AL07CR31 |
AS (2007) CR 31 |
Provisorische Ausgabe |
SITZUNGSPERIODE 2007
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(4. Teil)
BERICHT
31. SITZUNG
Dienstag, 2. Oktober 2007, 15.00 Uhr
REDEBEITRÄGE AUF DEUTSCH
Gerd HÖFER, SPD/SOC
Frage an den serbischen Premierminister KOSTUNICA
Herr Premierminister,
Sie haben in ihrer Rede etwas sybillinisch darüber gesprochen, dass es europäische Staaten gebe, die versuchen würden, mit legaler Gewalt eine Veränderung in den Beziehungen zwischen dem Kosowo und Serbien herbeizuführen. Ich frage Sie: Welche Länder sind das und welche Ziele verfolgen sie? Ich denke, die Versammlung hat einen Anspruch darauf, das zu wissen, damit wir miteinander reden können.
Eduard LINTNER, Deutschland, EPP/CD / PPE/DC
(Dringlichkeitsdebatte)
Herr Präsident,
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen,
Es wurde bereits betont, dass der Menschenrechtsgerichtshof des Europarats weltweit einzigartig ist. Er “stellt in Europa die bedeutsamste Entwicklung des individuellen Menschenrechtsschutzes dar”, so wörtlich eine Einschätzung des deutschen Außenministeriums.
Seine Bedeutung für die Wahrung des individuellen Menschenrechtsschutzes in Europa kann daher gar nicht überschâtzt werden. Und weil es bei der Achtung und Wahrung der Menschenrechte um die konstitutive Substanz des Europarats überhaupt geht, ist er ein bedeutendes Aushängeschild des Europarats selbst.
Wenn also die Arbeit des Gerichts massiv behindert wird oder gar gefährdet ist, dann ist es unsere oberste Pflicht, uns mit aller Kraft dafür einzusetzen, dass diese Störungen behoben werden und der Gerichtshof wieder funktionsfähig gemacht wird. Dass wir aktuell eine solche Lage haben, wurde schon erwähnt, und wir sind daher geradezu gezwungen, auf diese Misere auch öffentlich hinzuweisen.
Wie wichtig der Gerichtshof für die 800 Milionen Menschen in unseren Mitgliedsstaaten ist, zeigt schon seine dramatisch wachsende Inanspruchnahme; die Zahlen sind bereits verschiedentlich erwähnt worden. Diese Zahlen zeigen aber auch, dass eben gehandelt werden musste und werden muss, um einen Kollaps dieses wichtigen Rechtsschutzes zu verhindern.
Und man hat ja auch gehandelt: Gemeinsam wurde das Zusatzprotokoll 14 zur Menschenrechtskonvention erarbeitet und der Rat von Weisen über weitere notwendige Reformschritte eingeholt. So weit, so gut!
Aber diese Regelungen müssen umgesetzt werden. 46 von 47 Mitgliedsstaaten haben das Zusatzprotokoll ratifiziert, allein Russland stellt sich noch durch seine beharrliche Weigerung, zu ratifizieren, gegen alle übrigen und gegen eine wirksame Beschleunigung der Arbeitsabläufe beim Gericht.
Russland nimmt damit eine gewaltige Verantwortung auf sich, nämlich nicht mehr und nicht weniger, als die Arbeit des Europarats an seiner empfindlichsten Stelle zu blockieren, und schädigt uns alle auf einem Feld, auf dem wir bei den Menschen in Europa und in der ganzen Welt das höchste Ansehen genießen.
Auf die russischen Argumente kann ich jetzt nicht im Detaill eingehen, aber resümierend kann ich feststellen: Sie sind nicht stichhaltig. Nur so viel: Russland ist mit rund 240 Millionen Einwohnern das größte Mitgliedsland, und dementsprechend entfällt auch eine große Zahl von Eingaben auf Russland.
