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AS (2006) CR24 |
Provisorische Ausgabe |
SITZUNGSPERIODE 2006
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(4. Teil)
BERICHT
24. SITZUNG
Montag, 02. Oktober 2006, 15.00 Uhr
REDEBEITRÄGE AUF DEUTSCH
Andreas GROSS, Schweiz, SOC
(Doc. 11036)
Danke vielmals, Herr Präsident,
Liebe Kolleginnen,
Ich wollte eigentlich auch auf die mazedonischen Wahlen zurückkommen. Und zwar in dem Sinne, wie sich schon der Kollege bei Frau Durrieu bedankt hat. Und zwar auch im Sinne von Herrn Frunda, dass wir hier sind, und immer bei unseren Sonntagsreden sagen, dass wir präventiv wirken. Das heißt, bevor etwas explodiert, müssen wir Schwächen aufzeigen. Und wir sollten dies besonders bei Mazedonien tun, weil wir dort schon einmal versagt haben. Wir haben das Monitoring abgeschlossen, bevor sich fast ein Bürgerkrieg hat. Das zeigt, dass wir dort einem Irrtum erlegen sind. Ich meine damit folgendes:
Die Desintegration der mazedonischen Gesellschaft hat zur Folge, dass die demokratische Logik in Mazedonien heute nicht funktionieren kann. Die frühere Regierung, die sich aus einer eher linken, slawischen Partei und einer albanischen Partei zusammensetzte, ist jetzt ersetzt worden, aufgrund der Mehrheit der slawischen Bevölkerungsanteile zugunsten einer eher rechten slawischen Partei, die einen albanischen Koalitionspartner brauchte. Aber sie hat nicht den Koalitionspartner gewählt, der in der albanischen Minderheit gesiegt hat, sondern diejenige albanische Partei, die dort verloren hat.
Und das zeigt, dass für die demokratische Logik entweder die Gesellschaft integriert sein muss, im Sinne dessen, was Frau Durrieu gesagt hat, dass die Parteien nicht nach ethnischen Prinzipien organisiert sein dürfen, oder dass in einer gespaltenen Gesellschaft die Logik der repräsentativen Demokratie nicht funktionieren kann. Und an beide Dinge müssen wir denken, und an beiden Dingen müssen wir arbeiten, damit die Demokratie an sich nicht ihre Legitimation verliert.
Dies sollten wir merken, und wir sollten uns überlegen, was es für uns bedeutet. Und deshalb hat Herr de Puig recht, wenn er sagt, wir sollten im Monitoring-Komitee z.B. auf diesen Punkt zurückkommen und Mazedonien in dieser Beziehung unterstützen, damit dieser Widerspruch aufgelöst wird indem die Gesellschaft wirklich integriert wird. Wie Frau Durrieu gesagt hat, sollten die Parteien nicht mehr nur nach ethnischen Prinzipien organisiert sein, damit die Logik der repräsentativen Demokratie wirklich eine gesellschaftliche Entsprechung findet.
Das ist heute nicht der Fall, und das könnte ganz gefährlich sein. Vielen Dank.
Präsident
Danke.
Peter SCHIEDER, Österreich, SOC
(Doc. 11017)
Danke, Herr Präsident,
Ich habe diesen Bericht vom Kollegen Holovaty übernommen, als er ausschied. Ich bin froh, dass er nun wieder bei uns ist, und danke ihm für seine Vorarbeit. Auch danke ich dem gesamten Ausschuss für seine aktive Mitarbeit, sowie dem Vorsitzenden und vor allem Mario Heinrich, dem Sekretär unseres Ausschusses; und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, ohne deren Hilfe diese umfangreiche Arbeit überhaupt nicht möglich gewesen wäre.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen,
Als der Europarat nach dem Krieg geschaffen wurde, ging es um die Zusammenarbeit von Staaten und um den Frieden in Europa. Das wichtigste war, die Staaten zu versöhnen und zur Zusammenarbeit zu bringen. Dabei ging die Frage der Rechte der Versammlung etwas unter; Den großen geschichtlichen Kompromiss; den die Schaffung des Europarates darstellt wollte man nicht durch die Frage nach der Rolle und dem Namen der Parlamentarischen Versammlung gefährden, oder gar scheitern lassen.
