SITZUNGSPERIODE 2005 |
(4. Teil) |
BERICHT
28. SITZUNG
Mittwoch, 5. Oktober 2005, 10.00 Uhr
REDEBEITR�GE IN DEUTSCH
Renate WOHLWEND, Liechtenstein, PPE/DC, EPP/CD
Danke, Herr Pr�sident!
Liebe Kollegen,
der Zeitraum seit der Pr�sidentenwahl und der vielversprechenden Rede des Pr�sidenten vor unserer Versammlung ist zu kurz, um Neuerungen und �nderungen von au�en wahrnehmen zu k�nnen.
Dennoch bewegt sich einiges in der Ukraine. Gerade in letzter Zeit sind Gesetze verabschiedet worden, es ist die Charta �ber regionale und Minderheitssprachen ratifiziert worden, und wir gratulieren der Ukraine hierzu.
Bei den neuen Gesetzen handelt es sich um die schon seit Jahren in Bearbeitung befindliche Zivilprozessordnung, und auch die Verwaltungsgerichtsbarkeit hat nun eine Europarat-konforme Gesetzesgrundlage gefunden.
Einiges gibt Anlass zur Beunruhigung; ich pers�nlich bin jedoch davon �berzeugt, dass die starke Zivilbev�lkerung nun die integren Pers�nlichkeiten auf dem politischen Parkett unterst�tzen wird, und dass die Ukraine eine positive Entwicklung durchlaufen wird.
Der Zeitpunkt dieses nunmehr sechsten Berichtes innerhalb der zehnj�hrigen Mitgliedschaft der Ukraine ist deshalb so gew�hlt, weil im M�rz 2006 Parlamentswahlen stattfinden werden, und die gro�e Hoffnung, jedoch gleichzeitig auch eine gro�e Erwartungen unserer Versammlung ist die, dass die n�chsten Wahlen freie und faire Wahlen sein werden.
Da ich in dieser Hinsicht noch einige Vorbereitungen zu erledigen habe, haben wir einen sehr umfassenden Bericht aufbereitet, den wir heute referieren. In diesem Bericht geben wir nicht nur Empfehlungen und Anregungen, sondern wir erinnern die ukrainischen Politiker daran, dass einige der bereits vor zehn Jahren eingegangenen Verpflichtungen noch nicht erf�llt sind.
Die wichtigste Verpflichtungen besteht wohl darin � denn der oberste Rahmen ist die Verfassung, die die Ordnung in einem Land bestimmt � dass man noch einmal das Paket der Verfassungs�nderung vom 08. Dezember 2004 in Augenschein nimmt.
Es ist wiederholt von der Venedig-Kommission festgestellt und auch als Empfehlung abgegeben worden, dass Verfassungsreformen selbstverst�ndlich verfassungskonform zu erfolgen haben, und es bestehen nach wie vor Zweifel dahingehend, ob dies im Dezember 04 eingehalten worden ist.
Zwei wesentliche Punkte wurden vom Europarat in seiner Gesamtheit, jedoch speziell und formell von der Venedig-Kommission beanstandet: Die Bestimmungen bez�glich der Generalstaatsanwaltschaft in der Ukraine und die Bestimmungen �ber das imperative Mandat des Parlamentsabgeordneten.
Beobachtungen von au�en zufolge funktioniert die Staatsanwaltschaft in der Ukraine immer noch nach dem alten Sowjet-System: die Kompetenz des Generalstaatsanwalts ist nicht klar formuliert, doch selbst wenn sie klar definiert w�rde, scheint das Verhalten eines Staatsanwaltes in der Ukraine immer noch nach dem alten System funktionieren zu wollen.
Der Monitoring-Ausschuss bittet darum, die Empfehlungen wie vorgegeben mit den kleinen technischen �nderungen zu verabschieden, und wir bitten die Ukraine eindringlich, die Generalstaatsanwaltschaft so zu organisieren, dass der Generalstaatsanwalt nicht die Aufgaben des Ombudsmannes wahrnimmt, nicht die Aufgaben eines polizeilichen Untersuchungsorgans, und schon gar nicht die Aufgaben des Anwalts der beklagten Partei, sondern dass er als �ffentlicher Ankl�ger t�tig wird � nicht mehr und nicht weniger.
Dies sind unsere Erwartungen, und wir hoffen, dass wir im M�rz eine freie und faire Wahl begr��en k�nnen.
Jelena HOFFMANN, Deutschland, SOC
Sehr geehrter Herr Pr�sident!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!!