Aber entscheidend ist, die meisten Eingaben werden bereits vorher als unzulässig aussortiert. Russland steht daher gemessen an seiner Bevölkerungszahl, was die anhängigen Verfahren betrifft, erst an 17. Stelle – hinter Schweden! Und mit 102 Urteilen im Jahr 2006 liegt Russland auch deutlich hinter vielen anderen Mitgliedsstaaten, nämlich zusammen mit Italien auf Platz 6.
Russland profitiert also schon heute von den Filtern, die es im Verfahren beim Gerichtshof gibt. Und gerade diese Möglichkeiten werden mit den Regelungen im Zusatzprotokoll 14 noch verstärkt.
Es ist deshalb also völlig unverständlich, warum sich Russland noch querlegt. Ich finde, Russland sollte einsehen, dass der Ansehensverlust und der schwindende Rückhalt, den es durch diese sture Ablehnung hier bei uns und in den Augen einer breiten weltweiten Öffentlichkeit erleidet, sich auch für ein so großes und mächtiges Land nicht lohnt.
Es kommt hinzu, dass Russland uns alle damit in ein echtes Dilemma stürzt, denn demnächst geht es darum, ob das höchste und wichtigste Amt, das wir zu vergeben haben, mit einem Kollegen aus Russland besetzt werden soll. Russland sollte uns und den Gerichtshof aus diesem Dilemma erlösen und unverzüglich Zusatzprotokoll Nr. 14 unterzeichnen.
Sabine LEUTHEUSER-SCHNARRENBERGER, Deutschland, ALDE/ADLE
(Dringlichkeitsdebatte)
Herr Präsident,
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
Der Europäische Menschenrechtsgerichtshof ist das Juwel des Europarats. Er gibt vielen Menschen Hoffnung, Zuversicht und häufig die vielleicht einzige Chance, Gerechtigkeit zu bekommen. Denn der Europäische Menschenrechtsgerichtshof muss die Defizite ausgleichen, die nationale Gerichtssysteme bei der Feststellung von Verantwortung für schwerste Menschenrechtsverletzungen immer wieder aufweisen.
Wenn Übergriffe staatlicher Stellen, Folter, Verschleppung, Einschüchterung oder Körperverletzung, ohne jede Resonanz der nationalen Gerichte bleiben, dann ist eben der Gerichtshof in Straßburg die letzte Hilfe, die letzte Chance. Und so sehen das ja, wie die heute dargelegten Zahlen zeigen, zunehmend die Bürgerinnen und Bürger in den Mitgliedsstaaten des Europarates.
Von daher ist der Europäische Menschenrechtsgerichtshof ja eigentlich eine Erfolgsgeschichte – wenn er denn in der Lage wäre, seiner ständig wachsenden Bedeutung auch gerecht zu werden. Genau das ist er jedoch zunehmend nicht. Deshalb gehört diese Frage hier auf die Tagesordnung der Parlamentarischen Versammlung.
Gerade hinter den zunehmenden Individualbeschwerden – über 40 000 jährlich, über 100 000 im Rückstau - stecken doch Einzelschicksale von Rentnern oder Invaliden, weil ihre Urteile in ihren Ländern einfach nicht vollstreckt werden, aber auch die Opfer von Übergriffen. Was täten denn die Opfer der zahlreichen Übergriffe von Militärs an Zivilisten, gerade auch in Tschetschenien, ohne den Europäischen Menschenrechtsgerichtshof, wo jetzt noch 200 Fälle anhängig sind?
Alle diese Fälle können nicht unbearbeitet liegen bleiben, denn dann verlieren die Menschen das Vertrauen, das sie in die wichtigste europäische Institution setzen. Deshalb sind Veränderungen vonnöten: personell, finanziell und auch in der Ausgestaltung des Verfahrens. Der Europäische Menschenrechtsgerichtshof braucht, so haben es Experten gesagt, mehr Stellen, und nicht eine Situation wie derzeit, wo Stellen unbesetzt sind.
