AL07CR35 |
AS (2007) CR 35 |
Provisorische Ausgabe |
SITZUNGSPERIODE 2007
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(4. Teil)
BERICHT
35. SITZUNG
Donnerstag, 4. Oktober 2007, 15.00 Uhr
REDEBEITRÄGE AUF DEUTSCH
Marlene Rupprecht, Deutschland, SOC
(Dok. 11352)
Herr Präsident.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Wir haben es heute mit einem Thema zu tun, das in allen Ländern der Welt ein Thema ist. Unser Problem bei diesem Phänomen ist, dass es sehr häufig sehr stark überlagert wird durch Moral.
Ich versuche jetzt anhand des Berichtes einfach noch einmal aufzuzeigen und sachlich zu argumentieren, warum wir uns mit dieser Thematik beschäftigen müssen, und dass wir auch Lösungen suchen müssen. Ich danke dem Kollegen, dass er in seinem Bericht keine Lösungen vorgeschlagen hat. So ist es recht!
Er fordert mit seinem Bericht die Staaten auf, sich der Thematik anzunehmen, und zwar ohne Moralvorstellungen, die jeder für sich hat, sondern allein aus Gründen der Menschenwürde und aus der Vorstellung, dass Menschen eigenständige Persönlichkeiten sind, wenn sie erwachsen sind, ihren freien Willen haben und keine verbogenen Persönlichkeiten sind, denn dann könnte man viele Berufe aufzeigen, bei denen wir annehmen müssten, dass die Menschen, die sie ausüben, sehr verbogen sein müssen!
Davon gehe ich aus und habe so viel Respekt vor Prostituierten, die legal und freiwillig der Prostitution nachgehen - immer vorausgesetzt sie sind erwachsen. Auch in den Gesprächen mit ihnen habe ich feststellen müssen, dass auch ich meine Moralvorstellung hinten anstellen und nur darauf achten muss, welche Regeln die Prostituierten brauchen, damit sie im Hellfeld arbeiten können und herauskommen aus der Illegalität, der Kriminalität, aus dem kriminellen Umfeld.
Dazu ist das Strafrecht sicher notwendig, aber zweitens ist es notwendig, dass wir das zivilrechtlich regeln: Dazu gehören die Sozialversicherungssysteme, das Arbeitsrecht, das Vertragsrecht, das Mietsrecht. Viele dieser Dinge gehören geregelt, sodass eine Frau das, was sie in diesem Bereich tut, auch so tun kann, dass sie nicht unter Zwang oder Druck gerät, sondern ihre Entscheidung selbst trifft.
Das ist für mich Prostitution, die auf Freiwilligkeit beruht, und jetzt komme ich zu dem zweiten Begriff, gegen den ich mich etwas wehre: Zwangsprostitution. Das ist ein Widerspruch in sich! Bei diesem Begriff geht es um sexuelle Gewalt, und die muss man auch als solche bezeichnen.
Da geht es darum, dass ein Dritter über eine Frau oder einen Mann die Macht hat und sie an einen weiteren Menschen vermittelt, der sie dazu benutzt, seine sexuellen Bedürfnisse, seine Machtbedürfnisse oder was auch immer zu befriedigen.
Darum geht es, und das ist sexuelle Gewalt; im Strafrecht nennen wir das Vergewaltigung. Und ich würde das gern auch so bezeichnen, denn Zwangsprostitution ist ein Widerspruch an sich.
Und das letzte, und deswegen auch da meine Anmerkung: Ich weiß, dass das gängig ist, aber wir haben beim zweiten Weltkongress gegen kommerzielle sexuelle Ausbeutung nicht den Begriff Kinderprostitution benutzt, sondern kommerzielle sexuelle Ausbeutung; das ist Gewalt, das ist ein Straftatbestand.
Wir haben bis auf zwei Staaten alle die UN-Kinderrechtskonvention unterzeichnet und hoffentlich auch in diesen Ländern versucht, sie umzusetzen. Nach der Kinderrechtskonvention ist dies ein Straftatbestand und da gibt es überhaupt keine Möglichkeit des Variierens.
Wir haben uns verpflichtet, Kinder zu schützen, und das werden wir auch tun. Wir müssen alles tun, dass in diesen Ländern der gewaltsame Missbrauch von Kindern unterbunden wird. Da gibt es eine Null-Toleranz-Grenze, das finde ich sehr gut.