Bevor ich mich dem vorliegenden Entschlie�ungsentwurf zur Ukraine zuwende, gestatten Sie mir, in meiner letzten Rede als Vertreterin des Bundestages beim Europarat einige pers�nliche Worte an Pr�sident Juschtschenko vorauszuschicken:
Ich hatte das Gl�ck, ihn am 24. August, dem Unabh�ngigkeitstag der Ukraine, wieder einmal pers�nlich zu treffen und kann nur meine Bewunderung �ber seine Energie und seine Hingabe zum Ausdruck bringen, mit welchen er f�r sein Land arbeitet � trotz der Schmerzen, die er ertragen muss, weil man versucht hat, ihn auf barbarische Weise mit Dioxin zu vergiften.
Ich denke, ich spreche f�r alle Kolleginnen und Kollegen, wenn ich ihm von hier aus die besten W�nsche f�r seine Genesung ausrichte und wir alle ihm viel Kraft w�nschen.
Ich bin sicher, dass wir mit Pr�sident Juschtschenko einen �berzeugten Mitstreiter f�r die Werte und Ziele des Europarates an unserer Seite wissen.
Einen besonderen Dank m�chte ich den beiden Berichterstatterinnen f�r den detaillierten, fundierten und wahrheitsgem��en Bericht, der uns vorliegt, aussprechen.
Nat�rlich sollen wir auf kritische Punkte des Berichtes eingehen, doch m�chte ich uns alle daran erinnern, dass der eigentliche Reformprozess, der mit der orangen Revolution in der Ukraine begonnen hat, noch nicht einmal ein Jahr alt ist, und dass wir uns h�ten sollen, zu schnell zuviel von einer jungen Demokratie wie der Ukraine zu verlangen.
Das Land verdient gro�e Anerkennung f�r das Erreichte. Umso mehr freut es mich, unter anderem unter den Punkten sechs bis neun im Text auch die Fortschritte aufgef�hrt zu sehen, welche die Ukraine auf dem Gebiet des Rechts gemacht hat.
Als deutsche Abgeordnete darf ich hier auf die Erfolge der bilateralen Zusammenarbeit verweisen. Unter anderem im Verfassungsrecht und im Richterrecht kooperiert die Deutsche Stiftung f�r Internationale Zusammenarbeit seit �ber zehn Jahren mit der Ukraine im Sinne der F�rderung des Rechtsstaates.
Diese Fortschritte d�rfen jedoch niemanden � am wenigsten die Reformkr�fte in der Ukraine selbst � dar�ber hinweg t�uschen, dass es beim Aufbau rechtsstaatlicher Strukturen auch weiterhin gro�er Anstrengungen bedarf, um sie mit den Verpflichtungen des Europarates in Einklang zu bringen.
Unter Punkt 13 finden wir eine betr�chtliche Anzahl von Kritikpunkten; auf zwei davon m�chte ich eingehen:
Es ist das Wichtigste f�r einen Rechtsstaat, eine unabh�ngige Justiz zu gew�hrleisten, in der der B�rger sich auf dem Rechtsweg gegen staatliche Willk�r wehren kann.
Daher ist die Unterstellung der staatlichen Justizverwaltung unter die Judikative � wie unter Punkt 13.1 gefordert � sehr wichtig. Die Rechtsprechung und ihre Verwaltung m�ssen von der Exekutive unabh�ngig sein, ebenso von der Einflussnahme durch Interessensgruppen.
Es bedarf daher entscheidender Ma�nahmen zur Vorbeugung gegen Korruption.
Der zweite Punkt, den ich hervorheben m�chte, betrifft unter Punkt 13.7 die Mindeststandards, welche f�r Inhaftierte in einem Rechtsstaat gew�hrleistet sein m�ssen.
Hier w�rde ich mir w�nschen, dass wir nicht nur eine allgemeine Forderung nach Verbesserung der Haftbedingungen und medizinischen Betreuung fordern, sondern etwas konkreter werden.
Ich selbst war im letzten Jahr bei allen drei Wahlrunden zum Europarat als Wahlbeobachterin im Lande, um den Ablauf von unabh�ngigen und fairen Wahlen und damit auch den Sieg der orangen Revolution zu unterst�tzen. Ich halte es aufgrund dieser Erfahrung f�r unbedingt notwendig, dass der Europarat weitere, umfangreiche Wahlbeobachtungen zu den Parlamentswahlen im M�rz 2006 organisiert.