Wie alle Redner und Rednerinnen hier schon gesagt haben, ist diese größte Krise in der Geschichte des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs eben auch mitverursacht durch das fehlende Inkrafttreten des 14. Zusatzprotokolls als eine Maßnahme, nicht als die alleinige.
Mit einem neuen Verfahren zur Besetzung von Richterstellen soll nach dem 14. Zusatzprotokoll die Unabhängigkeit der Richter gestärkt werden: Indem ihre Amtszeit verlängert wird, sie nicht wiedergewählt werden, sind sie auch staatlichem Einfluss entzogen. Daneben sollen natürlich auch die Verfahren noch verbessert und optimiert werden.
Es waren Kollegen der Duma im Rechtsausschuss. Wir haben ihnen auch unsere Erfahrungen dargelegt, besonders ich aus Deutschland, mit der Reform des Bundesverfassungsgerichtes. Diese Reform hat dazu geführt, dass offensichtlich unzulässige Eingaben schneller entschieden werden.
Unter bestimmten Voraussetzungen gibt es Entscheidungen auch durch einen einzigen Richter, sodass dann für die wirklichen schweren Verletzungen, und das ist die Mehrheit, nicht nur die Zeit bleibt, sondern dass diese Fälle dann auch vorrangig bearbeitet werden können.
Ich fordere Sie, Herr Margelov, die Sie ihre Kolleginnen und Kollegen in der Duma deutlich kritisiert haben, auf, sie zu überzeugen! Tragen Sie diese Kritik an Ihren Kollegen in der Duma nach Hause, und dann hoffe ich, dass sich bald eine Mehrheit für eine Ratifikation finden wird.
Danke.
Holger HAIBACH; Deutschland, EPP/CD / PPE/DC
(Dringlichkeitsdebatte)
Danke sehr, Herr Vorsitzender.
Meine sehr geehrte Damen und Herren!
Der Menschenrechtsgerichtshof ist in der Tat das Beispiel schlechthin für eine Erfolgsgeschichte, die droht, an ihrem eigenen Erfolg zugrunde zu gehen.
Nach den Schätzungen, die uns heute vorliegen, wird der Gerichtshof bis zum Jahr 2010 über 200 000 anhängige Verfahren, die nicht bearbeitet sind, vor sich herschieben. Und mit den entsprechenden Folgen.
Das bedeutet auf der einen Seite die Frage, wie viele von diesen Verfahren am Ende des Tages tatsächlich zulässig sind; wir wissen von dem, was wir heute sehen, dass etwa 90 bis 95% der Eingaben von vornherein nicht zulässig sind.
Aber es bedeutet eben auch entsprechend lange Verfahren. Und das ist eine Frage der Glaubwürdigkeit, die nicht nur an den Gerichtshof, sondern an uns alle gerichtet ist. Denn wenn wir auf der einen Seite von den nationalen Gerichten zügige und faire Verfahren verlangen, und dann auf der anderen Seite zulassen, dass unser Juwel, wie es eben gerade genannt worden ist, der Menschenrechtsgerichtshof, nicht in der Lage ist, seine Verfahren fair und zügig durchzuführen, dann haben wir ein massives Glaubwürdigkeitsproblem.
Dieses Glaubwürdigkeitsproblem kann nur dadurch gelöst werden und den Menschen, die auf den Gerichtshof hoffen, kann nur dadurch geholfen werden, dass wir die entsprechenden Maßnamen einleiten. Dazu gehört auch das 14. Zusatzprotokoll. Auch, aber nicht nur. Das ist schon betont worden.
Aber eines kann ich nicht verstehen, bei allem Verständnis dafür, dass internationale Gesetzgebung schwierig ist, und dafür, dass parlamentarische Arbeit wohl überlegt werden muss und dass man sich über das, was man tut, genau Gedanken machen muss:
Wir reden über dieses Zusatzprotokoll jetzt seit 1998, seit neun Jahren. 46 Mitgliedsstaaten sind in dieser Zeit zu der Überzeugung gekommen, dass es richtig ist, das zu tun. Einer nicht. Man fragt sich natürlich, wo da die Wahrheit liegt.