Seit 1949 hat sich die Welt, hat sich Europa verändert. Heute sind Regierungen auch im eigenen Land nicht mehr das stärkste, das mächtigste Element. Die Stärke von Institutionen liegt heute in ihrem demokratischen Fundament, in der Beteiligung, die man in ihnen findet, in ihrer Vernetzung mit der Gesellschaft. Wenn wir daher das institutionelle Gleichgewicht beim Europarat betrachten, und Vorschläge machen; wenn wir mehr Rechte für die Parlamentarische Versammlung, für den Kongress der Gemeinden und Regionen, für den Gerichtshof, und für die Beteiligung der Bürger durch die internationalen NGOs einfordern; dann geschieht dies nicht aus Machtdenken für den Teil der Institutionen den wir darstellen heraus, sondern im Interesse des Europarates als Ganzem und im Interesse seiner Zukunft.
In der heutigen politischen Landschaft in Europa, innerhalb der EU und des Europäischen Parlamentes sind neue parlamentarische Maßstäbe gesetzt worden. Auch für das Gesamt-Europa wird es notwendig sein, dass wichtige Institutionen, wie etwa der Europarat selbst, parlamentarischer werden, damit sie gestärkt werden. Wir machen dies ja im Punkt Elf deutlich – auf den Punkt gebracht: Wenn man verhindern möchte, dass der Europarat in eine parlamentarische Rückständigkeit gerät und sich in gewisser Weise zu einem Fossil entwickelt, dann werden weitreichende Reformen erforderlich sein;
Das institutionelle Gleichgewicht des Europarates sollte verbessert werden, und dies insbesondere durch eine Vereinbarung zwischen dem Ministerkomitee der Versammlung und der Versammlung selbst, und, soweit erforderlich, durch eine Aktualisierung der Satzung des Europarates durch statutarische Entschließungen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen;
Der Bericht ist einem alten lateinischen Wort folgend „hart in der Sache, aber gemäßigt in den Worten.“ Das entspricht auch meiner persönlichen Erfahrung hier im Europarat. Mit diesem Bericht appellieren wir an die Einsicht aller Beteiligten, an die Einsicht des Ministerkomitees, und wir appellieren an die Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Teilen dieser Organisation; Wir suchen eine Bereitschaft, die Dinge zu ändern; es geht uns um den Erfolg unserer Vorschläge, und nicht um den Applaus für harte und deutliche Worte. Das Wichtigste ist, das wir etwas erreichen und bewirken wollen, und nicht, dass wir uns selber als etwas Starkes darstellen wollen.
Dies ist mein letzter Bericht hier im Europarat, da ich für das neue österreichische Parlament nicht mehr kandidiert habe. Meine erste Wortmeldung in dieser Versammlung war im Februar 1971 zum Thema Rechte und Geschäftsordnung – 35 Jahre später behandelt mein Bericht nun die institutionellen Fragen. Dies ist kein Hang zum Formalen oder Bürokratischen; sondern die Erfahrung eines parlamentarischen Lebens; Parlamentarismus auf nationaler und europäischer Ebene ist eine Frage der Inhalte und der Form. Seine Weiterentwicklung bedarf laufend neuer Ideen, aber auch einer Aktualisierung der Normen. Wir sind hier aufgefordert, beides zu leisten: neue Ideen, politische Inhalte und Änderungen der Formen und Bestimmungen für unsere Arbeit. Und nur wenn wir unsere Organisation wie andere Institutionen parlamentarischer gestalten, wenn wir sie in stärkeren Kontakt mit Bürgern bringen, wenn sich die Gesellschaft stärker in ihr wieder findet, wenn wir sie demokratisieren, dann wird eine solche Einrichtung auch überleben.