Ich w�nsche uns gemeinsam, dass dem Europarat auch weiterhin Dankbarkeit im Bereich der Rechtsstaatlichkeit der Ukraine zuteil wird, und ich w�nsche dem wundersch�nen Land der Ukraine viel Erfolg auf dem teilweise sehr schwierigen Weg zu einer stabilen Demokratie, in welcher die Rechtsstaatlichkeit zuhause ist und die Begriffe Menschenrechte und B�rgerrechte fest in den K�pfen der Bev�lkerung verankert sind.
Vielen Dank.
Ruth-Gaby VERMOT-MANGOLD, Schweiz, SOC
Meine Damen und Herren!
Ich rede zu zwei Dingen bez�glich der Ukraine: zu Menschenhandel und zu illegaler Adoption.
Der Menschenhandel zwischen der Ukraine und unseren L�ndern bl�ht; es gibt sehr viele Frauen, die gehandelt werden; die Frauen kommen in gro�er Zahl hierher zu uns nach Westen, in die europ�ischen L�nder: nach Deutschland, in die Schweiz, nach Italien, nach �sterreich, Frankreich und so weiter.
Ich arbeit in der Schweiz mit Opfern von Menschenhandel, und in diesem Zusammenhang hat mir ein Freier einmal gesagt: �Wissen Sie, die ukrainischen Frauen sind wundersch�n, sie machen, was man will, sie sind willig und sie sind billig.� Es ist eine Katastrophe, wenn man das h�rt.
Die Konsuml�nder sind wir, und wir konsumieren hier � meine Herren � die Frauen aus der Ukraine, und ich denke, wir haben einiges zu tun, um die Ukraine bei der Bek�mpfung des Menschenhandels zu unterst�tzen. Es geht darum, dass wir die kriminellen Organisationen viel st�rker, konsequenter und deutlicher bek�mpfen, als das bisher der Fall ist.
Wir haben jedoch auch noch anderes zu tun: wir m�ssen die Opfer des Menschenhandels sch�tzen. Diese Frauen m�ssen bei uns den Schutz bekommen, der ihnen als Opfer zusteht, auch hier haben wir viel aufzuholen. Wir m�ssen R�ckkehrprogramme entwickeln, welche es den Frauen erm�glichen, wieder in die Ukraine zur�ckzukehren und dort ein normales Leben zu f�hren.
Nicht zuletzt m�ssen wir uns klar machen, dass die ukrainischen Frauen hier bei uns gehandelt und benutzt werden, und wir m�ssen hierf�r die Verantwortung �bernehmen.
Die Ukraine muss den Menschenhandel bek�mpfen, doch ebenso die Konsum- und Transitl�nder des Westens. Die Frauen geh�ren in ihr Heimatland, und hier muss die Ukraine auch �konomische und berufliche M�glichkeiten bereitstellen, damit die Frauen nicht in die F�nge von Menschenh�ndlern geraten.
Es ist wichtig, dass die Ukraine � wie alle unsere L�nder � die neue Konvention des Europarates zum Kampf gegen den Menschenhandel endlich und sehr rasch ratifiziert.
Das zweite ist die illegale Adoption. Ich war Ende August/Anfang September in der Ukraine und habe die F�lle illegaler Adoption, der verschwundenen Babys untersucht.
In der Ukraine verschwinden Babys. Ich habe mit den M�ttern gesprochen, denen man gesagt hat, ihr Kind sei tot. Sie haben keine Leiche gesehen; keinen F�tus � sofern man ihnen gesagt hatte, es sei ein Abort gewesen, sie haben ihre Kinder nicht beerdigen k�nnen, sie haben ihre Rechte als Eltern nicht wahrnehmen k�nnen � es ist ein Skandal. Und die F�lle, die ich hier aufgez�hlt habe, sind nur ein Bruchteil.
Was passiert in der Ukraine? Meiner Meinung nach existiert ein Netzwerk f�r illegale Adoptionen, und ich bin �berzeugt, dass viele Adoptionen unter Einhaltung der Regeln erfolgen, und dass die Beh�rden richtig arbeiten. Doch nach dem, was ich gesehen habe, nach den Gespr�chen mit den internationalen Organisationen in der Ukraine, mit Eltern, mit ukrainischen Nichtregierungs-Organisationen, mit der Ombudsfrau, mit der Mediatorin der Ukraine, und auch mit den Vize-Generalstaatsanw�lten in Kiew bin ich �berzeugt, dass hier Verbrechen passieren, die unbedingt geahndet werden m�ssen.