Aber es hilft nichts, nur zu klagen; ich glaube, es ist auch wichtig und notwendig, dass wir überlegen, was wir jenseits des Protokolls noch tun können, um die Situation des Gerichtshofs zu verbessern. Und mit anderen Kollegen zusammen habe ich im Deutschen Bundestag entsprechende Vorschläge gemacht, die auch mit großer Mehrheit angenommen worden sind. Ich bringe sie hier vor nicht weil sie meine sind, und auch nicht, weil sie aus Deutschland kommen, sondern weil ich sie für sie sinnvoll halte.
Dazu gehört zum einen die Übersetzung der Urteile in die Nationalsprachen. Wir haben erlebt, dass es sehr häufig vorkommt, dass die Urteile den Richtern nicht zur Verfügung stehen, weil sie eben nicht in den entsprechenden Sprachen zur Verfügung stehen und deswegen nicht angewendet werden können.
Dann ist zum anderen natürlich die Frage der Implementierung, der Umsetzung der Urteile, und auch da habe wir als Parlamentarier durchaus eine Möglichkeit: Wir, wie auch die Kollegen aus Großbritannien, lassen uns von unserer Regierung über die Verfahren berichten, die gegen Deutschland gerichtet sind und fragen nach, was getan wurde, um diese Verfahren zu lösen, um die gegen das eigene Land ausgesprochenen Urteile tatsächlich umzusetzen.
Ich glaube, dass das ein wirksamer und wichtiger Weg ist. Dazu gehört natürlich auch die Frage des Geldes. Natürlich müssen wir mehr Geld einbringen für den Gerichtshof, wir müssen mehr Stellen schaffen, aber wir müssen aufpassen, dass es nicht zum Schluss zu Lasten der Arbeitsfähigkeit der gesamten parlamentarischen Versammlung geht. Denn das ist es ja, was zur Zeit mehr oder weniger stattfindet, und da haben wir natürlich auch als diejenigen, die in unseren nationalen Parlamenten über Haushalte zu diskutieren haben, eine wichtige Aufgabe.
Der letzte Punkt ist die Richterauswahl. Wir haben in unserer Funktion als nationale Parlamentarier schon ein Wort mitzureden, welches Land welchen Richter hier vorschlägt. Wir wählen ja nicht nur, sondern wir haben auf der anderen Seite auch die andere Funktion.
Und auch dort lohnt es sich, das eine oder andere Mal bei der Regierung nachzufragen, welche Richter eigentlich aufgestellt werden und aus welchen Gründen, ob sie die notwendigen Qualifikationen haben oder ob sie sie eben nicht besitzen, damit nicht – wie eben jetzt geschehen ist – mehrere Listen zurückgeschickt werden müssen, weil Richter bzw. vorgeschlagene Kandidaten definitiv nicht qualifiziert sind.
Zum Schluss, meine sehr geehrten Damen und Herren, bleibt der Wille – und das ist, glaube ich, das wichtigste – wirklich der Wille, dem Menschenrechtsschutz in Europa zum Durchbruch zu verhelfen. Diesen Willen müssen wir alle haben, in den nationalen Parlamenten aber auch hier, unabhängig davon, ob wir einfache Mitglieder sind, Vorsitzende von politischen Gruppen, Vorsitzende von Ausschüssen oder gar Präsidenten dieser Versammlung.
Danke sehr.
Holger HAIBACH; Deutschland, EPP/CD / PPE/DC
(Doc. 11183)
Herzlichen Dank, Herr Präsident,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
Im Grunde genommen führen wir die Debatte, die wir gerade über den Gerichtshof geführt haben, von der anderen Seite jetzt noch einmal. Ich möchte zunächst im Namen der EPP-Fraktion dem Kollegen Pourgourides für diesen hervorragenden Bericht danken. Ich finde, er ist, wie alle Berichte des Kollegen Pourgourides, deutlich in der Formulierung, aber ausgewogen in der Sache. Ich glaube, dies ist die richtige Art und Weise, mit einem so schwierigen Thema umzugehen.