Ich bin überzeugt, dass wir mit unserer hier erbrachten Arbeit einen wesentlichen Beitrag für die Zukunft des Europarates als Ganzes, und nicht bloß für unsere Versammlung alleine leisten.
Herzlichen Dank.
Präsident
Ich möchte diese Gelegenheit dafür nutzen, dem ehemaligen Präsidenten unserer Versammlung nach 35 Jahren herzlich für seinen Beitrag und seine Leistung in dieser Parlamentarischen Versammlung zu danken. Es gibt nicht viele Beispiele nationaler Abgeordneter die in der Lage waren, auf zwei Ebenen gleichzeitig Leistung zu zeigen und Beiträge abzugeben.
Ich glaube, dass ich im Namen aller spreche: wenn es Mitglieder in dieser Versammlung gibt, die 35 Jahre lang so intensiv für diese Versammlung gearbeitet haben, dann darf ich mir als Präsident auch etwas von der Redezeit anderer nehmen, um dies noch einmal zu erwähnen, und Ihnen herzlich zu danken.
Ich wünsche Ihnen insbesondere alles Gute für Ihre Gesundheit und Ihr weiteres Leben.
Ich möchte allerdings auch betonen, dass er mit seiner Arbeit noch nicht fertig ist, und weiter seinen Beitrag hier leistet. Danke noch einmal, Peter. Vielen Dank.
Peter SCHIEDER, Österreich, SOC
(Doc. 11017)
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen,
ich danke Ihnen für die gute Zusammenarbeit und für die freundlichen Worte.
Andreas GROSS, Schweiz, SOC
(Doc. 11017)
Herr Präsident!
Ich möchte diese Gelegenheit für zwei Sachen nutzen: Zunächst möchte ich allen danken, die sich an dieser Diskussion beteiligt haben, und ich glaube, wenn Sie Ihren Worten hier Folge leisten möchten, in dem Sinne, dass Sie Peter Schieder einen Gefallen tun wollen, dann sollten Sie das, was Sie hier zu diesem Bericht gesagt haben, zu Hause wiederholen, damit die Minister dort diesen Bericht ernst nehmen.
Denn, zweitens, und dies gilt auch für Mario Heinrich: Peter Schieder und Mario Heinrich sind hier aktiv geworden, und sie sind die einzigen, die zwei Drittel der Geschichte des Europarates aktiv erlebt haben. Als sie hier Mitglieder wurden, besaß der Europarat knapp ein Drittel der Mitglieder von heute. Das zeigt vielleicht den Unterschied zwischen damals und heute. Und dies zeigt auch, wie wichtig es ist - Herr Manzella hat es gesagt – dass die Verfassungssituation unserer Organisation der Realität entspricht. Dies ist jedoch mit der Verfassung von vorgestern nicht mehr möglich, als die Organisation nicht einmal ein Drittel der Beteiligten von heute hatte.
Wir müssen unsere Verfasstheit der Situation anpassen, und zwar so, dass das Gewicht der Parlamentarischen Versammlung in ihren Statuten und Gesetzen auch die Realität und das Gewicht wieder findet, welches sie in der Realität politisch hat. Wir danken Herrn Schieder sehr, dass er dies getan hat, und wir nehmen ihn dann am besten ernst, wenn wir das, was wir geschrieben haben, jetzt nicht nur an das Minister-Komitee senden, sondern auch zu Hause dafür sorgen, dass diejenigen, die unsere Staaten hier vertreten, von zu Hause her gedrängt werden, das Papier von Herrn Schieder in die Tat umzusetzen. Vielen Dank.
Angelika GRAF, Deutschland, SOC
(Doc. 11020)
Verehrte Kolleginnen und Kollegen!
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ist, wie die Debatte heute gezeigt hat, nicht nur bei diesem sondern auch beim vorhergegangenen Tagesordnungspunkt das Herzstück des Menschenrechtsschutzes in Europa.