Zuerst muss aufgedeckt werden, was genau mit den Babys passiert ist; ob sie verschwunden sind und wohin, wer ein Interesse an den Babys hat und wohin die Parallelm�rkte f�hren.
Die Bezeichnung trifft zu, denn f�r illegale Adoptionen besteht ebenso ein Markt wie f�r Menschenhandel.
Es ist unbedingt erforderlich, die Akten erneut zu �ffnen, und die Ukraine sollte akzeptieren, dass ausl�ndische Expertinnen und Experten bei D N A � Analysen hinzugezogen werden. Die Frauen, denen man angeboten hat, ihre Babys zu exhumieren um mithilfe der D N A � Analysen zu pr�fen, ob es sich wirklich um die eigenen Kinder handelt, haben n�mlich ausgesagt, dass sie Unterst�tzung ausl�ndischer Experten w�nschen und nicht mit den russischen Experten zusammenarbeiten wollen.
Wir hier sollten der Ukraine helfen aufzudecken, was mit den verschwundenen Kindern von Kharkov und anderen wirklich passiert ist. Es ist wichtig, dass bei Adoptionsverfahren in der Ukraine s�mtliche Verfahrensregeln eingehalten werden, auch in Kenntnis der Realit�ten im Zusammenhang mit den hier genannten F�llen..
Ich danke Ihnen.
Renate WOHLWEND, Liechtenstein, PPE/DC, EPP/CD
Gerne schlie�e ich mich der Sichtweise von Frau Severinsen an.
Ich m�chte auf zwei oder drei Punkte aus den Redebeitr�gen eingehen und messe dabei der Frage, wie lange es dauert, diese Visionen umzusetzen und zu implementieren, den Redebeitr�gen meiner ukrainischen Kollegen gro�e Bedeutung zu.
Sie sagen, dass die Feststellungen in unserem Memorandum des Berichtes den Tatsachen entsprechen, und ebenso, dass die Komplexit�t der Probleme, die in ihrem Land bestehen, eigentlich erst jetzt, unter der neuen Pr�sidentschaft, erkannt worden sind.
Wenn man nun diese beiden Standpunkte noch unter das Votum unserer georgischen Kollegin stellt, so wird klar, dass wir auch weiterhin Geduld brauchen. Es wird noch viel Zeit vergehen, bis man sagen kann, dass alles, was die Bev�lkerung und die neue Politik in der Ukraine an Visionen und Versprechungen ge�u�ert haben, realisiert werden kann.
Deshalb � wie schon Herr Luc van den Brande ge�u�ert hat � sollen wir kritisch sein, aber auch weiterhin offen mit der Ukraine zusammen arbeiten.
Das ist ein wahres Wort, denn nur durch eine Zusammenarbeit, wie wir sie in den letzten Jahren hatten und hoffentlich auch nach den Neuwahlen weiterhin erleben werden, k�nnen wir die Ziele auf freundschaftlichem Weg erreichen.
Was die Frage der Sprachen angeht, ist dies wohl kaum das Forum, um der Devise Auge um Auge, Zahn um Zahn zu folgen und die russische oder die ukrainische Sprache zu bef�rworten.
Hier sind sicherlich separate Debatten erforderlich, doch ist ein wichtiger Schritt getan worden, indem die Ukraine die Charta zu den regionalen und Minderheitensprachen ratifiziert hat. Wir sind zuversichtlich, was die Umsetzung dieser Charta angeht und bieten gern unsere helfende Hand an.
Wir sollten nicht immer nur negative Kritik �u�ern, sondern gelegentlich auch positiv in die Zukunft sehen � wenn die Kr�fte zusammen wirken und einander unterst�tzen, kann sich vieles zum Guten wenden.
Im Falle von Gongadze habe ich mich gefragt, ob es uns als Versammlung ansteht, einzelne F�lle aufzugreifen und namentlich zu behandeln. Ich hatte starke Zweifel, bin aber l�ngst zu der Erkenntnis gelangt, dass wir diese namentlich genannten F�lle brauchen, um auf die anderen, die vielen tausend ungenannten, aufmerksam zu machen und Fehler und Vers�umnisse aufzuzeigen.
Ich hoffe deshalb, dass diese Debatte zu einem Fortschritt beigetragen hat, ich danke allen, die sich daran beteiligt haben und erwarte gern Ihre Unterst�tzung bei der Abstimmung.