Worum geht es? Es geht um die Frage, dass es nicht nur Mitgliedsstaaten gibt, die die Urteile des Gerichtshofs nicht umsetzen, sondern dass es eben auch Mitgliedsstaaten gibt, in denen es ganz offensichtlich eine Praxis gibt, diejenigen, die sich an den Gerichtshof wenden, ihre Anwälte und ihre Vertreter bei Nichtregierungsorganisationen, in welcher Form auch immer zu bedrohen.
Dass wir dies verurteilen, ist, glaube ich, klar, und dass wir die notwendigen Maßnahmen dagegen ergreifen wollen, ebenso. Die Frage ist, was dabei unsere Aufgabe ist, was wir tun können, und wo wir Hilfestellung leisten können.
Und es ist richtig: Es ist nicht eine Frage eines Landes, sondern aller 47 Mitgliedsstaaten. In Deutschland gibt es z.B. eine Dabatte darüber, welchen Stellenwert eigentlich Urteile des Menschenrechtsgerichtshofs haben, ob sie dem einfachen nationalen Gesetz vergleichbar sind oder Urteilen des Bundesverfassungsgerichtshofs. Das ist eine Sache, die bis jetzt nicht ausdiskutiert ist, und der wir uns widmen müssen.
Aber die entscheidende Frage ist natürlich, wie der Kollege Jurgens schon gesagt hat: Die Glaubwürdigkeit des Gerichtshofs steht und fällt mit der Umsetzung seiner Urteile in den nationalen Staaten.
Ein großer Teil unserer Probleme resultiert eben aus der Frage, dass es viele Staaten gibt, bei denen der nationale Rechtsweg ganz offensichtlich nicht in der Art und Weise funktioniert, wie wir uns das wünschen, und es in diesen, aber auch in anderen Staaten viele Menschen gibt, die sich an den Menschenrechtsgerichtshof wenden, obwohl der nationale Rechtsweg noch nicht ausgeschöpft ist.
Dieser Bericht bietet eine gute Möglichkeit, zu sagen : Diejenigen, die bedroht worden sind, haben das Recht, sich auch schon vor der Ausschöpfung des Rechtswegs an den Menschenrechtsgerichtshof zu wenden und darauf hinzuweisen, dass sie ein Problem haben, mit dem sie nicht bei den nationalen Gerichten alleine gelassen werden wollen, und um das sich der Europäische Gerichtshof prioritär kümmern soll.
Doch im Grunde genommen sind wir damit wieder bei der Frage der Debatte von vorhin. Die Ratifizierung des Zusatzprotokolls würde aus meiner Sicht sehr viele dieser Probleme lösen, auch wenn ich bei meiner grundsätzlichen Meinung bleibe: Der nationale Rechtsweg ist prioritär.
Selbst wenn wir das wollen, werden wir nicht alle Probleme von nationalen Staaten und Mitgliedsstaaten des Europarates in ihren juristischen Bereichen auf der Ebene des Menschenrechtsgerichtshofs lösen können. Aber er ist ein wichtiges komplementäres Element, und als solches sollten wir ihn auch behandeln.
Und um der Bitte des Vorsitzenden nachzukommen, uns so kurz zu fassen, dass alle tatsächlich noch zum Reden kommen, möchte ich mich zum Schluss nur noch einmal bedanken, und dem Kollegen Pourgourides unsere Zustimmung zu seinem Bericht zusichern.
Danke sehr.
Sabine LEUTHEUSER-SCHNARRENBERGER, Deutschland, ALDE/ADLE
(Doc. 11183)
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen.