Aber ich bitte Sie ganz dringend, diesen Bericht als Anlass zu nehmen, in Ihren Ländern aktiv zu werden, damit Frauen, die freiwillig der Prostitution nachgehen - ich habe nicht ihre Motive zu erforschen, - dies tun können, ohne in einer Grauzone zu sein, ohne halb kriminell und halb schutzlos zu sein, sondern dass sie alle Schutzrechte von Menschen und Bürgern in unseren Ländern erhalten.
Danke schön.
Attila GRUBER, Ungarn, EPP/CD / PPE/DC
(Dok. 11352)
Vielen Dank, Herr Präsident,
In Ungarn ist die Prostitution kein Amts-, sondern nur ein Bagatelldelikt, das nur mit einer Geldstrafe sanktioniert wird.
Bis 1993 gab es in Ungarn einen interessanten Antagonismus: Einerseits waren wir am New Yorker Abkommen beteiligt, laut welchem nur die Zuhälter bestraft werden und die Prostituierten von der Prostitution abgehalten werden sollten, andererseits waren laut dem ungarischen Strafgesetz beide strafbar.
Seit 1993 ist die Prostitution weder verboten noch erlaubt; das Gesetz wird seither dem Bereich des Privatlebens zugerechnet.
Diese Frage wurde auch in Ungarn Gespräch und Forschungsauftrag. Es wurde diskutiert, ob wir das New Yorker Abkommen aufsagen sollten oder nicht. Das Aufkündigen oder Umgehen dieses Abkommens würde bedeuten, dass der Staat die Prostitution als ein auf einer normalen menschlichen Tätigkeit fußendes geschäftliches Unternehmen anerkennen würde, ein Geschäft, das jeder ausüben bzw. in Anspruch nehmen kann, sofern er die Regeln (z.B. hinsichtlich der Steuern) einhält.
Es ist inakzeptabel, Prostitution auf ein kriminalrechtliches Problem einzuengen.
Der Anlass der großen Nachfrage ist nicht Einsamkeit, nicht sexuelle Abweichungen oder Mangelhaftigkeit. Bei der Prostitution geht es nicht um Sexualität, sondern um die Unmöglichkeit einer gleichrangigen Beziehung. Das schwedische Modell, das die Tätigkeit der Freier verbietet, nicht die der Prostituierten, funktioniert besser als jenes Modell, bei dem die Anonymität der Freier verstärkt wird, was diese schützt und ermutigt.
Die ungarische Prostitutions- und Pornoindustrie produziert jährlich eine Milliarde US$ im Land. Unter den illegalen Wirtschaftstätigkeiten macht die Prostitution 0,5-0,7% des BIP aus. Das bedeutet eine Erhöhung um ca. 5% im Vergleich zum Vorjahr.
Nach der Interessenvereinigung der ungarischen Prostituierten arbeiten in Ungarn jährlich 7000 bis 9000 Prostituierte, im Sommer sogar 15 000 bis 20 000. In Zeiten der Budgetkrise wird regelmäßig die Frage der Besteuerung der Prostitution aufgeworfen, eine Frage, die in Ungarn leider aktuell ist.
Durch die staatliche Besteuerung würde aber die Prostitution selbst als eine rechtmäßige Tätigkeit anerkannt werden. Wo ist dann die Grenze zu sehen?
Bei dem Thema des Kampfes gegen Prostitution und Menschenhandel wird in den Konferenzen eine Zahl immer wieder genannt: 75-85% der Prostituierten wurden in ihrer Kindheit regelmäßig schwer misshandelt, viele waren Opfer von sexuellem Missbrauch.
Solche Kinder lernen, dass ihr Körper nicht ihnen gehört, sondern anderen Menschen dient. Ein Teil dieser Kinder kommt aus staatlichen Kinderheimen, der andere Teil kommt aus Familien, in denen oft Gewalt ausgeübt wird.
Das ist eine andere große Herausforderung für uns.
Danke sehr.
Angelika GRAF, Deutschland, SOC
(Dok. 11352)
Herr Präsident,
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Frau Meulenbelt hat vorhin angesprochen, dass es kaum Zahlen gibt über das Phänomen Prostitution. Ich habe ein bisschen gesucht und ich habe gefunden, dass nach Schätzungen 1,2 Millionen deutsche Männer durchschnittlich täglich eine Prostituierte aufsuchen. Ich nehme nicht an, dass das in anderen Ländern Europas und auf der Welt anders ist, d.h. es ist ein Phänomen, das weit in die Gesellschaft hineingeht.