Jeder einzelne Bürger hat durch diesen Gerichtshof die Möglichkeit zu klagen, wenn er sich in seinen Menschenrechten verletzt sieht. Das Funktionieren dieses Gerichtshofes allerdings ist so meine ich, mit der Glaubwürdigkeit der Europäischen Menschenrechtspolitik direkt verbunden. Daher auch die Durchsetzung der Beschlüsse des Menschenrechts-Gerichtshofes in den 46 Mitgliedsstaaten.
Ich möchte Herrn Jurgens ausdrücklich dafür danken, dass er den Problemen und Hindernissen für die Durchsetzung der Menschenrechte nachgegangen ist; dass er mit den Entscheidungsträgern in den einzelnen Ländern gesprochen hat und auch die Möglichkeiten zur Beseitigung dieser Hindernisse ergründet hat.
Der Bericht ist meiner Meinung nach sehr ausführlich und behandelt sowohl die strukturellen Probleme als auch Einzelfälle. Er ist sowohl engagiert als auch sachlich. Herzlichen Dank, Herr Jurgens, für das was sie hier geleistet und uns vorgelegt haben, denn es dürfte eine gute Grundlage für die zukünftige Arbeit, auch in den nationalen Parlamenten, sein.
Man muss allerdings feststellen, dass in fünf Staaten bei der Implementierung der Gerichtsurteile schwerwiegende Defizite zu beklagen sind: Russland, Ukraine, Italien, Großbritannien und die Türkei. In neun Ländern hat es zudem Einzelfälle gegeben, und zu diesen Ländern gehört auch Deutschland.
Es ging dabei um den Sorgerechtsfall Görgülü, und wir sind immer noch bemüht, hierfür eine Lösung zu finden, die aus meiner Sicht dem Kindeswohl nicht widersprechen darf. Denn das Kindeswohl ist, denke ich, auch ein Recht was ein Kind hat, ein Menschenrecht des Kindes.
Wenn wir gerade über das Kinderwohl sprechen, so möchte ich auf die Kolleginnen und Kollegen aus Großbritannien ausdrücklich zugehen und sie bitten, sich gegen körperliche Strafen für Kinder auszusprechen. Ich denke es ist endlich an der Zeit, auch dieses Recht der Kinder entsprechend wahrzunehmen.
Wir sprechen über Russland und die Ukraine: es gibt eine Vielzahl von Fällen die durch die Probleme im russischen und ukrainischem Rechtssystem bedingt sind und die unter anderem dazu beitragen, dass der europäische Menschenrechtgerichtshof so überlastet ist wie im Moment.
Aber auch in Italien gibt es lange Verfahrenszeiten. Ich denke, die Glaubwürdigkeit des italienischen Rechtsstaates ist gefordert, wenn es darum geht, diese Verfahrenszeiten entsprechend zu straffen. Das Wiederaufrollen der angefochtenen Verfahren ist ein ganz wichtiger Punkt, bei dem inzwischen auch ein Gesetzentwurf – wie ich gelesen habe –im italienischen Parlament angegangen wird.
Ganz wichtig ist bei diesem Bericht dieTürkei. Die Pressemeinungsfreiheit ist, denke ich, dort noch nicht so implementiert wie man es sich wünscht, obwohl die Türkei in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht hat. Dies muss man wirklich anerkennen. Aber wenn das türkische Strafgesetzbuch immer noch den Paragraphen 301 „Herabwürdigung des Türkentums“ enthält, und Menschen nach diesem Paragraphen entsprechend angeklagt worden sind, dann ist dies etwas was nicht für die Aufrechterhaltung der Meinungsfreiheit in der Türkei spricht und ich bitte ernsthaft darum, in dieser Tagesordnung diesen Punkt im türkischen Strafrecht abzuschaffen.
Wir werden viele im Moment existierende Probleme nicht übernacht aus der Welt schaffen. Dies ist unmöglich, aber ich denke, dass die russische Föderation die den Vorsitz im Minister-Komitee hat, Verantwortung für die Glaubwürdigkeit und die Wirksamkeit des Menschenrechtsschutzes in Europa trägt – und sie sollte in diesem Fall ein gutes Beispiel abgeben.
Herzlichen Dank.