Heute reden alle die, die sich ganz besonders und intensiv mit dem europäischen Menschenrechtsgerichtshof befassen, und auch ich darf dem Berichtserstatter Herrn Pourgourides sehr herzlich zu dem hervorragenden Bericht gratulieren. Dies ist eine sehr fundierte Darstellung; es Ihnen sehr eindrucksvoll gelungen, uns vor Augen zu führen, was in der Zusammenarbeit mit den nationalen Systemen gelingt, aber auch besonders, was eben nicht gelingt.
Denn Verfahren vor dem europäischen Menschengerichtshof bringen ja denjenigen, die ihn anrufen, nur dann etwas, wenn sie zügig, wirkungsvoll und natürlich mit der notwendigen Unterstützung der Mitgliedsstaaten, wie sie auch schon in der EMRK festgehalten ist, erfolgt.
Und da eben leider nicht alles gut läuft, auch wenn vieles gut läuft, ist dieser Bericht so notwendig - sonst hätten Sie, Herr Pourgourides, ja auch nichts zu tun gehabt! Sie hatten aber sehr viel zu tun, was ja auch die Tatsache zeigt, dass Sie bis vor wenigen Tagen den Bericht noch aktualisieren mussten.
Und es gilt das, was schon in der aktuellen Stunde eben gesagt wurde: Der Menschenrechtsgerichtshof ist eben häufig die letzte Chance und letzte Rettung für viele, die zu Hause in ihrem Land bei dem Anrufen ihrer nationalen Gerichte nicht auf Hilfe rechnen können.
Deshalb ist es gut, dass Sie so deutlich machen, wo denn gerade die Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit liegen, und daraus konkrete praktische Vorschläge zur Verbesserung herleiten.
Dass Beschwerdeführer zu Hause massiv unter Druck gesetzt werden, weil man nicht will, dass sie zum europäischen Menschenrechtsgerichtshof gehen, dass sie körperlich bedroht oder sogar körperlich verletzt werden, damit sie ihre eingereichte Klage zurücknehmen, zeigt doch, dass sehr viel Überzeugungsarbeit geleistet werden muss, dass der Europäische Menschenrechtsgerichtshof ein Gericht ist, aber nicht ein Strafgericht über andere Staaten, sondern eine Hilfe für den Einzelnen bei der Wahrnehmung seiner Rechte.
Dass auch Anwälte immer wieder – und zwar ganz aktuell, nicht zurückliegend vereinzelt in den achtziger, Anfang der neunziger Jahre - unter Druck stehen, bedroht werden, dass man Anwälten ihre Zulassung entziehen will, damit sie Beschwerdeführer vor dem europäischen Menschenrechtsgerichtshof nicht mehr vertreten können, ist doch erschreckend! Und dass manche Anwälte sich vielleicht gar nicht mehr trauen in ihrem eigenen Land zu leben, um hier die Arbeit des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs wahrzunehmen, ist doch wirklich ein Armutszeugnis.
Diese Fälle aufzubereiten und darzulegen, sodass wir sie alle auch konkret vor Augen haben und damit argumentieren können, ist Ihnen, lieber Herr Pourgourides, in diesem Bericht wirklich ganz ausgezeichnet gelungen.
Ebenso jedoch ist Ihnen auch gelungen, festzustellen, wo es schon jetzt Besserungen gibt, bzw. was man besser machen kann.
Der interamerikanische Gerichtshof, der uns allen vielleicht ein wenig fern ist, zeigt ja, dass man von manchen Möglichkeiten, wie vorläufigen Maßnahmen, Polizeischutz, Zeugenschutz-Programmen, der Verbesserung von Aufenthaltsbefugnissen, schon jetzt sehr viel mehr Gebrauch machen kann, wenn wir es denn nur wollen.
Dass der nationale Rechtsweg an erster Stelle steht, ist richtig. Aber ich unterstütze nachdrücklich auch Ihre Anregung, Herr Pourgourides, zu prüfen, wann man unter bestimmten Voraussetzungen davon noch mehr Ausnahmen machen kann!