Nun, wie gesagt nehme ich nicht an, dass das in anderen Ländern anders ist, und mancher, in dessen Land die Prostitution verboten ist, fährt jenseits der nationalen Grenze und sucht dort Prostituierte auf, die ihre Leistungen anbieten.
Was ich damit sagen will: Verbote in diesen Bereichen laufen oft ins Leere und sind Ausdruck einer erschreckenden Doppelmoral. Die Gründe, aus denen heraus erwachsene Menschen Sex als Arbeit ausüben, können können sehr unterschiedlich sein, ebenso wie hier die Abgrenzung zwischen Zwang und freier Berufswahl sehr schwierig sein kann.
Nicht jede Frau, die der Prostitution nachgeht, ist ein Opfer. Das sollten wir immer bedenken. Es gibt Frauen mit hohen Bildungsabschlüssen, die als Prostituierte arbeiten.
Man muss bei der Betrachtung des Phänomens aber deutlich unterscheiden zwischen Menschenhandel und Zwangsprostitution auf der einen Seite und der legalen Prostitution, in allen ihren Ausprägungen, auf der anderen Seite.
Tatsache ist allerdings, dass auch Prostituierte, die freiwillig dieser Arbeit nachgehen, bei mangelnder Unterstützung durch ihr Umfeld – sei es nun sozial, gesellschaftlich oder materiell – in Abhängigkeitsverhältnisse kommen können und damit letztlich in die unfreiwillige Prostitution geraten, aus der sie von sich aus nur sehr schwer Wege finden.
Unser Ziel kann es hier nur sein, durch die Entkriminalisierung die Position und das Selbstbewusstsein der Prostituierten zu stärken, mögliche Abhängigkeiten, zum Bespiel von Zuhältern, einzuschränken und zu verhindern, und Hilfen für den Ausstieg aus dem Geschäft anzubieten.
Das Ziel des deutschen Prostitutionsgesetzes, welches ja öfters hier schon angesprochen worden ist und zur Zeit im deutschen Parlament auch evaluiert wird, war deshalb, das selbstbestimmte Handeln von Prostituierten zu unterstützen, die Grauzone der Zuhälterei zu unterbinden und den Prostituierten die Möglichkeit der sozialen Absicherung zum Beispiel in der Krankenkasse zu geben.
Eine grundsätzlich andere Herangehensweise verlangt die Zwangsprostitution, in der die illegal in den europäischen Ländern lebenden und die Drogenabhängigen in Zusammenhang mit der Beschaffungskriminalität verwickelt sind.
Auf sie geht der Bericht ausführlich ein, und ich danke Herrn Platvoet ganz ausdrücklich dafür. Hier, in diesem Bereich, gibt es keine Toleranz. Zwangsprostitution ist in Kombination mit Menschenhandel eine ganz besonders üble Form der modernen Sklaverei. Es wird damit mehr Geld gemacht als im Drogengeschäft. Und sie findet im Gegensatz zu vielen Formen der legalen Prostitution oft in Hinterzimmern im Verborgenen statt.
Ich habe vorhin schon darauf hingewiesen und unterstütze hier den Berichterstatter, dass das Verbot der Prostitution im dem einem Land dieselbe in andere, angrenzende Länder oder in den Untergrund drängt.
Ich stimme ihm ebenfalls zu, wenn er darauf hinweist, dass hier oft organisierte Kriminalität ins Spiel kommt und die Frauen stark gefährdet sind, nicht nur durch die Zuhälter und deren Ansprüche, sondern auch, weil auch Freier oft gefährliche Sexpraktiken fordern und die Frauen dies wegen der Zwangslage, in der sie sich befinden, nicht ablehnen können.
Sie sind da in einer wirklichen Not, und daher müssen wir den Frauen, die in diesem Geschäft aufgegriffen werden, als Opfer auch durch die Polizei entsprechende Hilfe, Aufklärung und Beratung anbieten.
Wer allerdings wirklich etwas gegen die Zwangsprostitution tun will, muss etwas gegen die Kriege tun, die Menschenrechtsverletzungen und die Armut in den Herkunftsländern. Denn oft ist es die existentielle Not, die Frauen und junge Männer dazu bringt, jeden Strohhalm zu ergreifen, um Geld für die Familie zu beschaffen.
Darüber sollten wir, denke ich, in Zukunft noch deutlicher reden. Ich freue mich aber über den Bericht, den Herr Platvoet hier abgegeben hat; er ist eine gute Grundlage für weitere Diskussionen.
