaltung von schweren Waffen forderte, mit denen bekanntlich die Bev�lkerung in den St�dten �ber viele Monate hinweg aus der Luft terrorisiert wurde.

Auch wenn es noch weitere Jahre bis zu einem milit�rischen Eingreifen westlicher Staaten dauerte, so hat doch der Druck der damaligen Lage dazu beigetragen, dass sich die Minister am 19. Juli 1992 auf dem Peterberg bei Bonn zu einer Reihe von Entschl�ssen durchrangen. Diese sind dann auch zeitgleich vom dort tagenden Pr�sidialausschuss unterst�tzt worden. Diese brauche ich hier nicht zu erw�hnen, da sie mittlerweile zur Substanz der Aktivit�t in der WEU geworden.

Aus denen in der Versammlung, auch nach meiner Amtszeit, entstandenen Berichten und Beschl�ssen geht hervor wie entschieden und weitblickend die WEU-Versammlung diesen Prozess begleitet und vorangetrieben hat, w�hrend die Regierungen meist mit gro�er Verz�gerung gefolgt sind.

Aus dieser Erfahrung heraus, und auch weil viele Politiker auf europ�ischer Ebene in den letzten Jahren anscheinend die Mahnungen Jacques Delors vergessen haben, dass die EU eine F�deration der europ�ischen Nationalstaaten, das hei�t mit Einschluss der nationalen Parlamente, ist, sollte die Denkpause im Ratifizierungsprozess des Verfassungsvertrages genutzt werden, um auf Dauer die nationalen Parlamente institutionell in die sich entwickelnde europ�ische Au�en- und Sicherheitspolitik einzubeziehen.

Es ehrt unsere Versammlung, dass sie durch ihre Arbeit in vielen Jahren entscheidende Voraussetzungen hierf�r geschaffen hat. Solange aber die nationalen Parlamente nicht institutionell in diesen Bereichen mit einbezogen sind, ist die WEU, sowie ihre Versammlung weiterhin unentbehrlich.

In diesem Sinne w�nsche ich ihr weitere zahlreiche und unentbehrliche Jahre.

Vielen Dank.

Stef GORIS, Pr�sident der WEU

Vielen Dank f�r ihren Beitrag,  Herr Pr�sident Soell, Danke auch, dass sie an unseren Kollegen, Herrn Robert Pontillon erinnert haben, den auch wir nicht vergessen haben. Auf Seite 4 unseres Buches haben wir ein Photo von Robert Pontillon,zuammen mit Armand de Decker.