Denn wenn ein Beschwerdeführer schon so unter Druck gesetzt wird, dass er gar nicht beim nationalen Gericht durchdringen kann, können wir ihn ja nicht auf den nationalen Rechtsweg verweisen, wenn vielleicht hier in Straßburg seine größte Hilfe liegt!
Deshalb nochmals ganz herzlichen Dank, und wir sollten diese Debatte weiterführen; sie ist heute nicht beendet.
Angelika GRAF, Deutschland, SPD/SOC
(Doc. 11183)
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte braucht, so steht es in unserer Entschließung für heute, in allen Verfahrensphasen die Mitarbeit aller Unterzeichnerstaaten, und er braucht sie gerade in der Krisensituation, in der der Europäische Gerichtshof sich im Augenblick befindet.
Die nationalen Behörden sind verpflichtet, bei der Klärung von Sachverhalten mit dem Gerichtshof zusammen zu arbeiten. So weit, so gut.
Die Wirklichkeit in manchen Staaten - und dabei wird auch oft auf die Situation in Russland und in anderen Staaten gerade auch mit Blick auf Tschetschenien hingewiesen, die uns unser ehemaliger Kollege und jetziges Ehrenmitglied Rudolf Bindig immer sehr deutlich gemacht hat, - beschreibt die Beschließung aber auch.
Da wird in vielfältiger Weise Druck auf Anwälte und auf NGOs ausgeübt, welche Beschwerdeführer vor dem Gerichtshof unterstützen wollen, und nicht zuletzt werden auch die Betroffenen, die Recht suchen, daran gehindert, Beschwerde beim Gerichtshof einzureichen, und es werden Zeugen an der Aussage gehindert.
Bei der Suche nach Recht erleben die Betroffenen statt Schutz durch die Polizei oft Repression. Das ist wirklich unerträglich. Ich bewundere den Mut aller, die sich z.B. als Mitglieder der tschetschenischen Volksgruppe an den Gerichtshof wenden; ich weiß nicht, ob ich den Mut dazu hätte, einen solchen Schritt zu gehen. Ich denke aber, dass wir zusammen mit den russischen Kollegen diese Problem dringend angehen werden. Ich bin da sehr hoffnungsfroh.
Gleichzeitig steigt aber, wie wir in der Debatte vorher gehört haben, die Anzahl der Fälle, die an den Gerichtshof herangetragen werden, massiv an. Das bedeutet in vielen Fällen lange Wartezeiten, bis der Gerichtshof Recht sprechen kann.
Je länger aber ein solches Verfahren dauert, desto schwieriger wird die Situation für Anwalt und Beschwerdeführer, und desto leichter ist es, Zeugen mundtot zu machen.
Wir müssen also einerseits alles dafür tun, dass das Gericht arbeitsfähig bleibt. Andererseits müssen wir daran arbeiten, dass die Autorität des Gerichtshofes in den Mitgliedsstaaten gestärkt wird.
Ich denke, es würde allein schon die Verbreitung der Rechtsprechung des Gerichtshofes und die Anerkennung, dass seine Rechtsprechung zwingend in den Mitgliedsstaaten umzusetzen ist, eine erhebliche Verbesserung des Kontrollsystems des Gerichtes und damit auf längere Sicht auch der Situation der Bürgerinnen und Bürger und der Politik in den Mitgliedsstaaten bedeuten.
Ich schließe mich deshalb den Empfehlungen des Weisenrates an, der eine Übersetzung zumindest der prinzipiellen und besonders wichtigen Entscheidungen in die jeweilige Landessprache und die Verbreitung der Urteile empfiehlt. Hier sind die Mitgliedsstaaten sehr gefordert.
Mir ist heute eine Broschüre von Human Rights Watch in die Hände gefallen, in der jemand, der im Jahr 2000 in Grosnij inhaftiert war und gefoltert wurde, schildert, was er gefühlt hat, als er vor dem Europäischen Gerichtshof Recht bekommen hat. Ihm ist das Vertrauen in die Rechtsprechung im Ganzen zurückgegeben worden.