Axel FISCHER, Deutschland, EPP/CD / PPE/DC
(Dok. 11375)
Herr Präsident,
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Der vorgelegte Bericht über “Die Gefahren des Kreationismus in der Ausbildung”, sowie die darin enthaltenen Empfehlungen, verteidigen nicht unsere europäische Wissenschaft gegen Gefahren – im Gegenteil!
Würden wir den Empfehlungen folgen, dann würden wir Tür und Tor öffnen für vielfältige und willkürliche Eingriffe des Staates in unsere Wissenschaft.
Unser demokratisches, freiheitliches und pluralistisches Europa zeichnet sich ja gerade durch seine Vielfalt aus. Das friedliche Miteinander von Menschen aus vielen Ländern mit unterschiedlichen Vorstellungen bleibt die fruchtbare Basis für ein Europa des Fortschrittes, des Wohlstands und der schöpferischen Innovation.
Wenn wir das Bild einer freien, kreativen Wissenschaft für unser Europa im Auge haben, dann können wir nicht willkürlich Theorien verbieten oder diskreditieren. Denn so schwerwiegende Eingriffe in unsere Wissenschafts- und Bildungssysteme wie Forschungs- oder Lehrverbote bedürfen einer tragfähigen Begründung.
Und hier bleibt der Bericht die Rechtfertigung für ein solches Verbot als ultima ratio, als letzte Möglichkeit zur Beseitigung großer Gefahren, schuldig. Er erklärt nur unscharf, worin der Kreationismus nun eine große Bedrohung für die Menschenrechte darstellt; Vorredner haben das schon dargestellt.
Wo verhindert Kreationismus denn derzeit die Entwicklung von Arzneimitteln gegen Aids, wie im Bericht behauptet wird? Welche Schäden hat er angerichtet bzw. droht er konkret anzurichten? Auf all diese Fragen bleibt der Bericht konkrete Antworten schuldig.
Ebenso wenig gibt er eine befriedigende Antwort auf die Frage, welchen Nutzen unsere Kinder und wir letztlich davon haben, wenn wir diese Theorie verbieten, wenn wir sie nicht kennen lernen sollen, wenn wir diese von Staats wegen zwangsweise verschweigen.
Wenn der im Bericht aufgezeigte Handlungsbedarf bestünde, rechtfertigt er nicht so starke Eingriffe in die Bildungs- und Wissenschaftsinhalte wie ein Verbot oder die Ächtung bestimmter Theorien in Schulen.
Es wäre zunächst zu belegen, inwieweit tatsächlich eine kurze Darstellung von Überlegungen des Kreationismus oder anderer Theorien in Konkurrenz zur Evolutionstheorie wie des Intelligenten Designs im Biologieunterricht eine Gefahr für die weitere Entwicklung unserer Kinder darstellt.
Wenn dem nachgewiesenermaßen so sein sollte, müssten wir darauf aufbauend die Frage klären, ob wir eine solche Gefahr dadurch am besten beheben, wenn wir unseren Kindern die Existenz dieser Theorie in der Schule verschweigen.
Persönlich könnte ich mir eher vorstellen, dass eine kurze Auseinandersetzung mit den Schwächen dieser Theorie im Sinne einer Aufklärung sicherlich nützlicher wäre.
Meine Damen und Herren, sowohl die Evolutionstheorie, als auch die Kreationismustheorien sind Theorien, die uns helfen können, die Welt zu verstehen.
Papst Johannes Paul II. hat bereits Ende der 90er Jahre festgestellt, dass neue Erkenntnisse dazu beitragen, die Theorie der Evolution nicht mehr nur als eine reine Hypothese zu erachten. Gleichwohl ist die Evolutionstheorie noch weit davon entfernt, die Herkunft und Entwicklung der Menschheit oder die Entwicklungsgeschichte der gesamten Tier- und Pflanzenwelt erschöpfend erklären zu können.
Daraus erklären sich konkurrierende Theorien, von denen eine der Kreationismus ist. Heute neigt eine Vielzahl von Menschen eher den Hypothesen der einen oder der anderen Theorie zu. Vieles hat hier mit Glauben zu tun.
Ein großer negativer Einfluss des Kreationismus auf unser Wissenschaftssystem ist in dem Bericht nicht zu erkennen.
Deshalb lassen Sie uns die Chance ergreifen, diesen Bericht abzulehnen und einen neuen, ordentlichen Bericht zu erstellen.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.