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AS (2006) CR28 |
Provisorische Ausgabe |
SITZUNGSPERIODE 2006
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(4. Teil)
BERICHT
28. SITZUNG
Mittwoch, 04. Oktober 2006, 15.00 Uhr
REDEBEITRÄGE AUF DEUTSCH
Doris BARNETT, Deutschland, SOC
Vielen Dank, Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen,
Es ist dem Berichterstatter, Herrn Cosidó gelungen, einen relativ ausgewogenen Text abzuliefern, was angesichts der sehr unterschiedlichen Wirtschaftsräume und Mitgliedsstaaten zugegebenermaßen schwierig ist. Den Feststellungen und Forderungen können wir, die sozialdemokratische und die sozialistische Fraktion, uns weitestgehend anschließen, und wir werden dem Antrag auch zustimmen. Wir danken Herrn Cosidó und den Mitarbeitern des Sekretariats für ihre Arbeit. Aber lassen Sie mich jetzt zur Sache kommen.
Es war uns wichtig, in der Entschließung bzw. dem Änderungsantrag darauf hinzuweisen, dass die Liberalisierung des internationalen Handels zwar eine der wirksamsten Maßnahmen zur Stimulierung der Weltwirtschaft ist, wenn die Liberalisierung aber ungebändigt und unkonditioniert erfolgt, dann wird sie scheitern müssen, wie ja die geplatzte Doha-Runde zeigt. Wenn wir nun im EU-Raum trotzdem damit beginnen, Subventionen bei Zucker, Baumwolle und Olivenöl abzubauen, dann ist dies ein kleiner, wenn auch wichtiger Schritt hin zu mehr Fairness im Welthandel. Denn bevor wir uns über Maßnahmen im Rahmen von Migrationsflüssen, seien sie nun illegal oder erwünscht, unterhalten, gehört es doch zu unseren vornehmsten Aufgaben – und es ist auch weitsichtiger – den Menschen in ihren Herkunftsländern eine Perspektive zu geben.
In der Tat bringen die Rohstoffpreise für Energie die Weltwirtschaft in Turbulenzen. Der Vorteil davon ist aber, dass Energieeffizienz endlich in den Fokus des Wirtschaftens kommt. Hier haben wir doch gerade in der EU alle Chancen, nicht nur, weil wir das Kyoto-Protokoll umsetzen und uns damit selbst verpflichtet haben, sondern, weil in unseren Ländern Forschung betrieben wird, die Produkte nach sich zieht, die helfen, massiv Energie zu sparen und als kleinen Nebeneffekt auch noch die Luft sauber halten. Wir können heutzutage mit einem relativ geringen Aufwand unsere Wohnhäuser so dämmen, dass sie weniger als ein Siebtel der bisherigen Heizenergie brauchen. Wir haben die Technologie, um aus Biomasse – Wind, Sonne und heißer Erdschicht – Energie zu gewinnen. Diese Energieanlagen gehören in der nahen Zukunft wohl zu den wichtigsten Innovationen, die nicht nur der Wirtschaft, und damit den Menschen, in Form von Arbeitsplätzen helfen, sondern auch der Umwelt.
Dafür brauchen wir fähige Ingenieure, Informatiker, Facharbeiter und alles, was dazugehört. Diese müssen gut ausgebildet werden und, was in einer älter werdenden Gesellschaft, die dazu trotz Zuwanderung noch schrumpft, ganz wichtig ist, gut ausgebildet bleiben. Deshalb müssen wir auch im Rahmen der Lissabon-Strategie Anstrengungen unternehmen, die Beschäftigungsfähigkeit der Menschen ständig und stetig auf einem hohen Stand zu halten. Das lebenslange Lernen wird in ganz kurzer Zeit zur Überlebensnotwendigkeit, auch wenn wir heute noch Ältere viel zu früh aus dem Arbeitsprozess drängen und dabei auch viel Erfahrung und Wissen verlieren. In Zukunft können wir aber auf niemanden mehr verzichten.
Deshalb müssen wir früh beginnen, und ich weiß sehr wohl, dass hier der Finger der Pisa-Studie der OECD auch auf unser Land, auf mein Land, zeigt, die Menschen zum Lernen zu bringen. Die Weiterbildung muss zu einem selbstverständlichen Bestandteil des Arbeitslebens werden.
Zu einer zeitgemäßen Ausbildung gehören aber heute auch Erfahrungen, die man sich im Ausland aneignet. Nicht nur, dass die eigene Beschäftigungsfähigkeit damit steigt, nein, auch die immer wieder geforderte Mobilität profitiert davon. Denn der Austausch von Mitarbeitern hilft, Innovation in Gang zu halten und verbessert die internationale Kooperation. Diese Mobilität sollte sich im europäischen Kontext der Europarat aneignen und auch weiter befördern. Mobilität aber kann nicht bedingungslos erfolgen, sondern setzt für die betroffenen Arbeitnehmer auch eine gewisse soziale Absicherung voraus. Deshalb ist es so wichtig, sich im Bereich der sozialen Sicherheit und des Arbeitsrechts und Arbeitsschutzes auf gemeinsame Standards zu verständigen. Als Minimum sollten weltweit endlich die ILO-Standards angewandt werden und auch gelten.
Im Zusammenhang mit der Lissabon-Strategie wird es von Bedeutung sein, ob es gelingt, Rechte und Anwartschaften aus Sozialversicherungen – hier insbesondere Rente – übertragbar zu machen. Der Europarat hat zwar mit seiner Sozialcharta in diesem Bereich einen wichtigen Ausschlag gemacht, aber auch über diese neuen Fragen werden wir uns zukünftig Gedanken machen müssen. Denn nur dann wird Liberalisierung wirklich tragfähig und von den Menschen akzeptiert.
Vielen Dank.