Ich denke, neben diesen ideellen Punkten ist es aber die Schaffung nationaler Rechtsmittel besonders wichtig, damit Entschädigungsansprüche bei der Verletzung der Konvention geltend gemacht werden können. Das gibt es in vielen Staaten noch nicht.
Und was hilft es, wenn man vor dem Europäischen Menschenrechtsgerichtshof Recht bekommt, aber dann im Nationalstaat keine Entschädigung für das erlittene Unrecht erhält? Ich gebe der Hoffnung Ausdruck, in der mich der Beitrag meines russischen Kollegen sehr unterstützt hat, dass Russland auch da auf dem richtigen Weg ist. Ich denke, das ist ein ganz wichtiger Schritt.
Danken möchte ich Herrn Pourgourides und seinen Mitarbeitern für diesen wirklich guten Bericht, der uns eine gute Grundlage für die künftigen Diskussionen um das wichtige Thema gibt, wie wir helfen können, dem Menschenrechtsgerichtshof in den europäischen Mitgliedsstaaten zum Erfolg zu verhelfen.
Eduard LINTNER, Deutschland, EPP/CD / PPE/DC
(Antwort, Dok. 11374)
Herr Präsident.
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen,
Ich glaube, der vorliegenden Bericht ist wieder ein gutes Beispiel dafür, wie hilfreich Berichte des Monitoring-Ausschusses sein können für die Länder, die damit begutachtet werden. So ergibt sich eine Art Checkliste hin zu den Reformen, und damit eine langfristige und mittelfristige Wegweisung.
Ich darf mich deshalb recht herzlich bei den Berichterstattern bedanken und natürlich auch bei den Mitarbeitern, die ebenfalls daran mitgewirkt haben. Ich glaube, wir können damit Moldavien, dem wir ja helfen wollen, und das wir nicht etwa kritisieren wollen, eine gute Hilfestellung geben auf dem schwierigen Weg, um den Anforderungen des Europarates gerecht zu werden.
Angelika GRAF, Deutschland, SPD/SOC
(Amendment 8, Dok. 11374)
Es gibt in Moldawien Pläne, die Unterbringung in der Untersuchungshaft, also nach der ersten polizeilichen Vernehmung, vom Innen- ins Justizministerium zu verlagern.
Wir möchten diesen Vorschlag unterstützen, denn wir denken, dass die Trennung von Polizeivernehmung und Unterbringung in der Haft eines der wichtigsten Instrumente ist, um Folter, Willkür und andere menschenunwürdige Behandlungen zu verhindern, und wir wollen außerdem etwas dagegen tun, dass Menschen aus der Untersuchungshaft wieder in den Polizeigewahrsam zurücktransportiert werden.
Angelika GRAF, Deutschland, SPD/SOC
(Amendment 9, Dok. 11374)
Hier geht es uns darum, Straflosigkeit für Folterer zu unterbinden. In Fällen von Übergriffen oder Folter durch die Polizei muss unserer Ansicht nach schnell und von einem unabhängigen Gremium untersucht werden, und die Täter einer entsprechenden Bestrafung zugeführt werden.
Angelika GRAF, Deutschland, SPD/SOC
(Amendment 10, Dok. 11374)
Aus unserer Sicht ist einer der effektivsten Wege, um Folter und menschenunwürdige Behandlung zu verhindern und die Haftbedingungen zu verbessern, ist es, Haftanstalten und Untersuchungsgefängnisse zu besuchen.
Das Europäische Komitee für die Verhinderung von Folter hat neun Besuche in Moldawien gemacht. Die Ergebnisprotokolle dieser Besuche enthalten sehr gute Anmerkungen und Aufforderungen, auf die schleunigst reagiert werden sollte. Und nachdem Moldawien das Zusatzprotokoll zur Antifolterkommission ratifiziert hat, sollten die Dinge, die zum Thema Prävention und Monitoring dort möglich sind, schnell beschlossen werden.